11. 0. 3. Deutsche Kolonien in Aserbaidschan

Die russlanddeutsche Kolonie Helenendorf:

Nachdem schon die Zarin Katharina die Gro;e (1762-96), eine geborene Prinzessin von Anhalt- Zerbst, gleich zu Beginn ihrer Regierung eine erste gr;;ere Gruppe deutscher Kolonisten an die untere Wolga gerufen hatte, begann ihr Enkel Alexander I. (1801-25) die inzwischen hinzugewonnenen Gebiete im S;den seines Landes, von Bessarabien bis zum Kaukasus, mit Hilfe deutscher Einwanderer zu erschlie;en.

 Die Kolonisten dieser zweiten Welle stammten ;berwiegend aus W;rttemberg, mit dem die Zarenfamilie seinerzeit besonders starke ver­wandtschaftliche Bande gekn;pft hatte. Haupts;ch­lich lie;en sie sich im Schwarzmeerraum nieder, doch manche fuhren bis nach Transkaukasien.Die Aussicht, in den Weiten Russlands unentgeltlich zu betr;chtlichem Grundbesitz zu kommen, hatte viele landarme Familienv;ter bewogen, nach «Neurussland» zu ziehen, zumal ihnen der Zar auch einen langj;hrigen Verzicht auf Abgaben, Befreiung vom Heeresdienst, Selbstverwaltung sowie ungehinderte Religionsaus;bung zugesichert hatte.

 Das letztere war f;r viele gottesf;rchtige Schwaben sogar ausschlaggebend gewesen. W;rttemberg war bekanntlich seit dem 18. Jahrhundert stark pietistisch gepr;gt. Viele der streng konservativen Schwaben bek;mpften daher die seinerzeit herrschende liberale Str;mung in ihrer Landeskirche. Das von Rationalismus und Aufkl;rung infizierte «neue» Gesangbuch von 1791 bildete f;r sie einen schweren Stein des Ansto;es, ebenso die im selben Geist verfasste Liturgie von 1809.

 Nun gab es au;er diesen «Stundenleuten» (heute Altpietisten) auch einige Splittergruppen, die sich von ihrer angestammten Kirche getrennt hatten, so genannte Separatisten. Zu diesen Sektierern z;hlten die Chiliasten (Chiliade griechisch = Reihe von Tausend), die in unmittelbarer Zukunft den Anbruch des Tausendj;hrigen Reiches erwarteten, wobei sie lehrten, Christus werde zuerst im Osten, auf dem Berge Ararat, erscheinen.

 Diese Vorstellung wurde von dem zuletzt in Karlsruhe wirkenden Schriftstel­ler Johann Heinrich Jung-Stilling (1740-1817) und der Deutschbaitin Barbara von Kr;dener (1764- 1824), einer geborenen Vietinghoff, gen;hrt. Letztere trat als Prophetin auf und hat hunderte ihrer Anh;nger f;r den Exodus gewonnen. Auch Alexander I. stand ihr nahe. Der Zar wiederum galt, im Gegensatz zu vielen deutschen Potentaten, als tiefgl;ubiger Christ und stand als Begr;nder der Heiligen Allianz und einer evangelischen Bibelgesellschaft in Sankt Petersburg bei den Pietisten in h;chstem Ansehen.

 Insgesamt gesehen blieben die Separatisten und Chiliasten weit in der Minderzahl, aber sie bet;tigten sich als unerm;dliche Agitatoren und ent­fachten nach 1815 eine starke Auswanderungsbewegung. Auch z;hlten viele von denen, die da mitzo­gen, nicht zu den Strenggl;ubigen, aber fromm waren die allermeisten von ihnen.

 700 pietistische schw;bische Familien hatten sich 1815 nach Ende der napoleonischen Kriege in einem Gesuch an Zar Alexander I. gewandt. In Bezug auf dessen Erlass von 1804 baten sie, ihnen unter Gew;hrung der bereits genannten Privilegien in dem kurz zuvor von den Russen eroberten Trans- kaukasien Land zuzuweisen, das f;r Obst- und Weinbau geeignet w;re. Anl;sslich eines Besuchs von Zar Alexander I. in Stuttgart wurde dieses Gesuch dem Zaren vorgelegt und am 10. Mai 1817 genehmigt.


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