Unverstaendlich, diese Menschen

Das Wetter war grässlich. Ich schaute mir den Himmel an und sah nur trübe Wolken, die über die zerklüftete Landschaft umherzogen. Der kalte Wind gab dem düsteren Bild des Planeten den letzten Schliff. Ich erinnerte mich an meinen letzten Urlaub auf der Erde. Das blaue Meer, Sonnenschein jeden Tag, die warme Luft, weißer Sand, die Schönheit der tropischen Inseln und der Frauen, denen man dort zwangsläufig begegnet – Erinnerungen, die der letzte Trost eines Reisenden sind, den es in den abgelegensten Ecken des Universums verschlägt. Eigentlich bräuchte man nicht so weit zu reisen, um das Wohlgefühl, das einem der Heimatplanet gibt, zu vermissen – dazu reichte schon das eigene Sonnensystem.
Was soll's, es war mein Traumjob und nächstes Jahr bekomme ich wieder meinen vertraglich zugesicherten Urlaub. Ich rauchte die Zigarre aus und erwischte mich dabei, dass ich mich nach einem Aschenbecher umsah – wohlgemerkt außerhalb der Erde, wo das Rauchen wenig geschätzt wurde. Der altbekannte Versuch, es als ein kulturelles Ritual der Opfergabe und der Sehnsucht darzustellen, endete immer mit einem Aufkommen von Fragen, die nur mit einer entsprechend guten Portion intelligenter Schlagfertigkeit abzuwehren waren, um nicht verdutzt dazustehen. Die ausgedrückte Kippe landete im Pflanzenkübel neben der Tür. Tabakblätter seien ja schließlich Pflanzenteile, somit biologisch abbaubar, und der Pflanze werde der Dünger gut tun – rechtfertigte ich mich und betrat durch die Tür das Lokal, dem eher die Bezeichnung „intergalaktische Gaststätte“ oder noch treffender „die Zuflucht reisemüder Aliens aller Art“ passte. Beim Betreten solcher musste man sich früh daran gewöhnen, dass die Menschen irgendwie herablassend betrachtet wurden. Wenn man natürlich bedenkt, dass wir ausschließlich mit fremden Raumkreuzern unterwegs waren, weil der Menschheit immer noch nicht der Durchbruch gelang, wenigstens einen der Weltraumschiffe zu bauen, die sich die kühnsten Scince-Fiction-Autoren vorstellten, dann war das verständlich. Und Kriegswaffen, die erschreckend genug wären, um jemanden außerhalb der Erde einzuschüchtern, hatten wir auch nicht, denn keiner der Zivilisationen war so dumm, uns eine zu bieten. „Gib nie dem Kind eine Waffe“ - hieß die weise Begründung. Kaufen würden wir es allemal gerne (Kinder mögen Spielzeuge), aber was könnten wir schon dafür bieten – Geld, Wissen, Macht? Lächerlich, die Menschen.
Also nimm's gelassen und bleib bescheiden – heißt das Motto, wir sind ja in friedlicher Mission unterwegs. „Wir sind die Pazifismusknackis“ - pflegte mein Kollege zu scherzen. Nun, einer gewiss großen Lobby auf der Erde mochte diese Friedfertigkeit schon als ein schweres Urteil des Universumsrates erscheinen. Und so musste auch ich als einer der Pechvögel das Misstrauen und Kopfschütteln der Bewohner des Universums pauschal für die ganze Menschheit dankend annehmen. Irgendwann stellt man sich dann auch auf die Seite der Fragenden, ob die Menschheit je erwachsen wird.
In dem Lokal, das ich schon mittlerweile gut kannte, gab es mehrere Räume mit verschieden klimatischen Bedingungen. Ich betrat den gewohnten Raum und sah mich um. An einem der halbrunden Tische erblickte ich einen guten Bekannten aus einem nahegelegenen Doppelsonnensystem. Es gab recht wenig Besucher, und so saß das Alien der freundlicheren Art fast alleine da. Ich setzte mich zu ihm und nach einer freundschaftlichen Begrüßung fingen wir an über allerlei gewöhnliche und ungewöhnliche Dinge zu reden, die in der naher Umgebung und der Galaxie allgemein passierten. Plötzlich brach er das Gespräch ab, roch an der Luft und sagte:
„Da kommt jemand, der ziemlich sauer ist.“
Dann sahen wir ein merkwürdiges Wesen sehr langsam auf uns zukommen, das dem Aussehen nach der Pflanzenwelt entstammte.
„Was hast du angestellt?“ - fragte mein Freund.
Mein Gesicht drückte überzeugt die Unschuld des Kindes aus, das andauernd verdächtigt wurde, dumme Sachen zu machen. Das Wesen (es als Pflanze zu nennen, scheint mir leicht rassistisch zu klingen) blieb neben uns stehen. Ich schaute es neugierig an. Ob es mich anschaute, konnte ich nicht sagen, denn etwas wie ein Gesicht hatte es nicht, jedenfalls mein Freund schaute abwechselnd sowohl mich als auch das Wesen an.
„Es redet mit dir.“ - sagte er mir, als er wohl zum Schluss kam, dass ich das irgendwie nicht ganz begriff.
„Ich kann nichts hören.“ - antwortete ich ehrlich.
„Sie kommunizieren nicht mit Lauten, sondern mit Düften. Du musst doch als Forschen wissen, dass die Duftsprache die Ursprache ist.“
„Tut mir leid, meine Nase kann nichts verstehen. Unsere Spezies hat eine audiovisuelle Verständigung.“
Mein Freund schien meine Aussage für unglaubwürdig zu halten.
„Ich war auf euer Erde. Die ganze Pflanzenwelt kommuniziert dort mithilfe der Duftsprache, ebenso das Tierreich. Wie kommt es, dass ihr es nicht beherrscht?“
„Wir haben die Fähigkeit dazu im Laufe der Evolution fast komplett verloren. Wie ich schon sagte, wir verständigen uns rein audiovisuell auf intellektueller und emotionaler Ebene.“
Da hatten wir schon wieder die typischen Minderwertigkeiten. Mensch, das unterentwickelte, dumme Kind, das nicht einmal das Einfachste versteht.
„Es ist empört darüber, dass du dich seiner Wesensart gegenüber höchst unhöflich verhalten hast. Hast du dich an einer Pflanze vergangen? Sie haben ausgeprägte soziale Bindungen, die euren in nichts nachstehen.“
Der Zigarrenstümpel, der wird es wohl gewesen sein. Und was nun – sich vor einer Pflanze entschuldigen, sei mir diese diskriminierende Bezeichnung verziehen? Ich stellte mir meinen Kollegen vor, als säße er neben mir und verkündete lehrreich: „Sei ein reumütiger Pazifismusknacki und lass deinen menschlichen Stolz auf der Erde zurück, sonst kommst du nie frei.“
„Es akzeptiert dein Bekenntnis.“ - sagte mein freundlicher Dolmetscher, - „Man kann riechen was du fühlst. Eure Nasen sind vielleicht taub geworden, eure Körper aber nicht stumm.“
Das Pflanzenwesen zog sich zurück, was blieb, war die nächste Portion Demut.
„Ich weiß, was du fühlst. Der Intelligenzwahn hat die kranke Angewohnheit, sich als Gipfel der Schöpfung und die Umwelt als minderwertig anzusehen. Das ist und war nicht nur euer Problem. Euer Problem ist, dass ihr auf eurem Planeten selbst einander nicht verstehen könnt oder wollt. Aber die größte Stärke ist immer zugleich die größte Schwäche. Ihr könnt den Verstand dazu benutzen, die Augen und Ohren täuschen zu lassen, aber mit dem Körper könnt ihr nicht lügen. Und das ist gut so, denn sonst würde ich dir nie mehr trauen können. Werde bloß nicht stinkig.“
Ich muss zugeben, dass ich mich in Gesellschaft mancher Aliens auf unwirtlichen fremden Planeten wohler fühle, als auf der Erde. Wer versteht schon dort eine Pflanze?

© Leopold Wallberg


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