Mit dem Buessing auf Fernfahrt
A. Einleitung
B. Ausfuehrung
a) Meine erste Fernfahrt
b) Erlebnisse und Eindrucke in Sueddeutschland
c) Das Strassennetz in Deutschland
d) Der Kampf: Schiene oder Strasse
C. Schlusswart
Einleitung
Durch den Welthafen Hamburg ist meine Heimatstadt Harburg, der suedlichste Ortsteil der groessten deutschen Hansestadt, zu einem grossen Umschlagsplatz fuer Sued, - West -, Mitteldeutschland ______ fuer Niedersachsen geworden. Aller Gueter, die aus suedlichen oder westlichen Teilen Deutschlands nach Hamburg verladen werden, werden ueber Harburg wiederbefoerdert, um in Hamburg auf die Schiene verladen zu werden. Dieses trifft sowohl auf den LKW und Bahnverkehr wie auf dem Verkehr auf den Binnenwasser strassen zu. Harburg, das groesste Industriezentrum Hamburgs, ist also Drehscheibe im gesamten Verkehr zwischen Sued- und West- Deutschland und der Hansestadt, dem „Tor zur Welt“, wie es oft genannt wird.
In dieser Arbeit moechte ich nun aber nicht ueber den Gueternahverkehr per Bahn, LKW oder Schiff schreiben, sondern ueber meine Eindruecke und Erlebnisse, die ich selbst bei Fahrten mit dem LKW durch Deutschland gehabt habe.
Ich moechte dann auch ueber den Bau und die heutige Verfassung der Autobahnen und Bundesstrassen, sowie ueber den im Jahre 1954 entstandenen Streit zwischen „Schiene und Strasse“, ueber den man in den deutschen Zeitungen viel diskutiert hat, schreiben.
Meine erste Fernfahrt
Ich hatte Schulferien. Mein Bruder, der in all seinen Ferien mit Kameraden irgendwo in der naeheren oder weiteren Umgebung in einem Ferienlager war, startete in diesem Jahre zu einer Radtour nach Sueddeutschland. Als Schwester mit ihrem Turnverein verreiste, bat ich meinen Vater, mich doch einmal mit dem Laster mitzunehmen. Da ich ja nun ganz allein mit meinen Eltern zu Hause war und fuer mich keine Gelegenheit aus Harburg herauszukommen bestand, schlug mir mein Vater die Bitte nicht ab.
Bei schoenem Wetter sollte ich aber eine Fahrt mitmachen.
Der Wagen, mit dem mein Vater faehrt, ist ein Buessing. Die sechs Zylinder des Motors leisten 150PS und entwickeln eine Hoechstgeschwindigkeit von 72 km/std.
Der Maschinen – Wagen sowie der Anhaenger haben eine Breite vom 2,30 m. Waehrend der Anhaenger eine Laenge von nur 7,50 m hat, betraegt gesamtlange des Maschinen – Wagens 9 m. Davon sind jedoch nur 5,50 m Lageflaeche, 1,50 m Fuehrerhausplatz und 2 m Kuehlerhaube mit Stoss – oder Begrenzungsstange.
Die Laenge der ganzen Zuges betraegt 18 m, da wir zu den Laengen von Maschinen – Wagen und Anhaenger noch die spanne der Zuggabel rechnen muessen, sie ist 1.50 m lang.
Die Schlafkabine ist direkt an das Fuehrerhaus angebaut und von diesem nur durch einen Vorhang getrennt. Diese, mit Schlafmatratze und elektrischem Licht sehr behaglich ausgestattete Schlafkabine greif jedoch auf die Ladeflaeche ueber, so dass der Platz fuer die Fracht um 1.10 m verringert wird.
Der Fahrer findet im dieser Kabine wirklich Erholung. Ein Laie, der ein – bis zweimal eine Fernfahrt unternimmt, wird nicht sofort schlafen koennen, das Motorengeraeusch und des ewige schuetteln im Wagen machte ihm vielleicht Schwierigkeiten. Den Fahrer aber stoert das Motorengeraeusch nicht mehr, und er kann dabei schlafen.
Der allgemein hoechstzulaessige Druck auf eine Achse des Lasters oder Haengers betraegt 8A. Das Eigengewicht des Maschinen – Wagens betraegt 7 A. Die zulaessige Tragfaehigkeit fuer diesen Wagen sind 7A, sein Achsendruck betraegt ebenfalls 7A. Der Anhaenger dagegen hat ein Eigengewicht von 4,5A und ist f;r 11.5 AQ Tragkraft zugelassen, der Achsendruck ist gier also auch nicht hoeher als 8A.
Bevor wir den Hof verlie;en, kontrollierte mein Vater, ob er genuegend Kraftstoff im Tank hatte und ob der Oelstand im Motorengehaeuse ausreichend war. Dann ueberzeugte er sich ueber den Luftdruck im Reifen und dem Stand des Kuehlerwassers, das staendig die Zylinder kuehlt. Zum Schluss folgte die wichtigste Pruefung: das Kontrollieren der Bremsen, und dann verlieSen wir endlich den Hof.
Die Ladung bestand aus Oel in Faessern und sollte von Harburg per LKW nach Wuppertal – Barmen im Reinland transportiert werden. Obwohl es hier am Abfahrtstage sehr warm war, musste ich einen Pullover mit langen Aermeln anziehen und auSerdem noch Jacke mitnehmen. Wir fuehren am spaeten Nachmittag hier ab, um am naechsten Morgen am Empfangsart abzuladen. Bis zum Dunkelwerden durfte ich im Fuehrerhaus sitzen.
Wir fuehren in Harburg auf die Brehmerbhaussee, dann ueber Soltau, Rotenburg, belle nach Hannover auf der BundesstraSe. Zu einem groSen Teil fuehrte diese StraSe durch die Heide. Doch die Heide stand zu dieser Zeit noch nicht in Bluete, so dass ich mich viel mehr an den alten Schafstollen, die mit ihren groSen Strohdaechern noch heute zum Landschaftsbild der Heide gehoeren, erfreuen konnte. Wo die Heide an die StraSe grenzte, sah ich vereinzelt die tiefensputzehn der Panzerketten. Zu meinem erschrecken sah ich einmal, wie ein Panzer mit einem Schwerlasthaenger von der Heideflaeche fuhr und tiefe Tuerchen hinterlieS. In diesem Augenblick dachte ich daran, wie gut es waere, wenn ein Naturschutzgesetz auch den Besatzungstruppen verbieten wuerde, mit den schweren Panzern durch das Naturschutzgebiet von Norddeutschland zu fahren.
Die Autobahn zwischen Hamburg und Hannover ist noch nicht hergestellt, und da jeglicher Verkehr zwischen Norden und Sueden ueber die BundesstraSe abgewickelt werden muss, war es eine wichtige Aufgabe nicht nur der beteiligten Laender, sondern der gesamten Bundesrepublik, diese StraSe in besten Zustand zu halten.
Dieses ist den Beteiligten gelungen, zumal hierdurch nicht nur der Handel im Bundesgebiet, sondern auch der Touristenverkehr von Schweden, Norwegen und Daenemark zum Sueden Europas gefoerdert wird und der Regierung zusaetzlich Devisen bringt.
Die Fahrt fuehrte ins Rheinland. Es war meinen Vater nur eine kleinere Reise, doch fuer mich war es mehr. Ich sollte mich an das Fahren, auch als Beifahrer gewoehnen, und es sollte sich herausstellen, ob ich einmal auf eine noch groeSere Fahrt nach Sueddeutschland mit fahren koennte. Im Stadtverkehr war ich oft mit meinem Vater gefahren, er fuhr damals noch einen kleinen Borgward. Wenn mein Vater meine Schwester und mich im Stadtverkehr mitnahm, war es immer sehr schoen. Beim Abladen durften wir uns fuer kurze Zeit die Beine vertreten oder einmal mit auf die Rampe. Manchmal blieben wir auch im Auto sitzen und probierten, welcher Hebel den Winker betaetigte oder ob die Hupe auch in Ordnung waere, wenn der Wagen und der Motor still standen.
Allmaehlich gewoehnte ich mich an das ewige Vibrieren des Wagens. Es wurde dunkel und kuehl. Ich merkte, wie gut es war, dass ich die Jacke mitgenommen hatte. Als wir losfuhren, war die Jacke unnutzer Ballast, aber ich freute mich doch, dass ich auf meinen Vater gehoert hatte. Meine Mutter hatte mir noch einen Rock und einen zweiten Pullover eingepackt; aber im Laster war die lange Hose doch viel praktischer. Gegen Morgen naeherten wir uns unserem Ziele, dem „Kohlenpott“, wie das Ruhrgebiet auch genannt wird.
Bei Herne verlieSen wir die Autobahn und wollten nun ueber Bochum nach Wuppertal – Eberfeld. Bei schoenem Wetter fuhren wir nach Bochum hinein. Obwohl ich mir von diesem Industriestaedten nicht viel versprochen hatte, so war ich doch etwas enttaeuscht. Gewiss, ich fand die Haeuser und StraSen genau wie in Harburg vor; aber trotzdem war hier, wie in allen anderen Staedten in dem wohl groeSten Industriezentrum, irgendetwas anders. Von der Autobahn und der HauptstraSe nach Bochum aus sah ich schon die vielen Fordertuerme und die Loren, die die Kohlen aus der Zeche zu einem Verladebahnhof der Bundesbahn brachten. Der feine Kohlenstaub, der den aelteren Bergleuten sehr viel Schwierigkeiten macht, der sich in den Lungen festsetzt, geht auch hier an den Staedten nicht spurlos vorueber, so dass die Haeuser sowie alle anderen Gegenstaende in diesem gebiet immer mit einer, wenn auch bauchduennen Decke, von Kohlenstaub ueberzogen sind und nie eine klare, reine Farbe hervortreten lassen.
Von Bochum ging es dann ueber die Berge des Sauerlandes nach Wuppertal. Hier hatte ich eine gute Stunde Zeit, um mir die Stadt anzusehen. Mein Vater besorgte das Abladen. Er laest niemanden auf den Wagen, sondern rollt selber die Faesser bis an die Rampe, wo sie von den Fabrikarbeitern oder einem Heberwerk weiter befoerdert werden. Bei kleinem Betrieben, an die er nur zwei bis drei Faesser liefert, laesst mein Vater die Faesser auf einem alten Gummireifen, den er dafuer bereit hat, fallen, er rollt sie dann selber in den Keller oder sonstigen Aufbewahrungsort. Mein Wunsch war es, ein mal mit der bekannten Wuppertaler Schwebebahn zu fahren, jedoch hatte ich keine Zeit dazu, denn unsere Abladestelle war sehr weit hiervon entfernt, und so benoetige ich fast 50 Minuten f;r den An- und Abmarsch zu einer der groeSten Sehenswuerdigkeiten des Ruhrgebiet, der Schwebebahn.
Als ich zu meinem Vater nach der Abladestalle zurueckkehrte, war der Lastzug bereit entladen. So ging wir dann gemeinsam zum Essen.
Auf der Rueckfahrt fragte mein Vater, wie es mir gefallen haette. Diese Frage war eine Gelegenheit, mir meine naechste Fahrt zu sichern. Es gelang mir auch, und ich durfte mich bald fuer eine noch groeSere Fahrt nach Sueddeutschland bereit machen.
Erlebnisse und Eindruecke in Sueddeutschland.
Auch die groSe Tour nach Sueddeutschland fuhr ich in einem Buessing. Die groSen Buessingwerke befinden sich in Braunschweig. Alle Buessing – Fahrzeuge tragen an der Motorhabe das Wappen der Stadt Braunschweig, den Loewen. Der Wunsch, einmal dieses Werk, das ausschlieSlich Laster baut, zu besichtigen oder die riesigen Gebaeude wenigstens zu sehen, ist mir bis jetzt nicht erfuellt worden. Braunschweig liegt zu weit oestlich der Autobahn.
Unsere Reiseroute ging von Hamburg ueber die Bremer Chaussee, durch Soltau, Celle, ueber Hannover, Goettingen, Bebra, Fulda, Frankfurt a. Main, dann auf die Autobahn nach Bruchsal, von hier auf die BundesstraSe ueber Bretten nach Stuttgart und weiter suedwaerts nach Muenchen.
In Muenchen hatten wir abzuladen. Der Empfangsort lag in der Naehe der Liebfrauenkirche. Ueber die Haeuserdaecher hinweg konnte ich die Tuerme der Kirche schon, bevor wir in die Stadt fuhren, sehen.
Als wir in Muenchen in einer Gastube saSen, gesellte sich ein aelterer Muenchner zu uns. Er bestellte sich erst einmal sein Bier, ein Liter, und erzaehlte uns dann, dass er in seinem ganzen Leben noch nicht mit der Dampfbahn gefahren sei und darum auch nie weiter von seinem Heimatstadt entfernt gewesen sei, als er mit seinem Rad an einem Tage haette fahren koennen. Seine bayrische Landeshauptstadt kenne er aber um so besser. Ich hatte bei seinem Erzaehlungen sehr viel Schwierigkeiten, hoerte ich doch zum ersten Male einen Sueddeutschen ein Original – Bayrisch sprechen.
Nachdem wir in der Naehe der Liebfrauenkirche abgeladen hatte, fuhr mein Vater mir noch eine kurze Zeit an der Isar entlang, wir fuehren der Isar entgegen. Auf der gegenueberliegenden Seite dieses Flusses liegt wohl eine der bekanntesten Muenchner Bauten, das Deutsche Museum, welches von der StraSe durch mehrere Bruecken zu erreichen ist.
Wir mussten weiter nach Sigmaringen ist ein kleines Staedtchen in Hohenzollern. Hier finden wir noch die schmalen, winkligen StraSen, in denen es noch ruhiger ist als in den Grosstaedten. Neben neueren Bauten standen noch die kleinen alten Haeuser. Auch der Autoverkehr ging nur ueber die HauptstraSe der Stadt und war sehr gering. Als ich fuer kurze Zeit durch Sigmaringen ging, um noch Obst und ein paar Broetchen einzukaufen – mein Vater war beim Abladen – sah ich an keinem Haus eine elektrische Lichtreklame. Die Menschen auf der StraSe haben hier noch Zeit, ein paar Worte zu wechseln, man empfindet einmal die Ruhe, von der bei uns im Hause eigentlich nur noch die Oma erzaehlt.
An manchen AutostraSen zogen sich an einer oder zu beiden Seiten Felder entlang. Es sah herrlich aus, die gelben Farben der reifenden Kornfelder neben den sattgruenen Weisen im Bergland. An sattgruenen Wiesen im Bergland. An vielen Stellen in Sueddeutschland sah ich die Kruzifixe waren fast immer mit frischen Wiesen- und Feldblumen, die man zur Zeit in der Natur findet, geschmueckt.
Es war schon dunkel, als wir wieder auf die Autobahn № 10 fuhren. In der Dunkelheit sahen wir auf der AutostraSe die Lampen eines uns entgegengesetzt stehenden Autos. Die Transparentbeleuchtung und die oberen seitlich angebrachten Fuehrerhauslampen verrieten uns, dass es ein LKW war. Beim Naeherkommen bemerkten wir, wie vor uns eine Faschenlampe im Kreise geschwenkt wurde. Hierauf bremste mein Vater des parkenden Wagens. Mein Vater verlieS den Laster, ich kletterte aus der Kabine und sprang dann ebenfalls aus dem Auto. Ich hoerte, wie der Fahrer des fremden Lastzuges meinem Vater erzaehlte, dass er keinen Brennstoff mehr haette, um die naechste Tankstelle zu erreichen. Er wusste sich keinen Rat, da er auch keinen Beifahrer, sondern seine Frau als Begleiterin habe mitgenommen. Wir halfen ihm dann mit etwas Brennstoff aus. Genau so haette es uns einmal ergehen koennen, vielleicht haette dann auch uns ein Fremder aus dieser Not geholfen.
Dieses ist nur Beispiel fuer die Kameradschaft unter den Fahrern. Besonders in den Gaststaetten fuer Fernfahrer erlebte ich diese groSe Gemeinschaft und Kameradschaft. In dieser Raststaetten setzt sich nicht jeder Fahrer allein an einen Tisch, sondern wo ein leerer Platz ist, wird sich hingesetzt. So saSen wir immer mit Fahrern aus anderen Staedten zusammen. Die Fahrer duzen sich entereinender, selbst dem Wird fiel es nicht ein, seine Gaeste mit „Sie“ anzusprechen. Auch ist die Stimmungen in den Gaststaetten sehr heiter. Die „Kapitaene der LandstraSe“ tauschen bei solchen Gelegenheiten gegenseitig ihre Erlebnisse aus.
Der Rest unserer Ladung sollte nun nach Stuttgart, der heutigen Landeshauptstadt von Wuerttemberg – Baden, transportiert werden. Wir trafen in den Mittagsstunden an unserem letzten Abladeortein, um danach in Richtig Harburg zurueckzufahren.
Von der Autobahn gelangten wir auf eine moderne AutostraSe, die ungefaehr so breit war wie die AusfallstraSen in Hamburg oder Hannover. Zu beiden Seiten standen zwei- und dreistoeckige Haeuser. Trotz Naehe der Autobahn war der Verkehr hier nicht sehr start. Hinter einer Biegung der StraSe war an der einem StraSenseite ein Gitter, waehrend sich auf der anderen StraSenseiten Weinberg entlangzogen. Sie waren stufenfoermig angelegt, und an den Reben hingen schon die ersten noch unreifen Fruechte. Mein Vater fuhr ganz langsam und lieS mich aussteigen. Ich ging ans Gitter der StraSe und hatte nun einen herrlichen Blick auf Stuttgart, wie es herrlich im Tal eingebettet war. Ich konnte von hier aus die ganze Stadt sehen, wie sie ruhig in einem leichten grauen Schleier lag. Ich konnte keine Autos dort unten fahren sehen. Um so erstaunter war ich, als ich nachher an der, Neuen Weinsteige, einer bekannten Stuttgarter AusfallstraSe, die mit groSem Gefaelle in die Stadt fuehrt, so viele Fahrzeuge zu sehen bekam. Ich fuehlte mich ploetzlich wie in Harburg. Autos rasten hier durch die StraSen und Lichtreklamen leuchteten an den Waenden groSer Geschaeftshaeuser wie in Hamburg und anderen Staedten. Aber wie auch in Muenchen und ueberhaupt in Sueddeutschland fuhren hier aeltere Modelle der StraSenbahnen. Mein Vater hatte in einer NebenstraSe geparkt und noch ein paar Kleinigkeiten eingekauft. Wir stiegen wieder ein und fuhren zu unserem Abladeort. Durch das Stadtzentrum ging es bis ans andere Ende der Stadt. Hier luden wir volle Faesser ab, nahmen leere Behaelter wieder auf und verlieSen Stuttgart gegen Abend.
Wir waren die Nacht hindurch gefahren und erreichten gegen Morgen Frankfurt a/M. Bevor wir die Autobahn Bruchsal – Frankfurt wieder verlieSen, konnte ich die modernsten Verkehrsmittel der Welt bewundern. Zum erster male in meinem Leben sah ich ein Flugzeug, des gerade auf der Rollbahn zum Start ansetzte. Die Maschine, die dann in geringer Hoehe ueber uns hinwegflog, hatte amerikanische Hoheitszeichen.
Das Rollfeld eines der groeSten deutschen Flughaefen ist von der Autobahn nur durch einen etwa zwei Meter hohen Drahtzaun abgegrenzt. Auf diesem Teil der Autobahn ist es jedem Fahrer verboten, seinen Wagen zu stoppen. Es darf hier niemand halten, um eventuell beim Start oder der Landung einer Maschine zuzuschauen.
Wir fuhren dann von der Autobahn hinunter, durch Frankfurt, Offenbach nach Fulda. Hier kehrten wir ein zum Mittagessen, und ich hatte einen amuesanten Zwischenfall. Als ich aus dem Waschraum in die Gaststube trat, hatte mein Vater schon eine Suppe fuer uns bestellt. Ich blickte mich in der Gaststube um und sah, wie ein gutgekleideter Herr in seinen Taschen etwas suchte. Auf einem nebenstehenden Stuhl lagen schon verschiedene Dinge, und ich war ueberrascht zu sehen, was in den Hosentaschen der Maenner seine Aufbewahrung findet. Waehrend ich meine Suppe aS, blickte ich dann und wann einmal verstohlen zu dem Herrn hinueber. Er sucht immer noch, aber ohne Erfolg. Kurz darauf verabschiedete sich der Herr und verlieS die Gaststaette. Der Wirt ging schmunzelnd ans Fenster. Nach kurzer Zeit oeffnete er abermals die Tuer, und der Herr trat wieder ein. Er suchte noch immer und blickte auf den Boden in der Hoffnung, das scheinbar Verlorene dort wieder zu finden. Dann fragte er den Wirt, ob dieser seinen Autoschluessel gefunden habe. Darauf ging der Wirt zur Garderobe und holte einen Mantel und half seinem Gast beim Anziehen. Scherzend sagte er dann: „Nehmen’s ihn nur mit, ich pass’ doch mit nein!“ Der Herr schuettelte ueber seine Zerstreutheit nur den Kopf, griff in die Tasche und ist es jetzt moeglich, groeSere Entfernungen in kuerzester Zeit zurueckzulegen, weil die Autobahnen fuer Pferdefuhrwerke und Radfahrer, die keinen fluessigen Verkehr zulassen, gesperrt sind. Durch die vielen Bruecken und Unterfuehrungen der Autobahn ist jeglicher Kreuzverkehr ausgeschaltet, so dass die Gefahrenmomente auf ein MindestmaS reduziert sind.
Nach dem zweiten Weltkrieg hat jedoch der LKW – Verkehr sehr groSe AusmaSe angenommen, so dass die BundesstraSen jetzt schon weiter total ueberlastet sind und sich die Reduzung gezwungen sieht, das Autobahnnetz zu erweitern und ihre Aufmerksamkeit dazu ebenfalls auf die BundesstraSen Deutschlands zu lenken.
Der Kampf: Schiene oder StraSe
Der Kampf zwischen den Fuhrunternehmern und der deutschen Eisenbahn bestand schon in den Jahren vor dem zweiten Weltkrieg. Jedoch waren zur Zeit die Gegensaetze noch nicht so stark, der LKW wurde erst eine Konkurrenz fuer den Schienenverkehr und es gab noch nicht so viele Lastwagen in der Privatwirtschaft. Aber es kam der Zusammenbruch und die Teilung Deutschlands und die Bundesrepublik wurde uebervoelkert, als viele ostdeutsche Fuhrunternehmer und andere Geschaeftsleute nach Westdeutschland fluechteten, wurde der Laster langsam zu einer drohenden Gefahr fuer die jetzige Bundesbahn.
Da das Schienennetz im allgemeinen in Deutschland noch nicht so ausgepraegt ist wie in Belgien, mit dem wohl nur das Ruhrgebiet mit seinem zwoelf Kilometer Schienen je Quadratkilometer zu vergleichen ist, wurde der LKW – Fernverkehr, der nicht von Schienen abhaengig ist, bevorzugt. Der Laster ist im freien Verkehr also wesentlich vorteilhafter, und so haben sich dann auch viele Betriebe ganz oder zum Teil auf Lastwagentransporte umgestellt. Der Deutschen Bundesbahn gingen also diese Frachten, auf denen der groeSte Verdienst lag, vielfach verloren. Die Bundesbahn hatte nun meistens nur noch Massengueter zu transportieren und hatte darum natuerlich nicht die Mittel, um die schweren Schaeden aus der Kriegszeit, die Wiederherstellung und das staendige Ueberholen des Schienennetzes und die Anschaffungen fuer einen neuen Wagen- und Lokomotivpark zu finanzieren.
Da die Eisenbahn schon seit sehr lange Zeit verstaatlicht ist, wurde sie genau wie andere staatliche Betriebe mit einem Teil der Schulden des verlorenen Krieges belegt.
Obwohl man diese Tatsachen bedenken muss, wenn man ueber den Streit zwischen Schiene und StraSe spricht, so glaube ich doch, dass man nicht einfach verschiedene Gueter fuer den Transport mit Lastern sperren kann. Denn oft sind f;r den Transport der zur Sperre vorgeschlagenen Gueter Spezialwagen mit besonderen Vorrichtungen noetig. Auf solche Lastzuege haben sich daraufhin viele Fuhrunternehmer, wenn sie einen Vertrag von Firmen erhalten hatten, umgestellt.
Wenn ein solches Transportgesetz von der Regierung gebilligt und durchgefuehrt wuerde, gaebe es mit sofortiger Wirkung viele Arbeitlose. Die Spezialwagen waeren dann ueberfluessig und muessten umgebaut werden. Diese zusaetzlichen Kosten, sowie die Sorge um neue Ladungen w;rden in Kreisen der Unternehmer und Arbeiter groSe Unruhen verursachen.
Ich glaube, dass man dieses Gesetz nicht durchfuehren kann, und so muessen wohl weitere Verhandlungen gefuehrt werden, um eine Loesung dieses Problems zu erreichen.
Schlusswort
Da mein Vater selbst Fahrer eines Lastzuges ist, boten sich mir guenstige Gelegenheiten, mit dem Auto durch viele Teile Deutschlands zu fahren.
Aus finanziellen gruenden haette ich sonst solche Reisen gar nicht unternehmen koennen.
Wenn mir in den einzelnen Staedten oft sehr wenig Zeit zu Besichtigungen blieb, so habe ich doch viele gute Reiseeindruecke gewonnen, an die ich mich gerne erinnere.
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