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Der Rubel rollt, und wir versuchen ihn einzuholen(Die Bekenntnisse eines lebensfrohen Bettlers).
 “Oh Herr, erh;re unser Gebet…” Auch hier in Ru;land pr;gen sie in den letzten Jahren das Stra;enbild vieler Klein – und Gro;st;dte. Junge und Alte,meist schlecht gekleidet und unrasiert, stehen sie an den Stra;enecken und stricken die Hand nach etwas Geld aus.
Mein Gespr;chspartner Sergej Medwedew, ein 40 – J;riger Rollfahrer aus Tscheljabinsk,  unterscheidet sich merklich von dem ;brigen Publikum. Vor allem sind es seine guten Augen, die mich anziehen. Munter und gleichzeitig vertr;umt blicken sie der Welt entgegen. “Guten Tag!”, gr;;t Sergej freundlich als er einen Deutschen in mir erkennt. “ Wie gef;llt es Ihnen hier?” Als ich erstaunt neben ihm stehenbleibe und ihm einen 100 – Rubelschein gebe, err;tet er leicht, dankt und l;;t den Schein geschickt in seinem kleinen blumengemusterten selbstgen;hten  Beutelchen verschwinden. Mir gef;llt dieser Mann, und zwischen uns entfaltet sich ein lebhaftes Gespr;ch. Sergej spricht erstaunlich gut Deutsch. Sergej wuchs in einer Familie mit drei Kindern auf. “Den Vater hatten wir sehr fr;h verloren, und die Mutter mu;te uns allein erziehen,” erinnert er sich. Trotzdem meint Sergej, da; er eine gl;ckliche Kindheit hatte, besonders die Schuljahre waren eine tolle Zeit. “Als meine Mutter noch lebte, ging es nir gut. Ich konnte in Moskau Deutsch studieren, las und schrieb viel. Auch hatte ich viele Freunde, die mir beistanden und halfen, einigerma;en ;ber die Runden zu kommen,” sagt Sergej. “Ich konnte ungeheuer viel reisen. Zusammen mit meiner Mutter besuchte ich meine beiden Schwestern in den asiatischen Republicans der Ex – Sowjetunion – Kasachstan und Kirgisien – und lernte dort das Leben n;her kennen. Schon damals entdeckte Medwedew seine Vorliebe zum literarischen und journalistischen Schreiben. “Es freute mich sehr, da; es zu jener Zeit hierzulande mehrere deutschsprachige Zeitungen gab,” schmunzelt er. “ Es verging kaum ein Tag, an dem ich keinen Brief an eines dieser Bl;tter schickte. Besonders gefiel mir die Rote Fahne (heute Zeitung f;r Dich), zu der ich bis heute Kontakte habe.” Doch auch das gr;;te Gl;ck kann nicht ewig dauern. Wahrscheinlich wei; nur der liebe Gott genau, wie wir zu leben haben und nur er wei; auch, was f;r Pr;fungen wir in seinem Namen zu bestehen haben. Im Herbst 1998 stirbt nach einer langen und scchweren Krankheit Sergejs Mutter. “Am meisten litt ich nachher darunter, da; mir meine Schwestern nicht unter die Arme griffen,” sagt Sergej, und die Entt;uschung klingt auch heute noch in seiner Stimme mit. So hatte er nicht viel Zeit, um seine Mutter zu beweinen,weil er, ein Behinderter, irgendwie weiter leben mu;te, aber eine innere Stimme sagte ihm, da; noch nicht alles verloren sei. In dieser Zeit suchte Medwedew in der katholischen Kirche Trost, die er schon seit 1991 besuche. “ Ich habe schon immer gewu;t, wie viel das Beten einem Menschen helfen kann, und jetzt fand ich das erneut best;tigt,” sagt Sergej… Und eines Tages schien es, da; Gott sein Flehen erhцrt habe. Die ehemalige Freundin von Sergejs Mutter, eine alleinstehende Frau mit neun Kindern, klopfte an seine Tьr. Er freute sich nicht mehr allein zu sein. Aber… “Ehrlich gesagt, spreche ich nicht gern von dieser Zeit,” meint Medwedew heute. “Ich h;tte gut mit ihr leben  k;nnen, h;tte sie mehr Verantwortungsgef;hl sich selbst und ihren Kindern gegen;ber. Dieses fehlte ihr aber. Und arbeiten wollte sie auch nicht. Deshalb warf ich sie bald, wenn auch mit gro;er M;he wieder raus.” Aus der Zeit des Zusammenlebes mit dieser Frau blieb Sergej nur eine Erfahrung: “Damals ging ich zum ersten Mal betteln, weil ich dazu gezwungen war.” Nun ist Sergej seit anderthalb Jahren glьcklich verheiratet. Zusammen mit seiner zehn Jahre jьngeren Frau Nadja wohnt er in der Wohnumg, in der er auch mit seiner Mutter lebte. Nadja ist auch kцrperbehindert, hat aber nach der Schule noch in einer Behinderten – Schule das Schneidern gelernt. Gemeinsam versuchen die Eheleute nun, ihr Leben neu aufzubauen. Wenn Sergej nicht gerade Nachhilfeunterricht in Deutsch zu erteilen hat, geht er hin und wieder auf eine Betteltour. Warum? Sergej: “ Ja, ich gehe wieder betteeln, und ich sch;me mich dessen nicht, weil heute unser halbes Land so macht. Denn mit unseren kl;glichen Invalidenrenten ist nicht viel anzufangen.” Zusammen bekommen die Medwedews etwa 2000 Rrubel monatlich. Von dieser Summe m;ssen sie die Miete, das Telefon und den Strom bezahlen. Da n;tzen auch die Verg;nstigungen wenig,weil man nicht nur Nudeln essen und sich auch noch sie einigerma;en gut kleiden will. Sergej Medwedew mag die Sommerferien nicht, weil er eben “von den faulen Studenten” lebe. Sergej l;chelt verlegen: “Auch die Gemeinde kann uns jetzt nur wenig helfen, weil im Moment ebenfalls finanzielle Probleme hat.” So versucht Sergej, seine Geldbфrse “aus den Taschen des Volkes” zu fьllen. Drei bis vier Mal monatlich geht er “zur Arbeit.” Sein Revier fдngt auf dem naheliegenden Komsomolskij – Platz und erstreckt sich bis hin zum Stadtzentrum. “Die Polizei hat mich noch kein einziges Mal ernsthaft gestфrt,” sagt Sergej stolz. “Weil ich imner auf die berьchtigte f;nf – Meter – Entfernung achte. Das hei;t: die Betttler d;rfen sich beispielsweise etwa f;nf Meter vom Treppengel;nder des Fu;g;ngertunnels entfernt plazieren. N;her zu kommen oder gar darunter zu steigen, ist verboten, weil da unten Handelsgesch;fte aller Art untergebracht sind. Medwedews Beute macht durchschnittlich ungefдhr 150 – 200 Rubel Kleingeld im Monat aus. “Das ist natьrlich viel weniger im Vergleich zu der Beute eines Freundes. Der hat zwar einmal in unserer polytechnischen Hochschule studiert, sammelt aber jetzt leere Flaschen und Bierdosen ein und kann so etwa 500 Rubel zu seiner Invalidenrente zulegen.” Wenn Sergej auf seinem Revier sitzt,kann er genau beobachten, wie sich der ganze Prozess des Bettelns vollzieht. “Manche Menschen geben dem Bettler etwas Geld, manche auch nicht, weil die meisten de4nken, wir w;rden das ganze Geld sowieso versaufen,” so Medwedew. “Man mu; ja zugeben, da; manche wirklich   trinken,aber ich nicht. Ich bringe mein ganzes Geld mit nach Hause. Und wie freut sich meine Frau, wenn ich ihr mal Blumen oder eine Schachtel Pralinen kaufe.” Und Sergej verriet mir noch vertraulich, da; er Nadja in diesem Jahr zum Frauentag einen h;bschen Wandleuchter geschenkt habe. Dies ware ohne seinen Job nicht m;glich gewesen, denn als Schneiderin habe Nadja nur wenig Kunden. Wegen ihrer Behinderung kann sie die Arbeit nicht schnell genug ausf;hren, und auch den N;hstoff m;sse sie oft selbst einkaufen. “So geht es,” schlie;t Sergej seine bittere Bekenntnis ab. “Der Rubel rollt, und wir versuchen, ihn einzuholen.” Als wir zum Abschied noch eine Zigarette zusammenrauchen, sagt Sergej bitter: “Einmal habe ich meinen Pfarrer gefragt, ob die Bettelei eine gro;e S;nde sei? “ Wenn es schon keinen anderen Ausweg gibt, kann man es eine Zeit lang machen, aber man darf es sich nicht zum Ziel setzen, denn: wer das macht, mi;braucht schlie;lich das Vertrauen der Menschen,” war seine Antwort. “ Da stimmt doch etwas nicht,” ;rgert sich Medwedew. Denn: was sagen Sie dazu, wenn Sie sehen, wie ein reicher “neuer Russe” dem Rollstuhlfahrer einen 100 – Rubel – Schein mit den Worten zuwirft: “Ich wei; schon, wozu ihr Kr;ppel das Geld braucht: um euch zu betrinken und eure Prostituierten zu bezahlen.” Solange die Gesellschaft ;hnlich denkt, werden Sergej Medwedew und Seinesgleichen ihren harten Job ausьben und im Namen Christi um etwas Geld zum ueЬberleben bitten.
Oaf Steinhart(Igor Korenew) Tscheljabinsk(Aus ethischen Gruendnden wurden die Namen der Helden geaendert-)
2006.


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