11. 0. 9. Deutsche Kolonien in Aserbaidschan

 Bei den Abschlussfeiern hatte auch die Theatergruppe der Oberrealschule ;ffentliche Auftritte, meist mit Dramen von Schiller. Zuletzt wurde 1936 die Kom;die «Der Parasit» gezeigt. Solche Veranstaltungen fanden im gro;en Saal des Deutschen Vereins statt, der 400 Pl;tze fasste.

Immer wieder war Helenendorf auch Mittelpunkt von ;ber;rtlichen Festivit;ten. Einige Male trafen sich dabei die Ch;re aller deutschen Kolonien Transkaukasiens zu viel beachteten S;ngerfesten. Recht eindrucksvoll gestaltete sich auch 1934 ein Treffen der Blasorchester aus den verschiedenen Kolonien. Als gr;;tes Ereignis in der Geschichte Helenendorfs gilt jedoch die Jahrhundertfeier von 1919.

 Dazu traf sich alles, was im Kaukasus Rang und Namen hatte. Selbst aus Deutschland waren G;ste angereist. H;hepunkte dieser S;kularfeier bildeten der von f;nf Geistlichen zelebrierte Fest­gottesdienst und ein kilometerlanger historischer Festzug durch die geschm;ckten Stra;en der schw;bischen Kolonie. Seit diesem Gro;ereignis galt Helenendorf als das bedeutendste deutsche Kulturzentrum im Kaukasusraum.

Die Einwohner Helenendorfs stammten aus einundsiebzig verschiedenen Orten des K;nigreichs W;rttemberg, doch allein zweiundzwanzig Fami­lien kamen aus Reutlingen, das in Schwaben als «Stadt der Million;re» gilt. Deshalb nimmt es nicht wunder, dass auch die wohlhabendsten Leute der kaukasischen Kolonie ihre Herkunft auf Einwande­rer aus der r;hrigen schw;bischen Industriestadt zur;ckf;hren konnten.

 Genannt seien hier die Reutlinger Familien Hummel, Vohrer und Votteler, die es zu gr;;tem Ansehen brachten, erstere als Gutsbesitzer und Weingro;h;ndler, die letztere als Inhaber des bedeutendsten Handwerksbetriebs weit und breit. Diese Unternehmer-Pers;nlichkeiten haben Helenendorf bis ins Innere Russlands hinein bekannt und ber;hmt gemacht.

Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts war Johann Philipp Votteler (geb. um 1830) zum erstrangigen Wagenbauer der Kaukasusregion geworden. Er leitete die weitaus gr;;te der neun Helenendorfer Stellmachereien und fertigte im Laufe eines langen Berufslebens tausende von Planwagen, vierr;drige Bauernwagen nach altw;rttembergischem Muster, die bald in der ganzen Region, aber auch in Turkes- tan und Persien Verwendung fanden.

 Im russisch­t;rkischen Krieg 1853-56 verlie;en t;glich bis zu zehn Helenendorfer Wagen als Heereslieferungen die heimischen Werkst;tten und wurden mit 500 Rubel (1080 Goldmark) pro St;ck bezahlt.

 Bis zum Ersten Weltkrieg konnte sich die Firma Votteler - seit 1900 war es mit Gottlob, Heinrich und Theophil Vot­teler die zweite Generation - gegen die wachsende armenische Konkurrenz halten. 1908 betrug die Jahresproduktion des Familienbetriebs an Bauernwagen, nunmehr mit Hilfe modernster elektrischer Maschinen hergestellt, immer noch 300 St;ck.

Eine noch viel umfangreichere Gesch;ftst;tigkeit entfalteten die beiden bedeutenden Helenendorfer Weinbaubetriebe Vohrer und Hummel. Die Begr;n­der dieser europaweit bekannten Firmen schafften es, aus kleinsten Anf;ngen heraus zu den bekannte­sten Handelsh;usern des Zarenreiches aufzusteigen.


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