Mein Leben - 4. In Moskau

 Meine Mutter war eine Waise. Sie hatte nur eine Schwester,Helen.

Das folgende erz;hlte mir meine Tante Helen:

Meine Oma Lija war eine Hebamme, arbeitete im Krankenhaus und sorgte sich um die medizinische Betreuung zu Hause. Deshalb hatte meine Mutter das Glueck, dass die medizinische Versorgung fuer ihr Kind stets abgesichert war.
Im Fruehling 1945 bekam meine Mutter einen Brief von ihrem Mann. Er berichtete, dass er eine Wohnung in Moskau f;r uns bekommen hatte. Wir machten uns schnell auf den Weg. Als wir in Moskau angekommen waren, traf uns der Vater auf dem Bahnhof und brachte uns in unsere Einzimmerwohnung. Im Zimmer stand nur ein Tisch - nichts weiter. Keine Stuehle, kein Bett, kein Geschirr! Der Vater sagte: “Bleibt hier, ich komme gleich“ und ging weg. Es war so schrecklich! Die ganze Nacht wartete Mama auf ihn. Am Morgen oeffnete sich endlich die Tuer, aber da kam nicht mein Vater, sondern eine fremde Frau. Sie war nicht gross von Wuchs, hatte blonde Haare und einen grossen Busen. Sie sagte: „Sebastian und ich lieben einander und wir wohnen schon lange zusammen. Warten Sie nicht auf ihn. Er wird nicht zurueckkommen!“ Es ist unmoeglich, diese schreckliche Situation, in der sich meine Mutter nun befand, zu beschreiben!
Nach einiger Zeit traf sich meine Mutter mit meinem Vater. Als meine Mutter ihn fragte „Wen liebst du mehr: mich oder sie?“, antwortete er: „Mir ist es egal, aber ihre Wohnung befindet sich unweit von der Lenin- Bibliothek… Ich muss dort meine Dissertation schreiben…Ich habe keine Zeit fuer die Familie.“ Und so verlor ich wegen der lateinischen Grammatik meinen Vater!

Fassung von Rolf Obak.