11. 0. 8. Deutsche Kolonien in Aserbaidschan
Anzeichen f;r einen Trendwechsel lassen sich bald nach 1890 erkennen. Nunmehr wurden die Schulen der geistlichen Aufsicht entzogen, und auch in den Kirchen wehte ein neuer Geist. Auf die noch der streng evangelikalen Linie verpflichteten Pastoren des neunzehnten Jahrhunderts folgte 1906 der liberale und weltm;nnische Balte Oskar von Weren und versuchte, von der Kanzel herunter den Pietismus zur;ckzudr;ngen, indem er seine Sch;flein lehrte, dass Theaterspiel und Pflege des Volkslieds keine S;nden darstellten.
Bereits 1893 hatte sich in Helenendorf ein «Deutscher Verein» gebildet, eine Art Herrenklub von bald 60 Mitgliedern, in dessen R;umen deutsche und russische Zeitungen und Zeitschriften auslagen. Der Verein unterhielt eine eigene Bibliothek und eine Kegelbahn, schlie;lich sogar ein Streich- und ein Blasorchester sowie eine Theater-abteilung, die schon vor dem Ersten Weltkrieg j;hrlich mehrmals an die ;ffen-tlichkeit traten.
Daneben bildeten sich in dem sangesfrohen Ort einige stimmgewaltige Ch;re. Eine weitere Bereicherung des kulturellen Lebens erfuhr die Siedlung zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch die Gr;ndung des «Helenendorfer Frauenvereins», der binnen weniger Jahre 70 weibliche Mitglieder z;hlte. Diese Vereinigung widmete sich der Armenpflege sowie der Nachbarschaftshilfe und verschaffte sich die dazu notwendigen Geldmittel durch die Veranstaltung von Konzerten, Theatervorstellungen und Wohlt;tigkeitsbasaren.
Die Verantwortlichen der genannten Gruppen waren es auch, die den weiteren Ausbau des Helenendorfer Schulwesens vorantrieben. Mit seiner Realschule war der Ort seit 1910 zum Zentrum des deutschen Schulwesens in Transkaukasien emporgestiegen. Zwar wurde diese erfreuliche Entwicklung schon vier Jahre sp;ter j;h unterbrochen, denn w;hrend des Ersten Weltkriegs mussten alle deutschen Schulen in Russland ihre Pforten schlie;en, aber nach der Februar-Revolution 1917 konnte die Anstalt wieder er;ffnet werden, und im Jahr darauf entstand daraus eine Oberrealschule, die nunmehr zum Abitur f;hrte und an der bis 1926 auch zahlreiche «reichsdeutsche» Lehrkr;fte besch;ftigt waren.
Einige Pers;nlichkeiten des Kollegiums wurden sogar unionsweit bekannt. Dazu z;hlten die Musikp;dagogen Alois Melichar und Helmut Tietz, vor allem aber der Oberlehrer Jakob Hummel, der bei Helenendorf Aufsehen erregende fr;hgeschichtliche Ausgrabungen machte und daf;r zum Mitglied der Sowjetischen Akademie der Wissenschaften ernannt wurde. ;berhaupt erfuhr das kulturelle Leben Helenendorfs nach dem Ersten Weltkrieg nochmals eine reiche Bl;te. Das galt insbesondere f;r die Pflege von Theater und Musik. Der Ort besa; eine hervorragende Blaskapelle und au;erdem - 1930 wurde eine Musikschule f;r Streicher und Pianisten gegr;ndet - ein eigenes Sinfonieorchester. Einen besonders guten Ruf erwarb sich das ;rtliche Laienspielensemble, das sogar Operetten auff;hrte, zum Beispiel Lehars Lustige Witwe.
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