Ein Freund braucht kein Hier! -Kommando

Die Erinnerungen an die Kindheit und meinen ersten Hund.
Teil 1
Ein unerwarteter Gast
Charlik kam zu uns im Sp;therbst, im Jahr, als ich f;nf Jahre alt wurde und mich entschloss, dass die Zeit gekommen war, mit dem Lernen anzufangen. Wieso sollte ich nun zu Hause sitzen bleiben? Zeit f;r die Schule! Ohne lange zu ;berlegen, schenkte mir meine Mutter ein ABC-Buch. Aber ;ber dieses Geschenk und dar;ber, was ich in ihm entdeckt habe, erz;hle ich ein andermal.
An einem Morgen, als wir mit meiner Oma alleine zu Hause geblieben waren, kam jemand zu unserer Haust;r.
Die Oma, ohne darauf zu achten, trank weiter ihren Tee aus einer Untertasse, mit ihrem zahnlosen Mund schl;rfend und seufzend. Ich kam ihr ein wenig n;her und sagte im Fl;sterton:
„Omi, Omi, h;rst du, da l;uft jemand und macht Ger;usche!“
Die Oma, mich angeschaut, schl;rfte an ihrem Tee pfeifend und antwortete:
„Das ist der Wind.“
„Kann ein Wind st;hnen?“
„Mein Kind, der Wind heult.“
Pl;tzlich br;llte „der Wind“…
Erschrocken versteckte ich mich schnell unter das Bett, um Angst zu haben.
Die Oma stand munter auf, schnappte einen Sch;rhaken vom Ofen und ging auf die Terrasse heraus. Ich h;rte, wie furchtlos sie die T;r ;ffnete…
Ich dachte mir, was f;r eine mutige Oma ich hatte.
„Mila, komm raus, komm her, schau mal, wir haben Besuch, einen unerwarteten Gast“, sagte sie laut.
Ich kam aus meinem Versteck heraus und, aus der Eingangst;r;ffnung herausschauend, sah ich einen kleinen nassen Welpen, der vor K;lte und Hunger zitterte, mich mit seinen gro;en grauen Augen bettelnd anschaute und winselte. Ich kam tapfer auf meine Oma zu:
„Ist er zu mir gekommen? Lass uns ihn mit nach Hause nehmen!“
Meine Oma mochte Hunde, aber meine Mama erlaubte meinen Br;dern und mir nicht, Katzen oder Hunde mitzubringen. Die Mutter sorgte sich um unsere Gesundheit und liebte Ordnung! Die Oma schaute mich und den Welpen an und sagte:
„Ah, da bekommen wir beide von deiner Mutter was ab! Aber wir k;nnen doch den Gast nicht verjagen, wenn er schon hier ist. Es schneit auch noch, der Arme erfriert. Na, komm rein, Charlie Chaplin!“
Erst sp;ter erfuhr ich, wieso sie ihn so genannt hatte. Der Welpe hatte eine lustige, naive Schnauze, d;nne und krumme Beine und einen schwarzen Fleck unter der Nase, der wie ein Schnurrbart aussah.
Nachdem die Oma dem Welpen seine Schnauze und sein Fell mit einem Lappen abgetrocknet hatte, schenkte sie ihm warme Milch in eine Untertasse ein und legte ein St;ck Brot dazu. Nachdem der Welpe fertig gefressen hatte, streckte er sich, g;hnte und legte sich auf den Teppich vor dem Eingang hin.
Die Oma streichelte ihn und l;chelte. Ich wartete geduldig auf die Erlaubnis mit ihm zu spielen, nachdem er geschlafen hatte. In der Zeit sa; ich auf dem Sofa zwischen den Kissen und sprach fl;sternd mit meinen Puppen, die jetzt auch auf den neuen Freund warteten. Nach einer Weile wachte der Welpe auf und schaute sich im Zimmer um. Die Oma, ;ber ihre Brille schauend, l;chelte und schnipste schnell mit den Stricknadeln, strickte etwas. Bald legte sich Charlik neben  Omas Sessel hin und ich durfte mit ihm spielen. Ich wei; noch, wie er, seine Nase bewegt, an mir roch und lustig fauchte. Die Oma sagte:
„Schau mal, er mag dich, wie er faucht. So freuen sich Hunde ;ber eine Bekanntschaft. Ihr werdet Freunde sein.“
Wir sind Freunde geworden.
 
Der erste Spaziergang
Das waren ein Hund und ein M;dchen, f;r die das Leben noch lustiger und interessanter wurde. Wohin ich auch ging, lief Charlik mir hinterher, fr;hlich mit seinem Schwanz wedelnd. Ich war neugierig, wie konnte es sein, dass er erst vor kurzem so klein war und ich so gro;, und jetzt, als das neue Jahr begonnen hatte, war ich die gleiche und er war komplett anders geworden. „Wie ist er so schnell gewachsen?“, fragte ich die Oma. Jedes Mal bekam ich unterschiedliche Antworten…
Mal sagte sie, dass er viel schneller seinen Brei aufa;, er leckte sogar seinen Napf so aus, dass man ihn nicht mehr abwaschen brauchte! Mal sagte sie, dass er den Lebertran trank und nicht ausspuckte. Mal antwortete sie einfach so:
„Er ist doch ein Hund, ein treuer Freund des Menschen. Er beeilt sich, gr;;er zu werden, um sich im Haushalt n;tzlich zu machen. Er m;chte den Herrchen ihre G;te zur;ckzahlen, mit dir spielen, damit du ihm versehentlich nicht wehtust.“
Ich war ;ber jede Antwort froh und mir wurde fr;hlich und warm von diesen Worten meiner Oma. Ich wollte mir Charlik schnappen, wie vor zwei Monaten, und in mein Zimmer bringen, um ihn dort zu streicheln, ihm M;tzen und Jacken anzuziehen…
Aber so ein Gl;ck hatte ich nicht mehr! Charlik leistete Widerstand und lie; sich nicht hochheben. Er wich aus, sprang, seine rote Zunge rausstreckend. Er wedelte fr;hlich und neckisch mit seinem Schwanz, wie mit einer gro;en und flauschigen Feder.
Einmal erz;hlte mir die Oma eine Geschichte dar;ber, dass der Hund als erstes Tier zu einem Menschen zum Dienen kam und schwor, ihm treu zu dienen, beim Jagen der Wildtiere zu helfen, ihn vor Feinden zu sch;tzen und in der K;lte zu w;rmen. Ich h;rte aufmerksam zu und stellte mir vor, wie und wen ich und Charlik jagen gehen w;rden…
Endlich begann der Fr;hling und drau;en wurde es warm und sonnig. Der Schnee wurde dunkel und taute unter der Sonne, sich zu Pf;tzen verwandelnd. Die T;mpel gl;nzten hell in der Sonne. Ich und Charlik hatten uns dazu entschlossen, selbstst;ndig spazieren zu gehen, solange die Oma besch;ftigt war und die Eltern und Br;der nicht zu Hause waren. Ich zog schnell meine roten Gummistiefel, eine M;tze, einen Mantel an und wir gingen zum Fluss. Da schwammen riesige Eisschollen schnell aneinandergeraten vorbei, das Wasser rauschte nicht, es dr;hnte, in eine enge ;ffnung unter dem Eis durchgebrochen, als ob Tausende von Wasserh;hnen gleichzeitig ge;ffnet wurden!
Ich stand am Ufer,  schaute das tosende Wasser an und konnte meinen Blick nicht vom Geschehen wenden.
Der Wasserstrom war so m;chtig, dass wenn jemand ein Lied neben mir singen w;rde, wie ich gesungen hatte, als ich mir vorgestellt hatte, ich w;re S;ngerin auf einer B;hne, k;nnte man ihn gar nicht h;ren. Und ich sang sehr gut, wie es mir schien, weil mein Singen laut war. So laut, dass die Oma immer sagte: „Azohen wei! Afa le soinim gesukt!“ Dabei l;chelte sie liebevoll, mich anschauend, und wischte ihre Tr;nen ab. Erst sp;ter erfuhr ich, was genau sie gesagt hatte: „Das w;nsche ich meinem ;rgsten Feind nicht!“. Aber ;ber meine liebe Oma erz;hle ich ein andermal. Jetzt erz;hle ich dar;ber, wie mein treuer Hund und ich zum ersten Mal selbstst;ndig spazieren gegangen sind, also auf die Jagd. Also, das Wasser im Fluss kochte auf und dr;hnte! Pl;tzlich platzte ein St;ck Schnee unter meinen F;;en so laut und schallend, als ob man von unten mit einer Axt darauf geschlagen hatte. Und ehe ich etwas begreifen konnte, packte mich Charlik mit seinen Z;hnen an meinem Mantel und zog mich weg vom Wasser. Ich fiel auf den Schnee, der mit einer Eisschicht bedeckt war,  verletzte mich an meinen H;nden und der Wange. „Bist du verr;ckt geworden?“, schrie ich aus allen Leibeskr;ften. „Siehst du nicht, man denkt nach! Du packst mich. Hier, ich habe meine H;nde zerkratzt und meine Wange tut weh!“ Charlik antwortete meckernd etwas in seiner Hundesprache, mein Gesicht ableckend, um hektisch mich herum laufend, und forderte mich auf, sofort von diesem gef;hrlichen Ort zu verschwinden. Ein wenig get;ftelt und rumgeheult, dann stand ich auf. Man muss ehrlich sagen, ich war keine Heulsuse, was w;rde es f;r einen Sinn machen, zu weinen, vor allem wenn dich niemand au;er deinem Hund h;ren konnte? Ich sch;ttelte den Schnee von meiner Hose, auf der Eisst;ckchen und Schnee klebten, und lief den Weg hoch. Hinter mir heulte etwas und raschelte. Als ich mich umgedreht hatte, sah ich, wie ein gro;er Teil des verharschten Ufers, genau an dem Ort, wo ich vor kurzem gestanden hatte, in den Fluss rutschte und, sich auf eine Seite drehend, rasant mit dem Strom wegschwamm. „Was soll’s, schwimm!“, rief ich dem Eisblock zu und ging schnell meinem vierbeinigen Freund hinterher. Das war unser erstes Abenteuer, von dem niemand erfahren w;rde, wenn nicht die Oma Aksinja gewesen w;re, eine gutherzige und fr;hliche ;ltere Dame, die in unserer Nachbarschaft wohnte und wegen ihrer Krankheit st;ndig am Fenster sa;. Sie hatte das Geschehen von ihrem Beobachtungsposten aus gesehen und meinen Eltern ;ber unser Abenteuer berichtet. Nat;rlich hatte ich ;rger mit meiner Mutter bekommen und durfte das Haus ohne Oma oder meine Br;der nicht mehr verlassen, bis das Gras gr;n wurde. Aber Charlik strebte seit dieser Zeit eine Auszeichnung als ein „im Haushalt n;tzliches und nutzbringendes Tier“ an. Dar;ber berichtete er mit Vergn;gen allen seinen Kameraden – Nachbarhunden, so meinte ich damals. Sie versammelten sich an jedem sonnigen Tag auf einer Wiese vor unserem Haus, lagen da, sich auf dem Gras ausstreckend. Und Charlik beobachtete sie von seinem Lieblingsplatz aus – einem gro;en Haufen Sand.
 
Teil 2
Wenn dein Freund ein Bock ist.
Es passiert ja manchmal so, dass, obwohl ein Tag dem anderen gar nicht ;hnlich ist, nehmen die Tage ihren nat;rlichen Verlauf und man hat gar nichts, woran man sich erinnern k;nnte. Aber pl;tzlich leuchtet etwas im Ged;chtnis auf, dann l;chelt man oder wird traurig oder man beginnt diesen Kn;uel der Ereignisse auseinanderzuwickeln und es wird sehr interessant, dass dem Herzen nahe Leute und das Zuhause in Erinnerung kommen…
Wie viel Gutes bewahrt und speichert das menschliche Ged;chtnis! Ja, das ist interessant, aber ich m;chte jetzt ;ber etwas Anderes berichten, und zwar dar;ber, wie jemand zuf;llig mal das Sprichwort „Sage mir, mit wem du umgehst, ich sage dir, wer du bist“ gesagt hatte und ich unbeabsichtigt l;cheln musste. Die Sache ist die, obwohl man sagt, dass wir unsere Freunde nicht aussuchen k;nnen, meine ich, dass wir sie doch aussuchen, und wie! Nicht nur Leute suchen sich die Personen aus, mit denen es ihnen angenehmer, interessanter und n;tzlicher ist zu kommunizieren, sondern Tiere machen das genauso.
Als ich in die zweite Klasse ging, „bekam“ ich viele Freundinnen und Freunde, wovon meine Mutter ;berhaupt nicht begeistert war, denn ihrer Meinung nach lenkten sie mich vom Lernen ab. Mein Vater dagegen meinte, dass ich es gut machte, denn die Beliebtheit und der Respekt unter Gleichaltrigen ist ein guter Beweis f;r die vielseitige Entwicklung der Pers;nlichkeit. Also, meine Beliebtheit wurde immer st;rker. Jeden Tag gab es irgendwelche zus;tzlichen Unterrichtsstunden in der Schule: die Hilfe f;r die Leistungsschw;cheren, AGs nach Interessen. Und Interessen hatte ich viele. Mein Hund zeigte Geduld gegen;ber meiner leidenschaftlichen gemeinn;tzigen Arbeit, er verbrachte die Wartezeit nach eigenem Ermessen.
Nicht weit vom Schulhof entfernt, an dem Ort, wo Charlik gew;hnlich mit seinem Lieblingsknochen, den er jedes Mal geschickt an einem anderen Ort versteckt hatte, lag oder sa;, gab es eine Lichtung, wo zwei lustige Ziegen namens Tosja und Rosa von Fr;hjahr bis Herbst weideten. Diese Ziegen geh;rten einer ;lteren Lehrerin und hatten jedes Jahr kleine Babys. Man muss sagen, die Zicklein, wie auch alle Babys dieser Welt, waren lustig, witzig und neugierig!
So war es auch diesmal, ein kleines Zicklein namens Schurik rannte und spielte an der Lichtung seit den ersten Maitagen. Dieser Schurik war so ein Hitzkopf, dass seine Mutter sich immer Sorgen um ihn machte und schrie, damit er ihr endlich gehorchte. Aber Schurik war au;ergew;hnlich selbstsicher und frech, mit einem Wort – ein Bock!
Der Mai war ein fr;hlicher Monat f;r alle Sch;ler und Sch;lerinnen, aber auch ein besonders wichtiger. Man hatte so viel zu tun! Es war das Ende des Schuljahres, alle versuchten, ihre Noten zu verbessern, und die Sonne lockte nach drau;en, auszugehen! Der Fr;hling war im vollen Gange und alles wuchs, sodass die Blumen und das Gras vom letzten Jahr weggemacht werden sollten, damit die neuen Sprossen st;rker wurden und unsere Augen freuten. Also, man hatte viel zu tun! Nicht nur zu Hause, sondern auch in der Schule. Das alte Laub vor der Schule und im Schulgarten sollte aufger;umt werden, oder? Ja! Man sollte Blumen im Schulgarten pflanzen, die Wege kehren, trockene Zweige, die im Herbst abgebrochen wurden, sollte man zu einem Haufen zusammenlegen, damit man am n;chsten Tag nach der Abschiedsfeier ein Abschiedsfeuer anz;nden konnte… damals war es so. Dar;ber berichte ich ein anderes Mal, aber jetzt erz;hle ich, wie sehr ich in der Schule und zu Hause besch;ftigt war, dass mein Charlik sehr traurig wurde, aber dann sich entschloss einen Kumpel zu finden, und seine Wahl fiel auf das lustige Zicklein Schurik.
Schurik, wie alle B;cke in seinem Alter das so an sich haben, zeigte sein starkes Interesse und seine Frechheit, als er zum ersten Mal zu dem Ort im Park gesprungen war, wo gew;hnlicherweise Charlik lag, wenn er auf mich wartete. Charlik beobachtete Schurik mit gro;em Interesse schon seit mehreren Tagen. Aber sich ihm zu n;hern hatte er nicht vor, denn er besa; Charakter, vielleicht hielt ihn aber auch die st;ndige und strenge Kontrolle der Mutterziege davon ab.
Und pl;tzlich so ein Gl;ck! Schurik sprang ganz komisch seitlich auf dem Gras, mit seinen hinteren Beinen im Sprung strampelnd, seinen Kopf mit den kleinen H;rnern, die kaum zu sehen waren, hin und her bewegend, und schrie ab und zu „M;h;h“. Charlik hob seinen Kopf, wedelte mit dem Schwanz und, seine Zunge herausgestreckt, schaute er das Zicklein wohlwollend an. Es kam sehr nah zu ihm, sprang auf die Stufen des Lenindenkmals, stellte sich auf Hinterbeine und begann mit den vorderen Beinen auf dem Postament zu steppen. Charlik stand auf und kam zu ihm. Er schnupperte in die Luft und leckte Schurik an der Nase. Schurik erschrak sich nicht, sondern senkte den Kopf und zeigte Charlik seine H;rner. Charlik leckte an den H;rnern ebenso. Da wurde Schurik ganz mutig, sprang von den Stufen ab und kam ganz nah an Charlik heran, immer noch mit nach unten gesenktem Kopf. Wahrscheinlich wuchsen die H;rner und juckten deswegen, Charlik verstand das und kratzte sie mit Interesse und Sorge. Die Ziege lief hastig hin und her an der Leine und schrie aus allen Ziegenleibeskr;ften ihre Warnungen und Drohungen zu den beiden hin, aber sie h;rten sie nicht. Sich zufriedengestellt und verstanden, dass Charlik harmlos war, wurde das Zicklein ganz frech. Nachdem es zwischendurch einige Bl;tter frischen Grases gekaut hatte und im Kreis um Charlik herumgelaufen war, legte es sich hin und schlief ein. Ich wei; nicht, was sich jeder von denen gedachte haben mag, aber seit dem Tag begann ihre au;ergew;hnlich enge Freundschaft. Nach einer Weile hatten alle gemerkt, dass Charlik einen Freund gefunden hatte und jetzt sehr viel Zeit neben den Ziegen auf der Wiese verbrachte. Tosja und Rosa gaben sich mit dieser Freundschaft zufrieden und ihre Besitzerin war sogar sehr froh, dass ihr Zicklein so eine zuverl;ssige Wache bekam.
Am Ende des Sommers bot die Oma Mina meinen Eltern an, das Zicklein zu kaufen, denn sie hatte erfahren, dass die Besitzerin es verkaufen wollte. Die Mutter war streng dagegen. Sie mochte keine B;cke. Der Vater machte Witze, das Angebot w;re interessant, denn man h;tte in der Familie einen Bock mehr…
Allerdings gewann diesmal die Mutter und war damit h;chst zufrieden, sie sagte:
„Mina Efraimovna, und was, wenn ihr Liebling Charlik mit einem Ferkel befreundet w;re?“
Die Oma antwortete:
„Charlik ist ein kluger Hund, er w;rde keine Freundschaft mit einem Ferkel schlie;en. Und dass er mit einem Bock befreundet ist, dann ist es lieber so, dass dein Freund ein Bock ist, als ein Ferkel!“
Nach diesem Gespr;ch vergingen mehrere Monate, aber das Zicklein Schurik lebte immer noch bei seiner Besitzerin mit seiner Mutter und der Tante. Charlik besuchte es jeden Tag und verbrachte mit Vergn;gen seine Zeit bei ihnen. Sie spielten Fangen oder lagen einfach da und entspannten sich auf der sonnigen Wiese. Schurik wuchs sehr w;hrend des Sommers und wurde zu einem gro;en und sch;nen Bock. Die H;rner auf seinem Kopf sahen nicht mehr so lustig wie fr;her aus. Aber er beugte trotzdem seinen jetzt schon gro;en Kopf vor Charlik, seine vorderen Beine auseinandergestellt und fror in diesem empfindlichen Zustand ein, die Z;rtlichkeit und Sorge genie;end, die Charlik ihm gezeigt hatte, indem er seine H;rner leckte. Viele aus der Gegend scherzten ;ber diese au;ergew;hnliche Freundschaft. Aber niemand traute sich, den Frieden der auf der Wiese ruhig weidenden Ziegen zu st;ren.
Es war September und wir gingen wieder in die Schule, um neue Kenntnisse zu erwerben. An den ersten Tagen des neuen Schuljahres gab es eine Aufgabe, wir sollten eine Geschichte dar;ber erz;hlen oder schreiben, wie wir die Sommerferien verbracht hatten. Ich schrieb dar;ber, wie Charlik und ich die Sommertage verbracht hatten und wie er einen fr;hlichen Freund gefunden hatte und ich war ihm nicht b;se, genau umgekehrt, ich freute mich sogar f;r ihn.
Meine kurze Geschichte schlo; ich mit folgenden Worten ab: „Es ist wunderbar, wenn dein Freund ein Bock ist!“
 
Charlik und der Altwarenh;ndler Schimon
Man ;berlegt sich manchmal, wie viele unterschiedliche Sachen sich im Haus gestapelt haben, man braucht dies und auch jenes, und das wurde mir zum Geburtstag geschenkt, das habe ich mir selbst gekauft, wieso auch immer…
Fr;her hatte man nicht so viele Sachen. Das Werkzeug f;r den Haushalt, das war eine ganz andere Sache! Aber keine Kleidung, Schuhe oder verschiedene Kleinigkeiten! Denn fr;her lebte man bescheidener, man verdiente weniger, aber man hatte auch ganz andere Ideale. Der teure Schmuck, Abendkleider und Pelzm;ntel geh;rten nicht zur notwendigen Grundausstattung, deswegen gab man daf;r kein Geld aus. Und wenn man doch schon ziemlich abgetragene Sachen hatte, die gar nicht mehr gebraucht wurden, wurden diese nicht weggeschmissen, sondern an einen Altwarenh;ndler verkauft oder gegen andere Kleinigkeiten bei ihm getauscht: Messer- und Scheren-Sets, Eisendeckel f;r die Konservierung, Steck-, Strick- und einfache Nadeln, Woll- und Mohairgarn, also gegen alle Kleinigkeiten, die „im Defizit“ waren. Im Sommer hatte der Altwarenh;ndler verschiedene Fr;chte und sogar den Honig vom letzten Jahr im Angebot. Jeden Freitag ritt er auf seinem alten, davon nicht begeisterten Gaul die Stra;en unseres Dorfes entlang und schrie laut:
„Alte Sachen! Tausche Ahle gegen Seife!“
Komischerweise mochten alle Kleinen diesen alten Juden, obwohl er uns jedes Mal mit einer kleinen Peitsche mit einem geschnitzten Holzgriff drohte. Diese Peitsche lag in der Kutsche ganz unten, vorden F;;en des Alten. Der Gaul brauchte sie nicht mehr,  damit er schneller lief, er wusste Bescheid, was er machen sollte. Und wenn der Alte die Peitsche hektisch herausholte und den Jungen, die der Kutsche hinterherliefen, mit ihr drohte, wurden die Augen des Gauls auf lustige Weise runder, er machte sein Maul auf und drehte sich nach hinten um, um zu sehen, was sich jetzt der Alte ausgedacht hatte. Anstatt sein Tempo zu erh;hen, blieb er stehen und erstarrte. Das war ein komisches Bild.
Als Charlik und ich an einem Freitag unter der gro;en Traubenkirsche im Garten gespielt hatten, h;rten wir das Knirschen der Kutsche und genau so eine knirschende Stimme des Alten:
„Tausche Ahle gegen Seife!“
Charlik, wie gewohnt, mit seiner Schnauze auf den vorderen Pfoten liegend, hob zuerst ein Ohr auf, dann, sein „Wau!“ gemurmelt, sprang auf und lief aus dem Garten.
Der Altwarenh;ndler war genau an der Ecke unseres Hauses angekommen, als Charlik mit seinem lauten Bellen auf ihn zu sprang…
„Azohen wei!“, rief der Alte und sprang, als w;re er jung gewesen, auf die Kutsche hinauf.
„Alle Z;hne sollen dir ausfallen!“
„Nehmt euren Hitler zur;ck!“
Die Oma Mina h;rte sein Geschrei und kam raus. Auf den Stufen der Terrasse stehend, befahl sie laut und sicher:
„Komm her!“
Charlik begriff, dass er eine weitere kindische Dummheit gemacht hatte, legte seine Ohren an den Kopf an und, seinen Kopf geneigt und mit dem Schwanz wedelnd, schleppte er sich ungern zur Oma. Und sie setzte fort: „Wie oft muss man dir noch sagen, du bist ein anst;ndiger Hund! Und du greifst jedes Pferd und jeden Fu;g;nger wie ein lausiger K;ter an! Nicht alles Lebende ist essbar!“
Der Altwarenh;ndler sch;ttelte den Kopf, aber war der Oma nicht b;se, sie kannten einander schon seit vielen Jahren und er verstand ihren eigenartigen Sinn f;r Humor.
„Mischugine Kopf! (Depp, auf Jiddisch)“, meckerte er, irgendwelche S;cke auf seiner Kutsche zurechtr;ckend.
„Ach, Mina, Mina, und wozu h;lt man nun so einen Faschisten zu Hause? Geh doch lieber selbst ;fter raus und sitze vor dem Tor!“
Diese Worte wirkten auf Oma in komischer Weise.
„Du bist ein alter Schlomiel!“ (L;mmel, auf Jiddisch)
Sie drehte sich um und knallte die T;r der Terrasse laut zu. Man muss sagen, meine Oma war sich ihres Wertes bewusst und freute sich ;ber solche Scherze nicht wirklich.
Der Alte ging mit seinem Pferd weiter die Stra;e entlang, die Leute anlockend.
Diesmal tauschte er alles, was die Menschen nicht mehr gebraucht hatten oder was sie zu viel hatten: Obst vom letzten Jahr, frische Eier der eigenen H;hner, Milch und Butter gegen die leckeren, reifen Schlehenfr;chte.
Die Schlehenmarmelade und das Kompott mochte ich auch sehr, aber am liebsten a; ich die frischen und reifen Schlehenfr;chte und schoss danach mit ihren Kernen auf ausgew;hlte Ziele, die vom Fruchtfleisch und Saft glitschigen Kerne zwischen Zeigefinger und Daumen zusammengedr;ckt. Es war eine lustige Besch;ftigung, bis ich irgendwann w;hrend des Spiels meinem Bruder ins Auge geschossen hatte. Aber das ist eine andere Geschichte, dar;ber erz;hle ich vielleicht sp;ter.
Doch jetzt lag Charlik traurig am Hauseingang auf dem Gras, ich sa; auf einer Bank nebenan und lernte, wie man einen Korb aus biegsamen Weidenzweigen flocht, die ich am Fluss abgebrochen hatte. Die Zweige brachen andauernd ab. Damals wusste ich noch nicht, dass man die abgesch;lten Weidenzweige zuerst in Salzwasser einweichen sollte, bevor man mit dem Flechten begann. Denn erst dann w;rden sie zu biegsamen und gehorsamen Ruten.
Aber, wie meine Oma sagte: „Man lernt nie aus“, dann erg;nzte sie aber oft: „Trotzdem stirbt man als Tor!“. Drau;en wurde es unheimlich hei;, die Schwalben flogen hin und her, ;ber etwas Privates zwitschernd.
An unserem Haus vorbei liefen zuerst zwei Jungs, dann fuhren noch einige Jugendlichen mit ihren Fahrr;dern, etwas Lustiges besprechend und sich vor den anderen mit ihren kindlichen Heldentaten r;hmend.
Der Altwarenh;ndler hielt nicht weit vom Nachbarhaus entfernt an und zeigte seine Ware den an seiner Kutsche stehenden Frauen und Kindern. Pl;tzlich rief einer der Jungen laut:
„Wie viel kosten denn die Schlehenfr;chte?“
„K;nntest du mir Schlehenfr;chte gegen Eier tauschen?“ Der Alte ergriff pl;tzlich seine Peitsche und mit ihr in der Luft sch;ttelnd schrie er:
„Ich geb’s dir gleich!“
Ich wusste nicht, was passiert war, aber alle Frauen und Jungen lachten wie verr;ckt und der Alte, schimpfend wie ein Rohrspatz, peitschte sein altes Pferd und fuhr aus dem Dorf weg.
Die Oma kam wieder auf die Terrasse heraus und, sich an Charlik wendend, sagte sie:
„Was f;r ein H;henrausch! F;hlst du dich gut? Ach, Chaplin, wann wirst du endlich erwachsen? Du springst raus, erschreckst den alten Mann und der verdarb mir daf;r die Laune! Was wolltest du ausgerechnet von diesem Alten?“
Charlik schaute zuerst die Oma, dann mich schuldig an und seufzte. Nach einer Weile verschwand Charlik. Die Oma nahm an, dass er Schuldgef;hle hatte.
Am Abend kehrte der Alte aus dem Nachbardorf zur;ck. Und da der Weg an unserem Haus vorbeif;hrte, rief er von Weitem:
„Herrschaften!“
Mein Vater ging hinaus und wollte fragen, wie er ihm helfen konnte.
Und der Alte sagte:
„Ihr Hund hat mich heute Morgen fast aufgefressen und dann hat er mir geholfen. Ein Rad an meiner Kutsche war kaputt und eine Schmiede war weit weg. So, wie l;sst man sein Gut mitten drin auf dem Weg? Dann sehe ich, euer Hund schaut mich aus der Schlucht an, hat mich beobachtet, wie denn sonst? „Na“, sage ich zu ihm, „entschuldige mich, dass ich heute Morgen auf dich geschimpft habe. Ich habe mich erschrocken, passiert ja. W;rdest du vielleicht auf meine Ware aufpassen, solange ich zum Dorf laufe? Lass niemanden dran!“ So ging ich weg, auf eigene Gefahr. Und als ich zur;ckkehrte, war meine Kutsche mit der ganzen Ware immer noch da, das Pferd war da und euer Hund lag auf der Kutsche, schaute sich um und passte auf. So ist euer Hund, er versteht alles. Ein gutherziges Tier! F;r seine Arbeit habe ich eine Kleinigkeit f;r eure Kinder vom alten Schimon“, sagte der Altwarenh;ndler l;chelnd und ;berreichte meinem Vater eine Schale mit reifen, gro;en Schlehenfr;chten. Wie froh war ich in diesem Moment! Das war der erste „Verdienst“ meines vierbeinigen Freundes, so mein Vater.
So gewann Charlik einen neuen Freund – den alten Altwarenh;ndler.
 
Die Tr;ume werden wahr!
Der Winter in Russland ist wundersch;n! Es ist meine Lieblingsjahreszeit, nicht nur, weil Frost und Schnee alles ringsum ver;ndern, sondern weil jeder auf den Zauber und die Erf;llung seiner Tr;ume mit gro;er Hoffnung wartet, die Menschen l;cheln mehr und w;nschen einander Gl;ck. Einige feiern katholisches Weihnachten, andere – Silvester, wieder andere – Chanukka… also, in der ganzen Welt herrscht eine feierliche Stimmung.
Genau in dieser Zeit passieren tats;chlich verschiedene unerwartete Dinge und F;lle, die man f;r ein Wunder halten k;nnte. Und wenn du erst 7,5 Jahre alt bist, dann kann man wirklich glauben, dass ein gutherziger Zauberer existiert, der die Kinder beschenkt, die sich w;hrend des ganzen Jahres gut benommen haben. Also, ich wartete auf das Wunder und die Geschenke. Damals hatte ich keine Briefe an den Weihnachtsmann geschrieben, allerdings hatte ich ein Bild gemalt und an einem geheimen Ort versteckt, damit niemand aus meiner Verwandtschaft es finden konnte. Das war mein Experiment zum Thema der Existenz eines Weihnachtsmannes.
Da Charlik mein bester Freund war, aber weder schreiben noch malen konnte, entschloss ich mich dazu, f;r ihn auch ein Geschenk zum Neujahrsfest zu w;nschen. Ich hatte eine kleine Katze mit einer roten Schleife am Hals gemalt. Wieso eine Katze? Weil Charlik so aufgeregt auf Katzen und Kater reagierte, jedes Mal versuchte er, sie einzuholen und ihnen anzubieten, mit ihm zusammen um die Wette zu rennen. Aber es waren fremde Katzen und Kater und niemand konnte die Freude von Charlik teilen, niemand wollte mit ihm befreundet sein. Jedes Mal, wenn sie auf einen Baum oder Zaun sprangen, fauchten sie bedrohlich und miauten aus vollem Halse, mit ihren Schw;nzen wedelnd. Charlik hatte die Hoffnung schon verloren, irgendwann einen wohlwollenden flauschigen Freund zu treffen, um mit ihm zusammen zu spielen.
Die Festtage begannen. Meine Mutter und Oma bastelten mehrere Abende nacheinander ein Kost;m als Schneeflocke f;r mich zum Schulfest. Ich konnte mein Gedicht f;r die Schulfeier schon l;ngst auswendig und stellte mir vor, wie ich in diesem Kost;m aussehen w;rde. Dar;ber, wieso man genau dieses Kost;m f;r mich vorbereiten sollte, hatte ich nie nachgedacht, da die Lehrerin es so gesagt hatte, musste es so gemacht werden. Alles war sch;n und lustig, bis mein Bruder mir sagte: „Eigentlich sollte eine Schneeflocke wei;e Haare haben“. In diesem Moment wurde ich richtig traurig. Ich wollte nicht mehr eine Schneeflocke sein und ;berhaupt nicht zu diesem Neujahrsfest gehen. Wie ich es meiner Mutter mitteilen sollte, dass ich dieses Kost;m nicht anziehen mochte, wusste ich nicht. Denn meine Haare konnten doch nicht sich von dunkelbraunen in wei;e verwandeln! Also, auf meinem Bild f;r den Weihnachtsmann war ein M;dchen im Kost;m einer Schneeflocke mit gelben Haaren abgebildet, denn die wei;e Farbe passte nicht, es sah so aus, als w;re das Schneeflockenm;dchen grauhaarig, also war ich gezwungen, gelbe Farbe ;ber die wei;e aufzutragen.
Ich versteckte das Bild und wartete darauf, dass mein Traum in einer vorweihnachtlichen Nacht wahr w;rde.
Der Feiertagsmorgen kam, die Mutter bereitete die wei;e Strumpfhose, Schuhchen, die mit wei;em Stoff und sch;nen glitzernden Blumen aus Neujahrslamellen geschm;ckt waren,das Kleidchen und den sch;nen Kokoschnik, auch mit Lamellen und weihnachtlichen Perlen geschm;ckt, f;r mich vor. Der komische wei;e Stoff, der an den Kokoschnik angen;ht wurde und mit glitzernden Sternen geschm;ckt war, erweckte mein Interesse. Die Zeit war wie immer knapp und wir beeilten uns. Die Mutter nahm das Kost;m mit, das zum Schutz vom Wind und Schnee in ein wei;es Betttuch eingewickelt wurde, und wir gingen zum Schulfest. Ich hatte keine gute Laune. Charlik lief vor uns und blickte nicht mal zur;ck. Sogar Charlik interessierte sich f;r meine Besorgnisse nicht. Alle M;dchen aus unserer Klasse, die auch Schneeflocken auf diesem Fest waren, waren hell, nur ich war wie ein dunkles Schaf in der wei;en Horde!
Endlich erreichten wir die Schule und beeilten uns, in den Klassenraum zu kommen, wo sich schon viele M;dchen und Jungen in ihren Kost;men versammelt hatten. Alle Schneeflocken sahen gleich aus, wei;, mit gro;en wei;en Schleifen. Die Lehrerin zeigte uns den Ort, wo man sich schnell umziehen konnte. Bald w;rde das Fest anfangen.
Meine Mutter packte ruhig alle unseren Sachen aus, zog meine Kleidung aus, zog mir Strumpfhose, Schuhe und das Kost;m der Schneeflocke an, das aus f;nf frisch gest;rkten R;ckchen aus Textilpflaster bestand, mit Sternchen und Mustern bestrickt, wie auf dem Fenster an einem frostigen Tag. Dann zog sie diesen komischen wei;en Stoff ;ber meinen Kopf, meine ungehorsamen Locken drunter versteckend, und erst dann den Kokoschnik. Dann puderte sie mein Gesicht und drehte mich zum Spiegel. Oh! Daraus schaute mich eine m;rchenhaft h;bsche Fee an! Es war ein einzigartiges Gef;hl! Das war ich und man konnte keine einzige dunkle Locke sehen! In der Mitte meiner Stirnbefand sich eine wundersch;ne Brosche meiner Oma, mit einem blauen Steinchen. Damals wusste ich nicht, dass es ein echter Saphir war, es war damals auch gar nicht wichtig!
Die Lehrerin, schaute mich an, l;chelte und ich sah zum ersten Mal, dass sie sehr h;bsch war, wenn sie so l;chelte.
Das Fest war zauberhaft! V;terchen Frost war so, als ob er echt w;re! Und seine Enkelin, Schneewittchen, auch! Allerdings, sie redete wie unser Nachbarm;dchen Galja, aber es gibt ja jede Menge Leute, die einander ;hnlich sind oder ;hnlich sprechen.
Als die Feier fast vorbei war, lobte V;terchen Frost alle Kinder f;r ihre Gedichte, Lieder und T;nze, er sagte, dass das Fest nicht so lustig w;re, wenn nicht diese sch;nen und lustigen Schneefl;ckchen w;ren– die Freundinnen seiner Enkelin Schneewittchen. Er nahm mich auf den Arm und sagte:
„Dieses Schneefl;ckchen hat mir besonders gut gefallen, soll ich dich vielleicht zum Nordpol mitnehmen?“
„Nein, V;terchen Frost, ich darf nicht mit! Ich bin eine unechte Schneeflocke, ich bin ein M;dchen! Und ohne Charlik kann ich nicht mitkommen!“
Alle lachten. Und V;terchen sagte:
„Gutes M;dchen, man darf seine treuen Freunde nicht vergessen!“
Als meine Mutter und ich nach Hause zur;ckkehrten, war ich gl;cklich und froh. Mein Wunsch ging in Erf;llung! Ob es bedeutete, dass Wunder wirklich passieren oder ob meine Oma und meine Mutter mein Bild irgendwie gesehen hatten, hatte ich nicht mehr herausfinden k;nnen. Ich hatte aber auch keine Zeit, dar;ber nachzudenken. ;berall war Feier, Spa;! Ich wollte meine Geschenke teilen, die ich von V;terchen Frost bekommen hatte, also stellte ich meine T;te mit den S;;igkeiten und dem Obst unter den Tannenbaum, der zu dem Zeitpunkt von meinem Vater und den Br;dern mit den Schlitten aus dem Wald gebracht worden war und mitten im Raum aufgestellt war.
Oma Mina hatte ihre eigene Meinung zum Thema Tannenbaum und Silvesterfeier, aber sie bestand nicht darauf. Das Wichtigste war gute Laune und gl;ckliche Menschen rund herum!
Charlik blieb an dem Abend drau;en und wartete wahrscheinlich auf die Erf;llung seines Wunsches. Da keine Katze in diesem Jahr in unserem Haus erschien, beschloss ich, dass es doch richtiger w;re, seinen eigenen Wunsch selbst auszudenken und sich nicht auf jemand anderen zu verlassen, auch wenn es dein Freund war. Und so tue ich es seit der Zeit. Und ihr?
 
Charlik und Oma Mina
Wie interessant ist unsere Welt! In ihr gibt es Freude und Not, Gl;ck und Trauer, und alles, was man braucht, wie denn sonst wird man zu einem richtigen Menschen? So ist es! Nicht nur gute Ereignisse im Leben formen und st;rken einen Charakter! Der Charakter eines echten Menschen wird im Laufe des Lebens wie Stahl geh;rtet, die Schwierigkeiten an den ungl;cklichen Tagen ;berwindend und den Kopf vom Erfolg an den gl;cklichen Tagen nicht verlierend. Dar;ber erz;hlte Oma Mina ganz oft.
Mit 52 war sie Oma geworden. Sie bereute manchmal die vergangenen Jahre, die nicht realisierten Pl;ne, unerwiderte Liebe, unerf;llte Hoffnungen und andere „Vorteile und Errungenschaften“ in der alphabetischen Reihenfolge, die in einem klugen Buch aufgef;hrt waren, das den Namen „Medizinische Enzyklop;die“ trug. Die Oma fand trotzdem manche Gr;nde f;r ihre Diskussionen zu den unterschiedlichsten Themen mit einer obligatorischen lebensermutigenden Schlussfolgerung. Lange und unn;tige Frauengespr;che konnte sie kaum aushalten, sie mochte nicht an die Vergangenheit denken und schon gar nicht ;ber die Periode ihres Lebens erz;hlen, die sie von einem M;dchen aus einer intelligenten Familie zu einer alten Frau mit 30 verwandelt hatte.
Ich m;chte ihren friedlichen Geist nicht mit den Erinnerungen und Erz;hlungen ;ber die Zeit ihres Lebens aufwirbeln, die alle ihre fr;hlichen Kindheitsjahre und die gerade angefangene gl;ckliche Jugend wie mit einem scharfen Messer abgeschnitten hatte und sie in eine der dunkelsten H;lle des Gulag Workuta ge st;rzt hatte., Der Grund, der einem heutzutage trivial vorkommen w;rde, n;mlich die Nationalit;t und Existenz eines Mannes – „eines Volksfeindes“. „Wenn es nicht Sonja w;re, w;rde ich hier mit euch gar nicht sitzen, sondern schon l;ngst da liegen“, sagte sie manchmal, mit ihrer ganzen Gestalt zeigend, dass sie ;ber diese Zeit nichts erz;hlen mochte, die in der Familie mit wem Wort „dort!“ bezeichnet wurde.
Die Oma hatte trotzdem ihren jugendlichen Kampfgeist behalten. Jeder moderne und gebildete Mensch konnte sie um die Klarheit ihrer Gedanken beneiden.
Da sie in unserer Familie die ;lteste war, eiferten wir ihr unwissentlich nach, wie man sich verh;lt, wie man redet, wie und was gesagt werden darf und was lieber gar nicht erw;hnt werden sollte. Man durfte aber alle Themen besprechen, die uns interessiert hatten. „Der Gedanke ist prim;r, das Wort ist sekund;r“, das war ein ungeschriebenes Gesetz in unserer Familie, das von Oma Mina durchgesetzt wurde.
;brigens, an der Erziehung meines Welpen nahm die Oma unmittelbar und aktiv teil. Sie brachte ihm bei, wie er kl;ger und zur;ckhaltender sein konnte. Charlik h;rte zu, schaute sie sehr aufmerksam an und seufzte.
„Naiver Kleiner, irgendwann kriegst du mit dem Besen auf den Ort, wo deine hinteren Beine ihren Anfang nehmen, dann ;berlegst du dir erst, ob man alles M;gliche annagen sollte! Irgendwann kriegst du mit dem Hausschuh, da h;rst du damit auf, H;hner zu erschrecken! Irgendwann bekommst du was ab…“ Aber er wurde kein einziges Mal bestraft. Mit der Zeit, vielleicht lag es an den Gespr;chen und ihrer Gutm;tigkeit oder ihrer wahren Liebe, Aufmerksamkeit und Sorge, aber Charlik ver;nderte sich und wurde immer kl;ger und intelligenter. Mit mir spielte er, ging spazieren und machte Quatsch; mit der Oma lernte er ein „anst;ndiger“ Hund zu sein, der w;rdig war, sich nicht nur an regnerischen oder frostigen Tagen im Haus aufzuhalten, sondern auch wenn drau;en Hitze war.
An einem tr;ben Herbsttag erlaubte sie Charlik ins Haus hereinzukommen und sich auf den Teppich neben dem Ofen zu legen. Ich spielte einen Maler, denn an dem Tag zuvor hatte mir mein Vater Wasserfarben und einen Zeichenblock aus der Stadt mitgebracht. Das Geschenk gefiel mir sehr und ich beschloss, mein Vater war ;berzeugt, dass ich zur Malerin geboren war. Und um eine Malerin zu werden, sollte ich sofort mit dem Malen beginnen, man durfte mit dieser Sache nicht z;gern.
Ich malte mein Lieblingshaustier und die neben ihm in ihrem Sessel sitzende Oma mit einem alten Buch in der Hand. In den letzten Jahren las sie dieses Buch, das in einer, meiner Meinung nach, alten Schrift verfasst wurde, ;fters. Erst sp;ter erfuhr ich, dass dieses Buch j;dische Gebete beinhaltete.
Unsere Oma meinte, dass man „mit den speziellen Gebetsb;chern auf Jiddisch beten sollte, in denen kurze Bitten der liebenden j;dischen Mutter aufgef;hrt waren. Die Kraft dieser Gebete mit einer reinen Tr;ne „Meine jiddische Mutter“ war schwer zu ;bersch;tzen. Sie konnte die sichersten „Mauern“ zwischen dem j;dischen Volk und Gott brechen“. So erz;hlte sie es Sonja. Aber Sonja hatte ihre Meinung in Bezug auf die „Connections da oben“.
Ach, wie schade, dass so viel verloren gegangen war, von uns vergessen, und noch viel mehr von uns im Laufe des Lebens nicht beachtet wurde! Jetzt beobachtet man eine „aktive“ Wende in Richtung unserer Urspr;nge. Ich glaube, es tut allen gut! Ein Mensch, der die Geschichte seiner Spezies nicht kennt, seine Vorfahren und ihre Traditionen nicht beachtet, gleicht einem Baum ohne Wurzeln!
Also, ich malte Charlik und Oma Mina. Drau;en gab es leichten Eisregen. Der Wind entlaubte die letzten B;ume und warf die Bl;tter auf die Passanten, in die Fenster, in alle Ecken und Spalten der Geb;ude gejagt.
Zu Hause war es warm und gem;tlich. Pl;tzlich zuckte Charlik, sprang auf und rannte zur T;r, laut bellend.
„Was ist los?“
Die Oma legte sich ihre dicke Strickjacke mit Fellfutter ;ber die Schultern und beeilte sich, Charlik hinterher auf die Stra;e zu kommen. Er rannte mit voller Geschwindigkeit zum Nachbarhaus.
„Wohin? Was hast du da gerochen?“ Die Oma lief ihm hinterher, so schnell sie konnte. Ich zog mich auch an und rannte ihnen hinterher. Ich sprang auf die Stra;e, eine Stufe, dann ;ber die andere auf die dritte, ich ging immer so die Treppe herunter, denn zu Fu; zu laufen war f;r mich zu langweilig und uninteressant. In diesem Moment h;rte ich etwas knacken und krachen. Ein riesiger Zweig der alten Pappel, der den schweren, auf Bl;ttern und Zweigen klebenden Schnee und den starken Wind nicht mehr aushalten konnte, st;rzte auf den Boden, vor die T;r des Nachbarhauses. Die Oma konnte nicht mehr ausweichen und die oberen Zweige trafen genau sie. Ich schrie vor Schrecken aus vollen Leibeskr;ften und rannte zu ihr. In dieser Zeit drehte sich Charlik herum und beeilte sich, der Oma zu helfen. Er griff die Zweige mit den Z;hnen, rannte zur Oma zur;ck, die es nicht mal versucht hatte, sich aus dieser unerwarteten Gefangenschaft zu befreien. Bei ihr angekommen, schrie und weinte ich, der Wind riss an meinem aufgekn;pften Mantel, der Schnee klebte an meinem Gesicht, stach mir schmerzhaft in die Augen und lie; mich nicht aus voller Brust atmen. Mit alle meinen kindlichen Kr;ften zog ich die Zweige von meiner Oma herunter, aber ich war zu klein und schaffte es einfach nicht. „Oooooma, meine Liebe, ich mache es gleich, stiiiirb nicht! Oma, liebe Oma!“, schrie ich vor Schrecken, als ich sah, dass ihre Nase blutete. In der Zeit kroch Charlik unter die Zweige und leckte Omas Gesicht und ihren Arm, der unter einem gro;en Pappelzweig eingeklemmt war. Ich weinte, zog an den Zweigen und versuchte sie zu bewegen, brach einige ab, die sich abbrechen lie;en. Gut, dass es eine Pappel war. Die Pappelzweige, wie man wei;, sind weich. Ich konnte einige Zweige abbrechen, die Omas Gesicht verdeckten. Ich grub den nassen Schnee von einer Seite, meine H;nde waren durchgefroren und gehorchten mir kaum noch. An die F;ustlinge hatte ich damals gar nicht gedacht, sie hingen an einem Gummiband aus den ;rmeln meines Mantels heraus. Die Oma kam endlich zu sich und versuchte sich herauszuziehen. Da ging die T;r auf und Onkel Pascha, unser Nachbar, tauchte auf. Er war erschrocken, aber rannte schnell zu uns und bewegte diesen riesigen Ast zur Seite, meine Oma und Charlik dadurch befreiend.
„Mina Efraimovna, wie ist das denn passiert?“ Die Oma, sich auf seinen Arm st;tzend, zog sich hoch, sch;ttelte den Schnee und die kleinen Zweige ab. Ich, meine Tr;nen abgewischt, griff nach ihrer Jacke und heulte.
„Ich wollte schon lange diese Pappel abs;gen“, redete Onkel Pascha schnell, „aber ich hatte irgendwie keine Zeit. Wie geht’s Ihnen? Sp;ren Sie ihre Beine, den R;cken?“
Die Oma nickte bejahend.
„Das ist ja ein Zufall. Heute ist genau der Tag, an dem vor vielen Jahren ein Baum beim Abholzen im Lager genauso auf mich gefallen war. Anscheinend ist heute wieder nicht mein Tag“, sagte sie leise, sich mit einer Hand auf Onkel Pascha st;tzend.
„Und wir trauern, meine Mutter ist gerade gestorben“, sagte er.
Die Oma blieb abrupt stehen und, ihre H;nde zusammenschlagend, sagte sie ganz leise:
„Oh je! Maria! Ich bin zu sp;t! Unser Hund hat uns zu dir gerufen. Ich dachte, nicht, dass etwas passiert, w;hrend ihr alle arbeitet. Maria kann doch nicht aufstehen. Und genau in dem Moment fiel der Zweig auf mich. Arme Maria! Ich habe es nicht mehr geschafft, Abschied von dir zu nehmen“, bereute die Oma.
Mir war es klar, dass Omas Freundin, Oma Maria, etwas Furchtbares passiert war, etwas noch Schrecklicheres als das, dass sie mehrere Jahre gel;hmt lag und nur mit den Augen blinzeln und weinen konnte, wenn Oma und ich zu ihr zu Besuch kamen.
Die Oma ging Arm in Arm mit Onkel Pascha ins Haus, sie drehte sich zu mir um und sagte:
„Geh, meine Liebe, nach Hause, ich bleibe hier. Weine nicht, ich bin am Leben, alles ist gut. Du hast es gut gemacht! Geh, du darfst nicht mit mir. Da kommt der Vater von der Arbeit. Hab keine Angst.“
„Danke dir“, sagte sie, sich Charlik zuwendend. „Du bist ein kluger Hund, ein zuverl;ssiger. Du hast meinen Arm gerettet, unter den Ast gekrochen. Ohne dich h;tte er mich zerdr;ckt.“
Charlik sa; vor dem Haus, seine Nackenhaare stellten sich auf.
„Du siehst den Tod, oder?“, fragte Onkel Pascha leise, sich vor Charlik hinhockend, „Sag ihm, er soll gehen, eine Mutter hat er mitgenommen, es reicht!“
Es war sehr komisch und ungew;hnlich zu beobachten, wie der gro;e und starke Onkel Pascha weinte.
Erst sp;t abends erz;hle die Oma den Eltern ;ber die Trauer im Nachbarhaus und dar;ber, wie Charlik gesp;rt hatte, dass etwas nicht stimmte, wie der Pappelast herabst;rzte und wie Charlik und ich sie unter den Zweigen und Schnee retteten.
„Es war kein lustiges Bild zu sehen, als Mina unter dem Baum lag“, sagte die Oma.
„Ein gutes M;dchen w;chst bei euch heran“, sagte sie, „ein mutiges und gutherziges. Sie hat sich nicht erschrocken, mich nicht liegen gelassen, sie hat gek;mpft“. Sie erz;hlte auch ;ber Charlik: „Ein kluger Hund und echter Freund! Und ein echter Freund braucht kein „Hier!“-Kommando! Er ist immer bereit zu helfen, sogar sein eigenes Leben in Gefahr bringend“, f;gte sie hinzu.
Stille herrschte im Raum. Man konnte das Knacken des Brennholzes im Ofen und die tickende Uhr an der Wand h;ren. Die Mutter weinte leise, ihre Tr;nen mit der Sch;rze abwischend, der Vater sa; neben Charlik und strich ihn ;ber Kopf und Nacken. Meine Br;der und ich freuten uns, dass alles gut war, dass unsere Oma am Leben war und nat;rlich auf Charlik stolz war.
Sowas passierte uns einmal.
 
Charlik und Sonja
Die Tage vergingen, die Wochen verflogen und pl;tzlich kam der August. Wir sollten die Schule dreimal pro Woche besuchen. Es hie; „Vorbereitung“. Ich ging selten zu Fu;, denn wir wohnten weit von der Schule entfernt, deswegen fuhr mich meine Mutter mit dem Fahrrad zur Schule und das machte richtig Spa;! Die Mutter setzte mich auf den Fahrradrahmen, auf dem schon eine Jacke oder ein Kissen befestigt wurde, damit es f;r mich bequem war. Sp;ter montierte mein Vater einen Sitz auf den Rahmen und nun konnte man lange und entspannt Fahrrad fahren. Ich wollte unbedingt selbst steuern:
„Lass mich, Mama, darf ich dich fahren?“, bat ich, aber meine Mutter tat so, als ob sie mich nicht geh;rt hatte. Der Vater erlaubte mir, den Lenker zu halten, wenn wir fuhren. Er h;rte mich immer!
Obwohl unsere Mutter prinzipientreu war, war sie nie gemein zu uns und schimpfte nie, sie „dr;ckte auf die Nerven mit ihren Belehrungen“, so nannte es mein ;lterer Bruder. Ich mochte die Mutter, sie war sehr h;bsch und roch angenehm nach Blumenseife. W;hrend unserer Fahrten hatte die Mutter immer Angst runterzufallen oder zuf;llig Charlik zu ;berfahren oder mich fallen zu lassen. Der Lenker vom Fahrrad drehte sich st;ndig sehr scharf mal nach links, mal nach rechts. Ich versuchte nat;rlich ihn festzuhalten, zu helfen, sozusagen, aber die Mutter wurde nerv;s und schrie, dass ich mit dem Lenken aufh;ren sollte. Trotz allem war mein treuer Hund immer in meiner N;he, joggte kurz vor dem Fahrrad, uns den Weg zeigend und unsere kleinen Streitereien mit der Mutter nicht beachtend. Er war damit besch;ftigt, alles um ihn herum Geschehende zu beobachten, die aus den Toren herausspringenden Hofhunde, die laut bellten, ihre Z;hne zeigend, die aber sofort wieder zur;ckliefen, ihre Schw;nze eingezogen, obwohl Charlik auf sie gar nicht geachtet hatte, wie ich dachte. Er war st;rker und selbstsicherer als jeder dieser Hunde. Die gro;en Hunde bellten in der Regel laut und heiser irgendwo hinter den H;usern. Charlik begleitete uns mit W;rde, darin bestand seine Arbeit.
Manchmal wurden wir von der Oma beauftragt, ihre Freundin im Nachbardorf zu besuchen – die Oma Sonja, obwohl sie von allen einfach Sonja genannt wurde. Sie war eine Frau in einem „fast weisen“ Alter, trug komische Kleidung, hatte das zu einem Ring eingerollte Tuch oder einen Schal auf ihren grauen, lockigen Haaren an, die unter dem Tuch herausschauten und wie ein Septemberspinnennetz im Wind flatterten. Sonja war „;berm;;ig gebildet f;r unsere Gesellschaft“, so sagte die Oma oft ;ber sie. So wie die Oma konnte sie mehrere Fremdsprachen, aber es war nicht alles! Sie konnte mehrstellige Zahlen im Kopf multiplizieren und dividieren, sie konnte noch viel mehr, aber alle wussten ;ber eine Besonderheit von ihr: sie hatte panische Angst vor Hunden. Charlik hatte es sofort verstanden, als sie einander kennengelernt hatten. Er war ein „au;ergew;hnlich intelligentes Exemplar“, so der Vater, und ein „Schnorrer“ (Schlaukopf, Schelm – Jiddisch), so die Oma Mina, deswegen konnte er leicht die Zuneigung ihn interessierender Personen gewinnen. Einige Zeit sp;ter nach ihrer ersten Bekanntschaft war er oft zu Gast bei Sonja. Zuerst ging sie damit vorsichtig um, wie es f;r eine „zur;ckhaltende einsame Dame in ihrem Alter“ ;blich war, nach einer Weile aber gew;hnte sie sich daran und freute sich auf seine Gesellschaft. Eigentlich, wenn man an dem Haus von Sonja vorbeilaufen oder mit dem Fahrrad vorbei fahren w;rde so, dass man die beiden nicht erschreckte, k;nnte man sehen, wie die beiden die Zeit im Garten gemeinsam verbrachten. Sonja besch;ftigte sich mit etwas und er lag neben ihrer Lieblingsbank unter einer alten Linde, sie nannte diese Bank sehr lustig „Aunteralinden“ (Unter den Linden – Jiddisch).
Das war aber erst sp;ter, zuerst zeigte Sonja ihr Desinteresse an Charlik und protestierte sogar gegen seine ;berf;lle in ihrem Garten. Zum Beispiel, wie dieses Mal, ;ber das ich jetzt gerne berichten m;chte.
Es war irgendein Augusttag, die Oma Mina machte Pfannkuchen und, noch etwas in eine T;te eingepackt, sagtesie zu der Mutter: „Anja, man muss Sonja diese „Pfannkuche“ (Pfannkuchen – Jiddisch) vorbeibringen“. Hier muss ich anmerken, dass unsere Oma nie und niemanden um etwas gebeten hatte, sie sagte es immer so, als ob es anders gar nicht ginge, und niemand widersprach ihr. Sie war die ;lteste in dem Haus, aber jagte uns immer Angst mithilfe „Mutters Autorit;t“ ein. Alles eingepackt, was man mitnehmen sollte, setzte mich die Mutter aufs Fahrrad und wir fuhren fort.
Sonja, die uns von Weitem gesehen hatte, schloss rasch die Pforte ihres Gartens und wartete an den Holzzaun gelehnt auf uns, .
„Oh je, Anja, ihr bringt diesen Wildehei (Tier – Jiddisch) wieder mit! Wenn er jemanden angreift, werdet ihr Probleme haben!“
„Was sagen Sie denn!“, beruhigte sie meine Mutter, vom Fahrrad herunterspringend, Gleichgewicht haltend und mich auch dazu.
„Charlik ist ein kluger Hund, er frisst keine Menschen.“
„Meine Liebe, du wei; so wenig ;ber das Leben, die Menschen werden von allen gefressen“, bestand Sonja auf ihrer Position, den g;hnenden Charlik beobachtend, der mit seinem ganzen Aussehen seine Gleichg;ltigkeit demonstrierte,als ober Sonja sagen wollte:
„Bleib ruhig, ich habe keinen Hunger heute“. Dann legte er sich faul direkt vor Sonjas Pforte hin.
„Hier ist etwas zum Tee trinken“, sagte die Mutter, ihr eine T;te ;berreichend. Charlik leckte seine Schnauze, setzte sich hin, seine Zunge ausgestreckt, dann legte er sich hin, seinen sch;nen Kopf auf den nach vorne ausgestreckten Beinenund wedelte mit dem Schwanz. Sonja sch;ttelte den Kopf und sagte:
„Schaut ihn nur an! Na, Hund, du magst auch Pfannkuchen? Ich schimpfe nicht, ich mach mir um dich Sorgen. Du bei;t jemanden und wirst festgenommen, da kriegen deine Besitzer Probleme! Und das Leben eines H;ftlings ist kein Leben! Als ich jung war, mochte ich auch Hunde, nur wurde diese Liebe vom Gulag Workuta wie von einem Lappen weggewischt.“ In dieser Zeit deckte Charlik seine Schnauze mit der rechten Pfote zu und Sonja musste lachen.
„Was f;r ein Hund, schon ihn mit dem Wort „Hund“ zu bezeichnen, ist eine Beleidigung!“ Charlik wurde ganz mutig, stellte sich auf die Hinterbeine und die vorderen legte er auf die Pforte. Ich sagte:
„Er ist noch klein. Er wird mit mir in die Schule gehen, bald beginnt das Schuljahr.“ Und so geschah es. Jeden Tag gingen Charlik und ich in die Schule und wurden immer kl;ger. Und wenn Sonja uns sah, fragte sie immer:
„Geht ihr immer noch, noch nicht alles gelernt? Seid ihr noch am Lernen?“ Ich antwortete, dass wir noch lange in die Schule gehen werden und zeigte ihr oft, wie Charlik von eins bis drei z;hlen konnte, wenn man ihm die richtige Anzahl der ;pfel oder Birnen, oder noch besser – der Koteletten, zeigte. Solche Vorf;hrungen gefielen Sonja und sie gab Charlik und mir immer etwas, dabei sagte sie meistens schlau:
„Jeder – nach seinen F;higkeiten, jedem – nach seinen Leistungen!“
Mit gefielen diese Worte so sehr, dass ich sie einmal vor meiner Lehrerin wiederholte, als sie mich f;r die ordentlich abgewischten Pflanzen in unserem Klassenraum gelobt hatte, damals war ich acht. Allerdings lud sie danach meinen Vater in die Schule ein und redete mit ihm sehr lange. So erfuhr ich, dass es gut war, wenn man sch;n reden kann, aber noch besser war es, wenn man sch;n schweigen konnte. Meine Oma hatte sofort verstanden, woher „der Wind wehte“, deswegen hatten unsere Vorf;hrungen mit Charlik und die Besuche bei Sonja eine kurze Pause. Ich konnte nicht verstehen, wieso man nach der Schule nicht zu ihr gehen sollte, um „sich zu w;rmen“. Denn „man sollte nicht“ hei;t ja nicht, dass es verboten ist. Au;erdem, wenn sie mir versprach, dass wenn ich gr;;er werde, sie mir interessante Geschichten ;ber „Wurdelaken“ erz;hlt. F;rs Warten hatte ich keine Willenskraft, aber dem Vater nicht zu gehorchen konnte ich auch nicht. Deswegen kommunizierten wir jetzt mit ihr nur „b;nklich“, wie sie es nannte. Wenn wir nach der Schule nach Hause gingen und sie vor dem Haus war, reichten mir zehn Minuten dieser „b;nklichen“ Gespr;chen aus, um sie zum L;cheln zu bringen. Dies dauerte auch nicht lange, denn mein Vater beschloss, dass das Verbot der Kommunikation mit einer intelligenten Person meinem Charakter schadete. Wahrscheinlich verstand er, dass nichts Schlimmes daran war, dass Sonja mich so geliebt hatte. Und sie liebte mich und Charlik echt und vom ganzen Herzen. Ich erinnere mich daran, wie sie der Oma Mina einmal gesagt hatte:
„Wei;t du, meine Liebe, ich sp;re, dass dein ausgelassenes ;ffchen Milka und ihr Handteufelchen tief in meine Seele eingedrungen sind, obwohl ich dachte, dass es keinen Platz mehr f;r Gl;ck und Freude in meinem Herzen gibt.“
Die Oma umarmte sie z;rtlich, wie sie es konnte, wie mit einem gro;en Fl;gel und antwortete:
„Siehst du, ich hatte recht, das Alter beeinflusst keine Gef;hle! Alles kommt rechtzeitig. Es gibt Zeit zum Leiden und Zeit zum Lieben!“ Nach diesem Fall redete Oma mit dem Vater und er hob das Verbot meiner Freundschaft mit Sonja endg;ltig auf. Da sollte mein Vater nicht so eifrig dem Ratschlag meiner Lehrerin folgen! So dachte ich. Sonja war gutherzig und lieb!
Im Vergleich zu ihr war die Lehrerein ein „schwacher Keimling der Zivilisation“, so meine Oma.
;brigens, Sonja schrieb manchmal Gedichte. Aber sie las sie keinem vor, sondern schrieb sie auf Franz;sisch in ein dickes Heft, das aus mehreren d;nnen Heften zusammengen;ht wurde.
Zwei Jahre sp;ter ist sie gestorben, meine Oma sagte einmal, als sie Sonjas Bild betrachtete: „Oh je, Sonja, Sonja! Die Wurdelaken brachen die Rose in dem Gulag Workuta!“


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