Ein Hubschrauber, Muecken und Service

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Michael  I.  Tchaikovsky


               
 (Auszug aus der Novelle “Die Abenteuer der Ausl;nder in Westsibirien“)

   Ein Hubschrauber ist ein unbequemes Verkehrsmittel, weil es auch ohne Bequemlichkeiten und laermig ist und kein Vertrauen einfliesst. Man sagt, wenn er zu Boden faellt, so dreht es sich mit den Propellern nach unten um, und kein Wunder der Welt rettet die Maschine vor einer Katastrophe. Ich kann mir nicht vorstellen, was waehrend eines Absturzes die Menschen erleiden, die drinnen sind. Aber, beileufig gesagt, erzaehlte mir mein Bekannter, der als Hubschrauberflieger taetig ist, dass er einmal mit seinem Helikopter abzustuerzen angefangen hat, ist aber nicht zerbrochen. Er  fing den Hubschrauber ab und flog weiter. Als ich mir daran zu zweifeln erlaubt habe, zeigte er mir einen Zeitungsausschnitt ueber dieses Ereignis. Alles Gesagte erwies sich als wahr.

   Ein dreistuendiger Flug stand uns bevor. Es ist schwer, im Helikopter zu sprechen, man muss dem Gespraechspartner ins Ohr schreien, der aber auch nicht imstande ist, etwas zu erfassen. Ich gebe mir in solchen Faellen den Anschein, dass ich dem Kollegen aufmerksam verstaendnisvoll zuhoehre, als ob ich mit ihm einverstanden bin. Einem im Hubschrauber des Schlafens nicht gewohnten Menschen, wie einem Gewohnten ebenso auch, ist es nicht moeglich zu schlummern, das Lesen faellt schwer. Kein Vergnuegen. Es bleibt nun nichts anderes uebrig, als mit Geduld auf die Landung zu warten. Ich versuchte in einem populatren Computerbuch zu blaettern, Kfz-meister aus Celle Dieter sass nebenan, in einen Krimi vertieft, andere Jungs schauten unbeteiligt durch die Fenster hin, was ziemlich peinlich war, da die Sitze mit den Lehnen zu den „Schauloechern“ gewandt sind. Viele Burschen duseln oder geben den Anschein des Schlafens, ab und zu schlurft einer einen Schluck Mineralwasser aus einer Plastikflasche heraus, wonach fuer eine kurze Zeit das Gehoer in den durch dumpfes Getoese verstopfen Ohren wiederhergestellt wird und sich im Kopf etwas aufhellt.
   
  Wachsiedlung* Lowinka, wonach sich unsere Gedanken und Luftschrauben unserer Maschine richteten, liegt wer weiss wo, Hunderte Kilometer abseits von Uraj**, im Taigawalddickicht.Diese Siedlung besteht aus einer Wirtschaftsbasis, einem Dutzend zweistoeckiner Holzh;usern und einem Buero. Es gibt keine Spur von Lokalen und Gaststaetten, Kinos oder Dancings, sagt mir auch, wozu?  Die Leute arbeiten in einer Wachschicht, die aus fuenfzehn Arbeitstagen je zwoelf Stunden besteht, alle Gedanken sind nach der Arbeit auf Erholung gerichtet. Ein jeder wuenscht, sich zu waschen, satt zu essen und gut auszuschlafen.
   Unsere „ Aare“ packten immer eigenen guten Lebensmittelvorrat zusammen, meistens deutsche Konserven: Wurst, Schinken,  Marmelade, Fleisch, Butter, sogar Tee und Zucker. Das Geschirr hatten wir gewoehnlich unser eigenes. Vor der hiesigen Kantine ekelten wir nicht, besonders waehrend der Mittagspause, denn etwas Gares moechte ein jeder ausloeffeln.
   In diesem Anflug musste man dringend den Motor eines der schweren LKWs reparieren. Das technische Geheimnis dabei bestand darin, das die Fahrgestelle dieser Maschinerie in Deutschland (bei Mercedes, MAN), obere unmittelbar technologische Ausstattung in USA (Houston, Texas) hergestellt sind. Das Werkzeug und die fuer Reparatur notwendigen Ersatzteile haben wir in zwei gro;en und schweren Alukisten mitgebracht. Mit dem Kfz-Meister Dieter mussten ich als Dolmetscher und die Kraftfahrer-Operatoren Wassilij mit Nikolaj auf der Basis bleiben. Die Operatoren bedienten diesen LKW und hatten bei der Reparatur mitzuhelfen.

   Wir waren in einem Arbeiterwohnheim untergebracht, aus meiner Initiative in zwei Zimmern: in einem Zimmer fand ich mit den Fahrern Unterkunft, das andere bekam Dieter als Auslaender fuer sich allein. Kann sein, dass er mit uns zusammen verbleiben wollte.
   Nach einem kurzen Rundgang durch das Wohnheim, im „Barackenstil“ gebaut, erhielten wir bei der Waescheverwalterin Bettzeug, machten unsere Bette, legten unsere Sachen aus, und fingen an, uns einzuleben.
   Unser Zimmer betrat, Handtuch um die Schultern und Seife in der Hand, Dieter, der sich an mich wandte:
Warst du schon in der Toilette?
Noch nicht, -antwortete ich. – Will einstweilen nicht.
- Geh doch hin? – ratet Dieter. – Es muss interessant sein, -er ging listig schmunzelnd weg.
   Ich beschloss, auf seinen trueben Vorschlag einzugehen.
   Im Klo habe ich folgendes gewahrt: in einer engen Kabine, mit haesslichen gelbbraunen Spuren (nein, es war nicht das, woran sie gedacht haben: es war ein mit Eisen und Torf uebersaettigter Wasserueberschlag).Von oben herab hing ein abstossender, auch uralter, Rohreisenspuelkasten mit einer Drahtschlinge am Ende. Das Becken war ueberhaupt nicht befestigt. Zu seinen beiden Seiten lagen rote Ziegelsteine, die wahrscheinlich als Stuetzen, als Streben fuer dieses Meisterwerk der kanaltechnischen Idee dienten.
   Verbluefft entdeckte ich noch ein Drahtstueck, das direkt von der Decke herabhing, wo ein Nagel eingeschlagen war. Meine ganze Auffassungsgabe hervorgerufen, erriet ich, dass dieser Draht zum Zweck der Unzulaessigkeit des Umkippens vom Toilettenbecken der Person benutzt, die es wagt, darauf geklettert zu haben. So was konnte nur der erfinden, wer ueber eine wilde Phantasie verfuegt. Ich schatmte mich nicht: es gibt ja so viele Lagerstaetten, die mit den Klosetten von  dem „Scheissbudentyp“ ausgestattet sind!
   Am Abend erwartete uns eine neue Entdeckung. In der Dusche. Es fehlten dort: Schlauch, Ventil, Zerstraeuber. Das Wasser floss direkt aus dem Rohr bald in einem duennen Strahl, bald wie ein Wasserfall; und mit einer Druck- und Wassertemperaturregelung klappte es nicht. Eine Putzfrau schrie uns aus dem Korridor:
Man muss eigene Schl;uche mitbringen! So machen doch alle! Und in der zweiten Duschekabine laesst das Wasser erst mal abfliessen, sonst bekommt ihr eure Haare voll Rost!
   Wir folgten einsinnig dem Rat. Erfahrene Putzfrau hatte Recht: rostiger Strom ueberflutete das Fussbodengitter und Gummiteppiche der Dusche, wir waren gezwungen, das Wasser mehrmals durchstroemen zu lassen, bis die Rostreste vollkommen verschwanden. Einige aber hoerten nicht  aufmerksam genug zu und wuschen mit Fluchen rotbraunen Plunder von den Koepfen und Koerpern herab.
    Zum Abendessen hatten wir Wodka und gingen ziemlich spatt schlafen.
    Drueckende Hitze im Zimmer, am gluehenden Tage erhitzt, war unvollstellbar unertraeglich. Wir bedeckten uns mit Bettlacken, die Klappfenster standen weit geoeffnet. Das war unser fataler Fehler! Der Raum fuellte sich mit Muckenstaffeln, die ohne Verzoegerung gegen uns mit blutiger Begierde vorflogen. Die Angriffe, einer nach dem anderen, dauerten die ganze Nacht hindurch. Am Morgen betrachteten wir unsere zerkratzten Fratzen, Haende und Fuesse, die mit Blasen und Aufschuerfungen bedeckt waren und unertratglich juckten: wenn du dich in der Nacht bis auf den Kopf bedeckst, bleiben die Fuesse nicht geschuetzt, versteckst du deine Fuesse, so wird dein Kopf zum Anschlagobjekt der blutsaugenden Kreaturen. Entsprechende Schutzmittel hatten wir alle mit, keiner aber bedenkt der Salben und Fluessigkeiten, aus lauter Faulenz. Oder hatten wir alle einen Schwips?
               
   Am Morgen wurde es im Zimmer leichter zu atmen, noch besser fuehlten wir uns draussen. Milder Wind vertrieb das Ungeziefer, und die uebliche Arbeitsfaehigkeit mit der Beweglichkeit kehrte zu uns wieder zurueck. In der Werkstatt war es ueberhaupt fein: kuehl, halbdunkel, es riech nach Oel und Dieselkraftstoff. Das vertrieb aus irgendeinem Grunde die Moskitos weg.
   Die Bremsen und eine andere Art dieser Hautflueger (Gad-flay, engl.) sind weniger gefaehrlich, weil sie nicht so zahlreich sind, man hoert sie von weitem mit einem eigenartigen Getoese eines sich naehernden Bombers anfliegen. Ich und Kraftfahrer Wassilij vernichteten um die Wette diese „B-airkrafts“ auf dem Hubschrauberlandeplatz. Ich gewann bei 15 zu 9.
   Hinter dem Landeplatz fanden wir beim Warten und waehrend der Angriffen von Moskitos und anderer fliegenden Ungeheuer eine kleine See, die offensichtlich an der Stelle einer Sandgrube entstanden hat. Natuerlich als gepflegt duerfte man diese Riesenpfuetze nicht bezeichnen: aus dem reinen und durchsichtigen Wasser steckten kahle Baumknorren, Senkhoelzer, das Gras aller Art ragte dort heraus. Wir, Wassilij, Nikolaj und ich, plantschten mit Vergn;gen in kuehlen Gewaessern. Obwohl es kein Suedmeer war, sind wir daran gewoehnt, aus jeder Bademoeglichkeit Nutzen zu ziehen. Dieter aber ging in weiser Voraussicht auf eine Anhoehe, wo sich ein erfrischendes Windlein besser wehån spuerte. Selbstverstaendlich sind solche Schwimmbaeder fuer ihn nicht gewohnheitsmaessig, als auch unbekannter Wasserboden, quer aus dem Wasser steckende Holzstaemme,..., îbwohl Dieter mit uns zusammen Wodka aus den Mayonnaiseglaesern getrunken und verschiedene Lebensmittel mit Aluloeffeln und Gabeln in den Arbeiterhuetten und Lagerstaettenkantinen gegessen hat.
   Macht nichts, - in der Zukunft steht uns eine unzaehlige Menge solcher Reisen bevor, wo Dieter mit uns zusammen in unbekannten Gewaessern baden, sich wie wir alle, primitiv und anspruchslos, amuesieren wird. Kurz gesagt, nimmt er wie Gebaehrendes unsere Lebensweise in den weit von der Zivilisation entfernten Bedingungen wahr.

Wacharbeit* - wenn die Leute 15 Tage je 12 Stunden arbeiten, wonach sie 15 Tage Urlaub machen und zu Hause bleiben.
Uraj**  - eine der Staedte des LUKOIL-Konzerns, mehr als 1000 km von Kogalym und gegen 5500 km von Moskau entfernt.