Sean besessen?

Посвящается верхней губе Шона Пенна и адресуется вниманию любителей немецкого языка.  Кто не понимает немецкого языка, либо прелести поклонения отдельным, достойным того частям тела - извиняйте.) Буду рада отзывам, естественно, только положительным)).


Sean besessen?

Die Filmtitel stiegen noch zur Decke wie der letzte Rauch ueber vergluehendem Feuer als sie sich draussen schon eine Zigarette anzuendete. Ihr Ehemann war noch auf der Toilette und das gab ihr die paar Minuten, um sich einfach gedankenlos den milden, noch warmen abendlichen Wind ins Gesicht wehen zu lassen. Sie hatte mal irgendwo gehoert, dass Wind die Aura reinigen wuerde. In diesem Moment waere sie am liebsten in die Mitte der Bruecke hinaufgegangen, die zu ihrer rechten war, und haette die Arme ausgestreckt, dem Wind entgegen, die Augen zu und die Lunge auf. Stattdessen warf sie die Zigarette in die Ecke. Bloss nicht auffallen, immer schoen adaequat sein. So war sie. Obwohl sie sich schon desoefteren die Frage gestellt hat, was den Begriff „adaequat“ denn eigentlich ausmacht, wenn ein Verhalten, bei dem man sich eine Zigarette anzuendet, anstatt lauthals zu schreien, wie es der innere Zustand eigentlich verlangte, adaequates Verhalten genannt wird. Dennoch, was nicht als adaequat empfunden wurde, wurde normalerweise gar nicht empfunden. Ausser heute.

Auf dem Heimweg wurde kaum gesprochen. Was sollte sie, die sonst sehr gern fast ununterbrochen quasselte, jetzt auch sagen? Dass ihr im Bauch so mulmig war, als wollte sie sich permanent uebergeben? Dass sie die Kraefte, die den Menschen die Demut lehren, noch nie als so belastend empfunden hatte wie heute? Dass ihre Eingeweide unter dieser Ungerechtigkeit zu platzen drohten? Ihr Ehemann, so liebevoll und fuersorglich er immer war, haette sofort gefragt, was los sei und auf diese Frage haette sie selbst keine Antwort gewusst. Sie wusste nur, sie kannte dieses Gefuehl irgendwoher, und sie wusste, dass sie schon damals damit nicht zurecht gekommen war.

Gefuehle verstand sie immer gern als Exekutive ihres Verstands. Jedes Mal, wenn die Gefuehle ihren Imperativ ueber ihre sonst streng kontrollierte Physiologie behaupteten, war sie, gelinde gesagt, entsetzt. Dass es offenbar Dinge gab, die sich ihrer Kontrolle schlicht weg entzogen, machte ihr irgendwie Angst und beschaemte sie auf einer ganz tiefen Ebene. Und doch spuerte sie, dass genau da die Antwort auf solche Fragen war, wie „Warum?“, „Woher?“ und „Wofuer?“. Fragen, die ihr ueberbewerteter Verstand in all den Jahren einfach nicht zu beantworten wusste.

Erst spaeter am Abend, nachdem sie eine ganze Weile hellwach im Bett gelegen hatte, war sie soweit, zu ihrem Tagebuch zu greifen und sich einfach vom Kugelschreiber fuehren zu lassen, denn ihr Verstand hatte die Fuehrungsfunktion fuer heute endgueltig aufgegeben, und ein Stueck weit ahnte sie bereits, dass dieses seltsame innerliche Geschehen von einer Tragweite sein wuerde, die weit ueber eine Nachwirkung im hier und heute und „dem morgen danach“ hinausging.

Hin und wieder sah sie verstohlen zu ihrem Ehemann herueber, wie er mit offenem Mund da lag und vor sich hin schnaufte und schrieb, schrieb. Die Worte bedurften keiner Formulierung, sie legten sich einfach aufs Papier und malten selbstaendig ein Bild einer Seele, die von einer wahnsinnigen, so gnadenlos wie ploetzlich ins Bewusstsein gestiegenen Sehnsucht vollkommen verwuestet war. Der Kugelschreiber riss das, was sie als Individuum ausmachte, fort, und trug sie rasant hinunter, ins Innerste ihres Wesens, in eine Tiefe, in der seine Grenzen nicht mehr klar definierbar waren.

„Das sind keine Lippen – es ist der fleischgewordene Inbegriff der Lust. Seine Unterlippe mit dem Daumen herunterziehen, so dass die untere Zahnreihe offen gelegt wird und dabei spueren, wie man sich selbst so stark in die Unterlippe beisst, dass sie blutig wird. Das Blut nach innen rinnen spueren, wie es den Mund mit seinem urigen salzigen Geschmack fuellt, und feststellen, dass es gar nicht wehtut, denn niemals koennte etwas mehr wehtun, als die Vorstellung, dass es diese Lippen gibt und sie nicht beruehrt, nicht gekuesst werden koennen, sie nie eine feine feuchte Spur auf der Haut hinterlassen koennten, auf ihrem langen Weg in die Untergruende, wo keine Regeln mehr gelten, wo oben und unten gleich sind, von wo man in eine Dimension gelangt, in der raeumliche und gesellschaftliche Distanz keine Rolle mehr spielt, wo nur der einende Geist zuhause ist und der scheidende, dem wir all die Schmerzen der Entzweiung verdanken und all das Streben nach der Vereinigung, keinen Zutritt mehr hat.

Ein Blick auf seine Oberlippe und die beiden Kraefte schmelzen zu einander hin als wollten sie sich auch vermaehlen und zermahlen und in einander hineinmengen und sich die Seele verbrennen. Oh, Gott, meine Seelenhaut brennt! Vermaledeites Defaekat, ruft mal jemand die Feuerwehr?! Gott, warum erlegst Du einem Menschen so etwas auf? Bist Du goettlich gnaedig, weil Du uns diesen Anblick ueberhaupt gewaehrst oder doch teuflisch ungnaedig, weil Du das suendhafteste der Verlangen nach etwas weckst, was Du einem eh vorenthalten willst? Wenn diese Lippen von ihrem Besitzer nur nicht untrennbar waeren, dann haetten die Menschen sie wahrscheinlich laengst konfisziert und aufgeteilt, weil sie es nicht ertragen koennten, dass jemand ganz alleine im Besitz solch einer Kostbarkeit ist. Welch eine Macht dahinter steckt! Welch Energie, von der schleimtriefende Motten angezogen werden und sich verbrennen, verbrennen wollen, immer und immer wieder! „Denk ich an Lippen in der Nacht, dann bin ich um die Scham gebracht!“…

Wie ist es nur moeglich, dass ein lebendiger Mensch so nah und doch in Wirklichkeit so fern ist? Es schien, als koennte ich meine Hand ausstrecken und seine Falten beruehren, mit den zitternden Fingern die feinen Pinselstriche der Zeit nachzeichnen. Wie ist da wohl die Chronologie? Vom Gruebchen aufwaerts zu der frechen Nase oder aus der Nasennebenschlucht hinunter, hin zum Mundwinkel, der Laufbahn einer Traene – vielleicht einer Traene der unerfuellten Sehnsucht - folgend, die den Bach der Wange hinunter rollt und sich vom Kinnrand in die Tiefe stuerzt, so tragisch im diesem glanzvollen, stolzen Schweigen - der Selbstmord der Traene, noch eben schimmernd in tausendfachem Licht und dann ploetzlich nur noch ein kleines dunkles Fleckchen auf der Brust.

Lass mich auf deine Brust tropfen, Sean! Ich will die Naesse sein, die dich umspuelt, ich will dich auch mit meinem Feuer trocknen!“

In diesem Moment schnarchte ihr Mann ploetzlich laut auf und drehte sich zur Seite. Da biss sie sich in den Daumennagel und legte den Kugelschreiber weg. Dann schaute sie ihn noch eine Weile lang an, wie er da angestrengt im Land des Morpheus wandelte, schaltete das Licht aus, legte zaertlich ihren Arm um seinen trauten Koerper und lag noch stundenlang da, weder wach noch schlafend, weder gedankenfrei noch nachdenklich. Und ueber dem Ganzen - Seans magisches Antlitz mit seinen schicksalhaften Lippen.


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