G. W. Segalin und seine Theorie der Genialit t

A.P. Pletneff-Kormushkin*

G.W.Segalin und seine „Theorie der Genialit;t“

Von 1925 bis 1930 wurde in Jekaterinburg eine Fachzeitschrift mit dem ungew;hnlichen Namen: „Klinisches Archiv der Genialit;t und der Hochbegabung (Europathologie)“ herausgegeben, die den Fragen der Pathologie von der genialen oder hochbegabten Pers;nlichkeit, und den Fragen des hochbegabten Schaffens, unter der Redaktion des Leiters des psychotechnischen Labors, dem Hochschullehrer des Uralischen polytechnischen Instituts, Dr. der Medizin G.W. Segalin, gewidmet war. Insgesamt wurden 20 Ausgaben ver;ffentlicht (5 B;nde je 4 Ausgaben pro Jahr).

Europathologie oder Eurico-pathologie (von „euro“, „euresco“, „eureca“ – „finden“, „Fund“ und „patologia“ – St;rung, Krankheit) – ist der Fachausdruck der von Segalin eingef;hrt wurde um jenen Bereich der Psychiatrie zu bezeichnen, der, wie er befand, die Fragen der Psychopathologie von Genialit;t und Schaffen untersuchen und erl;utern sollte.
G.W. Segalin setzte vor dieser Fachzeitschrift folgende Ziele:
1. Ein spezialisiertes Pressesprechrohr zu schaffen, in welchem Psychopathologen und Psychologen ihre Arbeiten, die sich den Fragen der Psychologie und Psychopathologie der gro;en und ausgezeichneten Pers;nlichkeiten, und denen der Psychologie und Psychopathologie des Schaffens widmen, konzentrieren k;nnten.
2. In einem Presseorgan alle Arbeiten zu konzentrieren, die den Fragen zur Untersuchung von sch;pferischen Pers;nlichkeiten und der Psychologie des Schaffens, angefangen mit dem Genie, der Begabung, bis hin zu dem sch;pferischen Schaffen der Geisteskranken, gewidmet sind.
3. In diesem Organ  Materialien zu sammeln, die noch nicht bearbeitet, „roh“ sind – Krankengeschichten, Autobiographien, Biographien, Pathographien der gro;en und ausgezeichneten Personen, einzelne Erinnerungen und Aufzeichnungen ;ber sie.
4. Die Publikationen aus diesem Bereich, die schon fr;her in der ganzen Zeit der historischen Entwicklung des speziellen psychopathologischen Gedankens ;ber die Genialit;t und Pathologie des sch;pferischen Schaffens ver;ffentlicht wurden, mit einzubeziehen.

Nach Segalin ist Genialit;t – eine besondere Form der psychischen Erkrankung, bei der die kumulative Geburtsenergie der Begabung sich mit Hilfe der psychischen Dissoziation entl;dt. Analog der Schizophrenie vergibt er dieser Erkrankung, die sowohl pathologische als auch sch;pferische Symptome beinhaltet, den Namen Euricophrenie. In der Klassifizierung der Euricophrenien ist der Autor nicht originell; sie wiederholt die nosologische Klassifizierung der psychischen Krankheiten der damaligen Zeit. Euricopathologie teilt er, wie auch die Psychopathologie, in allgemeine und spezielle und Euricophrenie in endogene und exogene ein.
Der Gruppe der endogenen Euricophrenie z;hlt er die epileptische, hysterische, cyclotimische, paranoide, schizophrene und alle restlichen Formen der Euricophrenien vom endogenen Ursprung, und zu der Gruppe  der exogenen Euricophrenien geh;ren toxische, alkoholische, sexuelle, infekti;se, paralytische, traumatische und andere Euricophrenien des exogenen Ursprunges.
Die theoretische und methodologische Haltlosigkeit der Ansichten von Segalin wurde schon von seinen Zeitgenossen notiert. Sieh Z.B.  Artikel von N.V. Popov „Zu der Frage von dem Zusammenhang der Hochbegabung mit psychischen Krankheiten ( aus dem Anlass der Arbeiten von Dr. Segalin und anderen) //Russische Eugenische Zeitschrift, Nr. 3, 1927.
Grigorij Wladimirowitsch Segalin wurde 1878 in Kazan geboren und erhielt dort auch das Reifezeugnis. Er lernte die Malerei bei einem bekannten kazanischen Maler I.I. Fischin. Vom 1909 bis 1913 studierte er in Deutschland, an den Universit;ten von Jena und Halle. In dem Archiv der Stadt Halle wird seine Lebenslauf in deutscher Sprache aufbewahrt.** :
„Ich bin Girsch Segalin, geboren am 16 Mai 1878, als  Sohn eines Fabrikbesitzers aus Moskau. Vom 1896 bis 1903 besuchte ich  Schule in Kazan, wo ich das Reifezeugnis erhielt. Dort erhielt ich gleichzeitig auch eine Ausbildung in Malerei und plastischer Anatomie. Vom 1903 bis 1905 erhielt ich weitere Bildung in Kunst in Moskau, Petersburg und Berlin. Von Ostern 1095 bis Ostern 1909 studierte ich auf der medizinischen Fakult;t der Universit;t Jena, wo ich die Vorlesungen und ;bungsstunden folgender Professoren besucht hatte: Bidermann, Egelind, Graev, Heknel, Immendorf, Krause, Mommel; Maurer; Miller, Pokl, Stel, Stinzin. 1909 bis 1910 war ich aufgrund einer Krankheit gezwungen das Studium abzubrechen. Von Ostern1910 studierte ich auf der Universit;t Halle und besuchte die Vorlesungen folgender Professoren : Abderholden, Anton, Bernstein, von Bronman, Depler, Ebert, Eisler, Frenkel, Frimme, Geihardt, Grauden, Hornok, von Hippel, Schmidt, Stidi, Stolzner, Veit. Unter der F;hrung des Herren Geheimrates Veit hatte ich meine Dissertation „;ber das Adenom der.....Dr;se des Harnleiters“ abgehalten. Das Examen wurde von mir am 10 Juli 1913 gemacht. Girsch Segalin.“
Im Jahre 1920 f;hrt ihn das Schicksal nach Jekaterinburg, wo er aktiv an der Gr;ndung der medizinischen Fakult;t, an der neugegr;ndeten Universit;t von Ural teilnimmt, er organisiert ein polytechnisches Labor an dem Uralischen Polytechnischen Institut, ist als Berater an dem Operntheater t;tig.
Das Portr;t von Segalin wird von den Erinnerungen des uralischen Schriftstellers Jewgenij Petrjaew erheblich abgerundet: „Dr. G.W Segalin ist mir so in Erinnerung geblieben – subtiler, langhaariger und kontaktfreudiger Mensch mit gro;er Brille. Er tauchte auf in dicke sackartige Tolstowka gekleidet, mit einer Mappe vollgestopft mit Manuskripten, Zeichnungen und  Korrekturfahnen. Ausser der ;rztlich-literarischen Arbeit besch;ftigte Segalin sich mit der Malerei. Sein Bild „Haus der Verr;ckten“ (oder „Opfer des Krieges“) von der Gr;;e einer Wand genoss damals einige Ber;hmtheit. Es war gemalt worden direkt in der Klinik unter der Beratung der Kranken selbst. In der Mitte war eine Figur eines „Propheten“ in Lebensgr;;e abgebildet. Von seinem Kopf verbreitete sich Licht, um ihn herum waren Gruppen von Menschen: die einen nahmen seine Predigten enthusiastisch auf, die anderen lehnten sie entschieden, sogar feindselig ab...“***
Der Aufenthalt und das Studium in Deutschland hatten zweifelsohne einen Einfluss auf die Interessen dieses bemerkenswerten Gelehrten und auf  seine ungew;hnliche Theorie – Europathologie ausge;bt.


Anmerkungen:
*      - Redakteur der zeitgenossischen Ausgabe „Klinisches Archiv der Genialit;t und der Hochbegabung (Europathologie)“, medizinischer Psychologe.
**    - Ju.W. Sorkin. “Polyvalenter Mensch”// Die Wissenschaft des Ural, Nr. 12, 1992, S. 4-5.
***  -  Je.D. Petrjaew. “Literarischer Ural” – Perm, 1974, S.57.


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