Eidbrecher
Wladimir Welikij
Eidbrecher
(Àâòîð èçäàë ñâîé ðîìàí «Êëÿòâîîòñòóïíèê» íà íåìåöêîì ÿçûêå. Wladimir Welikij. Eidbrecher: Persimplex Verlag (Deutschland). – 2015 (M;rz). – 353 s. (ISBN 978-3-86440-199-2).
28.07.2017
Wladimir Welikij
Eidbrecher
Rîman
Die „Gruppe Sowjetischer Streitk;fte in Deutschland (GSSD), die „Westgruppe der Truppen“ (WGT) – sollte der Sicherung des Aufbaues einer sozialistischen Staatsordnung in Europa dienen.
In fast f;nfzigj;hrigen Bestehen der allerm;chtigsten Streitkr;fte der Welt haben in deren Reihen etwa sieben Millionen sowjetische Milit;rangeh;rige, davon 540 Tausend Offiziere und Gener;le, 180 Tausend F;hnriche und mehr als f;nf Millionen Soldaten und Sergeanten ihren milit;rischen Drill bekommen. In den verschiedenen Jahren haben in den Streitkr;ften mehr als 400 Tausend Arbeiter und Angestellte gearbeitet: ;rzte, Ingenieure, Krankenschwestern. Die Familien der Milit;rangeh;rigen sind ein zuverl;ssiges Hinterland f;r die Steitkr;fte gewesen. Es waren eine Million 500 Tausend Menschen. Insgesamt haben auf dem Gebiet der DDR fast 8,5 Millionen unserer Landsleute gearbeitet. Alle sie haben ehrenhaft ihre Pflicht vor der Heimat erf;llt...
Von ihnen gab es ganz wenige, etwa sechshundert Menschen, die ihre Pflicht verletzt haben. Sie sind nicht nach Hause zur;ckgekehrt. Sie sind im Westen geblieben... Man hat sie Verr;ter, Staatsverr;ter, Deserteuere, Fahnenfluchtige bezeichnet. Zu Hause wartete auf sie der Knast. Unter den ehemaligen Klassenfeinden haben sie einfach nur menschliches Gl;ck gesucht...
Dieses Buch handelt von einem von diesen, der auf eigenen Wunsch in die Fremde geraten ist.
Auflage 1 (in deutscher Sprache)
Autor bedankt sich herzlich bei Frau Gerda Kr;tzsch und Frau Berta Winterholler f;r die ;bersetzung des Buches aus dem Russischen ins Deutsche.
Kapitel eins. Mache dem Andenken des Urgro;vaters keine Schande…
„Ich, B;rger der Union der Sowjetischen Sozialistischen Republiken, trete in die Reihen der Streitkr;fte der UdSSR, lege den Eid ab und schw;re feierlich, ehrlich, diszipliniert, wachsam sein…, schw;re gewissenhaft das Milit;rhandwerk zu erlernen, mit allen Mitteln das Milit;r- und Volkseigentum zu sch;tzen und bis zum letzten Atemzug meinem Volk und meiner sowjetischen Heimat ergeben zu sein“. Die Worte aus dem Text des Milit;reides konnte man ;berall auf dem gro;en Milit;rgel;nde h;ren. Das folgende junge Vervollst;ndigen Komplettieren der “Westgruppe der Truppen“ (WGT), der Namen sie am 29 Juni 1989 von der „Gruppe Sowjetischer Streitkr;fte in Deutschland“ (GSSD) geerbt hatte, hat feierlich die Treue seiner Armee und seinem Volk geschworen.
Unter den jungen Soldaten war auch Soldat Alexander Kusnezow. Er hat ungeduldig und mit Angst auf den Befehl des Kommandeurs der Kompanie gewartet, der ihn bald den Eid ablegen lassen w;rde. Der Junge in Milit;runiform bewegte immer wieder seine Lippen und wiederholte still den Text des feierlichen Eides, den er, wie auch viele seiner Kameraden, auswendig konnte.
Seinen Name h;rte der junge Soldat dann irgendwie unerwartet. Er schlug sofort kr;ftig mit der linken Hand auf die Schulter, des vor ihm stehenden Soldaten und trat im Exerzierschritt aus der Reihe heraus. Nachdem er drei Schritte nach vorne gemacht hatte, z;gerte er und straffte sich. Der Hauptmann ging im Exerzierschritt zum Neuberufenen hin und ;bergab die Mappe, in der sich der Text des Eides befand. Danach gab er laut den Befehl:
- Soldat Kusnezow, mit dem Ablegen des Eides beginnen…
Der junge Soldat nahm die Mappe in die rechte Hand, die linke hatte er an das Gewehr gepresst. Er hatte erst zwei Abs;tze des Textes vorgelesen, als ein starker Windsto; kam. Die Mappe flog unverhofft aus der Hand des Soldaten und der gewaltige Windsto; fegte sie ;ber das Gel;nde hinweg. Der Neuberufene h;rte pl;tzlich ein Gel;chter.
Einer von den Milit;rangeh;rigen, h;chstwahrscheinlich war es einer von den schon fr;her Berufenen, ein so genannter „Alte“, hat laut geschriehen:
- Schau Mal, dieser Gr;nschnabel kann noch nicht menschlich den Eid ablegen! Und wie geht es mit ihm weiter? Den „Alten“ unterbrach die Befehlsstimme des Offiziers:
- Soldat Makulow, mit dem Reden aufh;ren… Laufen Sie lieber nach der Mappe und bringen Sie sie mir schnellstm;glich…
Aus der Reihe trat, ohne sich zu beeilen, ein Soldat heraus, der Grimassen geschnitten hatte, was die „Alten“, die in den Reihen standen, zum Lachen gebracht hatte.
Kusnezow schaute von der Seite den herausgetretenen an, es war ein Kasache. An der Nationalit;t des milit;rischen „Alten“ hatte er keine Zweifel. In seinem Heimatdorf Neidjonowka gab es genug Kasachen. Besonders viele waren mit Beginn der Perestroika gekommen. Das Holen der Mappe dauerte nicht lange, vielleicht drei Minuten. Makulow trat mit beschleunigtem Schritt an den Offizier heran und berichtete, dass das Blatt mit dem Text des Eides an einigen Pl;tzen zerrissen und mit Dreck verschmiert w;re. Eine Ersatzmappe hatten die Offiziere nicht dabei. Der Stellvertreter des Kompaniechefs, ein Offizier mit einem sehr bleichen Gesicht, wahrscheinlich war er nicht gesund, ging rasch in die Kaserne, um eine Ersatz Mappe zu holen, die sich in der Einheitskanzlei befand. Die feierliche Atmosph;re hat sich einen Moment verfl;chtigt, dieser und jener in den Reihen begann zu tuscheln.
Den Ausweg aus dieser Situation fandt der Kompaniechef. Er l;chelte und fragte den „Pechvogel“, der stramm stand und fast weinte:
- Soldat Kusnezow, ich hoffe, dass Sie den Text des Milit;reides auswendig kennen… Oder nicht?..
Der Soldat reagierte am Anfang gar nicht auf die Frage des Offiziers. Nachdem er einen Moment still war, nutzte er die M;glichkeit, den Text des Eides auswendig aufzusagen und antwortete laut:
- Zu Befehl, Genosse Hauptmann...
Nach diesen Worten atmete er tief ein und aus. Danach, als h;tte auf ihn die ganze Welt geschaut, begann er laut zu deklamieren:
- Ich, B;rger der Union der Sowjetischen Sozialistischen Republiken, trete in die Reihen der Streitkr;fte der UdSSR ein, lege den Eid ab und schw;re feierlich, ehrlich, diszipliniert, wachsam zu sein…, schw;re…
Der Soldat Kusnezow, einziger Sohn der Bauern Antonida und Nikolaj Kusnezow, schwor wirklich aufrichtig und ehrlich, seiner Heimat und seinem Volk immer treu zu bleiben. Er war so aufgeregt, dass sein strenges Gesicht rosarot wurde. Auf der breiten und hohen Stirn traten gro;e Schwei;tropfen hervor. Von der Donnerstimme des gro;gewachsenen Dorfjunges in Milit;runiform flogen sogar die V;gel davon, die bisher friedlich auf den Gro;en Kastanienb;umen sa;en.
- Wenn ich diesen meinen feierlichen Eid breche, dann soll mich die strenge Strafe des sowjetischen Gesetzes, gemeinsame Hass und Verachtung des sowjetischen Volkes treffen…
Den letzten Absatz des Eides sprach der Soldat mit besonderer Begeisterung und Pathos, sein Herz begann schneller zu schlagen und im Hals kratzte es. Einen Moment war es still geworden. Auch er, der gerade mit Donnerstimme den Text des heiligen Eides vorgetragen hatte, schwieg. Kusnezow war nicht in der Lage, einzusch;tzen, wie er den Text vorgetragen hatte, ob gut oder schlecht. Er atmete schwer und schaute gespannt auf einen Punkt vor sich. Wohin und warum der Soldat dorthin geschaut hatte, wusste keiner von seiner Kollegen. Auch Alexander Kusnezow selbst hatte nicht gewusst, warum er ausgerechnet dorthin schaute. Der junge Mann im Soldatenmantel presste mit beiden H;nden die Maschinenpistole und schwieg. Aus seinen Augen liefen Tr;nen. Seine Aufregung und sicher auch seine Tr;nen hatte Hauptmann Makarow bemerkt. Er l;chelte und befahl laut:
- Soldat Kusnezow, zur Unterzeichnung des Eides herantretten!
Der Befehl des Offiziers traf den Soldat wie ein Blitz.
Kusnezow ging im Exerzierschritt zum Tisch, nahm den Kugelschreiber, neigte sich ;ber die Mappe und fand mit M;he seinen Namen. Vor Aufregung zitterte seine rechte Hand stark. Alexander ;berwandt mit M;he seine Aufregung und leistete gut leserlich und sch;n seine Unterschrift. Er hatte zum ersten Mal ein Dokument so sorgf;ltig und sehr verantwortlich unterzeichnet, das erste Dokument, wie er jetzt meinte, das allerwichtigste in seinem Leben. Auch fr;her hatte er schon einige Sachen unterzeichnet, aber auf seine Unterschrift hatte er dabei nicht ernsthaft Wert gelegt. An diesem Tag hatte die Unterschrift f;r den jungen Mann aus einem kleinen sibirischen Dorf eine besondere Bedeutung. Und sie war nicht nur von gro;er Bedeutung, sondern verpflichtete ihn auch zu Vielem. Nachdem der Soldat die Unterzeichnung geleistet hatte, drehte er sich mit dem Gesicht zu den Reihen und stand wieder still. Er, der den Eid abgelegt hatte, wartete auf den weiteren Befehl seines Kommandeurs, aber er blieb aus. Und dies hatte den jungen Soldaten wieder in Aufregung versetzt. ;berraschend h;rte er den deutlichen Befehl des Hauptmanns:
- Kompanie, stillgestanden! F;r den Eifer, der w;hrend der Vorbereitung und dem Ablegen des Milit;reides gezeigt wurde, spreche ich dem Soldat Kusnezow im Namen der Wehrleitung den Dank aus...
Danach drehte der Offizier seinen Kopf zu dem fast zwei Meter gro;en Soldaten, der bestimmt noch nicht verstanden hatte, warum und wof;r man ihm zum ersten Mal in seinem Leben einen Dank ausgesprochen hatte. Nachdem Kusnezow langsam und erstaunt seinen Kopf in Richtung des Kommandeurs gedreht hatte, sagte er laut:
- Ich diene der Sowjetunion!
Am Abend, nach dem „Schlafbefehl“, konnte der Soldat Kusnezow lange nicht einschlafen, obwohl er ein starkes Bed;rfnis nach Schlaf versp;rte. Die letzte Woche, bevor man ihn zum Wehrdienst in die erste Kompanie des ersten motorisierten Schie;bataillons brachte, hatte er nur drei bis vier Stunden geschlafen. Der Kommandeur der ersten Abteilung, Sergeant Tonkonos, behandelte die jungen Soldaten sehr streng.
Der Untergeordnete aus seiner Abteilung war nur dann frei, wenn er deutlich und flie;end die Plichten des Soldaten und den Eidestext auswendig vortragen konnte. Der Unterkommandeur verschwendete seine kostbare Schlafzeit nicht f;r die Neuberufenen, f;r die „Gr;nschn;bel“. Nach dem Schlafbefehl bem;hten sich zwei, drei Neuberufene, die Zwischenpr;fung abzulegen. Die Pr;fung misslang in der Regel. Wenn der Soldat nicht flie;end genug oder nicht deutlich ein Wort vorgetragen hatte, schwenkte er wie ein Pr;fer die Hand. Das bedeutete, dass die n;chste Pr;fung erst in zwei Tagen stattfindet. Der Pechvogel ging bedr;ckt ins Leninzimmer, um die Dienstordnung zu lernen. Die n;chste Kontrolle wurde auf eigene Initiative des zu pr;fenden Soldaten durchgef;hrt. Wenn der Sch;ler von seinen Kr;ften ;berzeugt war, ging er zuerst zum Diensthabenden. Zu den inneren Diensthabenden bei den Neueinberufenen geh;rten Soldaten des letzten Jahrdienstes. Der Diensthabende bem;hte sich nicht so richtig zuh;ren, wor;ber sein Kollege sprach. Er sa; einfach so auf einem kleinen Tisch und schaute mit Verachtung und vielleicht auch mit Bedauern auf den J;ngling in der neuen Uniform, der wie ein mechanisches Spielzeug f;nfmal, aber auch zehnmal laut den Text des Milit;reides sprach. Die Beurteilung des Diensthabendens war in der Regel nicht objektiv. Der „Gr;nschnabel“ ging wieder ins Leninzimmer und paukte die Dienstordnung. Das hat wieder paar Stunden gedauert. Unabh;ngig vom Ausgang der Pr;fung, folgten f;r den „Gr;nschnabel“ zus;tzliche Aufgaben: WC und Flure in Hochglanz bringen. Die zus;tzlichen Aufgaben dauerten manchmal bis zu Morgend;mmerung. Es gab Ausnahmen, diese Arbeiten konnte ein Offizier, der die Nachtruhe der Soldaten kontrollierte, unterbrechen. Nach der Information des Diensthabenden entschied der Offizier ;ber die Bestrafung oder Begnadigung. Der „Gl;ckspilz“ lief blitzschnell in den Schlafraum, um die letzte Stunden oder Minuten des langersehnten Schlafes zu schlafen. Der nicht begnadigte musste wieder um Rat den F;hrer der Oktoberrevolution (Leninzimmer) bitten…
Den Wunsch, sich gut auszuschlafen, hatte auch der Soldat Kusnezow, der gerade dabei war, sich in der neuen Einheit und am neuen Platz einzuleben.
Nach dem Befehl: „ Kompanie, schlafen!“ hatte sich Alexander in den Schlafraum gest;rzt. In zwei Minuten war er schon im Bett, sein Bett war im zweiten Rang. Der angenehme Geruch von sauberen Bettlaken hatte den Schlaf des jungen Soldaten g;nstig beeinflusst, im ger;umigen Zimmer war es still. Nur hier und da h;rte man ein leichtes Schnarchen und ein leises Fl;stern. Bald wurde es auch im Flur ruhig. Der diensthabende Offizier hatte seine Untergeordneten in die Schlafr;ume gejagt.
Die Stille hat dazu beigetragen, dass immer wieder neue Gedanken in den Kopf des „Gr;nschnabels“ flossen. Kusnezow l;chelte, als er angefangen hatte nachzudenken, dass er, h;chstwahrscheinlich zum ersten Mal in der Geschichte der Streitkr;fte, meinetwegen in der Geschichte dieses motorisierten Schie;regiments, in so einer kurzen Dienstzeit eine Anerkennung vom Kompaniekommandeur ausgesprochen bekommen hatte. Wenn man ihm f;r das Wissen des Eidestextes auch nicht mehr Geld gegeben hatte, aber so ein „Aufschwung“ hatte ihn auf den Gedanken gebracht, dass er in einem halben Jahr den Dienstgrad Untersergeant bekommt und eine ganze Gruppe kommandieren wird. Darauf den Dienstgrad „Gefreiter“ zu bekommen, hatte der Sibirer keine gro;e Lust, der Soldat wollte nicht seine Kollegen grinsen sehen.
Von dem Traum, Unterkommandeur zu werden, kamen dem Soldaten die Erinnerungen an sein Zivilleben, das er, wie es ihm vorkam, schon sehr lange verlassen hatte. Nachdem Kusnezow die Augen geschlossen hatte, sah er gleich sein Heimatdorf. Vor ihm erschien Petjka Sorokin, der ihm als Erster die Nachricht von der Einberufung zur Armee gebracht hatte. Der F;nftkl;ssler war so schnell wie m;glich von seinem Haus bis hin zum Dorfrand zu dem schiefen h;lzernen Geb;ude gelaufen, in dem sich die noch verbliebenen f;nfzig K;he des Sowchoses befanden. Sascha hatte seiner Mutter bei der Arbeit mit den K;hen geholfen. Als der Knabe den Einberufenen auf dem Heuboden sah, schrie er noch lauter:
- Hej, Kusnez, du wirst heute zur Armee einberufen... Zur Armee einberufen…Du, Sanjka, hast geh;rt?
Der Zwei-Meter-Riese, als ginge ihn die Information des Knaben nichts an, hatte gelassen weiter mit der Gabel das Heu aus einem gro;en Schober gezogen. Erst nachdem der Sch;ler ihm einen kleinen Zettel ;berreichte, wurde Kusnezow stutzig. Er hat nicht geglaubt, dass er diesen Herbst in die Armee einberufen wird. ;ber den Aufschub des Milit;rdienstes auf eine unbestimmte Frist hatte Alexander vom Milit;rkommissar des Rayons selbst geh;rt. Der Major hatte den Aufschub damit motiviert, so lange sein Vater nicht gefunden ist, w;rde er nicht in die Armee einberufen. Er war das einzige Kind seiner Mutter, dar;ber hinaus war sie oft krank. Mit Tr;nen in den Augen und einem ganzen Haufen von Bescheinigungen hat die Frau den Offizier gebeten, ihren Sohn nicht in die Armee einberufen, wenigstens so lange nicht, bis ihr Ehemann wieder da ist. Der j;ngste Kusnezow weinte oft nach seinem Vater, verbarg aber seine Tr;nen von der Mutter.
Von dem merkw;rdigen Verschwinden des Vaters hatte der junge Mann noch in der technischen Berufsschule erfahren, die er ohne Lust besuchte. Letzten Endes beendete er sie nicht, er wurde wegen mangelhafter Leistungen und der vielen vers;umten Stunden exmatrikuliert.
Der Vater von Sanjka verschwandt Ende September unbekannt irgendwohin, gleich in einer Woche, als er mit seiner Frau im Rayon Zentrum Isumrudnoje seinen Stier verkauft hatte. Das Vieh wollten sie sp;ter verkaufen, aber das Leben zwang sie, es eher zu tun. F;r das Fleisch, nach b;uerlichem Ermessen, bekamen sie viel Geld. Die hatte die Familie dringend n;tig, denn im Dorf hatten die Menschen schon ein halbes Jahr keinen Lohn bekommen. Antonida hatte ihren Mann sehr sorgf;ltig auf die Fahrt ins Gebietszentrum vorbereitet. Sie hatte eine Liste mit den notwendigen Eink;ufen geschrieben, zwei Bl;tter aus dem Schulheft voll. Der Hausherr, nachdem er die zahlreiche Bestellungen der Frau gelesen hatte, lachte und sagte schmunzelnd:
- Na du, hast du es dir ;berlegt? Antonida, du m;chtest, dass ich das alles auf einmal auf meinem R;cken nach Hause bringe. Beh;te mich Gott, dass mache ich nicht. Notfalls fahre ich paar Mal oder bitte meine Bekannten in der Stadt, dir deine Bestellungen mit dem Auto zu bringen…
Antonida nahm die Vorschl;ge ihres Mannes nicht begeistert auf. Sie sagte unter Tr;nen:
- Ich kenne dich, S;ufer. Du wirst mit deinen st;dtischen Trinker das ganze Geld vertrinken. Du l;sst mich und den Sohn ohne ein St;ck Brot und ohne Kopeke zur;ck. Ich h;tte Saschka mitgeschickt, aber ich brauche ihn dringend auf der Farm. Du wei; doch, dass mein R;cken bald nicht mehr mitmacht. Und au;erdem braucht man f;r zwei Fahrkarten viel Geld.
Dem f;gte die Frau ihrem Ehemann nichts weiter hinzu. Sie began bitter zu weinen und ging hinaus. In einer Stunde hatte sie auf der Farm zu sein, musste aber noch ihren zwei Meter gro;en Sohn suchen, der die letzte Zeit ;berhaupt den Eltern abhanden gekommen war. Nach einer gewissen Zeit kehrte die Frau ins Haus zur;ck, ihre Seele schmerzte wegen des Geldes, das mit Schwei; und Blut verdient worden war. Auf inst;ndigem Bitten seiner Frau hatte Nikolaj das Geld zur Sicherheit ins Taschentuch eingewickelt und extra noch die Innentasche des alten Jacketts mit einer Sicherheitsnadel zugesteckt. Der Mann kehrte von dem Gebietszentrum Omino nicht nach einem Tag zur;ck, wor;ber ihn Antonida gebeten hatte. Er erschien nicht in Neidjonowka in zwei Tagen und auch nicht in einer Woche. Die Ehefrau alarmierte das Dorf, sie befragte alle Bewohner ;ber ihren Mann. Niemand hatte ihren Mann gesehen, weder in der Stadt und noch im Dorf. Auch der Farmleiter hatte sich Sorgen gemacht, wenn auch der Verschwundene ein S;ufer war, aber er h;tte Ihn dringend gebraucht. Im Dorf, in dem vor f;nf Jahren noch mehr als f;nfhundert Menschen gelebt hatten, waren etwa hundert geblieben. Ein gro;er Teil von ihnen hatte keine Kraft mehr. Antonida hatte keine Geduld mehr, auf ihren Mann zu warten, sie hatte begonnen Briefe zu schreiben. In einer Woche hatte sie zehn Nahen- und Fernverwandte benachrichtigt, die in allen Ecken des gro;en Landes lebten. Sie h;tte noch mehr Briefe geschrieben, aber sie kannte nicht die genauen Adressen und es fehlte das Geld f;r die mit Briefmarken versehenen Briefumschl;ge.
Antonida war auch im Rayon Zentrum. Sie ritt mit dem Pferd dorthin. Das Rayondorf Isumrudnoje war etwa zwanzig Kilometer vom Dorf entfernt. Das spezifische „Verkehrsmittel“ hatte die Dorfbewohnerin nicht des guten Lebens oder ihrer Laune und ihres Wunsches gew;hlt, sondern weil sie kein Geld hatte. Dieses „Verkehrsmittel“ benutzten immer mehr und mehr Dorfbewohner. Nach der Ernte standen ;berhaupt alle Traktoren und Autos. Es gab keinen Sprit und keinen Treibstoff. Die Tankstelle im Dorf war geschlossen. Der Arbeitslose Tankwart Opa Matwej war oft betrunken und schlief im W;chterh;uschen. Inhaber von Motor;dern brachten oft zu Fu; ihre eiserne „Pferde“ zur Zisterne und zapften sie an. Aber das laute Get;se verbesserte nicht ihre Laune. In den Jahren der Vollendung des Sozialismus kam der Bus abends und morgens ins Dorf, unter den Bedingungen der begonnen Demokratie kam er gar nicht mehr ins Dorf.
Der Besuch der Rayon-Abteilung f;r Inneres hatte Antonida eine gewisse Hoffnung auf eine erfolgreiche Suche nach ihrem Mann gegeben. Nachdem sie sich vorgestellt hatte und dem Milizoffizier den Grund ihres Besuches nannte, begleitete er sie in ein Zimmer im zweiten Stockt. Der kahlk;pfige Major, h;chstwahrscheinlich war er irgendeinen Chef, h;rte der weinenden Frau sehr aufmerksam zu. W;hrend des Gespr;chs vermerkte der Mann etwas in seinem Notizbuch. Im Zimmer und im Ausgang der ernsten staatlichen Institution beruhigte der Chef die noch relativ junge Besucherin und wiederholte dabei immer:
- Antonida Petrowna, seien Sie beruhigt… Unsere sowjetische Miliz ist immer in Einheit mit unserem sowjetischen Volk… Wir finden bestimmt ihren Mann… Bei uns gibt es f;r solche „Br;der“ eine ganze Kartothek. Schon morgen werden alle Mitarbeiter der Miliz unseres Gebietes wissen, dass Ihr lieber Ehemann Nikolaj verschwunden ist…
Der Offizier hatte einen Moment geschwiegen. H;chstwahrscheinlich hatte er den Vatersnamen des Verlorengegangenen vergessen. Antonida war schon im Begriff, den Mund ;ffnen und den Vatersname ihres Mannes zu sagen, aber der Offizier hatte schnell einen Ausweg aus der peinlichen Situation gefunden. Er sah sehr ernst die Frau an und sprach
milit;risch streng aus:
- Wir finden auf jeden Fall Nikolaj… „Vaterowitsch“… Die Besucherin hatte sich auch diesmal mit der Korrektur zur;ckgehalten. Ihre Seele f;llte sich in diesem Moment mit Freude und Ruhe. Sie hatte den Offizier liebevoll angeschaut und nicht an einem Erfolg der Miliz gezweifelt.
Morgen und vielleicht schon heute Abend wird ihr lieber Ausbrecher gefunden sein und nach Hause vom Chef gebracht werden. Der Major hatte es mehrmals versichert. Den verschwundenen Ehemann w;rde er eigenh;ndig nach Neidjonowka bringen.
Auf dem Heimweg jagte die Frau ihr Pferdchen nicht mit der Peitsche, sie war von s;;en Tr;umen gefangen. Antonida hatte sich vorgenommen, ihr Verh;ltnis zu ihrem nichtsnutzigen Mann vom Grund auf zu ;ndern. Sie tr;umte davon, dass sie morgen besser leben und s;;er einander lieben w;rden als sie fr;her es getan hatten. Auch dar;ber hatte sie nachgedacht, wie man sich dem gro;en Chef erkenntlich zeigen k;nnte. Aber leider brachte man den Nichtsnutzigen nicht nach einem und auch nicht nach zwei Monaten…
Der Sohn, der sein Heimatdorf verlassen hatte, um ehrenvoll seine Pflicht gegen;ber dem Staat zu erf;llen, sah seinen Vater nicht mehr…
Die sch;ne Erinnerungen des Soldaten an sein Heimatdorf unterbrach jemand in einer groben und unversch;mten Weise. Er wusste es gleich, als ihm jemand in der Dunkelheit in den Unterleib schlug. Vor wahnsinnigem Schmerz schrie er auf, ;ffnete die Augen und stand schnell auf. Sofort blendete ihn der Strahl einer Taschenlampe. Alexander bedeckte sofort mit den H;nden seine Augen. In diesem Moment schlug man ihn wieder kr;ftig, mit etwas Schwerem auf den Kopf.
Er sp;rte gleich, dass am Scheitel sich eine Beule gebildet hatte. Er wollte sie betasten, aber er kam nicht dazu. Sogleich versp;rte er einen schrecklichen Schmerz in der Schulter und zwischen den Beinen… Erst jetzt hatte er verstanden, dass man ihn verpr;gelte. Der J;ngling von zwei Meter Gr;;e hatte nicht geglaubt, dass in seiner ersten Nacht und noch dazu in der ausgezeichneten Kompanie des ber;hmten Hauptmanns Makarow, man ihn pr;geln w;rde. Und das hatte ihm Mut und Kraft gegeben. Alexander sprang schnell aus dem Bett und st;rzte sich zum Ausgang. Er hatte es nicht geschafft, hinaus in den Kasernenflur zu laufen. Jemanden hatte ihm ein Bein gestellt und er ging wie eine abgem;hte Garbe zu Boden. Blut str;mte ihm aus der Nase. In diesem Moment flammte im Schlafraum die elektrische Lampe auf. Kusnezow lag in blutiger Unterw;sche zwischen zwei Reihen von Betten auf dem Boden und schaute mit tr;ben Augen mal auf die Decke, mal ringsherum. Pl;tzlich sah er in der Ecke am Fenster vier J;nglings, die Jogginganz;ge anhatten. Das es die „Alten“ waren, daran hatte er keine Zweifel. Unter den auf dem Bett Sitzenden erkannte er gleich den „Alten“ Makulow. Der Kasache sah ver;chtlich auf den niedergeschlagenen Riesen und spuckte immer wieder aus irgendeinem Grund durch seine krummen Z;hne. Endlich hatte er von dieser Besch;ftigung genug und sagte boshaft:
- Wie geht’s „Gr;nschnabel?“ Warum begr;;t du uns nicht? Oder hast du vergessen, wer in unserer Armee regiert? Hat man dir, Missgeburt, nicht die Armeesubordination beigebracht? Mein Vater hat einst Gretschko Ehrenbezeigungen erwiesen…
Eine gewisse Zeit schwieg der Kasache, geschwiegen haben auch die ;brigen „Alten“, auch der „Gr;nschnabel“. Er legte manchmal die Hand auf seine Nase und bem;hte sich, das Blut zu stoppen. Das Schweigespiel hatten die „Alten“ satt. Einer von ihnen, der sehr mager war, stand pl;tzlich auf und lief zu dem liegenden auf dem Boden. Er gab ihm einen kr;ftigen Fu;tritt. Kusnezow schrie vor Schmerz auf und rollte sich zusammen, immer neue Schl;ge folgten…
Die darauf folgenden Schl;ge sp;rte er nicht mehr. Hass auf die „Alten“, auf diese Unmenschen, erf;llte ihn. Der Gedanken sich zu r;chen, f;r seine W;rde einzutreten, durchdrang pl;tzlich seine Seele und Besinnung. Einen Moment erinnerte er sich an die milit;rischen Memoiren seines Vaters. Er erz;hlte oft seinem einzigen Sohn, dass das Wichtigste in einer Pr;gelei ist, immer als Erster zuzuschlagen. Der Vater, der seinen Wehrdienst an der chinesischen Grenze geleistet hatte, hatte einem „Alten“ die Sch;pfkelle auf den Kopf geschlagen, weil der seine zwei St;cke Wei;brot aufgegessen hatte…
Alles was sp;ter passierte, konnte Kusnezow Junior nicht mehr begreifen. Er sprang blitzschnell auf und st;rzte zu einem Nachttisch, auf dem ein Soldatenriemen lag. Er nahm den Riemen in die H;nde und st;rzte sich auf den „Alten“ Makulow, der friedlich seinen R;cken gekratzt hatte und ein ungezwungenes Gespr;ch mit seinen Kollegen f;hrte. Zwei weitere sa;en auch auf den Betten und h;rten mit offenen M;ndern dem milit;rischen „F;hrer“ zu. Der Magere stand immer noch beim „Gr;nschnabel“ und wartete auf die Anweisungen der „Troika“. Er schaffte es nicht, mit den Augen zu blinzeln, als er das erschrockene Gesicht seines „F;hrers“ sah, um dessen Hals der Soldatenriemen fest lag. Der Versuch des „Mageren“, Makulow zu Hilfe zu kommen, hatte kein Erfolg. Er hatte noch keine drei Schritte in Richtung Bett machen k;nnen, als er einen kr;ftigen Tritt in den Bauch bekam. Davon ging er zu Boden. Nachdem die zwei auf dem Bett Sitzenden den schrecklichen Schrei des Kasachen geh;rt hatten, flohen sie schnell aus dem Raum. Wohin und warum die Zwei verschwunden waren, war dem jungen Soldaten egal. Er sah vor sich nur noch das dunkle Gesicht des Kasachen und seine krumme Z;hne. Kusnezow zog mit seiner ganzen Kraft die Enden des Soldatenriemens zusammen und Schrie f;rchterlich:
- Du, Missgeburt, wenn du mich nur einmal noch anfasst… Ich bringe dich um, Dummkopf aus Misst… Hast du verstanden, du Missgeburt?
Der Soldat des Zweiten Dienstjahres, Makulow, antwortete nicht, er r;chelte nur stark. Aus seinen schmalen schwarzen Augen flossen Tr;nen. Irgendwie konnte er den Mund ;ffnen und die Zunge bewegen. Wor;ber Makulow sprach oder bat, verstand der zwei Meter gro;e „Henker“ nicht, er wollte auch nichts verstehen. Er wollte nur noch Rache…
Die Pr;gelei dauerte noch zehn Minuten. Der Einheitsdiensthabende, ein grauhaarige Major, war verbl;fft ;ber das Erblickte, als er die T;r des Schlafraumes ;ffnete. Im Raum befanden sich drei Soldaten. Zwei von ihnen, einer sehr kleinen, der andere langer und mager, lagen auf dem Boden. Zwischen ihnen hockte ein Soldat mit kurz geschnittenen Haaren und klopfte abwechselnd mit der Schnalle die nackte Hintern der liegenden. W;hrend der versetzen von Schl;gen haben die „Alten“ unmenschlich geschrien…
Soldat Kusnezow wurde erst am Abend aus der Hauptwache abgeholt. Der Diensthabende der Einheit beschloss, dem Jungen Soldaten Zeit zum ;berlegen zu geben. Den Soldaten hatte der Kompaniekommandeur abgeholt. Der Hauptmann war genau so gro; wie sein Untergeordneter. Der Offizier war von der Figur her bedeutend kr;ftiger und sah daher wie ein echter Riese aus. An diesem Abend brennte im B;ro der Kompanie das Licht bis in die Nacht hinein. Niemand von dem Personal der Einheit kannte den Inhalt des langen Gespr;chs zwischen dem Offizier und dem jungen Soldaten. Auch die „Alten“ hatten keinen Versuch zur Aufkl;rung unternommen. Sie haben einfach Angst vor ihrem m;chtigen Kommandeur, der schon viel zu lange in der ausgezeichneter Kompanie war. Das lange Gespr;ch war ein Spiel in ein Tor. Der Chef hatte Fragen gestellt und der Untergeordneter antwortete trocken. Alexander beobachtete aufmerksam, wie der Kompaniechef seine Informationen sorgf;ltig in ein dickes Heft eintrug. Manchmal warf er einen neugierigen Blick auf den Kommandeur. Einen kurzen Moment trafen sich ihre Blicke. Der Soldat schaute als Erster zur Seite…
Nach dem Ende des langen Gespr;chs stand der Offizier hinter dem Tisch auf und dr;ckte seinem Untergeordneten die Hand. Nach einer Denkpause sagte er bestimmt:
- Wei;t du was, Sibirier… Nimm deine Matratze und bringe sie in die Zenitgruppe. Deinen Wehrdienst wirst du bei dem Sergeanten Dubrowin fortsetzen. Er ist ein gebildeter Kommandeur und auch seine Jungs sind ohne Fehl und Tadel. Ich habe diese Versetzung schon mit meinem Vertreter f;r politische Erziehung besprochen, er hat auch nichts dagegen… Es ist schade, dass unser Kommissar heute ins Spital gefahren ist…
Nachdem sich der Offizier wieder auf den Stuhl gesetzt hatte, nahm er das dicke Heft an sich. Kusnezow, der stramm stand, las auf der Titelseite des Heftes:
"Buch f;r individuelle Gespr;che mit dem Personalbestand der Ersten Motorisierten Schie;kompanie".
Der Hauptmann l;chelte und notierte etwas in seinem Heft. Er klappte das Heft zu, lehnte sich zur;ck und begann lebhaft zu sprechen:
- Kusnezow, mir kam gerade so eine Idee… Bei uns im Regiment findet bald ein Boxwettbewerb statt. Unser Regimentsvater liebt sehr das Boxen. Mich hat er schon satt und auch mein Alter ist schon nicht mehr jenes… Das hei;t, du erh;lst von mir die M;glichkeit zu trainieren, aber nur in der Freizeit. Wie und wo du trainierst, das ist dein Problem… Bei den Organisationsfragen hilft dir Sergeant Dubrowin. Ich sage es ihm…
Zum Abschied dr;ckte der Offizier dem Soldaten fest die Hand und sagte stolz:
- H;r auf mich, mein Landsmann… Ich sage dir ehrlich… Den ersten Angriff der „Alten“ der Kompanie hast du ehrenvoll ;berstanden. Du hast wie ein echter Sibirier gehandelt. Du „Gr;nschnabel“ kennst wahrscheinlich nicht die B;cher ;ber den Heroismus unserer Landsleute. Sie gingen w;hrend des Krieges in den Angriff in voller Gr;;e, die sibirischen Regimenter waren es, die Moskau retteten…
Die zweite Nacht des jungen Soldaten Kusnezow in der ausgezeineten Kompanie verlief ohne Vorf;lle, aber er hatte wieder die ganze Nacht nicht geschlafen. Die Ursache waren aber jetzt nicht die „Alten“, sondern die Gedanken an seine Eltern und nicht nur an sie, die in seinem Kopf waren, der gestern noch ein Zivilmensch war. Versunken in diese Gedanken wischte er ab und zu die Tr;nen ab…
Nach der Schl;gerei mit den „Alten“ und dem Gespr;ch mit dem Kompaniekommandeur empfand Alexander seine Vergangenheit ganz anders. Er bedauerte es, dass er die zehnte Klasse nicht abgeschlossen hatte. Sie h;tte ihm den Weg zur Hochschule ;ffnen k;nnen. Die Zeit vor dem Wehrdienst in der Armee hatte er „verpfiffen“. Sogar in der Berufsausbildung hatte er sich keine M;he gegeben, keine Hausaufgaben gemacht und oft im Unterricht gefehlt. Aus diesem Grund wurde aus ihm kein Maurer. Man hatte inh einfach extmatrikuliert.
Er machte sich auch keine Gedanken ;ber die Tr;nen seiner Mutter, die immer geweint hatte, wenn sie Briefe vom Direktor der Bildungsst;tte bekam. Im Haushalt war er auch keine gro;e Hilfe: half nicht einmal den Eltern bei der Bereitstellung von Heu und Brennholz. M;glicherweise wollten es die Eltern selbst nicht, den einzigen Sohn zur landwirtschftlichen Arbeit zwingen. Das hatte Alexander ausgenutzt. Erst nach dem Verschwinden des Vaters hatte sich Sanjka zum Besseren ver;ndert. Er half der Mutter auf der Farm. Der sorglose J;ngling besa; auch ein Herz. Seine Mutter hatte die ganze Nacht vor Schmerzen gest;hnt. Die relativ noch junge Frau hatte ;ber die R;ckenschmerzen geklagt. Antonida war paar Mal in der Kreispoliklinik, dort hatte man ihr aber nicht geholfen. Sie hatte auch ein Versuch unternommen, sich bei einer Heilerin im Gebietszentrum behandeln zu lassen. Sie hatte die Gebietszeitschrift mit der Anzeige, nach der die bisher unbekannte Heilerin alle vorstellbaren und unvorstellbaren Krankheiten geheilt hatte, mitgenommen und st;rmte zu ihrer Retterin. Die junge Frau begr;;te sehr freundlich die Kranke und befragte sie ;ber ihr Leben. Danach bat sie die B;uerin, sich auszuziehen und auf einen abgenutzten Teppich, der auf dem Boden lag, zu legen. Das „Bettlaken“ roch sehr nach Katzenurin. Die Heilerin "vertrieb" die Krankheiten ohne Spritzen und Tabletten. In der Hand hatte sie einen Nagel oder ein Drahtst;ck und machte einige Kreise neben der liegenden Frau und schrie gebieterisch:
- Du, Iwan, bringe die n;chste Kranke… Die ist schon fertig…
Iwan, ein Mann von vierzig Jahren, der Ehemann der Heilerin, vielleicht auch der Freund, ;ffnete schnell das Fenster und schrie in die die vor den Eingang stehende Menge:
- Herrschaften! Wer ist der n;chste? Bitte…
Von dieser kurzer medizinischen Behandlung hatte es Antonida die Sprache verschlagen. Sie nahm ihre Kleider unter den Arm und ging zu der Heilerin. Die lie; Antonida nicht zu Wort kommen, l;chelte nett und sagte:
- Bei Ihnen, liebe Frau, wird jetzt alles in Ordnung kommen… Die Schmerzen verschwinden in paar Wochen… Ihre Geldspende legen Sie ins Buch, das auf dem Tisch am Eingang liegt…
Eine Geldspende hatte die Patientin aus dem kleinen Dorf nicht, in die Stadt ist sie mit der S-Bahn „schwarz“ gekommen. Iwan wies aber nicht die zwei G;nsen ab. Die Schmerzen der B;uerin verschwanden weder nach zwei Wochen noch nach einem Monat und auch nicht nach einem Jahr…
Kusnezow hatte auch keine Braut in der Heimat zur;ckgelassen. Er wusste es jetzt auch selber nicht, warum. Saschka geh;rte nicht zu den h;sslichen Burschen. Es war gerade umgekehrt. Fast alle seine Mitsch;lerinnen und auch die M;dchen in der Berufsausbildung waren von den Kr;ften des J;nglings begeistert. Auf verschiedenen Tanzveranstaltungen war Saschka-Riesen immer im Zentrum des weiblichen Interesses, wenn er auch nicht so richtig tanzen konnte. Alexander hatte nie ein M;dchen zum Tanzen oder ins Kino eingeladen, er war sch;chtern. Die M;dchen luden ihn selber ein. Einige Vertreterinnen des schwachen Geschlechts, unterschiedlich vom Alter und Aussehen her, hielten es f;r eine Ehrensache, mit dem zwei Meter gro;en Burschen zu tanzen. Die anderen baten ihn, sie nach Hause zu begleiten. Aber alles endete immer am Haus oder am Engang desWohnheimes. Er war bei keinem M;dchen zu Hause, geschweige denn schlief er dort. Die M;dchen wollten vielleicht nur mit ihm spielen, wie mit einem Wunder der Natur. Sanjka verstand auch selbst nicht, warum er so gro; geworden ist. Mutter und Vater waren mittelgro; und alle Verwandte kleiner als er. Bevor er zu Wehrdienst einbezogen wurde, hatte er ein M;dchen gek;sst, eine Deutsche. Vor einem halben Jahr war Polinka aus Kasachstan nach Neidjonowka gekommen. Ihre Eltern warteten auf den Aufnahmebescheid aus Deutschland. Das M;dchen hatte den ganzen Tag ihren Altersgenossen und nicht nur ihnen ;ber das gute Leben in Deutschland erz;hlt. Ihrer Ansicht nach fuhren sogar die Sozialhilfeempfenger moderne Autos. Der Riese hatte damals keine gro;e Lust auf all dieses Gerede. Aber dass Arbeitslose Aussiedler aus der Sowjetunion schon nach einem Jahr oder einigen Monaten Autos fuhren, rief bei ihm Neid und Respekt gegen;ber denen hervor, die in diesem reichen Land lebten. In Neidjonowka hatte keiner ein Auto, au;er Opa Semjon Konotop, ein Kriegsveteran. Der Opa liebte seinen „Saporoshez“ und h;tete ihn sehr. So fuhr er mit dem Auto nur auf trockenen Wegen. Im Winter und bei schlechtem Wetter stand das Auto in einer aus Birkenbrettern gebauten Garage. Auch zu verschiedene Veranstaltungen, zu denen ihn die Kreisverwaltung einlud, fuhr er nicht mit seinem Auto. Den Opa, holte man in der Regel aus Isumrundnoje mit dem PKW ab. Zu den Sch;lern der Schule im Ort brachte den Veteranen der Gesch;ftsf;hrer mit dem Dienstmotorrad Seitenwagen. Zu allen Veranstaltungen zog sich der alleinstehende Mann wie zu einer Milit;rparade an. Er war stets in einem strengen schwarzen Anzug gekleidet, den er wahrscheinlich schon f;nfzig Jahre besa;. Der Opa putzte seine nicht zahlreiche Medaillen und den einzige Orden auf Hochglanz. Den Orden hatte der Opa in Friedenszeiten als Kriegsteilnehmer erhalten. Er zog auch seine Offiziersstiefel an, auf die er sehr stolz war. Woher der Soldat die Stiefel hatte, wusste keiner. Ger;chten einiger Dorfleute nach hatte der Opa vor zehn Jahren, vielleicht auch fr;her, diese Stiefel bei einem Offizier im Rayon- Zentrum gegen Pilze eingetauscht. Mal gab es Semjon zu, mal nicht…
Die etwa zehn „Alten“, geleitet von Makulow, berieten sich den ganzen Tag ;ber. Das freche Verhalten des „Gr;nschnabels“ besch;ftigte sie auch w;hrend des Unterrichts. Am wahrscheinlichsten h;tte auf Kusnezow nach dem Signal „schlafen“ wieder eine richtige Exekution gewartet, wenn es nicht den Kompaniekommandeur und seinen Stellvertreter gegeben h;tte. Gerade diese beiden Offiziere hatten wirklich gegen die Methoden der „Alten“ gek;mpft. Makulow und seine Umgebung waren froh, dass der Stellvertreter des Kommandeurs wieder einmal ins Spital gefahren war. Den politischen Mitarbeiter hatte der Magen gequ;lt. Der Hauptmann nahm sich jeden Vorfall in seiner Kompanie schwer zu Herzen. Jeder Disziplinversto; seiner Untergeordneten, besonders Misshandlungen gegen;ber den jungen Soldaten, lie;en ihm graue Haare auf dem Kopf wachsen. Am n;chsten Tag kam Makarow gleich am fr;hen Morgen in die Kompanie und rief Makulow zu sich ins B;ro. Der Dienst;ltere, als er erfuhr, dass ihn der Kommandeur bestellt hatte, beschloss sich wie ein Fuchs zu verhalten. Zwei Meter vor dem B;ro des Kommandeurs ging er zum Exerzierschritt ;ber, blieb stehen und klopfte leicht an die T;r. Danach ;ffnete er sie vorsichtig und fragte mit einem einschmeichelnden L;cheln:
- Genosse Hauptmann, haben Sie mich bestellt?
Der Offizier schaute ironisch den Soldat an. Er sagte auch leise erstaunt:
- Und Sie, Soldat Makulow, Sie f;hlen nicht, dass Sie heute unbedingt bestellt werden?
Das Gespr;ch zwischen dem Kommandeur und dem „Alten“ verlief nicht freundlich. Makulow war vor den Augen des Offiziers Soldat geworden. Einige Momente seines Dienstes hatte Makarow bis ins kleinste Detail noch im Ged;chtnis, etwas rief bei ihm sogar ein L;cheln hervor. Als Neueinbezogener hatte Makulow w;hrend der ersten Schie;;bungen aus der Maschinenpistole mit Gefechtpatronen die Luft verdorben. Er hatte die Luft so stark verpestet, dass der Leiter nicht nur den zusammenzuckenden K;rper des Soldaten zwischen den F;ssen festhalten, sondern auch noch seine Nase mit der Hand zuhalten musste. Dieses Mal dauerte die Besprechung nicht lange. Der Untergeordnete hatte seinen neuen Fehler verstanden und nahm eine niedergeschlagene Haltung an. Makarow schaute mit einigem Misstrauen auf den Kasachen. Er glaubte nicht an seine Aufrichtigkeit. Daran, das Makulow mehr als einmal die jungen Soldaten misshandelte, zweifelte der Offizier nicht. Er wusste auch genau, warum der Altdienstleistenden sich an denen r;chte, die gerade in die Einheit gekommen waren. Der "Alte", der ergeben in den Mund des Offiziers schaute, woher er die Fortsetzung der Moralpredigt erwartete, sogar w;hrend des Gespr;chs hatte er die M;glichkeit der Vergeltung ;ber den gro;gewachsenen „Gr;nschnabel“ zugelassen. Makulow, eine Art Gebieter ;ber die Altersgenossen im Wehrdienst, wollte nicht sein Ansehen bei ihnen verlieren. Die Autorit;t hatte sich der Soldat mit Schwei; und Blut verdient. Den Burschen aus einem kleinen kasachischen Dorf hatte man am ersten Tag des Wehrdienstes grausam verpr;gelt. Drei Monate lang n;hte er flei;ig einem "Alten" an die Jacken wei;e Kr;gelchen an. Und das war noch nicht alles.
Jeder "Alte" arbeitete seine Ordnung und Reglement des Schlafengehens aus. Nach dem Weggang des Offiziers der Kompanie fiel irgendeiner von den Jungen auf die Knie vor dem Bett des "Anten" und sang Lieder oder erz;hlte M;rchen. Nachdem der junge Soldat dem "Alten" berichtet hatte, wie lange er noch zu dienen hatte, musste er dem "Alten“ den R;cken kratzen und erst nachdem der "Alte" eingeschlafen war, ging der junge Soldat vorsichtig und "m;uschenstill" in sein Bett…
An diesem Tag kam Hauptmann Makarow sehr sp;t nach Hause, um ein Uhr der Nacht. Die Ehefrau und Tochter schlifen schon fest. Er trank ein Glas Tee, zog sich schnell aus und legte sich auf das Sofa. Das Sofa hatte er in der letzten Zeit oft "bekommen". Die Frau und seine kleine Tochter gingen gew;hnlich um zehn ins Bett. Tatjana, so hie; die Offiziersfrau mit Vornamen, hatte die Tochter zu sich ins Bett genommen, wenn ihr Mann zu dieser Zeit noch nicht zu Hause war. Die Frau wachte oft fr;h am Morgen auf und warf einen Blick auf das Sofa, es war leer. Das bedeutete, dass ihr Saschenjka schon weggegangen war, um das Personal der ausgezeichneten Kompanie zu wecken…
Alexander Makarow war in dieser Nacht sehr beunruhigt. Er dachte immer noch ;ber den Inhalt des Gespr;chs mit dem jungen Soldaten und ;ber die, die ihn so misshandelt hatten, nach. Mit dem "Altertum" in seiner Kompanie k;mpfte nicht nur er. Ihm und seinem Vertreter standen Offiziere und Sergeanten, Komsomolaktivisten zur Seite. Zur Erziehung der Untergeordneten wurden auch Mitglieder von Frauenr;ten herangezogen, die an Sonntagen den Soldaten Torten und anderes Backwerk brachten. Wiederholt waren alle Bem;hungen umsonst gewesen. In der ausgezeichneten Kompanie von Makarow gab es auch besondere Vorkommnisse. Im Prinzip hatte das Verhalten des jungen Soldaten Kusnezow den Hauptmann sogar gefreut. Der gro;e Junge hatte einen w;rdigen Widerstand gegen die "Alten " geleistet, dank seiner Gr;;e und seiner Kraft.
Hauptmann Makarow kam aus Daurija in das "chinesische" Regiment jenseits des Baikalsees. Der Absolvent der Omsker Offizierhochschule hatte nach zwei Jahren eine Kompanie bekommen und sie drei Jahre kommandiert. Danach kam er nach Deutschland, in das kleine deutsche St;dtchen Dachbau. Und wieder erhielt er eine Kompanie, insgesamt acht Jahre in unmittelbarer N;he des eigenen Personals.
F;r einen gescheiten und erfahren Offizier war es eine sehr lange Zeit. Alexander knirschte nur mit den Z;hnen, als er erfuhr, dass seine Studienkameraden in dieser Zeit Bataillone befehligten, einige an der Akademie studiert hatten. Sorgte sich auch Tatjana, wenn ihr Mann aufgeregt nach Hause kam und ;ber Personalumstellungen in der Einheit oder in seiner Kompanie sprach. Makarow hielt sich nicht f;r einen privilegierten Offizier, aber er hatte sich auf die Gerechtigkeit und Anst;ndigkeit des Sozialismus verlassen. Die Eheleute hofften immer wieder aufs Neue auf eine bessere Zukunft. Der Kommandeur der ausgezeichneten Kompanie verbrachte immer mehr und mehr Zeit in der Kaserne, er sah nur selten seine Familie. Tatjana verstand das alles und ertrug tapfer ihre Einsamkeit.
Alexander Makarow verstand sich im Prinzip immer mit seinen Untergeordneten und es hat alle gefreut. Die leitende Rolle Makarows, als ehrlichen und gerechten Menschen, haben nicht nur die Offiziere in ihm gesehen, sondern auch die Soldaten seiner Kompanie. Der Hauptmann war ;berall und immer der Erste. Der Riese sprang schneller als alle andere in die Kampfmasche hinein, und schoss immer ausgezeichnet. Keiner konnte wie er die Kampfmaschinen fahren. Auch seine untergeordneten Kommandeure standen ihm nicht nach. Als Rang- und Dienstgrad;ltester hatte er seine Gefechtmeisterschaft mit jedem Untergeordneten geteilt…
Die Erste technische Schie;kompanie hatte nicht ihresgleichen auf dem Gebiet der Laienkunst. Der Kompaniechef sang so eindrucksvoll, dass einigen Offizieren und ihren Ehefrauen Tr;nen in den Augen standen. Mit Tr;nen in den Augen freute sich auch seine Frau ;ber die Erfolge ihres Mannes. Tatjana weinte Tag und Nacht, als sie nach dem schweren Leben jenseits des Baikalsees erfahren hatte, dass ihr lieber Mann zur Wehrdienst in die DDR geschickt wird. Sie und ihr Mann hatten in ihrem Leben nicht so viel Gutes gehabt. Ihre Eltern hat Tatjana nie gesehen, sie ist im Waisenhaus aufgewachsen. Makarow hatte Eltern, sie wohnten auf dem Dorf und arbeiteten dort auf der Farm. Tatjana lernte den Offizierssch;ler zuf;llig im Stadtpark kennen. Der gro;e Milit;r hatte ihr gleich sehr gefallen. Schon in einem Monat begannen die jungen Leute, ihre gemeinsame Zukunft zu planen. Besondere Fortschritte in diesen Tr;umen machte der junge Offizier, als er zu der "Gruppe Sowjetischer Streikr;fte in Deutschland" (GSSD) kam. Makarow kam im Herbst im Regiment an und schon nach einem Tag hatte er von sich h;ren lassen. Eine Kompanie mit bisher Vorkommnissen sollte bestimmt sein, eine ausgezeichnete zu werden. In einem Jahr waren die Verpflichtungen erf;llt, im Erfolg hatte ein gro;er Anteil der Ehemaligen von dem Baikalsee. Niemanden hatte es verneint, auch nicht der Regimentskommandeur, der ihn als Vorbild bezeichnete. Den f;lligen Dienstgrad "Hauptmann" hatte der Kommandeur der f;hrenden Einheit erhalten, aber mit dreimonatiger Versp;tung. In demselben Jahr erhielten seine zwei untergeordneten Offiziere eine Bef;rderung in das Nachbarregiment. Es verging noch ein Jahr. Die "Makarowzy" hatten ihren Titel "Ausgezeichnete Kompanie" wieder verteidigt. ;ber den erfahrenen Kommandeur und Kommunisten Makarow brachte die Divisionszeitung eine gro;e Reportage. Das Portr;t des grauhaarigen Offiziers hing auch an der Ehrentafel des Regiments. ;ber den Boxkampf schrieb die Zeitung "Krasnaja Swesda". Aber mit allen diesen Ehrenbezeigungen zeigte sich der junge Mann immer noch nicht ganz zufrieden.
Der gewissenhafte „Diener“ bei der Armee wusste genau, dass, wenn er in der n;chsten Zeit nicht in seiner Milit;rkarriere weiterkommt, dann wird er ein „Hineingeschobener“ sein und zwar f;r immer. Alexander wollte nicht irgendwo in Stab sitzen und als Hauptmann oder bestenfalls als Major auf die Rente warten. Den seelischen Zustand des Ehemannes verstand auch seine Frau. Sie machte sich sogar noch mehr Sorgen um ihren klugen Saschka als der Riese selber. Die nerv;se Anspannung der Eltern hatte auch Einfluss auf die Kleine gehabt, die die Eltern mehr als ihr Leben liebten. Wika hat die letzte Zeit Nachts nicht geschlafen und war die ganze Zeit launisch. Der Milit;rarzt des Regiments konnte dem Kind nicht helfen. Die jungen Eheleute beschlossen, sich an die Deutschen zu wenden. Ein Professor schaute sich die Kranke an. Nach einem Tag ging es dem M;dchen bedeutend besser und auch die Laune der jungen Eltern verbesserte sich. Aber leider hatte die Freude einen bitteren Beigeschmack. Der Kommandeur des Regiments erfuhr, dass die Familie Makarow die deutsche Klinik besucht hatte. Major Sljunkow rief gleich am n;chsten Morgen in der Kompanie an und bestellte mit einer unzufriedenen Stimme den Hauptmann zu sich ins B;ro. Der t;chtige und flei;ige Offizier wurde in einem Augenblick f;r den Oberoffizier einen richtigen Feind geworden. Das sp;rte der Hauptmann sofort, als er an die B;rot;r klopfte. Der Eingetretene hatte es noch nicht einmal geschafft, ;ber sein Kommen sich melden, als der Chef, wie von einer Tarantel gestochen, durch die Z;hne zischte:
- Genosse Hauptmann, wer hat Ihnen erlaubt, deutsche Einrichtungen zu besuchen? Oder hatten Sie von ihrer Frau Angst?
Die Fragen des Regimentskommandeurs machten den Untergeordneten stutzig, er schwieg deshalb und nahm Exerzierhaltung an. Er war rot wie ein Krebs geworden.
Makarow bereute sogar einen Augenblick, dass er auf die Argumente seiner Frau geh;rt hatte. Tatjana hatte gesagt, dass an diesem Tag am Morgen der Regimentsmusiker Owetschkin seine Frau in die Klinik brachte. Und er wusste auch von mehreren F;llen, dass deutsche ;rzte Familienmitglieder der Oberen Offiziere behandelten.
Jetzt aber, war ihm, der in der Mitte des Teppichs stand und aufmerksam die Moralpredig und die Anweisungen des Regimentskommandeurs anh;rte, nicht danach, sich zu rechtfertigen. Makarow begriff, jetzt in diesem B;ro, dass er bei diesem Chef, der nur f;nf Jahre ;lter war als er, keine Karriere machen w;rde. Der Kommandeur der motorisierten Schi;kompanie war dem Major zwei Jahre unterstellt und kannte alle seine Gewohnheiten. ;ber den Ehrgeiz des Kahlk;pfigen erz;hlte man Legenden. Einer aus der Regimentsverwaltung erz;hlte, dass Sljunkow den Chef eines Lehrstuhles in der Milit;rakademie gebeten hatte, ihm ein Telegramm nach Sotchi zu schicken, wenn er den Dienstgrad „Major“ bekommt. Der ;beraus gepflegte junge Mann, alledings mit einem gro;en Kahlkopf, hatte sich schon Schulterst;cke mit gro;en Sternen besorgt. Das Telegramm traf einen Tag vor seiner Abreise aus dem Urlaub ein. Es war sehr hei; an diesem Tag. Einige Leute am Strand schauten erstaunt den jungen Mann im gr;nen Hemd mit den Majorsschulterst;cken an, auf dem Kopf des Milit;rs ein Strohhut war…
Es gab auch nicht wenig Ger;chte, dass der Kahlk;pfiger recht oft mit den Frauen was gehabt h;tte… Auch ;ber die Karriere des Regimentskommandeurs, dar;ber wie er seine Sterne und Orden verdient hatte, erz;hlte man in der Einheit Verschiedenes. Einige erz;hlten, dass er seinen Milit;rdienst nach der Parteischule begonnen h;tte. Andere sahen seinen Karrierensprung auf Grund wichtiger Kontakte seiner Ehefrau. Makarow interessierte sich wenig f;r die Inhalte von Ger;chten, Klatsche und Gerede. Eines wusste er genau, dass Sljunkow gleich nach Akademieabschluss in das Regiment gekommen war. F;r Ihn hat sich die Hoffnung, an der Akademie zu studieren, von Tag zu Tag verringert… Die letzte Weisung des Kommandeurs l;ste bei Makarow Tr;nen aus. Sie war f;r ihn dem;tigend und sehr dreist. Der Glatzk;pfige, als h;tte vor ihm irgendein Wesen gestanden, hatte die Augen zusammengekniffen und sp;ttisch gezischt:
- Alles, das ich dir vorher gesagt habe, musst du zur Kenntnis nehmen… Und merke dir noch, dass ist das Wichtigste… Ich und nur ich bin in dieser Einheit der Chef f;r alle… Jeder Besuch bei den Deutschen, auch der von deinem Frauchen, kann nur mit meinem Wissen stattfinden…
Der Vorrat von Kraft und die Lust in der Einheit zu arbeiten, vergingen nach dem Besuch des Regimentskommandeurs bei dem einst gewissenhaften Offizier nach und nach. Das bemerkte auch Tatjana. Deshalb weinte sie oft heimlich. In diesen kurzen Stunden, die die jungen Leute demeinsam verbrachten, listeten sie Alexsanders Verdienste und die Fehlschl;ge auf. Zu den Pechv;geln z;hlten sie sich nicht. Die Eheleute, ausgehen von dem, was sie gesehen und geh;rt hatten in dieser Einheit und in Sabajkalje, kamen immer ;fter und ;fter zu einem untr;stlichen Schluss: Die aus den Arbeiter- und Bauerfamilien stammenden Offiziere w;rden nie Gener;le. Zu diesem Schluss kamen sie erneut nach der Exerzierbesichtigung ihres Regiments. An diesem Tag war es schon morgens hei;. Sljunkow hatte das Regiment schon sehr fr;h aufgestellt, um die Bereitschaft seiner „Chinesen“ zu kontrollieren.
Danach wartete man auf die Divisionschefs. Die Sonne stand schon im Zenit, als der Kommandeur der Einheit mit seinem Gefolge ins Milit;rst;dtchen kam. Dieses Mal hatte Hauptmann Makarow seine Untergeordnete besonders sorgf;ltig auf den Exerzierappell vorbereitet. Alles war Okay, auch beim Offizier - die Paradeuniform und sogar die Frisur. Er hatte seine Haare beim Kompaniefriseur ganz kurz schneiden lassen, um die Divisionschefs nicht zu ver;rgern. Auf dem Familienrat hatte man beschlossen, dass f;r Alexander die Zeit gekommen war, beim Regimentskommandeur wegen seiner Milit;rperspektive nachzufragen. Gr;nde daf;r gab es gen;gend. Drei Jahre trug seine Kompanie bereits den Titel „Ausgezeichnete Einheit“, in dieser Zeit wurden f;nf Zugkommandeure bef;rdert. Auch Hauptmann Makarow wurde geehrt. Die Kompanie besuchten vor einem Jahr deutsche G;ste aus Berlin. Zum dem Offizier mit m;chtiger Gestalt trat einer von den Deutschen heran und sagte in russischer Sprache:
- Sie dienen gut, Genosse sowjetischer Offizier…
Diese Worte hatten beim Gefolge ein L;cheln ausgel;st. Der Kommandeur der Einheit hatte dem erfahrenen Offizier die Hand gedr;ckt und ihn umarmt. Nach diesem Erlebnis gab es bei Makarow und seiner Frau die berechtigte Hoffnung auf die n;chste Stufe in der Milit;rkarriere…
Der Regimentskommandeur in Begleitung des Einheitskommandeurs trat irgendwie unbemerkt an Makarow heran. Die helle Sonne, so schien es dem Hauptmann, hatte zu guten Laune beider Chefs beigetragen. Der junge General, ziemlich kleiner vom Wuchs, sagte lustig, als er den Riesen vor sich sah:
- Sljunkow, schau mal, was f;r ein „Adler“ bei uns in der Infanterie dient. Ich habe nicht gedacht, dass so ein sch;ner Offizier mir untergeordnet ist…
Sein L;cheln war ansteckend und auch der Einheitskommandeur strahlte mit einem L;cheln. Er b;ckte sich wie ein Fuchs vor dem oberen Kommandeur und sagte einschmeichelnd:
- Hauptmann Makarow ist ein fehlerloser, fachm;nnischer und zuverl;ssiger Offizier. Seine Kompanie tr;gt schon drei Jahren den Titel „Ausgezeichnete Kompanie“…
Nach diesen Worten l;chelte der Major breit, dabei zwei Reihen krummer Z;hne zeigend.
Der Hauptmann sp;rte die gute Laune seines Chefs und entschloss sich, ihm die Frage, ;ber die er mit seiner Frau schon ein ganzes Jahr nachgedacht hatten, zu stellen:
- Genosse Generalmajor, darf ich eine Frage stellen?“, sprach der Offizier sehr ernst. Der General schaute verwundert den stattlichen Mann an, als er seine Donnerstimme geh;rt hatte und sagte leise:
- Kein Problem, Hauptmann… Ich h;re…
Nach den Berichten des Zugskommandeurs dar;ber, dass die Waffen und der Personalbestand in Ordnung sind, beeilte sich Makarow nach Hause zu kommen. Er wusste genau, dass Tatjana ungeduldig auf die Antwort des Divisionskommandeurs wartete. In der Seele der Frau wurde es unruhig, als sie durch das K;chenfenster das strenge und sehr ernste Gesicht ihres geliebten Menschen sah. Und die junge Frau hatte sich in ihren Gef;hlen nicht geirrt. Als die Eingangst;r aufging, ging Alexander sofort ins Wohnzimmer und setzte sich auf das Sofa, ohne die Paradeuniform auszuziehen. Er schwieg und schaute irgendwohin an die Decke. Bald hatte auch die Frau auf dem Sofa Platz genommen. Der Offizier und seine Milit;rfreundin sa;en nebeneinander und schwiegen. Jeder dachte f;r sich alleine nach, aber auch ;ber das Gemeinsame, dar;ber, was sie schon einige Jahre nicht ruhig leben lie;. Das Gemeinsame war jetzt f;r sie furchtbar. Die Perspektivlosigkeit im Dienst war bedr;ckend nicht nur f;r Makarow auch f;r seine Frau. Tatjana hatte mit ihrem Mann schon genug vom „entz;ckenden“ Armeeleben bekommen, hatte begriffen, dass ihr Sanjka umfallen und abst;rzen kann. In der Praxis bedeutete es Trunksucht und Verweigerung des Dienstes. So ein Protest gegen die Armeegrunds;tze war schon bei einigen jungen Offizieren beobachtet wordet, die noch gestern Perspektiven hatten und ausgezeichnete Einheiten kommandierten, aber schon heuten richtige Eremiten in den Milit;rkr;ften waren. Viele „hineingeschobene“ Offiziere der ;lteren Generation hatten sich mit ihrem Schicksal abgefunden und warteten auf die Rente…
Makarow ging am Nachmittag nicht in die Kompanie. Zu Hause a; er auch nicht, weder zu Mittag noch zu Abend. Er kam auch nicht zu seiner geliebten Frau, nicht am Abend und auch nicht in der Nacht ins Bett. Tatjana seufze ab und an, weinte aber nicht. Frauentr;nen konnten den psychischen Zustand des m;chtigen Mannes verschlechtern, der f;r den Dienst nicht nur seine Seele und sein Herz eingesetzt hatte. F;r verschiedene Farben u.a. hatte Makarow f;r die ausgezeichnete Kompanie hunderte DM aus der eigenen Tasche ausgegeben. Der Riese lag in dieser Nacht auf dem Sofa und weinte leise. Es war f;r ihn bis zum Schmerz im Herzen ;rgerlich, was mit ihm vor einigen Stunden geschehen war. Der Hauptmann kam zu einem eindeutigen Schluss: der General und der Major waren weit weg von seinen Problemen. Der Divisionskommandeur hatte sich die Frage des Unteroffiziers angeh;rt, aber sich nicht weiter um die Probleme irgendeines Offiziers irgendeiner ausgezeichneten Kompanie gek;mmert. Er hatte einfach seinen Adjutanten gerufen und ihm befohlen, die Frage des Offiziers in das Heft einzutragen. Der hatte beim grauhaarigen Offizier nochmal h;flich ;ber seine Beschwerde nachgefragt und ins Heft eingetragen. Die oberen Chefs waren in dieser Zeit mit der Befragung ihren Untergeordneten schon fertig…
In dieser Nacht hatte der Kommandeur der ausgezeichneten Kompanie, Hauptmann Makarow, zum ersten Mal in seinem Leben eine zwiespaltige Haltung zum Dienst in der Armee. Er war sich ganz sicher, dass er nie den Gipfel des Eisberges erreicht, der mit allerlei Beamtenseelen mit gro;en Sternen gef;llt ist. Um General zu werden, muss man nicht unbedingt ein Kommandeur einer ausgezeichneten Kompanie oder eines Regiments sein. Man muss etwas ganz Anderes haben, genau das fehlte dem Sohn eines Kolchosbauern…
Alexander tauchte f;r einen Moment in seine j;ngste Vergangenheit ein, die dem Burschen Hoffnung f;r eine gro;e Zukunft gegeben hatte. Sanjka Makarow besa; noch von Kindheit an Besonderheiten, die ihn auffallend von den Altersgenossen im Dorf unterschieden.
Im Unterschied zu den Jugendlichen las er viel, das Klubhaus besuchte er selten. Den M;dchen gegen;ber war er auch gleichg;ltig. Er wollte sich schon von jungen Jahren an
gr;ndlich auf eine gro;e Karriere vorbereiten. Der Junge aus dem kleinen sibirischen Dorf tr;umte oft von einem Besuch des wichtigsten Platzes des gro;en Staates. Der Rote Platz war f;r den Pionier etwas Majest;tisches, Aufregendes. Nach dem Aufwachen am Morgen schaltete er sofort den Rundfunk an, um sich die Sendungen anzuh;ren. Besonders hatte es ihm der Schlag der Kremlturmuhr angetan. Der Sch;ler, wie auch die meiste Dorfbewohner, war noch nie in Moskau und auf dem Roten Platz. Daf;r gab es viele Gr;nde. Die wichtigsten waren Geldmangel und keine Zeit.
Der kurzfristige Urlaub der Eltern war in der Regel wegen der f;r das sowjetische Dorf ;blichen st;ndigen Sorgen schnell vorbei. Die Einzelne, die das Gl;ck hatten, den Roten Platz zu besuchen, erz;hlten begeistert dar;ber.
Sanjka Makarow hatte sich seinen Traum erst nach dem Abschluss der Offiziersschule, gleich nach seiner Hochzeit erf;llt. Die Jungverheiratete hatten die Flitterwochen in der Hauptstadt sehr bescheiden verbracht. F;r die Fahrt nahmem sie das Geld, das sie zur Hochzeit geschenkt bekommen hatten, es war nicht viel. Die Eltern hatten ihren Sohn ;berredet, in die Hauptstadt in Milit;runiform zu fahren, auch die junge Ehefrau hatte nichts dagegen. Mit stockendem Herz betrat der zuk;nftige „Sabaikalez“ den majest;tischen Platz neben dem Kreml. Dem Offizier kam es damals vor, als ob mit diesen majest;tischen Bauten, mit diesem Platz nicht nur die Geschichte und das Leben des sowjetischen Volkes, sondern auch der gesamten progressiven Menschheit verbunden w;ren. Der Sibirier schaute sich aufmerksam die Steine an, mit denen der Hauptplatz des Landes ausgelegt wurde und in die Geschichte eingegangen ist. Vor ihm erschien eine ganze Epoche des Kampfes f;r den Kommunismus - eine gl;ckliche Zukunft nicht nur f;r sowjetische Menschen, sondern auch andere L;nder der Welt. Vor dem Dorfjungen lebten Bolschewikengestalten, erste Arbeiter- und Bauerregiments der Roten Armee, die zum Schutz von Interessen des einfachen Volkes sich erhoben haben, auf. Ihm kam es so vor, als w;re es vor einigen Sekunden gewesen, dass die Kl;nge des Parademarsches ;ber den historischen Sieg des sowjetischen Volkes ;ber den Faschismus zu h;ren waren. Standhafte, sichere Schritte des Siegenparademarsches hatten die Unersch;tterlichkeit der sowjetischen Macht, die Macht gerechter und ehrlicher Menschen best;tigt…
Sehr beeindruckt waren die Eheleute davon, wie sch;n und genau die Offizierssch;ler des Kremls, auf Posten Nr.1 zur Wache des Leninmausoleums, angetreten waren. Dieser wichtigste Posten des riesigen Landes war f;r den jungen Absolventen der Offiziersschule nach seinem politischen Inhalt und seiner Bedeutung h;chst international. Er symbolisierte die Gr;;e und die Unersch;tterlichkeit der Leninisideale nicht nur f;r die Bev;lkerung des gro;en Landes und der ganzen fortschrittlichen Menschheit, sondern auch f;r ihn, den einfachen Junge aus einem kleinen sibirischen Dorf. Makarow erinnerte sich immer noch an den Moment, als er die Hand seines lieben M;dchens genommen hatte und erregt an den Glassarg Lenins herangetreten war. Damals zweifelte er nicht, dass in dieser Kolonne zum aller menschlichsten Menschen neben ihm Russen und Deutschen, Polen und Amerikaner, Wei;e und Schwarze, Reiche und Arme, Junge und Alte gehen. Und jeder von Ihnen, der Iljitsch besuchte, nahm es auf seine Art sich zu Herzen. Die ;berw;ltigende Mehrheit von ihnen bedankte sich bei ihm f;r Alles, was er geschaffen und vollbracht hatte…
Der junge Offizier sah zum ersten Mal in seinem Leben so nah den einbalsamierten K;rper des nicht gro;en, kahlk;pfigen Mannes mit zusammengelegten H;nden auf der Brust. Makarow hatte sogar hier geglaubt, dass nur diesem Menschen und keinem
anderen es gelungen ist, das Rad der Weltgeschichte zur;ckzudrehen. Und begonnen hatte er in Russland, im Lande von Gendarmen, von armen und reichen, ungebildeten und r;ckst;ndigen Menschen. Der Sohn eines einfachen Bauern, der eine Offiziersuniform trug, war auf den Willen und die unversiegbare Energie des Verstorbenen neidisch, der trotz allen Schwierigkeiten dem Wind der Ver;nderungen entgegen getreten war, um den einfachen Menschen Gl;ck zu geben. Gutm;tig neidisch war Hauptmann Makarow auch auf die sch;pferische Denkweise dieses Menschen. Er erinnerte sich an den Unterricht der KPdSU-Geschichte in der Offiziersschule, den Oberst Pastuchow f;hrte. Der Oberoffizier war ein richtiger F;hrer von Lenins Ideen. Den Offizierssch;lern kam es manchmal sogar so vor, als ob ihr Lektor alle Arbeiten des F;hrers auswendig kannte. Der Offizierssch;ler Makarow hatte auch mit besonderer Aufmerksamkeit die Arbeiten Lenins studiert und konspektiert, hielt oft Vortr;ge. Gerade im Mausoleum hatte sich der Offizier das Wort gegeben, dass auch er so titanisch wie der Gr;nder der kommunistischen Partei arbeiten wird. Er hatte auch keine Zweifel daran, dass die Fortsetzer der Sache Lenins anst;ndig und ehrlich sind…
Die junge Ehefrau des Kompaniekommandeurs beobachtete ihren Mann von der Seite, ihr Herz und Seele jubelten. Sie hatte auch gute Laune und erhabene Gedanken. Sie hatte f;r einen Augenblick sogar nicht geglaubt, dass dieser junge und sch;ne Milit;r in Paradeuniform ihr Ehemann ist. Das Gesicht des Offiziers war g;ttlich, sogar sehr…
Nach dem Besuch des Mausoleums von W. I. Lenin gingen Alexander und Tatjana zur Kremlwand. Alle Menschen, die in der Mauer beerdigt waren, waren f;r den jungen Offizier eine Art Symbol. Makarow bedankte sich bei denen, die ums Leben gekommen waren, f;r seine gl;ckliche Gegenwart und bedauerte, dass sie zwar Helden auf ewig geworden sind, aber keine M;glichkeit hatten, heute zu leben. Der junge Mann ging langsam von einer Tafel zur anderen und war auch seinem Schicksal sehr dankbar daf;r, dass er in dem Land wohnte, wo der dicke Geldsack nicht herrschte…
Die Sibirier wollten sich auch noch die in den Granit eingemei;elten Namen ansehen. Jedoch das ernste Gesicht des F;hnrichs, der aufmerksam beobachtete wie sich die Besucher bewegten, zwang sie, die Revolutionspl;tze zu verlassen. Das junge Paar verlie; mit gro;em Bedauern den heiligen Platz des gro;en Landes…
Von der Kremlwand aus gelangte der Offizier mit seine Frau auf die Stra;e, auf der die Autos „Tschajki“ aus dem Kreml hin- und zur;ckrasten. Der Hauptmann Alexander Makarow verfiel wieder ins Nachdenken. Er zweifelte nicht daran, dass die Menschen, die in den Autos sa;en, seht besch;ftigt sind und anstrengend arbeiten. Er, als einfacher sowjetischen Mensch, als Offizier der ruhmreichen sowjetischen Armee, begann erst auf diesem Platz so richtig die ganze Verantwortung der Partei- und Staatsleitung f;r das Schicksal der einfachen Menschen, der Arbeiter, zu begreifen. Der junge Kommunist stellte sich f;r einen Moment den anstrengenden Arbeitstag der Mitglieder des Politb;ros des ZK der KPdSU vor. Von ihrem Verstand und F;higkeiten, die Ideen Lenins zu realisieren, hing seine Zukunft, die Zukunft seiner geliebten Tatjana, ihrer Kinder und Enkel ab. Von diesen Gedanken, die immer noch nicht den Kopf des Riesen verlassen hatten, wollte der aus einfacher Bauerfamilie stammende, der auf Moskauer Strassen laufende, noch fester mit seinen neuen schwarzen Armeeschuhen auftreten. In der Hauptstadt des Gro;staates hatte der Absolvent der Milit;rschule f;r Kommandeure keine Zweifel, dass er schnell General wird. Und nicht ohne Grund. Der Dorfj;ngling hatte die Offiziersschule mit Auszeichnung absolviert, hatte sich selber den Milit;rbezirk ausgesucht. Der Offizier und auch seine junge Frau hatten von den sabaikalischen Steppen keine Angst. Sie gemeinsam und auch jeder allein glaubten an Ihre Kr;fte. Sie glaubten, dass in der Armee des entwickelten Sozialismus jeder Mensch die gleichen M;glichkeiten hat, ein gro;er Chef zu werden. Man musste nur ehrlich arbeiten, dienen und das war es.
Makarows kamen sp;t am Abend aus Moskau nach Hause. Den ganzen Tag waren sie durch die Stadt gebummelt. Im Zug schliefen sie lange nicht, besprachen das Gesehene. Die Jungverheirateten, nach dem sie auf dem Roten Platz waren und die Geschichte des Gro;staates „eingeatmet“ hatten, strebten nach Osten. In diesem Zug beschlossen die Eheleute, vorl;ufig keine Kinder zu bekommen. Die Initiative kam vom jungen Mann. In Sabaikalje hatte er vor, m;glichst schnell ein Bataillon zu bekommen und an die Milit;rakademie zu gehen. Tatjana war mit den Wunschtr;umen ihres Mannes einverstanden…
Nach dem Eintreffen im Heimatdorf gingen der Offizier und seine Frau auf den Friedhof und legten auf das Grab vom Opa Michail, dem Kriegsteilnehmer des Gro;en Vaterl;ndischen Krieges, einen Kranz nieder. F;r den Enkel war er ein eingenartiges lebenswichtiges Vorbild. Dass Alexander sich entschlossen hatte Offizier zu werden, war auch der Verdienst des Reservehauptmanns Michail Makarow. Der Opa hatte keine Offiziersschule absolviert, vom Dorf aus ging er als Traktorist zum Krieg. Die Feuertaufe bekam er bei Moskau, aus der Kompanie blieben nur f;nf am Leben. Darauf delegierte man ihn auf Kurse aus Mangel an Offizieren. Der Enkel war auf den Opa sehr stolz, der nicht nur im Dorf bekannt war, sondern auch weit au;erhalb des Dorfes. Die letzten Jahre seines Lebens hatte sich Michail als Wachmann etwas zuverdient, hatte ein Laden bewacht. Er bewachte ihn gut, denn hier ging es auch nicht ohne Abenteuer ab. Alexander erinnerte sich an eins davon und l;chelte.
Es war im Winter, sp;t am Abend hatte man in den Laden Wodka mit einem Traktor mit Anh;nger gebracht. In diesen Zeiten wurde Wodka zu jeder Zeit und in jeder Menge gebracht. Der Traktorist und Wachmann luden die Kisten mit Wodka schnell in Nebenraum aus, jeder bekam f;r die Arbeit eine Flasche. Michail trank w;hrend der Arbeit nie. Raetschka, so hie; die junge Verk;uferin, schloss schnell den Laden und lief zum H;uschen von Oma Njura, bei der sie als Mieterin wohnte. Der Frost wurde von Minute zur Minute immer st;rker. Der Wachmann ging in sein W;chterh;uschen aus Holz, legte Holz in seinen Eisenofen, zog sich den Pelz an und legte sich auf die Holzbank. Neben sich hatte er die Flinte mit nur einer Patrone hingelegt. Alexandra, so hie; seine Frau, hatte ihm keine weiteren Patronen mitgegeben. Sie wusste, dass einige der Dorfburschen, ohne Wissen ihres Mannes oft in sein H;uschen eindrangen. Der schloss nie sein H;uschen ab.
Der Wachmann wachte um zw;lf Uhr in der Nacht wegen eines nat;rlichen Bed;rfnisses auf. Er entschloss sich, auch gleich noch ein Rundgang zu machen, der auch das Kontor einschloss. Der gro;e Bogen diente der gr;;eren Munterkeit und Bedeutung. Bis zum Aufgang ins B;ro der ;rtlichen Macht kam der Mann fast immer heran, manchmal ging er auch hinein, bem;hte sich, seine Arbeit dem Verwalter zu zeigen. Obwohl der Chef noch ganz jung war, sprach der Opa ihn immer mit Vor- und Vatersname an. Diesmal hatte der Alte Gl;ck. Viktor Jakowlewitsch war noch in seinem Arbeitszimmer. Sie plauderten ein bisschen, rauchten eine und gingen wieder ihren Gesch;ften nach. Sorokoumow begann etwas auf einem gro;en Blatt zu zeichnen. Makarow ging zu sich. Er hatte es noch nichtgeschafft, den breiten Weg zu ;berqueren und den Laden zu erreichen, als ein Schneesturm begann. Die einzige Petroleumstra;enlaterne, die auf einem Pfosten neben dem W;chterh;uschen hing, konnte man nicht sehen. Zur Sicherheit hielt der ;ltere Mann seine Flinte in Bereitschaft. Er glaubte, dass am Tag der Wodkalieferung dieser und jener Dorfbewohner bei so einem Unwetter einen Anschlag auf das Volkseigentum ver;ben k;nnte. Mit solchen kommunistischen Gedanken presste der Alte immer fester seine Flinte an sich. Zur Sicherheit erh;hte er seine Wachsamkeit und machte den n;chsten Rundgang. Pl;tzlich h;rte er neben den Lagerr;umen ein Knarren oder Ger;usch. Der Wachmann blieb stehen, lauschte und ging vorsichtig zur T;r. Zu seinem Staunen war die halb ge;ffnet. Aus Furcht vor m;glichen Einbrechern bekam der Opa anfangs Angst. In den vergangenen f;nf Jahren seines Dienstes auf diesem verantwortungsvollen Posten erlebte er noch niemals so eine Frechheit. Niemand im Dorf hatte einen Versuch unternommen den Laden auszurauben. Es gab einiges Anderes und dabei sehr oft. Manch Angetrunkene kam zum Wachmann zu Gast und der gab dem seine Bank zum Schlafen. Der „N;chterne“ ging fr;h morgens nach Hause und bedankte sich beim Opa f;r den kostenlosen Hotelservice.
Dieses Mal war die Geschichte ganz anders. Ohne Schie;erei, wie es sich Makarow vorgestellt hatte, kam man nicht aus. Der Wachmann ging zur T;r, hielt den Atem an und lauschte. Drinnen ging jemand und atmete schwer. Der Alte atmete tief ein und schrie. Der Schrei gelang nicht so richtig, die Furcht zeigte ihre Wirkung. Diese Furcht holte ihn schnell von der weg. Zweifellos befanden sich im Lager mehrere R;uber, ihre ;berzahl war offensichtlich. Von dieser Schlussfolgerung hat der Wachmann unverst;ndlich warum f;r einige Zeit zus;tzliche Tapferkeit und Optimismus bekommen. Er sah sich in der Gestalt eines Helden, ;ber den Morgen alle Gebietszeitschriften schreiben w;rden, sogar die kommunistische „Prawda“. In die Partei hatte man Hauptmann Makarow an der Front aufgenommen, innerhalb einer Stunde hatte seine Kompanie zwei deutsche Panzer zerst;rt und etwa zwei Zehntel „Fritzen“ vernichtet. Der Alte, eingetaucht in seine s;;e Tr;ume ;ber das vorstehende Heldentum in Friedenszeiten, schrie wieder etwas, dann wieder, danach hielt er das Gewehr hoch, spannte den Hahn und dr;ckte ihn kr;ftig ab… Der Schuss gelang nicht, wahrscheinlich war das Pulver feucht. Alexandra, seine Frau, bewahrte die Patronen in der K;che unter dem Tisch auf. Der unbewaffnete Besch;tzer des sozialistischen Eigentums beschloss, das eigene Leben nicht mehr zu riskieren und rannte gleich ins Verwaltungsb;ro. Die L;sung kam schnell und ;berraschend. Zwei M;nner gingen so vor, als st;nde ihnen eine ganze Gruppe von Banditen gegen;ber. Der Opa hatte an der Front Erfahrungen gemacht, der Verwalter hatte vor f;nf Jahren sein Wehrdienst absolviert, drei Jahre war er Koch in der Soldatenkantine. Die Schlussetappe des Fangens von Verbrechern erinnerte an die amerikanischen Cowboyfilme des vorigen Jahrhunderts. Der Verwalter hielt Opas Gewehr in den H;nden und trat kr;ftig mit dem Fu; an die T;r des Nebenraumes im Lager und rannte in den Innenraum. Der Wachmann folgte ihm, in der Hand hatte er eine Holzschaufel. Mit der hatte er den Schnee neben dem Laden ger;umt. Buchst;blich in paar Minuten erschallte im Raum ein lautes Lachen. Gelacht hatten drei Personen, zwei M;nner und ein junges M;dchen. Die Verk;uferin Raja ist aus dem sonnigen Usbekistan nach Sibirien zum Berufspraktikum gekommen und hatte nicht damit gerechnet, dass es eine solche K;lte gibt. Deswegen, dass die Flaschen mit dem Wodka platzen k;nnten, hatte sie sich gro;e Sorgen gemacht. In der Nacht platzte ihre Geduld und sie ging mit einem ganzen Haufen von Decken und Jacken zum Laden…
Im Herbst belobigte der Verwalter den Wachmann f;r seine Wachsamkeit. Vom Sowchos erhielt er kostenlos zwei Sack Weizen und zehn Rubel Pr;mie. Das Geld gab Michail seinem Lieblingsenkel Alexander. Der Junge hatte sehr gute Lernergebnisse und hatte oft Opa und Oma geholfen…
Hauptmann Makarow, der mit den Gedanken in der Vergangenheit seines Lebens war, schlief pl;tzlich ein. Er wachte am fr;hen Morgen auf, das leuchtende Zifferblatt des Weckers zeigte genau f;nf Uhr. Der Kommandeur der ausgezeichneten Kompanie beschloss, nicht zum Wecken des Personals zu gehen. So einen Beschluss fasste er zum ersten Mal in seinem Leben. Der Mann drehte sich auf die Seite und zog die Decke ;ber seinen Kopf, in seinen Augen waren Tr;nen. In der Seele sah es schlimm aus, zu dieser Zeit wollte er sogar nicht mehr leben. Mit der Absicht, irgendwie die pl;tzlich entstandene Apathie zu vertreiben, stand Alexander schnell vom Sofa auf und ging in die K;che. Er ;ffnete den K;hlschrank und trank gierig eine Flasche kaltes Bier aus. Den russischen Wodka, den er irgendwann aus dem Urlaub in Russland mitgebracht hatte, trank er nicht. Er war sich sicher, dass er heute unbedingt auf den „Teppich“ zum Kommandeur der Einheit gerufen wird. Makarow kannte gut die Manieren des Kahlk;pfigen. Der Major mochte keine Untergeordneten, die dem h;herstehenden Chef klagten. Der Kommandeur der ausgezeichneten Kompanie kam an diesem Tag auch nicht zur Aufgabenverteilung. Er war den ganzen Morgen, wie auch in der Nacht, in Nachdenken versunken. Je mehr er nachdachte, desto schlimmer ging es seiner Seele. Er hat manchmal von seinen Gedanken Angst. Eine bittere und schreckliche Schlussfolgerung war eindeutig. Die Offiziersjahren, die mit verschiedenen Man;ver, Diensten, Unterrichtsstunden, Besuchen von Chefs gef;llt waren, verflogen wie Staub. Er war, leider, auch nur ein einfaches Schr;ubchen in dieser gesellschaftlichpolitischen Maschine des riesigen Landes geblieben.
;hnliche Gedanken hatte er schon voriges Jahres, als er mit der Frau und Tochter w;hrend des Urlaubes wieder den Roten Platz besucht hatte. Die Gedanken des ergrauten Mannes in Zivil, der vor der Kremlmauer stand, unterschieden sich frappierend von den naiven Gedanken des Absolventen der Offiziersschule. Der Zeitabschnitt von dem jungen Leutnant bis zum erfahrenen Hauptmann betrug fast zehn Jahre, es war Vieles passiert. Dem weinenden Riesen, der gerade drei;ig geworden war, kam es so vor, als ob in seinem Kopf nie die Gestalt des jungen Menschen gewesen war, der mal voller Hoffnungen und Optimismus war. Makarow analysierte wieder und wieder, warum sein ganzes Offiziersleben an ihm vorbei gegangen war, wer und was ihn daran gehindert hatte, sein edelm;tiges Vorhaben zu verwirklichen. Der Offizier hatte mit Eifer und Flei; gedient und sich nicht geschont. Er erhielt viele Ehrenurkunden und sogar ein Geschenk, einen Wecker.
Er hatte alles nach Vorschriften und Ordnungen gemacht, dabei ;berhaupt nicht ;ber die Richtigkeit der Ideen der kommunistischen Partei nachgedacht. Zehn Jahre war er schon ihr Mitglied. Als B;romitglied des Bataillons hat er immer ohne Zweifel die Wahrheit gesagt, wenn irgendeiner versuchte, die leitende Rolle der gro;en Volkspartei zu bestreiten. W;hrend seines letzten Urlaubs kaufte der Sibirier fast alle Zeitungen und Zeitschriften auf, las alles die ganze Nacht hindurch. Er erkannte sein eigenes Land nicht mehr, in dem man an allen Ecken ;ber Perestroika redete, die Geschichte wurde umschrieben. Der Urlauber, sowohl Offizier als auch Kommunist, der der Sache des sowjetischen Volkes und der Partei ergeben und treu war, konnte lange nicht einschlafen. Alexander ;berlegte immer mehr, ist die Wahrheit in dem, wor;ber mit so einem Eifer die „Perestrojer“ und die Demokraten schrieben, die wichtige Posten gehabt hatten und auch immer noch wichtige Posten in unterschiedlichen Nischen der staatlichen- und Parteimacht besetzen. Aus den Kremlkammern kamen immer wieder noch Anordnungen, Anweisungen, Weisungen und Instruktionen, die dazu f;hrten, dass die Gesellschaft ohne die Geschichte der Vergangenheit und der Zukunft geblieben ist. Makarow war ein sehr ehrlicher Mensch, in vielem war er mit den Schreibern nicht einverstanden. Besonders brachte ihn die „bescheidene“ Lebensweise der Partei- und Sowjetf;hrer aus dem Gleichgewicht, die in der Wirklichkeit vor Fett strotzten. Gleichzeitig erlitten die einfachen Menschen in allem und ;berall ein gro;es Defizit. Die Ladenregale waren leer. Der einfache B;rger des gro;en Landes verlor die Geduld, er beschloss, etwas zu tun. Immer wieder und wieder las er die Zeitungen durch, schaute fern, suchte viele Dorfbewohner auf, befragte sie ;ber das Leben. Die beschwerten sich wie aus einem Munde ;ber die ;rtliche Macht. Der Urlauber hatte zwei Tage und N;chte im Elternhaus durchgemacht und Briefe an das ZK der Partei entworfen. Dem ehrlichen Menschen kam es so vor, als wussten die Oberen nicht, was unten an zahlreichen Pl;tzen und Provinznestern vorgeht. Er wollte die Beamten und B;rokraten, die die Menschen zu Elend und Armut, bis zur R;uberei auf den Stra;en f;hrten, bestraffen. Der Armeekommunist ver;nderte den Brief drei Mal, schrieb ihn um und dann klebte er den Briefumschlag zu. Tatjana verhinderte, dass er abgeschickt wurde. Sie bat mit den Tr;nen in den Augen ihren Mann, von der Durchf;hrung dieses unn;tigen Vorhabens Abstand zu nehmen. Endlich gab er nach und bereute es sp;ter auch nicht. Und auch jetzt, vertieft in die traurigen ;berlegungen, bedankte er sich bei Gott, dass er so eine Frau und Tochter hatte. Ohne sie konnte er nicht mehr auf der Erde leben. Dabei l;chelte Alexander aus irgendeinem Grund bitter…
Der Kahlk;pfige bestellte den Kommandeur der ausgezeichneten Kompanie zu sich auf den „Teppich“ erst am Abend. Statt des Boten kam zu Makarow in die Wohnung der Zugkommandeur Leutnant Babanin. Der junge Offizier klopfte vorsichtig an die T;r, niemand ;ffnete die T;r. Tatjana war zu dieser Zeit nicht zu Hause. Als sie sah, dass ihr Alexander schlief, beschloss sie, mit der Tochter im Milit;rst;dtchen spazieren zu gehen. Irgendwelche Parks oder gr;ne Rasen gab es auf dem Territorium der Einheit nicht. Viele Ehefrauen, die auf ihre M;nner vom Dienst warteten, hielten sich auf dem Spielplatz auf, es war f;r sie so eine Art von Kultur- und Erholungspark. Und nicht nur das. Hier besprach man verschiedene Neuigkeiten und Klatsch. Erst nach einigem Klopfen wachte der Wohnungsinhaber auf. Babanin erkannte heute sein Kommandeur nicht wieder, er war nicht rasiert, sein Gesicht war hohlwangig, unter den Augen lagen dunkle Ringe. Der Leutnant war zum ersten Mal in der Wohnung seines Kommandeurs, obwohl sie schon zwei Jahre zusammen in einer Kompanie dienten. Der Zugf;hrer bemerkte gleich, dass Hauptmann Makarow mit seinen Untergeordneten h;chst streng ist und keine Familiarit;t zul;sst. Keine Ausnahme waren in diesem auch die anderen Offiziere der Kompanie. Das hartn;ckige Klopfen an der T;r weckte Makarow, der fr;her nie tags;ber schlief, auch nicht w;hrend der st;ndlichen Mittagspause. Jede freie Stunde widmete der Offizier seiner Kompanie, die alles f;r ihn war. Mit einem Kopfnicken bat der Hausherr den ungebetenen Gast in den Flur und reichte ihm die Hand zur Begr;;ung. Danach fragte er seinen Untergeordneten trocken:
- Dich hat wahrscheinlich der Einheitskommandeur nach mir geschickt? Stimmt es?
Der junge Offizier sagte nichts, er l;chelte nur und nickte mit dem Kopf.
Beim Kahlk;pfigen klopfte der Hauptmann Makarow genau um sechs am B;ro. Zu dieser Zeit hatte die Einteilung der Wache begonnen. In seiner Dienstzeit wurde der Kompaniechef nur zweimal auf Initiative von Major Sljunkow auf „den Teppich“ bestellt, bestellt nicht um Auszeichnungen zu bekommen, sondern um den Kopf gewaschen zu bekommen. Im Ged;chtnis des Offiziers war der Besuch beim Vater der Einheit, der mit dem Besuch der deutschen Klinik zusammenhing, noch ziemlich frisch. An diesem Abend musste der ergraute Hauptmann wieder vor dem kahlk;pfigen Menschen strammstehen und nur deswegen, weil er nach der Satzung eine Frage dem Divisionskommandeur gestellt hatte. Der Major benahm sich auch diesmal unversch;mt. Er reagierte ;berhaupt nicht auf die Begr;;ung des untergeordneten Offiziers und begann gleich sp;ttisch grob zu sein:
- Makarow, was erlaubst du dir? Wie konntest du nur so eine dumme Frage dem General, dem Divisionskommandeur stellen? Wei;t du es denn nicht, dass alle Kaderfragen nur ich l;se und kein Anderer?
Der Untergeordneter hinderte seinen Kommandeur nicht am Sprechen, er biss nur die Z;hne zusammen und schaute noch „ergebener“ dem Vertreter der sowjetischen Macht in der Armee in die Augen. Dar;ber, wor;ber jetzt der w;tende Chef sprach, wusste Alexander Makarow Bescheid. Er wusste, dass es beim Kommandeur der Einheit sogar eine spezielle Kommission gab, die berufen war, objektiv alle Kaderfragen sich anzusehen.
Der Kommandeur der ausgezeichneter Kompanie wusste genau, dass nach besonderen Vorkommnissen bei den Milit;rkr;ften oder nach Beratungen „der Oberen“ pl;tzlich verschiedene Kommissionen gegr;ndet wurden. Die bestanden in der Regel aus den Stellvertretern des Kommandeurs der Einheit, die dem Kahlk;pfigen treu ergeben waren. Niemanden von diesen Leuten war prinzipiell. In Sabaikalje und auch hier hatte sich der Hauptmann mehrmals ;berzeugt, dass das Schicksaal der einfachen sterblichen nur der Kommandeur der Einheit bestimmt und kein Anderer. Ausnahme f;r den Milit;rk;nig waren nur die Offiziere gewesen, die gro;e Beziehungen hatten. Gegen die Kastenoffiziere war der „Bestrafer“ machtlos. Nach einem Anruf aus der Division, auch von einer noch h;heren Instanz, bereitete der Kommandeur gleich in einem schnellen Tempo die Dokumente f;r seinen Sch;tzling vor, der schon vor dem offiziellen Befehl seine Koffer gepackt hatte. Die Mitglieder der Kommission schwiegen. Makarow z;hlte sich nicht zu den Ausgew;hlten und Ergebenen des Kahlk;pfigen und deshalb „schluckte“ er weiter flei;ig alles, was er sprach. Das Schweigen des gro;en und stattlichen Hauptmannes freute den Kahlk;pfigen sehr. Er war sogar verwundert ;ber die Gehorsamkeit des ergrauten und dazu schon l;ngst „zugeschobenen“ Kompaniechefs. Der Major war sich sicher, dass dieser Riese und tausende wie er, als einfache „Diener“ sterben, ohne den Geschmack der richtigen Macht zu kennen. Er war sich auch sicher, dass in einer „dunklen“ Ecke dieser schweigende Riese ihn einfach erstickt oder ihm die Fresse poliert h;tte. Der belehrende Monolog des Kommandeurs der Einheit dauerte nicht lange, aber nicht wegen der fehlenden belehrenden Worte und Schimpfw;rter. Buchst;blich zehn Minuten, bevor Hauptmann Makarow kam, hatte Sljunkows Frau angerufen. Sie teilte ihm mit Freude mit, dass auf ihn russische „Pelmeny“ warteten. „Pelmeschki“ so nannte der Kahlk;pfige sie liebevoll, schmeckten ihm sehr. W;hrend des Abendessens nahm der drohende Major in der Regel zwei Gl;schen russischen Wodka zu sich zum Aufw;rmen und f;r das Bett mit der Frau. Das bevorstehende Abendessen verminderte in gewisser Weise das Endergebnis des „Kopfwaschens“ des Kommandeurs. Der Kahlk;pfige stand hinter dem Tisch auf und fasste philosophisch zusammen:
- Wei;t du, Hauptmann, dies wiederhole ich dir wieder und wieder…Es ist schon h;chste Zeit, dass du endlich verstehst, dass du nicht dazu geboren bist zu fliegen, sondern zu kriechen… Und kriechen musst du sehr flei;ig.
Nach diesen Worten schwieg Sljunkow einen Moment. Vielleich wollte er noch etwas Kl;geres sagen, tat es aber nicht. Er ;chzte, holte aus der Tasche ein Taschentuch heraus, und putzte damit seine Glatze. Der Hauptmann der seinen Chef beobachtet hatte, dachte schadenfroh:
- Gott sei Dank, dass Gott die Nichtigkeit wenigstens irgendwie bestraft hat.
Der Kommandeur der Einheit setzte sich vorsichtig die M;tze auf den Kopf und ging schnell aus seinem B;ro. Makarow stand noch einige Minuten gegen;ber dem Tisch des Kommandeurs der Einheit im Zentrum des dunkelroten Teppichs und schwieg. In seiner Seele war es sehr unruhig. Der Monolog des Kahlk;pfigen "t;tete" den Offizier "auf der Stelle", der sein ganzes Leben an die Ideale des Sozialismus und seiner Partei geglaubt hatte. Mit der Partei hatte er nicht nur Vieles aus dem Leben der sowjetischen Gesellschaft verbunden, sondern auch Vieles aus seinem Privatleben.
Der Offizierssch;ler Makarow machte sich, w;hrend man ihm feierlich das rote Mitgliedsb;chlein der kommunistischen Partei der Sowjetunion ;berreichte, gro;e Sorgen. Der junge Kommunist weinte sogar, weinte unter dem st;rmischen Beifall der Mitglieder der Parteikomission. Der Armeeoffizier war immer ein aktiver Kommunist, nach Privilegien oder Geschenken hatte er nie gestrebt, den Mitgliederbeitrag rechtzeitig bezahlt. Das "Kopfwaschen“ im B;ro des Kommandeurs der Einheit best;tigte nur noch einmal die Richtigkeit seines Entschlusses, dieser Entschluss war durch das Leben und durch das System bestimmt… Die ;berlegungen des Offiziers wurden durch das Klopfen an der T;r unterbrochen, in der T;r zeigte sich der Kopf des Stabsdiensthabenden, des Sergeanten. Er salutierte und sagte laut:
- Genosse Hauptmann, ich muss das B;ro des Einheitskommandeurs abschlie;en…
Der Offizier erwiderte nicht. Er seufzte tief, drehte sich schnell um hundertachtzig Grad und ging auch schnell heraus. Am n;chsten Morgen kam Hauptmann Makarow nicht zum Wecken des Personals der Kompanie, erst zur Dienstaufteilung. Die Kompanie war schon aufgestellt…
F;r Soldat Alexander Kusnezow wurde nach der Moralpredigt vom Kompaniekommandeur alles viel besser. Nach ein paar Wochen waren beim Sch;tze alle blauen Flecken vom K;rper verschwunden. Der Dienst wurde f;r den jungen Soldaten ruhig. Die „Alten“ lie;en ihn auch in Ruhe, keiner unternahm mehr einen Versuch. Der Sergeant Dubrowin hatte sich ihm gleichgestellt, auch wenn er bis zur Entlassung weniger als ein halbes Jahr hatte. Mit leichter Hand des Gruppenkommandeurs bekam der Neuling den b;rgerlichen Namen „Starker“. Bald schon wurde der Soldat diesen Spitzname nicht wieder los. Besonders in der Kompanie und vielleicht auch im ganzen Regiment erkannten auch die „Alten“ mit Makulow an der Spitze ihn an. Sie halfen ihm sogar bei der Einrichtung der Boxhalle auf dem Dachboden. Die Halle war ein kleines Zimmerchen, die mit Furnierholz von einem ziemlich gro;en Raum abgeteilt war, wo man verschiedene Ware lagerte, die f;r die Kompaniewirtschaft notwendig war. Der Kompaniezimmermann, Soldat Arutjunjan, fertigte in diesem Raum auch Kisten aus Presspappe f;r die Offiziere vor, die schon das Recht hatten, den Buchstaben „E“ zu tragen, was „Ersatz“ bedeutete. Es gab gewiss keine speziellen Dienstgradabzeichen f;r diese Offiziers- und F;hnrich-Kategorien. Diese Milit;rangeh;rigen warteten auf ihren Ersatz aus dem Milit;rbezirk. Der „E“- Milit;r konnte sich erlauben, im gewissen Ausma; seinen Dienst zu vernachl;ssigen, auch seitens des Kommandeurs behandelte man sie weniger streng. Aber, wenn einer aus dieser Kategorie ;bertrieben hatte, fiel er sofort in Ungnade des Kommandeurs der Einheit und seiner Stellvertreters. Aber die Mehrheit von ihnen ;nderte sich nach dem „Kopfwaschen“ kaum. Wegen eines Gl;schens Wodka oder einer Flasche Bier wollte niemand von den Chefs die Papiere des Untergeordneten umschreiben. Der Erzieher und der Schwererziehende wussten genau ge, dass die Personalunterlagen des „E“- Mannes schon irgendwo in „Sabajkalje“ oder im „Ural“ waren.
Seinen ersten Brief nach Hause schrieb Kusnezow erst nach einem halben Jahr, obwohl er seiner Mutter versprochen hatte, sofort nach Ankunft in die Einheit zu schreiben. Der „Gr;nschnabel“ war mit allt;glichen Sachen besch;ftigt, die Tage des Armeedienstes flogen nur so dahin. Er bemerkte die Zeit nicht, auch die M;digkeit nicht. Sie lie; sich nur nach dem Schlusssignal erkennen, der Soldat schlief augenblicklich ein. In der Nacht tr;umte er manchmal vom Lernen auf dem ;bungsplatz, von den Bereitschaftsdiensten und unn;tigen Besichtigungen. Nach dem donnernden Befehl des Diensthabenden der Kompanie: «Kompanie! Aufstehen!» rollte Kusnezow sich vor Angst zusammen und wurde augenblicklich in ein Klumpen zusammengepresst. Er wollte, wie auch viele seiner Kollegen, nicht zur Morgengymnastik und wie Pferde auf dem Platz marschieren und damit die Deutschen wecken, die buchst;blich in einem Abstand von drei Dutzenden Metern vom Milit;rst;dtchen wohnten...
Antonida Kusnezowa freute sich sehr ;ber die erste Nachricht ihres Sohnes aus der Armee. Den Brief des nichtsnutzigen Saschka las sie mehrmals durch. Sie k;sste auch Dutzende Male das Foto. Die Mutter schaute mit einem L;cheln und mit Tr;nen das Foto, auf dem ihr geliebter «Dummi» in der Milit;rform drauf war, an. Auf der Brust hatte er schon zwei Orden oder zwei Medaillen. Der Viehpfleger Iwan Sawolokin, der auch nicht ohne Interesse die Fotografie des Landsmannes anschaute, bestimmte die "Auszeichnungen" des Soldaten sofort. Er erkannte, dass der Sohn in einer Gardeeinheit diente und sportliche Erkennungszeichen hatte. Antonida lie; wieder einmal den Tr;nen freien Lauf. Vor Freude lud die Mutter des Soldaten den Mann zu sich nach Hause ein, der nach einem Glas Selbstgebrannten die Landsfrau mit gro;em Vergn;gen ;ber alle Dinge des Armeedienstes aufkl;rte. Iwan war der gleiche Jahrgang wie die Frau und deshalb haute er heraus:
- Tonja, das ist sehr gut, dass dein Sohn nach Deutschland geraten ist. Ich diente doch auch dort... Die Armee ist eine sehr gute Schule f;r die Faulenzer wie dein Saschka...
Aber als er die pl;tzlich aufsteigenden Tr;nen der Gastgeberin sah, korrigierte sich der Gast augenblicklich, um sie zu beruhigen:
- Antonida, rege dich doch nicht so auf, ich war doch auch selbst genauso einer... Erz;hlte dir dein Koljaschka nicht davon, wie wir gemeinsam die Gem;seg;rten bei unseren Dorfgenossen leer ger;umt haben? Wir haben es sehr richtig gemacht, ich diente doch in der Aufkl;rung, nicht in irgendwelcher Infanterie...
Die Mutter des Soldaten schlief in dieser Nacht lange nicht, sie dachte an ihren Sohn und machte sich Sorgen um ihn. Sie bedauerte es ;berhaupt nicht, dass sie Iwan Sawolokin eingeladen hatte. Die Erinnerungen des Mannes an den Wehrdienst hatten die Sorgen der einsamen Frau sozusagen gegl;ttet.
Der Dorfbewohner bat Antonida nicht so viel zu trauern. Die Hauptsache ist, dass ihr Alexander die Schule "der Gro;v;ter" durchlaufen wird und als ein echter Soldat und richtiger Mann heimkehrt. Beim letzten Gedanken l;chelte die Mutter des Soldaten und erinnerte sich an das Ende von Iwans Besuches. Der viel zu dicke Mann, unter dem Einfluss des Selbstgebrannten, stand langsam hinter dem Tisch auf und umarmte vorsichtig die gastfreundliche Hauswirtin. Dann sagte er, halb fl;sternd:
- Du Sch;ne, mach dir den Kopf nicht schwer... Dein Sohn wird nach Hause zur;ckkommen, ganz und unversehrt. Daran brauchst du ;berhaupt nicht zu zweifeln... Er wird allein zur;ckkehren, ohne Braut, davon bin ich hundert Prozente ;berzeugt. In Deutschland entl;sst man unsere Soldaten nicht einfach, weil man sich davor f;rchtet, dass sie mit allen deutschen Frauen schlafen werden...
Als er den verwunderten Blick der Frau bemerkte, erg;nzte der betrunkene Mann sofort:
- Ich sehe, dass du vom Armeedienst nichts verstehst. Ich sage dir die reine Wahrheit... Uns, damit wir keine Hengste wurden, streuten sie jeden Morgen ein spezielles Pulver in die Nahrung. Nach meiner Entlassung konnte ich mit meiner Verka eine ganze Woche nicht schlafen, es klappte nicht... Das alles war schon vor langer Zeit und trotzdem ist es, als w;re es vor kurzem... Ich gehe davon aus, dass mein Landsmann jetzt diese Medizin auch bekommt...
Auf den Brief ihres Sohnes antwortete Antonida Kusnezowa nicht sofort, obwohl sie gleich nach seinem Durchlesen begonnen hatte, den Inhalt der Antwort zu ;berlegen. Verschiedene Gedanken gingen im Kopf der Mutter des Soldaten hin und her, einer noch jungen Frau. Die B;uerin erfreute es sehr, dass ihr Riese in das sozialistische Deutschland gekommen war. Aus Neidjonowka dienten dort zu verschiedenen Zeiten Dutzende M;nner, die alle sehr zufrieden mit ihrem Dienst waren. Keiner von den ehemaligen Soldaten hatte ein schlechtes Wort weder ;ber dieses Land noch ;ber die Bewohner gesagt. Antonida las auch selbst B;cher und sah Sendungen ;ber die DDR, alles gefiel ihr dort. W;hrend des Nachdenkens ;ber den Dienst des Sohnes und ;ber das ferne Land nahm sie in ihre rauen Arbeiterh;nde den Armeebriefumschlag und das kleine St;ck Papier. Dann roch sie daran. In diesem Moment schien es ihr, als ob dieser Briefumschlag und dieses Papier, die dort erzeugt worden waren, besonders riechen, nicht so rochen, wie hier, im Dorf. Die Mutter des sowjetischen Soldaten war stolz, dass ihr Sohn nach dem Willen Gottes im Zentrum Europas einige Tausende Kilometer von ihrer Neidjonowka diente. In den N;chten sah sie in ihren Tr;umen ziemlich oft, wie sie zusammen mit dem Sohn im Panzer sa;en und nach den verhassten Kapitalisten schossen. Antonida entschied sich, dem Sohn einen Brief an ihrem Geburtstag zu schreiben. Ihr schien es, dass am Tag ihres Engels in ihren Kopf mehr Gedanken und z;rtlichen Worte kommen w;rde. Frau Kusnezowa stand an diesem Morgen sehr fr;h auf, etwas fr;her als gew;hnlich. Sie fr;hst;ckte schnell und ging in die Farm, ihre Stimmung war gut. Drau;en war kaltes Wetter, es war Ende April. Ganz am Ende der Melkerei fuhr der Verwalter an Antonida heran. Er war schon angetrunken. Dass der Vorgesetzte schon angetrunken war, erkannte sie an seiner Physiognomie. Auch diesmal hatte Iwan Lopuschkin ein rosa Gesicht, als ob er aus einer hei;en Sauna k;me. Der Verwalter krabbelte langsam aus dem Wagen und kam auch genau so langsam zur Melkerin. Die Frau begr;;te als Erste den Vorgesetzten, aber der antwortete nicht auf die Begr;;ung. Er setzte aus irgendeinem Grunde das Schweigen fort und drehte den Kopf nach links und rechts. Dann schnatterte er laut und fragte fr;hlich:
- Antonida, Antonida Petrowna, wie hast du heute vor, deinen Geburtstag zu feiern? Oder hast du ihn vergessen?
Nach diesen Worten sch;ttelte Lopuschkin den Kopf ein wenig und rieb die H;nde. Dann l;chelte er froh und redete wieder weiter:
- Ich wusste, ehrlich gesagt, nicht von deinem Jubil;um... Davon erz;hlte mir Marija Ilinitschna Fedjunina, unsere Bibliothekarin. Du wei;t doch sehr gut, dass sie bei uns der Buchf;hrer der Neugeborenen und der Verstorbenen ist. Ich habe gestern von ihr erfahren, dass in unserer Neidjonowka in den letzten f;nf Jahren zw;lf Leute verstorben und nur drei geboren sind...
Der Vorgesetzte wurde auf einmal still, die Melkerin schwieg auch. Der Verwalter gefiel Andonida, offen gesagt, ;berhaupt nicht, nicht als Mann, auch nicht als Verwalter. W;hrend ihrer wenigen Arbeitstreffen hielt sie sich heimlich die Nase zu, um die Ger;che nicht einzuatmen, die von dem noch jungen Mann kamen. Die spezifischen Ger;che, wie es der Frau schien, waren manchmal st;rker als der Geruch des Tiermistes. Die Melkerin meinte, dass der Grund seiner Sauferei die Probleme in der Familie des Vorgesetzten waren. Die Auseinandersetzungen waren dort ziemlich stark. Iwan regte sich sehr auf, als er erfahren hatte, dass seine Frau mit dem Leiter des Lagerhauses des Bezirkes Getreide-Elevators fremdgeht. Der Mann hatte den Liebhaber von Natalja noch nicht zu Gesicht bekommen, seine Versuche, sie zusammen aufzusp;ren, blieben erfolglos. Der Verwalter bezog die Informationen ;ber das Liebesabenteuer seiner Ehefrau von den Bauern, seinen Untergebenen. Die Menschen erz;hlten in diesem Zusammenhang verschiedenes. Einige, die den Vorgesetzten bevorzugten, bem;hten sich, ihn m;glichst wenig zu verletzen. Andere machten das Gegenteil. All diesem Klatsch wollte "der H;rnertr;ger" nicht glauben, tat es aber doch. Glaubte es dann, wenn Natka, so liebevoll nannte er seine Frau, immer wieder Gr;nde f;r die vor;bergehende Abwesenheit fand. Dann setzte sie sich in den Bus und fuhr nach Isumrudnoje. Der Leiter des sterbenden Dorfes wurde als Folge der famili;ren Probleme zum Trinker, war ein richtiger S;ufer geworden. Eine Folge des famili;ren Streites war nicht nur seine Trunksucht, sondern auch was ganz Neues, was man bis jetzt bei dem Mann nicht bemerkt hatte. Er fing an, sich an die Dorffrauen heranzumachen. Im Dorf ging kein Tag ohne Rederei dar;ber vorbei, mit wem und wo der Verwalter Sex hatte. Vor ein paar Jahren kannten die M;nner und die Weiber die Bedeutung dieses Wortes noch nicht, aber jetzt kitzelte es fast jedem angenehm das Ohr, und nicht nur das Ohr... Die Sch;ler in Neidjonowka verwendeten schneller und ;fter den Begriff im allt;glichen Kontakt, als die ;lteren Bewohner anfingen, das fremde Wort zu benutzen. F;r einige Dorfbewohner ist das am meisten gebr;uchliche russische Wort aus dem russischen W;rterbuch schnell verschwunden. Der Verwalter trieb es nicht nur mit den alleinstehenden Frauen seines Dorfes, sonst auch mit denen aus den benachbarten D;rfern. Die Zahl der alleinstehenden Frauen wuchs im Laufe der sogenannten Demokratisierung des Landes in den entlegenen D;rfern stark. Viele M;nner sind von allerlei Selbstgebrautem zu Trinkern geworden oder wurden vergiftet, einige begingen Selbstmord. Sehr selten gelang es einigen aus den jungen und ;lteren Witwen, sich wieder in den M;nnerumarmungen zu befinden. F;r viele wurde es ein unerf;llbarer Traum. Erst k;rzlich prahlte vor Antonida die Nachbarin Nastja Abakumowa, eine Witwe. Ihr Mann hatte sich vor zwei Wochen erh;ngt, vielleicht wegen der Sauferei, oder vielleicht wegen der Hoffnungslosigkeit. Peter war zu kommunistischen Zeiten ein aktiver Kommunist. Aufgrund hoher Ernteergebnisse hatte man den M;hdrescherfahrer in die Hauptstadt eingeladen und mit einem Orden ausgezeichnet. Nastja ;ffnete ihre Seele der Nachbarin sp;t am Abend, nachdem ihr hinter dem Gem;segarten Dutzende abges;gte Birken gebracht worden waren. Die hatte ihr der einzige Traktorist im Dorf, Witka Prudnikow, gebracht. Fr;her war die junge Witwe, die vier Kinder hatte, mit dem Verwalter auf seinem Wagen weggefahren. Lopuschkin brachte die Frau erst sp;t am Abend nach Hause, wo ihre hungrige "Meute" schon fest schlief...
Das Schweigen des Verwalters und der Melkerin war von kurzer Dauer, als erster brach es Lopuschkin. Mit einem L;cheln schaute er die sympathische Frau an und sagte giftig:
- Tonja, wieso l;dst du mich nicht ein? Ich kann mich doch auch beleidigen... Und irgendwie ist es auch nicht gut, wenn man auf dein vierzigj;hriges Jubil;um nicht anst;;t.
Das Geburtstagskind lie; sich nicht mehr lange bitten und qu;lte den Mann, der trinken wollte, nicht l;nger. Sie l;chelte und ging zielgerichtet in Richtung einer kleinen Kammer, die an den zerst;rten h;lzernen Bau angebracht war. Bei Ann;herung der Menschen an das bauf;llige Geb;ude, fingen im Inneren die hungrigen K;he laut zu br;llen an. Der Vorgesetzte und die h;here Verwaltung wussten sehr gut, dass nach einem oder vielleicht auch nach zwei Monaten in Neidjonowka das verbliebende Vieh abgeschlachtet wird. Das einst wichtige Objekt des agrar-industriellen Komplexes erlebte die letzten Tage...
In der kleinen Kammer, die Alexander Kusnezow f;r seine kranke Mutter eingerichtet hatte, war es sehr warm. Der kleine eiserne Ofen, auf dem die Teekanne, schwarz vom Ru;e, stand, summte ein wenig. Nach dem ersten Glas Selbstgebrannten zog der Verwalter die schmutzigen Stiefel aus, kurz danach kam zu Antonida der stinkende Geruch her;ber. Ihr wurde sogar ;bel, ein Moment dachte sie, dass sie gleich spucken zu m;ssen. Damit dass nicht wirklich passierte, lief sie schnell hinaus und fing an tief zu atmen. Ein Gespr;ch zwischen der Melkerin und dem Verwalter ergab sich nicht. Und es war auch schon mit niemandem und ;ber nichts zu sprechen. Der Mann hatte sich infolge des ;berflusses an Selbstgebranntem und schlechtem Essen dazu sehr schnell betrunken. Bei dem Geburtstagskind ging der Selbstgebrannte nicht aus, aber mit den Lebensmitteln stand es schlecht. Im Hof muhte die halbhungrige Kuh, da das Heu ausging.
Jemand von den Dorfbewohnern oder Vorbeireisenden hatte ihr die letzten zehn H;hner gestohlen. Um das Gut der einsamen Frau Tag und Nacht zu bewachen, hatte man niemanden. Der Sohn war zur Armee gegangen, der Mann lag auf dem Friedhof. Zum Abschied kaute der betrunkene Verwalter ein St;ck Brot mit einer feinen Scheibe Speck und murmelte:
- Wei;t du, Tonja, ich habe mich entschieden, dir heute einen freien Tag zu geben... Mit einem Wort, komm erst morgen fr;h zur Arbeit. F;r dich werde ich heute jemanden finden, oder im ;u;ersten Fall, werde ich selbst deine mageren K;he melken...
Als er auf dem Gesicht der Frau ein L;cheln sah, zwinkerte der Mann ausgelassen lustig und fl;sterte:
- Und noch was, Tonetschka... Ich kann dir ein Fest auch sp;t am Abend bereiten... Siehe mal, auf den Hof rollt der Sommer...
Frau Kusnezowa antwortete nicht auf den Vorschlag des Betrunkenen. Aber sie schwieg nicht mehr nach seinem nochmaligen Vorschlag, zu ihr am Abend auf das Licht rein zu kommen. Antonida zwinkerte auf ausgelassene Weise frech dem Verwalter zu und richtete an seine Adresse eine ganze Menge Fl;che und Geschimpfe. Lopuschkin hatte offenbar so was von der Dorfbewohnerin nicht erwartet, er begann schnell, sich an die Seite des Pferdes zur;ckzuziehen, das vom Warten auf den Besitzer schon ganz erm;det war. Der Mann fuhr ca. zehn Meter von der Kammer weg und schaute sich schnell um. Antonida stand noch immer und lachte, der Verwalter lachte dann auch...
Den Brief in das ferne Deutschland begann die Mutter des Soldaten beim elektrischen Licht zu schreiben, beendete ihn im Licht einer ;llampe. In Neidjonowka schaltete man das Licht ziemlich oft ab. Wer es abschaltete und warum, wusste im Dorf niemand. Jemand von den Klugen versuchte der Sache auf den Grund zu gehen, aber erfolglos. Es gab eine ganze Menge Versprecher f;r ein besseres Leben in dem sterbenden Dorf. Besonders gut darin waren allerlei Kandidaten f;r verschiedene R;te, die nach Neidjonowka wie die Heuschrecken kamen, wenn es an einer Stelle hei; wurde. Die Landbewohner glaubten den Versprechen der Neuank;mmlinge und gaben ihre Stimmen f;r sie ab. "Die W;rdigen" bekamen in den Kabinetten der Macht weiche Sessel mit allerlei materiellen Zugaben. Damit ging die ganze T;tigkeit der Auserw;hlten zu Ende. Nach ein paar Jahren, manchmal auch fr;her, erschienen die Satten, die gerne und gut essen liebten, wieder im Dorf. Die Bewohner von Neidjonowka gerieten wieder an den Haken...
Die Antwort der Mutter an ihren Sohn wurde nicht sehr umfangreich, obwohl sie den im Leben ersten Brief an einen lieben Menschen, an den Soldaten-Internationalisten fast zwei Wochen "durchdacht" hatte. Antonida schrieb den Brief mit einfachem Bleistift, weil sie nicht gern mit Kugelschreiber schrieb. Und jetzt hatte sie auch gar keinen. F;ller gab es im l;ndlichen Gesch;ft nicht, ganz zu schweigen von irgendwelchen Tinten. Fast entstanden Probleme auch mit dem Briefumschlag. Die Mutter wusste, dass ihr Herzchen ganze zwei Jahre dienen wird, deshalb hatte sie beschlossen, sich im Voraus mit Briefumschl;gen zu versorgen. Sie hatte sie in der Kreisstadt am selben Tag gekauft, als sie ihren Sohn ins regionale Milit;rkommissariat begleitete. Saschka, bevor er sich in die Bahn gesetzt hatte, stichelte seine Mutter, die vorhatte, sich gr;ndlich mit Heften und Briefumschl;gen zu versorgen. Die letzten waren sehr sch;n, jedoch konnte man sie schlecht zugekleben. Antonida schaute sie auch jetzt mehrmals durch. Von zwei Dutzend Briefumschl;gen hatte ihr nur einer gefallen. Zur Sicherheit feuchtete die Frau die R;ckseite des Briefumschlages gr;ndlich mit der Zunge an und rieb sie noch mit einem St;ck Kernseife ein. Aber bei ;bergabe des Briefes an den l;ndlichen Brieftr;ger bekam die Frau ein Problem. Das Weib Schura nahm "den veralteten" Briefumschlag nicht an, sie erkl;rte, dass in den Handel neue Briefmarken gekommen und sie teurer waren. Die Melkerin hatte kein Geld bei sich, und es war gut, dass die Brieftr;gerin ihr half. Die Rentnerin opferte einen neuen Briefumschlag f;r den Buben, der einst ihr half, die K;he in den Schuppen zu treiben.
Der Soldat Kusnezow diente in der Zenit-Abteilung der Ersten Motorsch;tzeneinheit des Ersten Motorsch;tzenbataillons jetzt ein halbes Jahr. In den sechs Monaten verwandelte sich der einfache Bursche vom Lande in einen kr;ftigen Burschen mit einer richtigen soldatischen Haltung. Nach jener ersten Nacht, in der man ihn grausam verpr;gelt hatte, ber;hrte Kusnezow niemand mehr. Der junge Soldat konnte jetzt nun ruhig schlafen und brauchte nicht mehr die Kragenbinden einzun;hen oder die Klobecken in der Toilette zu reinigen. Und die „Alten“ gaben ihm bei Begr;;ung die Hand. "Der Starke" streckte allen die Hand entgegen, au;er Makulow, der im Fr;hling entlassen wurde. Dieser Kasache gefiel dem Sibirier nicht, er war ja auch sehr ;ngstlich und feige. "Der Alte" f;rchtete mehr als das Feuer den Kompaniekommandeur, der ziemlich oft vor der Kompanie seine m;chtige Faust zur Physiognomie des alten Soldaten brachte und mit einem b;sen L;cheln zischte:
- Genosse Sowjetsoldat, ich hoffe, Sie haben es verstanden, was es bedeutet...
Makulow drehte seine Augen zur Seiten und sprach einschmeichelnd schlau:
- Jawohl, Garde Kapit;n...
Dann senkte er schuldbewusst, wie ein armer Kater, seinen Kopf nach unten. Nach ein paar Sekunden erklang ein m;chtiges Gel;chter. Alle Soldaten verstanden sehr gut, was die gro;e Faust des m;chtigen Offiziers bedeuten konnte. Es lachte auch der, den in der vorigen Nacht Makulow und seine Umgebung beleidigt hatten. Kusnezow wusste dar;ber sehr gut Bescheid, dass im ersten Zug in den N;chten "die Alten" allerlei Zwangsvollstreckungen an den "Jungen" manchmal veranstalteten, aber er schwieg. Alexander, wie er es „;berlegte“, machte es richtig.
Das Schikanieren durch "die Alten" bl;hte in der Einheit ziemlich st;rmisch. Es ging auch kein Tag vorbei, in dem man auf den Truppenplatz die "Beleidigte" nicht herausf;hrte, denen die " Alten" etwas angetan hatten. Die Offiziere, allerlei Kommissionen und Aktivisten k;mpften gegen die, die den F;usten freien Lauf lie;en. Der Sch;tze sah ziemlich oft, wie nach dem Schlusssignal in der Kanzlei der Kompanie noch Licht brannte. Der Kommandeur oder der Vorgesetzte f;r politische Arbeit "erzogen" den n;chsten "Schl;ger". In der Zenit Abteilung gab es keine Zwangsvollstreckungen, weder tags noch nachts. Die Abteilung war der Anzahl nach sehr klein und befand sich vor Augen der Verwaltung der Kompanie. Hauptmann Makarow bezeichnete die Abteilung des Sergeanten Dubrowin als die “Milit;rintelligenz", deshalb, weil der j;ngere Kommandeur das Abitur gemacht hatte. Und vielleicht auch deshalb, weil sie die Kompanie, weder bei dem Lernen, noch auf allerlei ;bungen niemals anf;hrten. Normalerweise z;hlte Kusnezow sich nicht zu "den Klugen", aber war stolz darauf, dass auch er sein Teil zum erfolgreichen Schie;en beitrug. "Der Starke" fing an, sich mit Boxen richtig zu besch;ftigen, aber erst im fr;hen Fr;hling, vorher hatte er keine Zeit. Die Einheit besuchten immer wieder verschiedene Vorgesetzte. Die verschiedenen ;bungen und Besichtigungen machten die Soldaten und die Offiziere m;de. Anfang April trat eine Erholungsphase ein und der Soldat entschied sich, richtig Sport zu treiben. Daran hinderte ihn niemand. Alle Bewohner des kleinen Milit;rst;dtchens wussten sehr gut, dass der beste Boxer der Division eine Kompanie leitet und deshalb verfolgte man mit Interesse die Vorbereitung des w;rdigen Ersatzes. Es fand auch ein Wechsel des Anf;hrers der „Alten" statt. Nach der Entlassung Makulows in die Reserve hatte seinen "Thron" der Gruppenf;hrer Sergeant Mjakischew eingenommen. Der verbarg von niemandem, dass er die "Gr;nschn;beln" mit der Faust "erzieht" und das ziemlich oft. In den Minuten der Offenbarung erkl;rte er sogar dem Kompaniechef direkt:
- Und warum darf ich, Genosse Hauptmann, nicht den erziehen, der nichts kann oder nichts machen will? Mich hat man auch geschlagen, und ich bin jetzt auch nicht dagegen...
In den Beratungen der Sergeanten las Hauptmann Makarow sehr oft Mjakischew die „Leviten“. Aber nach einiger Zeit lie; er wieder den F;usten freien Lauf. Dem Sergeanten wurde auch vom Bataillonskommandeur "der Kopf gewaschen". Pers;nlich f;r ihn wurde im Stab des Bataillons ein besonderes Heft eingef;hrt, ein so genanntes Dossier, in dem die Rechtsverletzungen des Sergeanten vermerkt wurden. Hier waren auch Ausz;ge aus den zahlreichen Verordnungen, beginnend mit der Verfassung der UdSSR und endend mit den schriftlichen Befehlen der Offiziere des Bataillons und des Zugkommandeurs. Das ganze Heft war von den Unterschriften des Sergeanten bedeckt, das alles half aber nicht. Schlie;lich platzte die Geduld der Erzieher mit den Achselst;cken, der Sergeant wurde zum Soldaten degradiert und von seinem Posten abgesetzt. Nicht zuletzt hatte daran der Kompaniekommandeur seinen Anteil. Kusnezow bemerkte sofort, dass "der Alte" gegen Hauptmann Makarow einen tiefen Hass hegte. Darin wurde er noch einmal best;tigt, als er anfing, sich mit dem Boxen zu besch;ftigen. Schon w;hrend des ersten Trainings auf dem Dachboden des dreigeschossigen Geb;udes, wo einst die Soldaten der Hitlerwehrmacht untergebracht waren, kam zum Boxer, der mit gro;em Eifer die selbstgemachte Birne schlug, Soldat Mjakischew herauf und redete beil;ufig:
- Kusnez, du hast die M;glichkeit, die Schnauze unserem vornehmen Hauptmann zu polieren, sonst h;lt er von sich zu viel, d;nkt sich als der Kl;gste und der St;rkste...
Alexander antwortete nicht. Er schaute nur mit Verachtung den langen und mageren ehemaligen Sergeanten an und begann wieder hasserf;llt die Birne zu schlagen. In dieser Nacht trainierte der Soldat besonders eifrig, wie niemals vorher. Jeder Schlag, den der Boxer ausf;hrte, wie es ihm schien, brachte er nicht ins Gesicht des Hauptmanns Makarow, sondern auf "die Schnauzen" jener "Alten", die die jungen Soldaten verpr;gelten. Mjakischew und die anderen "Alten" besuchten das Training des sibirischen Athleten mehrfach. Der Anf;hrer gab dem jungen Boxer hinsichtlich des Kommandeurs keine Ratschl;ge mehr.
"Der Alte" f;rchtete, dass Soldat Kusnezow ihn verraten w;rde und verstand, dass selbst er, der eigentliche n;chtliche "Schah" nicht nur der "Alten", sondern auch der ganzen Kompanie, machtlos war, diesem sehr gro;gewachsenen und starken Soldaten etwas zu tun, der gerade erst aufgeh;rt hatte "ein Gr;nschnabel" zu sein.
Einen Monat vor dem Tag des Sieges nahm man den Soldaten Kusnezow auf die dringende Bitte des Hauptmanns Makarow zu den Sportwettk;mpfen mit. Der Leiter des Wettkampfes war sehr zufrieden, dass unter seine Fittiche ein solcher kr;ftige und sch;ne Bursche geraten war. Der Oberleutnant begr;;te den jungen Boxer froh und gleichzeitig klopfte er dem Kommandeur freundschaftlich auf die Schulter:
- Also, Hauptmann, halt dich fest... Dieser "Gr;nschnabel" kann dich im Ring auch "schlagen"... Ich wette, dass du ihn nach einem Monat nicht wiedererkennst...
Makarow antwortete nicht auf den giftigen Spruch des Kollegen. Er l;chelte und streckte zum Abschied seinem M;ndel die Hand hin. Fest die Hand des Soldaten dr;ckend sagte der Offizier sicher:
- Mach's gut, Kusnez... Bei dir wird sich alles ergeben, wenn du mit dem Kopf trainieren wirst...
Dann drehte er sich heftig um und ging sicher aus der Turnhalle hinaus. Alexander Kusnezow sah noch lange auf die T;r, hinter der sein Kommandeur gerade erst verschwunden war. Die Wettk;mpfe vergingen f;r den jungen Boxer blitzschnell. Der Soldat trainierte bis zur Ersch;pfung, ihm tat alles weh: der K;rper, die H;nde und die Beine.
Der Neuling war manchmal so m;de, dass bei ihm w;hrend des Mittagsessen die H;nde zitterten und er wie ein Kind den Borschtsch oder die Suppe vom L;ffel versch;ttete. Der K;rper und die Seele des jungen Sportlers erholten sich nur w;hrend des Schlafes. Der Soldat wachte morgens nicht von allein auf, ihn weckte der Diensthabende oder der Leiter der Wettk;mpfe, der einen sehr gro;en Wert auf den unerwarteten Fund legte. Oberleutnant Posochow verbarg das auch von keinem. Deshalb verpasste er keine Gelegenheit, seine Freude und die Erfolgen des jungen Boxers mit dem Kommandeur der Einheit zu teilen. Sljunjkow, der das zufriedene Gesicht des Trainers sah, l;chelte nur und wiederholte:
- Also, gut Freund, h;r auf zu prahlen... Ich glaube nicht daran, dass aus meinem Regiment irgendein Boxer herauskommen wird... Wenn er ein Weltmeister werden w;rde, so konnte man dann auch ;ber ihn sprechen...
Nach dem Boxen lud der Kommandeur der Einheit die zuk;nftige Hoffnung der sowjetischen Armee nicht zu sich pers;nlich ein, er hielt es f;r nicht n;tig. Dem Soldaten Kusnezow war es irgendwie egal. Posochow machte aber alles M;gliche, um durch die Siege des jungen Soldaten ber;hmt zu werden. Und es gelang ihm. Zum Wettbewerb der Einheit im Boxen war der zwei Meter-Riese au;er Konkurrenz gewesen. Der "Starke" schlug seine Gegner schon in der ersten Runde. Alexander jedoch betrachtete seine Siege objektiver. "Die Schnauze" jemandem zu schlagen, gelang ihm nur auf Kosten seiner Gr;;e, Kraft und der Wut. Die Letztere gab es beim Soldaten viel zu viel. Warum es so war und woher sie kam, wusste er auch selbst nicht...
Den Wettkampf der Boxvereinigung verlor der Soldat Kusnezow, auch der soldatische "Starke" genannt. Verlor, wie man so sagt, "trocken" und in der ersten Runde. Der Champion der Division Hauptmann Makarow wollte zuerst bei diesem Wettbewerben nicht antreten. Er hatte ein f;r alle Male beschlossen, sich von den Boxhandschuhen zu verabschieden. An dem Offizier nagte die Kr;nkung der Regiment- und Divisionleitung, die ihn f;r etwas «Niedriges» hielt. Makarow bezweifelte ;berhaupt nicht, dass gegen ihn sein Untergebener antreten w;rde. In allen Regimenten und in den einigen Bataillonen der Division gab es keinen Besseren als den Soldaten Kusnezow. Besonders leidenschaftlich ersehnte der Vorgesetzte der physischen Vorbereitung des Regiments, Oberleutnant Posochow, das Duell zwischen dem Hauptmann und dem Soldaten, zwischen dem Kommandeur und dem Untergebenen. Der Offizier hatte keinen Abschluss von Milit;rbildungseinrichtungen, zur Armee kam er nach dem Sportinstitut. Pers;nlich hatte er keine besonderen Erfolge im Sport. In der Einheit schwebten Ger;chte dar;ber, dass der Hauptsportler irgendeine Leistungsklasse in Skilaufen h;tte. Aber im Lagerhaus des Sportinventars fehlten die Ski ;berhaupt. Auf dem Territorium des sowjetischen Milit;rst;dtchens gab es im Winter manchmal ;berhaupt keinen Schnee. Deshalb dr;ngte der Vorgesetzte der physischen Vorbereitung sehr energisch den jungen Sibirier auf den Box Olymp, auf diese Weise hoffend, im Hintergrund dessen Ruhmes und Erfolges selbst zu gl;nzen.
Im Ring gegen den untergeordneten Soldaten anzutreten, ;berredete Makarow seine Frau, obwohl Tatjana auch zuerst gegen den Kampf ihres Mannes war. Je mehr sie ;ber das bevorstehende Duell nachdachte, desto mehr kam sie zu dem Gedanken der Notwendigkeit des Kampfes f;r ihren Saschka. Nein, sie wollte nicht wieder irgendeinem Soldaten die Kraft und die ;berlegenheit Ihres Mannes beweisen. Der Offizier hatte in seiner kleinen sportlichen Karriere keine Sterne vom Himmel geholt, er erlitt auch Niederlagen. Fr;her haben Sanjka Makarow und seine Ehefrau den Siegen oder den Niederlagen keine gro;e Bedeutung geschenkt. Jetzt stand dem grauhaarigen Mann bevor, nicht nur zu siegen, sondern auch in erster Linie dem Divisionskommandeur zu beweisen, dass er auch ein echter Offizier und Mensch ist, der auf ein ehrenvolles Leben Recht hat. Makarow wurde auch von seiner kleinen Tochter unterst;tzt. Wika, nachdem sie den Arm des Vaters ungern verlassen hatte, fl;sterte fr;hlich:
- V;terchen, du sollst siegen... Sie-gen, Vater...
Mit den Gedanken an seine Tochter stieg der Hauptmann Makarow in den Ring. Nicht weit vom Ring war die Ehrenloge errichtet worden, in der der Divisionskommandeur und seine Stellvertreter sa;en, unter ihnen auch Major Sljunkow.
Der Meister wusste sehr gut, dass das Kommando immer mit Interesse die K;mpfe der Schwergewichtler beobachtete. Jetzt aber interessierte Alexander diese Umgebung nicht. Er wollte einfach nur schnell den Kampf beenden, um dann wieder im Kreise der Familie zu sein... Der Gong l;utete. Makarow ging zielstrebig dem Gegner entgegen, jener bewegte sich nicht sehr geschickt im Ring. Nach einigen Sekunden hatte der erfahrene Boxer eine Schwachstelle in der Verteidigung des springenden Riesen gefunden und schlug kr;ftig mit der linken Hand von unten nach oben an dessen Kinn. Kusnezow st;rzte auf den Fu;boden, als ob ihn jemand mit einem Schwert umgelegt h;tte… Der Sieger kroch ruhig durch die Seile und verlie; die Sporthalle ruhig. Makarow wusste, dass nach solch einem Schlag der Besiegte nicht allein aufstehen und auch nicht mehr k;mpfen konnte.
Der Meister der Vereinigung in Boxen fuhr mit dem Fahrrad nach Hause. Der Stab der Division befand sich in einer Entfernung von drei;ig Kilometern von der Stadt, in der Offizier Makarow und Soldat Kusnezow dienten. Tatjana, als sie vom Sieg ihres Mannes im Ring erfuhr, umarmt sie ihn fest. Dann k;sste sie ihn auf den Mund und sagte mit Tr;nen in den Augen:
- Saschenjka, in unserer Einheit tauchen Probleme auf, ja und noch was f;r welche! Heute verriet die Frau des Kommandeurs unserer Einheit, unser Regiment wird bald Deutschland verlassen... Jetzt sprechen alle nur dar;ber...
F;r Hauptmann Makarow und seine Frau, und f;r alle Bewohner des Milit;rst;dtchens war diese Neuigkeit auch nicht besonders neu. Der Kommandeur der Kompanie interessierte sich immer f;r Politik, ganz besonders in letzter Zeit. Der Offizier, infolge seiner Besch;ftigung, kam manchmal nicht dazu, zu verfolgen, was in seiner Heimat und auch hier geschah. Er, als B;rger der Sowjetunion, als Offizier der sowjetischen Armee konnte nicht daran glauben, dass die F;hrung der Millionenpartei der Kommunisten so schnell ihre Positionen abgeben w;rde, sie nicht nur abgeben, sondern auch die Interessen der Eroberungen des Sozialismus verraten. Davon wurde es ihm unheimlich. W;hrend des politischen Unterrichtes stellten viele Sergeanten ihrem Leiter sehr "schwierige" Fragen. Makarow antwortete auf viele "schwierige", viele wimmelte er ab, aber auf einige konnte er auch selbst keine Antwort finden. Es gab auch keine Antworten darauf, was auf dem Territorium des sozialistischen Deutschlands geschah. Die deutsche Gesellschaft brodelte, forderte reale demokratischen Umgestaltungen. "Fatal" wurde f;r die sowjetischen Milit;rangeh;rigen das Jahr 1989, das Vierzigste Jahr der Gr;ndung der DDR.
Die Regierung feierte das Jubil;um in einem gro;en Ausma;. Am 7. Oktober fand in Berlin die feierliche Versammlung, die diesem Ereignis gewidmet war, statt. An diesem Tag zog ;ber das Land die n;chste Welle von Demonstrationen. Epizentren der politischen Aktivit;t der Bev;lkerung waren die St;dte - Leipzig, Schwerin, Cottbus, Karl-Marx-Stadt und andere. Alle forderten Freiheit und Demokratie... Am 9. November ;ffnete die DDR die Grenze zur BRD. Am n;chsten Tag begann die Zerst;rung der Berliner Mauer...
Der Oberleutnant Makarow kam zum Motorschie;regiment aus Sabaikalien vor zwei Jahren, nachdem in der Sowjetunion unter Leitung der KPdSU die Perestroika begonnen hatte. Die Prozesse der Perestroika in der Heimat waren von der Armee, einschlie;lich von GSSD, untrennbar. Die Einigkeit der Armee und des Volkes pr;gte sich im Regiment in den Beratungen und anderen allerlei Veranstaltungen aus, die sehr oft durchgef;hrt wurden und nicht selten unter den Bewohnern des Milit;rst;dtchens einige schrecklichen Ger;chte und Gerede bewirkten. Der Teil der Beratungen wurden streng nach "dem Rang" durchgef;hrt, das hei;t die Informationen wurden nach dem Prinzip gestaltet, was wer nach den amtlichen Pflichten wissen "sollte". Trotzdem wussten alle Bewohner des kleinen Milit;rst;dtchens mit den Achselst;cken und ohne Achselst;cke dar;ber gr;ndlich Bescheid, was der Kommandeur der Einheit und seine Stellvertreter sagten. Es wurde nicht nur geredet, sondern einige wurden auch bestraft. Der gr;;te Teil der Offiziere und der F;hnriche begab sich nach "der Gehirnw;sche" ins Caf;, wo "die ;berarbeitung" der erhaltenen Informationen von den ;bergeordneten Vorgesetzten weiter ging, wor;ber und ;ber wen man «nachzudenken» hatte...
Die Perestroika gab einen Impuls f;r allerlei friedliche Initiativen, die auf die Entspannung der internationalen Lage gerichtet waren. Es betraf in erster Linie die Gruppe der sowjetischen Truppen in Deutschland von der Westlichen Gruppe der Truppen, eine der m;chtigsten Milit;rgruppierung in der Welt. 1989 waren auf Initiative der Sowjetunion einseitig aus der DDR zwei Panzerdivisionen und nach einer Weile noch eine Panzerdivision herausgef;hrt worden...
Diese Informationen erfreuten die Motorsch;tzen nicht, besonders die Offiziere, die "die Schwelle" des sozialistischen Deutschlands gerade erst betreten hatten. Dem Kommandeur der ausgezeichneten Kompanie, dem Hauptmann Makarow, blieben bis zur "Frist" zwei Jahre. Weder Alexander, noch Tatjana wollten diese Zeit vergeuden. Und nicht ohne Grund. Das junge Paar verstand, dass in der Sowjetunion Moskau oder Kiew ihnen auf keine Weise leuchteten. Dorthin w;rden die Kastenoffiziere fahren. Wieder hinter den Uralbergen zu dienen, hatten sie keinen offensichtlichen Wunsch, sie hatten bis zum Hals Sabaikalien satt. F;r diese Sorge hatten die Sibirier auch materielle Gr;nde. Die ausgezeichnete Kompanie kostete dem Familienbudget nicht wenig Geld. Die Ehefrau des Offiziers hatte dieses "Loch" fr;her standhaft ertragen. Sie, wie auch ihr Mann, hoffte auf die n;chste Dienstbef;rderung des Ern;hrers. Es vergingen mehr als drei Jahre, doch Hauptmann Makarow blieb immer noch auf der gleichen Position... Die Eheleute Makarows sa;en an diesem Abend ziemlich lange am Tisch. Ihnen schien es, dass sie alles gesagt und auch alles besprochen hatten.
Und nicht nur das. Sie stie;en auf den gro;en Sieg des gro;en Volkes an und tranken ihr Glas aus, verga;en auch nicht auf das Wohl der sowjetischen Offiziere und ihrer Kampffreundinnen zu trinken. Hauptmann Makarow ging an diesem Abend nicht in die Kompanie...
Am n;chsten Morgen nach der Besichtigung der Einheit versammelte der Regimentskommandeur die Kommandeure der Unterabteilungen im Offiziersklub. Major Sljunjkow war diesmal aus irgendeinem Grund sehr bedr;ckt. Die im Saal Sitzende und auf den Glatzkopf Chef Schauende ;berzeugten sich wieder einmal in der Glaubw;rdigkeit der Informationen "des weiblichen" Rundfunks. Der Regimentskommandeur, der m;glichst viel Luft in seine Lunge einatmete, sagte ohne Lust laut:
- Genossen Offiziere! Uns steht bald bevor, in Ehren den Befehl der Heimat auszuf;hren... Uns steht bevor, uns auf das Territorium unseres Landes - in die Sowjetunion zur;ckzuziehen...
Nach diesen Worten war dem Hauptmann ums Herz beklommen, und nicht nur ihm. Die M;nner mit den Achselst;cken wollten diesen Informationen nicht glauben. Viele von ihnen begannen sofort, ohne sich zu verstecken, leise zu reden. Der Glatzkopf st;rte diesmal niemanden, er selbst war auch nicht in "der Paradeform". Sehend, dass die Beratung einem Bienenschwarm ;hnlich wurde, schrie der Kommandeur der Einheit laut auf:
- Genossen Offiziere! Wo befinden sie sich? Bei der Schwiegermutter zum Pfannkuchenessen oder in einer Beratung? Ich spreche mit Ihnen, Genosse Major...
Sljunjkow zeigte mit der Hand in Richtung des kleinen und dicken Offiziers, der in der letzten Reihe sa; und ;ber etwas unzufrieden war. Jener bemerkte die Anrede des Kommandeurs der Einheit aller Wahrscheinlichkeit nicht und sagte lebhaft etwas dem Hauptmann, der einen ganzen Kopf gr;;er als er war. Erst nachdem einer von den nebenan sitzenden Offizieren "den Redner" in die Schulter gesto;en hatte, drehte sich jener blitzschnell zur Seite des Kommandeurs der Einheit um.
Als er das unzufriedene Gesicht Sljunjkows gesehen hatte, brummte der Major, wie gerade erst vom Mond gekommen, b;se:
- Ich verletzte die Disziplin nicht... F;r mich ist es einfach kr;nkend, dass ich, der Major der sowjetischen Armee in einem Tag im Viehwagon mit einem Koffer fahren werde...
F;r einen Augenblick wurde der "Beleidigter" still. Danach sagte er, wie beil;ufig, sehr leise:
- Das betrifft unseren Kommandeur nicht. Er hat sich schon seit langem einen Wagen oder auch zwei gekauft... Und was soll ich ins Lieblingsland mitnehmen, Patronen oder?
Nach diesen Worten zitterte der Saal vor lautem Gel;chter. Die Menschen in den Achselst;cken lachten so stark, dass es schien, das die ganze anschauliche Agitation, die alle aufruft, auf der Wacht der Eroberungen des Sozialismus wachsam zu stehen, gleich „platzen“ wird.
Der Kommandeur der Einheit und seine Stellvertreter, die im "Pr;sidium" sa;en, reagierten auf den Zwischenruf des b;sen Majors auf keine Weise...
Buchst;blich nach einer Minute nach der Beratung ;ber "die Perspektiven" des Aufenthaltes der Motorsch;tzen auf deutschem Boden leerte sich der Offiziersklub. Der Vorgesetzte des Klubs, dem bis zu Entlassung nur paar Monate blieben, schloss mit einer olympischen Ruhe die "Kultur" mit dem Schloss ab. Der graue Major bemerkte heute niemanden und nichts. Dem Politarbeiter war es jetzt nicht nach Filmen und nicht nach B;chern zu Mute. Er, wie auch alle andere, wollte von hier nicht «die Beine fortbewegen».
Der zuk;nftige Milit;rrentner wollte die letzten Tage seines Dienstes nicht im hei;en Sand oder in der weiten Taiga verbringen. Wann und wohin die Einheit herausgef;hrt w;rde, wusste niemand. Es wussten nur die von Oben und vielleicht auch sie nicht einmal. Viele vom Kummer „Ermordeten" hofften in der Seele noch auf ein Wunder, das in der Sowjetischen Armee „B;rokratie“ hie;. F;r den Abzug der m;chtigen ausger;steten Armada w;rde sehr viel Zeit, mehrere Monate und sogar einige Jahre gebraucht... Jemand hoffte darauf sogar, dass bald von Oben ein anderer Befehl und mit einem anderen Inhalt kommen w;rde...
An dieses Wunder glaubte in irgendeinem Ma; auch Hauptmann Makarow. Der Kommandeur der ausgezeichneten Kompanie st;rmte aus dem Klub sofort nach Hause, ihm war es nicht nach der Belegschaft zu Mute. Dazu war er nach «der Begrebnissberatung» sehr hungrig geworden. Die Soldaten a;en an diesem Tag zu Mittag und speisten auch am Abend ohne die Verantwortlichen in den Untereinheiten.
Die Bewohner der deutschen Stadt Dachbau h;rten nicht am sp;ten Abend den lauten Gesang von hundert Soldaten w;hrend des abendlichen Spaziergangs. In den Kasernen herrschte Stille, in den Offiziersh;usern war es noch ruhiger. Die verheirateten oder auch unverheirateten M;nner in der Milit;runiform ;berlegten, was man weiter machen und was man noch auf deutschem Boden " beschaffen" k;nnte.
Die zweite ;berlegung zu entstandenen Lage war f;r das Ehepaar Makarows um vieles schwerer als die vorige. Die Gedanken waren nicht besonders freudig. Von den pl;tzlich erscheinenden Problemen klemmte Alexander das Herz, Tatjana weinte. Als der graue junge Mann auf seine Kampffreundin schaute, beschimpfte er sich immer wieder f;r den Eifer im Dienst, der der Familie drei Tausend Mark gekostet hatte. Jetzt hing das ganze materielle "Prestige" der jungen Familie an einem ausl;ndischen Auto. Eine einheitliche Meinung ;ber den Kauf gab es bei den Eheleuten nicht. Den Wunsch, ein anst;ndigen "Mercedes" zu kaufen, tauchte auf und verschwand wieder. Makarow wusste nicht, wohin man ihn nach dem Dienst in WGT schicken w;rde. Mit dem Wagen durch die Gebirge Transbaikaliens sich zu schleppen wollte der Offizier nicht. Eine "feste" Heimat gab es weder f;r ihn, noch f;r seine Frau. Nach langen ;berlegungen entschieden sich die jungen Leute immerhin, "eine Karre" auf alle F;lle zu kaufen. Sie schlossen auch die M;glichkeit ihres Verkaufes in Russland nicht aus, damit sie irgendwie existieren k;nnten. Nach mehrfachen Berechnungen der m;glichen und unm;glichen Varianten kamen der Mann und die Frau zu einer unerfreulichen Schlussfolgerung. F;r einen anst;ndigen Wagen reichte bei ihnen das Geld nicht, f;r ein verh;ltnism;;ig anst;ndiges Auto vom «Autoschrott» versuchten sie es zusammen zu kratzen. Sie schlossen auch die allerletzte Variante nicht aus.
Zu dem Sportcaf;, das sich nicht weit vom sowjetischen Milit;rst;dtchen befand, brachte ein Teil der ortans;ssigen Deutschen alte Autos, damit sie sich mit der Suche des offiziellen "Friedhofs" nicht zu bem;hen brauchten und das Geld f;r das Altmetall nicht zu zahlen m;ssten. Zu den Diensten des Autoschrottes griffen einige von den Soldaten oder den F;hnrichen, vielen gelang es, ein Auto umsonst zu bekommen.
Die hochrangige Offiziere und die, die bei allerlei "Futterkrippen" waren, kauften teurere und solidere ausl;ndischen Wagen. Makarow z;hlte sich zu jenen nicht, obwohl er die Gl;ckspilze stark beneidete. Sie brachten es fertig w;hrend des Dienstes "die Karren" zu kaufen und auf die Gro;e Erde eine, auch mehr wegzubringen. Den fetten Bissen bekamen die, die gro;e Sterne hatten und Verstand zu stehlen.
Alle Bewohner des Milit;rst;dtchens erinnerten sich noch an das eindrucksvolle Beispiel vor zwei Jahren. In die benachbarte Einheit waren zwei Majore gekommen, einer auf den Platz des Regimentskommandeurs, der andere auf den Platz des Vorgesetzten des Autodienstes. Sie waren gleichzeitig angekommen und hatten die Einheit im gleichen Monat auch verlassen. In der Zeit des deutschen "F;nfjahraufenthalts" wurde der Kommandeur der Einheit zum Oberst und brachte mit Hilfe der F;hnriche drei teure ausl;ndische Wagen in die Heimat. Einen brachte der Chef in die Hauptstadt, weil er "eine warme" Stelle im Generalstab der Streitkr;fte der UdSSR bekommen wollte. Der Vorgesetzte des Autodienstes ist als Major "vertrocknet", in diesem Rang wurde er auch in die Rente entlassen. Der Reserveoffizier verabschiedete sich mit Tr;nen in den Augen von dem Kampfbanner der Einheit. Der f;nfundvierzigj;riger Mann hatte eine Freude - zwei Autos. Einen hatte er schon f;r den Sohn in die Heimat gebracht, auf dem zweiten fuhr er sofort nach dem Abschied von Einheit in den Ural, wo er vorhatte, sich mit der Bienenzucht zu besch;ftigen.
Dar;ber, f;r welches Geld diese Offiziere die Wagen gekauft hatten, erz;hlte man Verschiedenes. Wenn sie «Schrottautos» gekauft h;tten, w;re aller Wahrscheinlichkeit nach in der Einheit Ruhe gewesen. Aber es waren ja allzu teure Karren bei den ;lteren Offizieren, deshalb schw;tzte man auch so Einiges. Die Besitzer der ausl;ndischen Wagen hatten die gleiche Geldquelle. Der Kommandeur schickte heimlich die Soldaten zu den Deutschen, um „schwarz“ zu arbeiten, der Vorgesetzte des Autodienstes verkaufte Benzin...
An diesem Abend ging das Ehepaar Makarows sehr sp;t ins Bett. Der Mann und die Frau, wie es ihnen schien, hatten alles f;r die n;chste Zukunft geplant. Alexander war in diesem Abend, wie noch nie, ausgeglichen. In der kleinen Wohnung herrschte n;chtliche Stille und eine seelische Ruhe. Neben ihm lag seine geliebte Frau. Nicht weit von ihnen atmete friedlich ihre einzige Freude – ihre geliebte Tochter Wika. Als der Mann sich an dem schlanken K;rper seiner Frau ges;ttigt hatte, geriet er wieder eine Zeit lang ins Nachdenken. In dieser Nacht kam er fest und endg;ltig zu einer weit unerfreulichen Schlussfolgerung. Seine Milit;rkarriere war zu Ende gegangen, es war die Zeit gekommen, sich auf die Erde herabzulassen und nicht in den Wolken zu schweben. In seiner Seele wurde ein anderer Mensch geboren, der erst jetzt endg;ltig anfing den Pseudopatriotismus jenen Systems zu verstehen, in dem er die ganze Zeit lebte und noch vor paar Stunden bereit war, es mit der Waffe in der Hand zu verteidigen. Bei diesen nicht ordin;ren Gedanken l;chelte er aus irgendeinem Grund. Die Ruhe der Seele trug zu einem ruhigen Schlaf des starken und gesunden Menschen bei. Nach ein paar Minuten schnarchte Makarow ruhig. Im Schlaf tr;umte er von einem blendend schwarzen "Mercedes", mit dem er ;ber die schmutzigen Stra;en Tschitas, wo er vor paar Jahren ein Praktikum machte, jagt...
Der Einfall der Eheleute Makarow, sich seit dem Morgen mit der Suche nach einer Karre zu besch;ftigen, scheiterte mit einem Knacken. Um sieben Uhr morgens klopfte man bei ihm laut. Alexander zog schnell die Unterhose hoch und st;rmte zur T;r. Nach ein paar Augenblicken erschien vor ihm der Kopf des Soldaten Imankulow. Der Bote, schwer atmend, sagte schnell laut:
- Genosse Hauptmann, der Bataillonskommandeur ruft Sie schnellstens zu sich... Er war schon in unserem B;ro. Er wartet auf Sie.
Weiter konnte der Soldat nichts sagen. Er schaute nur aufmerksam in die Augen seines Kommandeurs und wartete auf eine Antwort.
Jener, wie auch der Soldat, dachte nicht lange nach und sagte schnell:
- Sage dem Major Siwyj, dass ich krank bin und mit hohem Fieber im Bett liege... In die Kompanie werde ich heute nicht kommen...
Danach schloss der Offizier schnell die T;r und im Nu war er wieder im Bett. Tatjana hatte auf das Erscheinen des Boten nicht reagiert. Sie, wie auch das T;chterchen, schliefen ruhig weiter. Nach einer Weile klopfte es wieder an der T;r. Diesmal war Imankulow durch etwas oder jemanden sehr aufgeregt. Der Kompaniechef kam nicht dazu, die T;r zu ;ffnen, als der Bote, wie gel;hmt, langsam und mit Stottern sagte:
- Hauptmann Makarow, er ruft sie wieder zu Beratung... Er wird mich umbringen, wenn Sie, Genosse Hauptmann, in der Kompanie nicht erscheinen...
Der Kommandeur kam zu seiner ausgezeichneten Kompanie nach etwa drei;ig Minuten und begab sich sofort in das B;ro. Major Siwolapow war nicht hier. Makarow ging in den Stab des Bataillons. Nach ein paar Metern bis zur Kanzlei blieb er stehen und lauschte. Hinter der T;r klang die donnernde Stimme des Majors „Siwyj“, so nannten die Soldaten und die Offiziere den Bataillonskommandeur in seiner Abwesenheit. Die Soldaten f;rchteten wie das Feuer den Bataillonskommandeur, der nie ehrlich oder anst;ndig war. Die Untergebenen r;chten sich daf;r, sie nannten den Vorgesetzten «ein grauschwarzen Wallach». F;r diesen Spitznamen konnten sogar die Offiziere bestraft werden. Ein Beispiel daf;r war ein Fall, der sich erst k;rzlich ereignete. Der Vorgesetzte der Verbindung des Bataillons, Leutnant Gonoschilow, kam angetrunken in die Einheit. Als der Bataillonskommandeur davon erfuhr, besch;ftigte er sich sofort mit der Erziehung des Untergebenen.
Der junge Leutnant stand fast eine halbe Stunde stramm und h;rte mit gro;er Aufmerksamkeit die Moralpredigt des Vorgesetzten an. Nach "Kopfwaschen“ zog er sich schnell hinter die T;r zur;ck. Wenige Augenblicke danach h;rte der Major durch die T;r:
- Ich nie;e auf diesen „Grauschwarzen“ und er kann mich Mal...
Siwolapow hatte das ber;hmte russische Wort aus drei Buchstaben, das in allen L;ndern und Kontinenten des Planeten Erde ohne Ver;nderungen ;bersetzt wird, deutlich geh;rt. Der Major riss die T;r auf und rannte hinter dem Nachrichtensoldaten hinterher, jener stieg langsam die Treppe zum Erdgescho; herunter. Der Bataillonskommandeur, der ziemlich klein und schlang war, fasste mit der Kraft eines L;wen Gonoschilow am Kragen und zischte mit einer Boshaftigkeit:
- Du, Missgeburt, wenn ich es noch einmal h;re, werde ich dir die Fratze zerschlagen und ich werde dich einsperren lassen... Hast du, Leutnant, mich verstanden?
Der junge Offizier war offenbar erschrocken von dem Bedr;ngen des Kommandeurs und konnte nichts sagen. Er blinzelte nur schnell mit seinen Augen, nur das und weiter nichts. Aller Wahrscheinlichkeit nach war das Schweigen des Untergebenen erzwungen, da der Major Gonoschilow ihn immer noch festhielt und mit einem erstklassigen Fluch belegte. Vor der w;tenden Physiognomie und dem Fluchen des “Grauschwarzen“ wichen die Soldaten und die Offiziere, die nach oben und nach unten die Treppe hinauf und herunter liefen, zur Seite. Zur Mittagessenaufstellung wusste die ganze Belegschaft des Bataillons schon von dem Vorfall. An diesem Tag, sowie auch fast in allen nachfolgenden, hetzten die Offiziere, die sich im Rauchzimmer versammelten, "den Schuldigen“ des au;erordentlichen Vorfalls nicht selten auf. Leutnant Gonoschilow warf sich nicht auf die Offiziere und nahm es ihnen auch nicht ;bel. Er l;chelte nur traurig, manchmal wagte er es sogar bis ins Einzelne von der Heldentat zu erz;hlen...
Mit einer erstklassigen Flucherei des Bataillonskommandeurs wurde auch Hauptmann Makarow empfangen. Siwolapow war nach "Kopfwaschen" der Untergebenen offenbar erm;det und deshalb dauerte die "W;sche" des Kommandeurs der ausgezeichneten Kompanie nicht so lange. Die kurze Dauer des erzieherischen Prozesses bestimmte auch der Versp;tete sozusagen. Der Riese sah mit einem L;cheln auf den Bataillonskommandeur, der ihm kaum ;ber seinen Nabel reichte, und schwieg. Schwieg nicht grundlos. Bevor er in die Einheit gegangen war, hatten sie auf dem Familienrat entschieden, weiter ruhig zu dienen, sich nicht "hinauszustrecken". Tatjana und Alexander hatten auf alles "draufgelegt", in der verbleibenden Zeit beabsichtigten sie, gelassenen zu werden und etwas f;r sich zu kaufen. Makarows hatten in der Heimat und auch hier keinerlei Ersparnisse. Nach der Beratung beim Bataillonskommandeur ging Hauptmann Makarow ins B;ro. Es waren keine Offiziere dort, der Hauptfeldwebel der Kompanie war auch nicht da. In den Schlafr;umen auf den Betten lagen ein Dutzend Soldaten, die anderen waren irgendwohin verschwunden. Im Haushaltszimmer und im Trocknerraum herrschte eine Unordnung. Der Stuben;lteste begr;;te den Kompaniekommandeur lamm und berichtete, dass die Belegschaft der Kompanie sich nach den Pl;nen der Zugkommandeure besch;ftigte. Der Offizier verlie; mit einem Schmerz im Herzen seine ausgezeichnete Kompanie. Fr;her drehte sich in dieser Einheit alles, alles bewegte sich und wurde gereinigt...
Eine Woche nach der „Begrebnissberatung“ verging, eine zweite kam... Bei den "Chinesen" geschah in dieser Zeit nichts Wesentliches. Das Regiment besch;ftigte sich nicht mit Kampfvorbereitungen, und auch das war schon eine sinnlose Besch;ftigung. Alle warteten auf den Befehl ;ber den Abzug, aber er kam aus irgendeinem Grunde nicht. Die Menschen mit den Achselst;cken und die Mitglieder ihrer Familien beunruhigte auch das, was in ihrer Heimat, in der Sowjetunion, geschah.
Besonders verfolgte man die Informationen, die die Westliche Gruppe der Truppen betraf. Viele Motorsch;tzen waren verzweifelt, als sie die russische Presse ;ber die Sowjetische Armee lasen. Das Heiligtum wurde auf verschiedene Weise beschmutzt und in den Dreck gezogen, was ihre Kampfmacht sprengte. Besonders ereiferten sich allerlei "Schriftsteller" der Zeitungen und der Zeitschriften, die in der Mehrheit den Wehrdienst nicht rochen und keinen Brei aus dem soldatischen Kessel a;en.
Ein bestimmtes Interesse f;r die Sowjetische Armee, f;r ihr allt;gliches Leben begannen auch die Massenmedien der Bundesrepublik Deutschlands zu zeigen. Die Westdeutschen konnten es nicht erwarten, die Enkel und die Urenkel der Befreier Europas von der braunen Pest des Faschismus zu sehen und sogar "zu betasten". Im Sommer 1989 besuchte auf Einladung der westdeutschen Zeitung "Bild" und unter Mitwirkung des Verteidigungsministeriums der UdSSR und der Agentur der Pressenachrichten eine Gruppe der sowjetischen Milit;rangeh;rigen vom Soldaten bis zum Obersten, insgesamt zehn Personen, die Bundesrepublik Deutschland. Die Deutschen zeigten gegen;ber den G;sten kein gespieltes Interesse, da viele von ihnen russische Soldaten zum letzten Male nur w;hrend des Krieges gesehen hatten.
Hauptmann Makarow nahm an dieser Gruppe nicht teil und bedauerte es nicht im Geringsten. Er wusste sehr gut, dass jegliche Besuche oder Verhandlungen nur eine Erscheinungsform der Papierdiplomatie waren und mehr nicht. In Wirklichkeit geschah etwas ganz anderes, manchmal sogar Furchtbares. Das f;hlten und sahen die Offiziere und die Soldaten des kleinen Milit;rst;dtchens. Die ortsans;ssigen Deutschen hassten immer mehr ihre "Freunden", besonders "erkl;rten" das die jungen M;nner. Am Tag f;rchteten die Geiferer, die Nase gegen die sowjetische Milit;rgarnison hinauszustrecken, da die bis zu den Z;hnen mit der modernen Kampftechnik und Waffen ausger;stet war. Nach dem Fall der Berliner Mauer hatte jemand aus den Bewohnern Dachbau ;berhaupt keinen Halt mehr. Nachts gl;hte manchmal das Telefon des Diensthabenden der Einheit nach ein paar verschiedene Angriffe der Deutschen. Manchmal warfen sie mit Steinen auf die Wachen, die den Park der Kampftechnik besch;tzten, der sich nicht weit vom Waldrand befand. In die Fenster des Offizierswohnheimes, das ca. zehn Meter von der Stra;e der deutschen Stadt lag, flogen Steine und leere Bierflaschen. Den Bewohnern der dreigeschossigen Villa war es streng verboten, in irgendeiner Weise auf die illegalen Handlungen der Deutschen zu reagieren. Neben dem Kontrollpunkt der Einheit versammelten sich nicht selten Gruppen betrunkener Jugendlichen, die laut gr;lten und deutsche Lieder sangen. Man h;rte oft aus der Menge russische Rufe: «Russenschweine - raus» oder «Russen - Bahnhof». Es fehlte "die Freundschaft" auch w;hrend der Ausfahrt zu den Lehrzentren. Davon ;berzeugte sich auch Alexander Makarow, als seine Kompanie zur Durchf;hrung des Schie;ens und der Durcharbeitung der taktischen Besch;ftigungen fuhr. W;hrend des Marsches warf jemand aus den Bewohnern der Orte Steine und Flaschen in die Kolonne der Autos. Es mehrten sich F;lle des Diebstahls, der Besch;digung der Ausr;stung und der Technik auf den ;bungspl;tzen.
Nach Informationen der F;hrung der Westlichen Gruppe der Truppen stellte man 1990 163 Rechtsverletzungen seitens der Deutschen fest, 1991 verdoppelte sich fast diese Zahl. 1992 waren es ;ber tausend. In 2,5 Jahre kamen durch diese Handlungen 23 russische B;rger um...
Die Bosheit und der Hass der Deutschen riefen eine bestimmte Besorgnis beim Kommando WGT aus. Mehrere Direktiven und die wertvolle Hinweise von Oben erreichten die Einheit jeden Tag.
Etwas «Frisches» gaben auch die Offiziere des Komitees f;r Staatssicherheit. Alles wurden auf eins zur;ckgef;hrt - zur Erh;hung des Niveaus der Kampfbereitschaft und der Festigung der Disziplin. Der Kommandeur des Motorschie;regiments Major Sljunjkow ;berbrachte mit gro;em Eifer das alles den Untergebenen. Er "setzte" ziemlich oft die Offiziere auf die kasernierte Lage, um seine Person von jeglichen au;erordentlichen Vorf;llen zu sch;tzen. Sie reagierten darauf unterschiedlich. Die Mehrheit von ihnen schlief eifrig in den N;chten in den B;ros auf den Soldatenmatratzen, jemand trank Wodka oder spielte Karten. Unter die besondere Kontrolle des Kommandeurs und seiner Stellvertreter zog man die ledigen Offiziere und F;hnriche heran, die, wie der Glatzkopf zu wiederholen liebte, «den Samen des Internationalismus in den Leib der hiesigen Huren einbringen k;nnten».
Dem Auge des Kommandeurs entgingen auch nicht die Familie der Milit;rangeh;rigen, die Bekanntschaften oder Beziehungen mit den Ortsbewohnern hatten. Etwas "erg;nzten" auch die Kommandeure der Unterabteilungen. Laut Befehl des Majors Siwolapow patroulierten zur Tageszeit zwei Soldaten mit den Bajonettmessern um die Kaserne herum. In der Nacht wurden zwei Paar Diensthabende eingeteilt, die nach zwei Stunden einander abwechselten.
Die besondere Sorge forderten die Kinder und die Frauen der Milit;rangeh;rigen. Bis zum Fall der Berliner Mauer brachten die Vertreterin des schwachen Geschlechtes es fertig, ein paar Mal am Tag durch die Gesch;fte des St;dtchens Dachbau zu laufen, die erwachsenen Kinder standen den Eltern auch nicht nach. Es gelang ohne jegliche Probleme.
Die offiziellen Informationen und allerlei Ger;chte ;ber die schlechte Beziehung der Deutschen zu den Russen und sogar ;ber Totschl;ge der Milit;rangeh;rigen, riefen echte Angst bei den Bewohnern der sowjetischen Garnison hervor. Au;er dem Fahrer und des ;lteren des Busses zog man zu den Sch;lern des ;ltesten Klassen, die in der Schule der benachbarten Einheit lernten, noch ein F;hnrich hinzu. Die Mehrheit der Frauen war gezwungen, die deutschen Gesch;fte in Begleitung von M;nnern zu besuchen. Es war auch ein Gesetz f;r sie, sich ins Registraturbuch am Kontrollpunkt der Einheit einzutragen. Die Kommandeure informierten regelm;;ig die ;bergeordnete Leitung nicht nur ;ber die Sachlage in den Unterabteilungen, sondern auch dar;ber, wie die verheirateten und ledigen Offiziere lebten, wie sie die freie Zeit verbrachten...
Soldat Kusnezow kam zu Sanit;tsstelle zu Fu; an. Die Ger;chte ;ber die grausame Niederlage des jungen, aber sehr hoffnungsvolleren Boxers, waren auch hierher gelangt. Die Zimmernachbarn reagierten auf die Niederlage des Sibiriers unterschiedlich. "Der Alte" Petjka, von Geburt aus der Ukraine, riet ihm, nach der Armee ins Boxgesch;ft einzusteigen, da jetzt im zivilen Leben die Kraft f;r das Geldherauspressen n;tig w;re. Chusna, so nannte man in der Sanit;tsstelle den rothaarigen Sergeanten, war aus irgendeinem Grunde anderer Meinung. Er empfahl Alexander ;berhaupt, mit dem Boxen aufzuh;ren, es w;rde sich kaum jemand an solch einem "Elefanten" vergreifen. Die nat;rliche Kraft und die Gr;;e des jungen Patienten riefen eine gewisse Sympathie bei den ;rzten hervor. Der Vorgesetzte der Abteilung, Major des medizinischen Dienstes, sagte nach der Untersuchung des Eingetroffenen fr;hlich:
- Du, Boxer, denke ich, hast eine einfache leichte „Ersch;tterung des Kiefers“ und das ist alles...
Als er das erstaunte Gesicht des Soldaten, der aus irgendeinem Grunde die Diagnose nicht verstehen konnte, sah, erg;nzte der Offizier im Fl;sterton:
- Soldat Kusnezow, regen Sie sich nicht auf, alles wird in Ordnung kommen... Von solchen Schl;gen ist noch niemand gestorben und ich denke, es wird auch niemand sterben...
"Die Krankheit" des Neuen verlief ohne Komplikationen, der Arzt hat keine Br;che im Kiefer entdeckt. Der Patient bekam jeden Morgen irgendwelche Tabletten und Pillen. Wof;r oder wogegen sie waren, wusste der Soldat nicht. Etwas ;ber die Behandlung in Erfahrung bringen, wollte er nicht, hielt es f;r eine unn;tige Besch;ftigung. Das Leben in der Sanit;tsstelle schien f;r den Besiegten wie das Paradies auf Erden. Im Krankenzimmer war alles sauber und bequem, im Bett war es noch besser. Hier gab es keine „Alten“ und auch keine strengen Kommandeure. Der Major, der in einen wei;en Kittel gekleidet war, machte jeden Morgen Visite. Der Offizier stellte Kusnezow immer die gleiche Frage:
- Also, Gr;nschnabel, wann wirst du den Kubaner Stevenson besiegen? Oder kennst du diesen Kubaner noch gar nicht?
Der Patient antwortete auf die Frage des Majors nicht, er schwieg einfach. Schwieg deshalb, weil er von diesem Kubaner absolut keine Ahnung hatte. Manchmal war es ihm auch nicht danach. Sein Kopf war mit ganz anderem jetzt befasst. Der Aufenthalt in der Sanit;tsstelle erg;nzte die "Birne" des Sibiriers viel mehr als der Aufenthalt in der Kaserne. Kusnezow wurde jeden Tag, auch jede Stunde von den Informationen bereichert, die ihm bis jetzt unbekannt waren. "Hauptquelle" dabei war F;hnrich Tschernow, der schon mehr als ein Monat sich in Behandlung befand. Der Ureinwohner war von sehr geringer Gr;;e. Er wurde wahrscheinlich auch in die Armee als eine Ausnahme genommen. Aber der Verteidiger der Heimat reagierte darauf nicht. Zu diesem "Riesen", kaum ;ber drei;ig, f;hlten sich seltsamerweise alle Bewohner der Sanit;tsstelle hingezogen. Der Mann mit dem vollen dicken schwarzen Haar zog buchst;blich alle wie ein Magnet an. Auch der Vorgesetzte der Abteilung bildete keine Ausnahme. Gerade von F;hnrich Tschernow erfuhr der junge Boxer sehr viel aus dem Leben in Deutschland. Und das alles regte den Verstand des Soldaten an, der mit offenem Mund zuh;rte, wie der F;hnrich die deutsche Kneipen besuchte und auf «Hurerei» ging. Diesen Menschen anschauend, konnte der Sibirier-Riese sich ihn irgendwie mit einer Deutschen im Bett oder in einem deutschen Kulturhaus sitzend nicht vorstellen. Die Zweifel Alexanders an allerlei F;higkeiten des ehemaligen Fahrers aus der Autokompanie zerstreuten sich allm;hlich, von Tag zu Tag. Nach der Visite der ;rzte verschwand Tschernow nach einer knappen Stunde in unbekannter Richtung. Die Versuche des Riesen, den allgemein anerkannten Sch;ker zu finden, endeten in der Regel mit einem Misserfolg. Der F;hnrich war weder im Krankenzimmer noch im Rauchzimmer und auch nicht auf der Stra;e. Er erschien erst gegen Abend, zum Abendessen. "Der Selbstentlassene", gekleidet in einen blauen Pyjama, setzte sich schnell und behende an den Tisch und begann sofort von den Abenteuern in der deutschen Stadt zu erz;hlen. Buchst;blich in dem Augenblick erklang am Tisch lautes Lachen. Die zwei Offiziere, die hinter dem kleinen Tisch zusammen mit dem F;hnrich sa;en, lachten manchmal so laut, dass Kusnezow gezwungen war - und auch wollte - etwas von den lustigen Geschichten zu h;ren. Er streckte seinen Hals zum entgegengesetzten kleinen Tisch mehrfach aus. In der Regel drangen an sein Ohr nur kleine Fetzen der Anekdoten oder irgendwelcher Abenteuer. Und der Grund daf;r war der ver;chtliche Blick des Major-Kraftfahrers. Einmal litt der nicht gewordene Meister der Division im Boxen fast an seiner Neugier. Der Offizier, als er die halbgebogene Lage des jungen Soldaten sah, drehte sich heftig zu ihm um und sagte laut:
- Also, du, neugierige Affe! Wieso rei;t du, Boxer, deine Augen so weit auf? Oder hast du vergessen, wie man in der K;che Kartoffeln sch;lt? Ich kann dir in dieser Hinsicht schnell helfen.
Der Neugierige rutschte augenblicklich mit dem ganzen K;rper auf die vorige Stelle und err;tete total. Von diesem Moment an bem;hte sich Kusnezow nicht mehr, den Kopf zur Seite des benachbarten Tisches umzudrehen. Der Kraftfahrer wurde nach einer Woche nach der strengen Bemerkung zu dem Soldaten entlassen. Bald entlie;en sie auch den anderen Offizier, Tschernows Nachbar. An diesem Tag lud der F;hnrich den Boxer zu sich an den Tisch ein. Der Soldat verzichtete zuerst darauf, der kleine Tisch war f;r die Offiziere bestimmt. Aber Widerstand zu leisten war zwecklos. Tschernow stand schnell vom Tisch auf und lief zu Alexander. Dann ergriff er ihn an der Hand und fl;sterte ganz leise:
- Du, Freund, sch;me dich nicht, nimm von diesem Leben alles, was du nehmen kannst... Hast du wirklich den Sinn des Menschenlebens noch nicht verstanden? So-o gro;, aber auch noch so dumm...
Die philosophischen ;berlegungen des nach Alter und Titel ;lteren h;rte sich Soldat Kusnezow nicht weiter an. Er eilte dem F;hnrich nach und setzte sich gehorsam an den kleinen Tisch. Die Unterhaltung mit Tschernow ver;nderte im Grunde genommen den weiteren Aufenthalt Alexanders in der Sanit;tsstelle. Und er bedauerte es ;berhaupt nicht. Der Kleine erwies sich als ein Landsmann des Vorgesetzten der Abteilung. Der Major und der F;hnrich stammten aus einem Dorf in Gebiet Kustanai. Der Vorgesetzte dr;ckte bei allem, was sein Landsmann machte, ein Auge zu. Der machte sehr vieles nicht nach der Vorschrift. Tschernow trug einen Sportanzug und konnte jederzeit in der Stadt bummeln oder in Kneipen gehen. Manchmal fuhr er in seine Truppeneinheit und ging ins Offizierswohnheim, in dem er wohnte. Nicht selten brachte er auch Spirituosen, die er am Abend mit dem Major-Kraftfahrer und dem alten Minenwerfern trank. Als Kusnezow davon erfuhr, lachte er laut. Nat;rlich konnte sich niemand von den Patientinnen vorstellen, dass in der kleinen Teekanne anstelle des Kompotts Bier oder andere Spirituosen waren. Die zwei Offiziere mit dem F;hnrich sa;en ruhig am Tisch und erz;hlten salzige Anekdoten, verga;en nicht gleichzeitig auch "den Tee" zu trinken.
Schon am ersten Abend seines Aufenthaltes am kleinen Tisch erfuhr Alexander etwas aus der Biografie des unerwarteten G;tzen, den er im eigentlichen Sinne bewunderte. Ihm gefiel auch die Art des Verhaltens des ;lteren Genossen. W;hrend des Gespr;ches hob der F;hnrich den Zeigefinger zur Seite des Zuh;rers und schnatterte wie aus dem Maschinengewehr. Manchmal stie; er mit diesem Finger in die Schulter des Sitzenden, dabei sehr kr;ftig.
Kusnezow reagierte nicht auf diese Seltsamkeiten, da die Informationen Tschernows sehr interessant waren. Der Gast r;hrte am ersten Abend die Teekanne nicht an, sogar ungeachtet der Befehlsstimme der Ermahnungen des F;hnrichs. Am zweiten Abend gab der Boxer nach. Kusnezow trank deutsches Bier zum ersten Mal im Leben, es schmeckte ihm sehr. Dieses Schaumgetr;nk unterschied sich sehr stark von dem Bier, das er in seiner Kreisstadt trank, als er gelernt hatte. Er hatte damals und auch jetzt den Wunsch, sich in irgendeine Kneipe "zu setzen", aber er hatte kein Geld.
Zur Gastst;tte gingen die M;nner ruhig durch den Kontrollpunkt der Sanit;tsstelle und befanden sich sofort in der Stadt. Als Tschernow den verwunderten Ausdruck im Gesicht des Soldaten bemerkte, l;chelte er und sagte durch die Z;hne:
- Du, Boxer, denk nicht dar;ber nach. Mach dir keine Gedanken. Den R;ten ist jetzt nicht nach Kontrolle zu Mute... Ihnen allen droht bald der Bahnhof und der Weg nach Hause in die Heimat... Ich gehe durch den Kontrollpunkt in meiner Einheit ohne Probleme dann, wenn mein Bekannter Dienst hat. Er hat auch nichts dagegen, abends mit seiner jungen Frau noch mehr als ein Fl;schchen des deutschen Bieres zu sich zu nehmen. Und hier in unserem Armenhaus sind auch solche Menschen... F;r alle enden bald die guten Zeiten... Hier will ich meinen Landsmann nicht hinf;hren... Er hatte es so wieso nicht leicht in diesem Leben und auch im Dienst nicht.
Kusnezow senkte erzwungener Ma;en den Kopf, um besser das Gesicht des ;lteren Genossen zu sehen, und ebenso fragte er:
- Und was, hat unser Major irgendwelche Probleme? Ich glaube, er ist doch noch ganz jung und schon ein Major... Bei uns im Bataillon ist der Stabschef nur Major und geht im n;chsten Jahr schon in die Rente...
Tschernow vernahm die ersten selbst;ndigen ;berlegungen des neuen Tischgef;hrten, l;chelte sauer und sagte leise:
- Ach, Bursche! Ich sehe, du hast im Kopf nur die ;berlegungen eines Bauern dar;ber, wie viel Liter Milch die Kuh Burjonka gibt oder wie viel Laibe Brot deine Mutter im Gesch;ft gekauft hat, damit der Bauch nicht leer ist... Aber die Menschheit bewegt sich schon seit langem nach anderen Gesetzen und will schon seit sehr langem nicht nur einen St;ck Brot kauen.
Nach diesen Worten l;chelte der F;hnrich wieder sauer und beschleunigte seine Schritte. Nach ungef;hr f;nf Minuten befanden sich der Knirps und der schlanke Riese in einer kleinen Kneipe, die sich am Ufer des Flusses Elbe befand. Tschernow setzte sich schnell an einen kleinen Tisch und klopfte laut mit den Kn;cheln der Hand auf den kleinen Tisch. Was es bedeutete, verstand Alexander nicht. Nach ein paar Minuten kam der Kellner und nahm die Bestellung entgegen. Der Soldat h;rte zum ersten Mal in seinem Leben, wie ein sowjetischer Milit;rangeh;rige deutsch sprach. Obwohl er nicht ein Wort verstand, es schien ihm, dass Tschernow perfekt die deutsche Sprache beherrschte. Und selbst der "Kleine", als er das Entz;cken des Gespr;chspartners bemerkte, entschied sich, ihm zuvorzukommen. Der F;hnrich legte die Speisekarte zur Seite, lachte fr;hlich und sagte kindisch:
- Also, du verwunderst, Boxer, Boxerchen, mich wieder einmal... Diese drei W;rter, und drei S;tze werden bei uns vererbt... Du denkst, dass die hiesigen Deutschen uns nicht erkennen werden? Da irrst du dich stark, mein lieber Freund. Sie erkennen uns an kurz geschnittenem Nacken und unseren Schnauzen schon von weitem. Fr;her respektierten sie uns, erwiesen uns Ehre, aber jetzt schenken sie uns keine Aufmerksamkeit mehr… Sie haben verstanden, dass wir bald gehen werden und wir werden f;r immer weggehen, wir werden f;r immer verschwinden...
Weiter musste Tschernow nichts mehr sagen. Der Kellner brachte zwei volle Bierbecher, eine kleine Plastikt;te und verabschiedet sich nett. Der Knirps pr;fte sofort mit der Handfl;che den Bierbecher, das Bier war k;hl. Er schnatterte gern und hob den Bierbecher zu Alexanders Becher. Dann sagte er laut:
- Ach, Freundchen, sto;en wir an und trinken auf uns... Ich, mein Br;derchen, bin doch sehr gl;cklich, dass ich in diesem Land gewesen bin. Denn nur hier habe ich es gesehen, wie Leute leben k;nnen…
Tschernow f;hrte den Bierbecher an die Lippen und trank ein paar gro;e Schlucke. Dem Beispiel des ;lteren Genossen und des Lehrers folgte auch Kusnezow. Das kr;ftige und auch k;hle Bier hatte in seinem Kopf augenblicklich Wirkung. Irgendwelche unerwartete Flut von Kraft und Tapferkeit durchbohrte seinen jungen und starken K;rper. Dann machten sich die M;nner an die Salzstangen, die sehr salzig und gleichzeitig ungew;hnlich lecker waren. Der Riese steckte verst;rkt die Salzstangen in den Mund und ebenso verst;rkt bewegte er seine Kiefer. Das alles verbl;ffte auf einen Augenblick den F;hnrich, er packte augenblicklich den Gespr;chspartner an die Hand und sagte:
- Also, Bursche, halt an. Stopp. Bist du, mein Landsmann, vom Mond gefallen oder von einer unbewohnten Insel gekommen? Auf diese Weise werden wir so schnell alles austrinken und werden dann wie taubstumme Dummk;pfe da sitzen... Du, Gr;nschnabel, schaue diese netten Deutschen an, die f;r einen Schluck Bier einen ganzen Abend sitzen und sich unterhalten... Mache es auch sowie sie...
Sofort err;tete Kusnezow und blickte sich um. An den kleinen Tischen sa;en etwa zehn Besucher und unterhielten sich leise. Alexander kam auch der Gedanke, dass man f;r das Bier und die Salzstangen bezahlen musste. In den Taschen seines Pyjamas sowie auch in seiner Kammer gab es keinen Pfennig, ganz zu schweigen Geldscheine. Der Soldat lie; den Kopf sinken und schwieg. Solches musterhafte Benehmen des gro;en Burschen erfreute Tschernow nicht nur, sondern brachte ihn auch zum Lachen. Er griff wieder seine Hand und beruhigte ihn freundschaftlich:
- Du bist in der Wahrheit ja sehr diszipliniert und sogar ehrlich. Jetzt vergessen wir in diesem Augenblick das alles. Sprechen wir lieber ;ber unseren Major. Udalzow ist doch ein kluger Mann. Er diente in der Mongolei, ein paar Schritte von unserer Grenze entfernt. Der junge Leutnant war Junggeselle und schlief damals mit vielen jungen mongolischen M;dchen. Zu ihm kamen sogar die M;nner und baten, dass er mit ihren Frauen schlafen soll. Weil allen ja sehr alles Russische gefallen hat... Unser Vorgesetzter verliebte sich tats;chlich ein bisschen sp;ter in die Tochter eines Parteibeamten im Ort. Der Beamte hatte als Frau eine Russin, die er noch w;hrend des Studiums in Moskau geheiratet hatte. Der Mann war h;sslich, aber die Frau war eine Sch;nheit, die die meiste Zeit in den Hauptst;dten verbrachte. Mein Landsmann verliebte sich sehr in die Tochter. Und sie war auch nicht gegen eine Ehe mit dem jungen Offizier, der all sein Geld f;r Geschenke f;r die Sch;ne ausgab. Er schlief sogar mit ihr...
Nach dem Gesagten lachte Tschernow aus irgendeinem Grund fr;hlich und nahm einen gro;en Schluck Bier. Dann schaute er zu dem kleinen Tisch gegen;ber, an dem eine sch;ne Deutsche mit einem viel ;lteren Mann sa; und sagte mit einem Seufzer:
- Leider ging bei unserem Major alles Weitere schief... Der Vater der Sch;nen war nicht von dem gro;en Wunsch beseelt, die Tochter dem schlanken, aber bettelarmen sowjetischen Offizier zu geben. Der Alte hatte seine Pl;ne. Er wollte die Tochter mit dem Deutschen aus sozialistischem Deutschland verheiraten, der in ihrer Gegend Wasser suchte. Der Deutsche war vollschlank und rot wie eine M;hre, aber ohne jeden Zweifel reicher als der Leutnant. Der Parteiboss kam nicht selbst zum Offizier ins Wohnheim und zu sich auf den Teppich rief er ihn auch nicht herbei. F;r Alle und Alles entschied der Vorgesetzte der Abteilung f;r politische Arbeit der Vereinigung. Nach dem belehrenden Gespr;ch und den wertvollen Hinweisen klopfte der Oberst auf den Tisch und sagte b;se:
- Leutnant, vergiss nicht, dass auf dem Territorium der sozialistischen Mongolei wir die internationale Pflicht erf;llen sollen und nicht Kinder zeugen...
Udalzow, strammstehend vor dem Vorgesetzten, versuchte etwas zu stottern:
- Genosse Oberst, ich liebe dieses M;dchen, sie ist doch eine Russin, und ihr Namen ist Tanja.
Das Unverst;ndnis seitens des Untergebenen brachte den Politarbeiter aus der Fassung. Er stampfte mit dem Bein und ging im Truppenschritt zur riesigen Karte, die in seinem Kabinett gegen;ber dem Tisch hing. Der Vorgesetzte drehte sich um hundertachtzig Grad zu der schwererziehbaren Person um, mit dem Finger nach unten auf die Karten zeigend und knurrte boshaft:
- Genosse Br;utigam, soll ich sie hierher schicken, aber ohne Braut, hierher, wo es keine sch;nen Weiber gibt... Hier in diesen Sand- und Gebirgsw;sten wird es dir nicht zumute sein, von Frauen zu tr;umen...
Der junge Arzt neigte den Kopf ein bisschen zur Karte und schwieg. Er schwieg nicht aus Angst oder Feigheit, im tiefsten Winkel des verherrlichten Transbaikalischen Milit;rbezirkes einige Zeit zu sein. Er hatte jetzt verstanden, dass seine liebste Tatjana niemals seine Frau werden w;rde. Die Gesetze der Partei, die Gesetze der Sowjetischen Armee w;rden es ihm niemals gestatten. Der nicht werdende Br;utigam seufzte schwer, streckte sich und stand stramm auf den Abs;tzen seiner gl;nzenden Stiefel und sagte laut:
- Genosse Garde Oberst, ich habe Sie verstanden... Alles wird erf;llt werden...
Als der Politarbeiter das ergebene Gesicht des Arztes sah, l;chelte er lustig und ging langsam zum Offizier. Dann klopfte er ihm leicht auf die Schulter und fl;sterte:
- Es ist sehr gut, dass Genosse Udalzow die Politik unserer Partei und der Sowjetischen Regierung richtig versteht... Ich bin sehr froh, dass ich daran auch meinen Anteil habe...
Vor Vergn;gen fing der Oberst an, sich die H;nde zu reiben, wie beil;ufig erg;nzte er mit einem Schmunzeln:
- Ich wei;, dass in Ihrer Einheit nur eine K;chin frei ist, aber man muss es ertragen oder seine Frau holen.
Udalzow gab keine Antwort. Er presste die Z;hne fest zusammen, schnalzte mit den Abs;tzen der Stiefel und ging schnell aus dem Kabinett hinaus.
Der Erz;hler schwieg eine gewisse Zeit und nahm wieder ein Schluck aus dem Bierbecher. Der Zuh;rer trank auch einen Schluck. Er wollte wissen, was mit dem jungen Leutnant weiter geschehen war. Kusnezow starrte Tschernow an und wartete auf die Fortsetzung dieser aufregenden Geschichte. Jener beeilte sich aber nicht mit der Antwort, schwieg weiter. Erst, nachdem der F;hnrich seinen Becher leer getrunken und noch ein paar Bier bestellt hatte, sagte er mit einem L;cheln:
- Also, und weiter? Mein Heimatsfreund ging leer aus... Nach einem halben Jahr fand in Ulan-Bator die Hochzeit statt, schon nach einem halben Jahr siedelte der Deutsche mit der Mongolin in die DDR um. Jetzt leben sie irgendwo in Dresden. Vielleicht kennt unser Chef ihre Adresse, aber vielleicht auch nicht... Eins wei; ich genau, dass nach der Mongolei unser Arzt in Sibirien diente, danach gelangte er durch Schmiergeld hierher.
In der Nacht nach der ersten "Selbstentlassung" in der ganzen Zeit seines Dienstes schlief der Soldat Kusnezow nicht. Das Zivilleben, besonders in Deutschland, hatte ihn gezwungen, jetzt Vieles neu zu definieren. Das Leben, das er fr;her f;hrte, schien ihm aus irgendeinem Grunde unverst;ndlich. Er lebte in seinem Heimatdorf Neidjonowka und anscheinend ganz normal, ohne besondere Probleme. Als Sch;ler war er nicht besonders flei;ig, lernte nur so, dass seine Eltern nicht schimpften. Aus seinem Dorf wurde niemand ber;hmt oder reich. Alle jungen Leute aus Neidjonowka hatten es nur bis zu Medizinischer Fachschule oder anderen Berufsschulen geschafft. Alexander strengte sich an, um sich an jemanden von seinen Dorfgenossen zu erinnern, der studiert hatte oder in einer Milit;rbildungseinrichtung war. Niemand erschien in seinen Gedanken. Der junge Mann lebte streng nach den Regeln und Sitten seiner kleinen Heimat. Er ging ebenso, wie auch alle anderen Leute, entlang der einzigen Stra;e ins Gesch;ft, um den billigste Wein zu kaufen. Ebenso, wie auch alle anderen, zog er im Klub die M;dchen an den Z;pfen. Ebenso, wie auch Alle, schw;nzte er die Arbeit, besonders im Sommer, wenn die Sonne bis zu drei;ig Grad brannte. Was au;erhalb des Dorfes oder in Omsk geschah, oder in anderen St;dten des gro;en Landes, interessierte ihn nicht. Er sah, wie auch alle Dorfgenossen, mit Entz;cken die Milit;rparade in Moskau. Ihm, wie auch der Mehrheit, lief G;nsehaut ;ber den R;cken, wenn er die Portr;ts der ernsten und klugen Mitglieder des Politischen B;ros des ZK der KPdSU aufmerksam betrachtete, die in der Dorfbibliothek an der sichtbarsten Stelle hingen... Von irgendwelchen ;berseedelikatessen tr;umte der junge Mann ebenfalls nicht. Er konnte ja sie sich nicht vorstellen. Im Dorfgesch;ft gab es nur eine Sorte billiger Wurst und Graubrot, das schon gegen Abend, mitunter auch schon zur Mittagszeit ausgegangen war. Die Leberwurst verschwand augenblicklich... Hier war das Leben vollkommen anders...
Der n;chste Ausflug in die Stadt mit Tschernow fand buchst;blich am n;chsten Tag statt. Er begann, wie es f;r Alexander schien, mit einer Eleganz auf allen Stufen. "Die Selbstentlassung" geschah wieder auf Initiative des F;hnrichs, der aus irgendeinem Grunde geheimnisvoll war und den Gr;nschnabel noch w;hrend des Fr;hst;cks r;tselhaft ansah. Erst, nachdem die M;nner aus der Gastst;tte hinausgegangen waren und sich auf die Bank gesetzt hatten, damit der Inhalt des Soldatenfr;hst;cks sich auf das "Meergrund" ruhig legte, verriet Tschernow das Geheimnis. Er klopfte seinem jungen Freund leicht auf die Schulter, danach lachte er hinrei;end und sagte leise:
- Also, junger Mann, heute werden wir spazieren gehen, wie die richtigen Menschen. Morgen muss ich mich schon abmelden. Und ehrlich gesagt, habe ich es schon satt, hier die Zeit zu vergeuden... Obwohl ich ledig bin, bin ich doch auch ein Mensch und m;chte aus diesem Land sch;ne Klamotten und wertvolle Sachen mitnehmen... Und daf;r braucht man Zeit...
Nach einer Stunde gingen die zwei M;nner durch den Kontrollpunkt hinaus, beide waren in Jogginganz;gen. Der eine, der wesentlich gr;;er als der anderen war, trug eine Angel und eine Tasche. Nach zehn Minuten befanden sich die Freunde auf dem Bahnhof. Kusnezow betrachtete neugierig Alles, was ihn umgab. Besonders gefielen ihm die von Sauberkeit gl;nzenden Z;ge, die beim Einfahren in die Station Feldhaus laut bremsten. Aus den Wagen stiegen die Passagiere aus, die Mehrheit war in Sommerkleidung. Alexander spazierte langsam auf dem Bahnsteig entlang und verfolgte manchmal mit den Augen fixierend die jungen M;dchen, die leicht wie Libellen von den Trittbrettern des Wagens sprangen und sich sofort in der Menge aufl;sten. Es war aufregend f;r Alexander, wenn er die sch;nen und schlanken deutschen M;dchen sah. Tschernow bemerkte die gierigen Blicke des jungen Mannes und stichelte:
- Morgen werde ich dem Vorgesetzte der medizinischen Abteilung sagen, dass er dir dein gro;es Teil abschneiden soll, sonst werde ich noch beschuldigt, Jugendliche zu verf;hren… H;rst du mich, Sanjka?
Sanjka hatte das alles gewiss geh;rt, aber nicht reagiert. Dem jungen Mann gefielen ja allzu sehr einige deutsche M;dels, diese zu verf;hren w;re w;nschenswert gewesen. Ihm schien es jetzt sogar, dass sie selbst von ihm ohne Verstand w;ren. Jedoch machten sich nach einigen Augenblicken im Kopf des Soldaten andere Gedanken breit, dabei ziemlich furchtbare. Er stellte sich das b;se Gesicht des strengen Kommandeurs vor und seine Unterlagen, in denen die Unterschrift des Sch;tzen stand, dass er ;ber das musterhafte Benehmen im Laufe des Aufenthaltes in der deutschen Stadt unterwiesen worden war. F;r schlechte Taten streichelte man die Straft;ter nicht ;ber den Kopf...
Nach dem die Freunde einen Hauch des b;rgerlichen Lebens und den weiblichen Geruch eingeatmet hatten, gingen sie zum Fluss. Tschernow, wie auch Kusnezow, beabsichtigten zum ersten Mal im Leben zu fischen. Nat;rlich hatten sie keine Ahnung von diesem Handwerk. Damit sie nicht von dem Milit;rstreifen erwischt w;rden, w;hlten sich die Freunde eine Stelle, wo Elbe eine Biegung machte, wo es mehr Geb;sch gab. Dann rollten sie langsam eine Soldatendecke aus und zogen sich aus. Als Kusnezow die sch;ne Badehosen bei seinem Lehrer sah, rollte er seine schwarze Soldatenunterhosen h;her herauf. Nikolaj, so hie; der F;hnrich, l;chelte nur als Antwort darauf und ging die Angel auszuwerfen. Die Anf;ngerfischer haben am Ufer mehrerer Stunden gesessen, aber keinen einzigen Fisch gefangen. Alexander wurde nerv;s. Er hatte nicht geglaubt, dass man an so einem sonnigen Tag und noch dazu in einem deutschen Fluss keine Fische fangen konnte. Aus dem Gespr;ch der Offiziere der Kompanie und des Bataillons wusste der Soldat, dass es in der Elbe viele Fische gab. Eine weitere Stunde verging. Der Fisch biss an, aber am Haken ihn zu fangen, gelang nicht. Keiner von den Fischern beschwerte sich, jeder schob es auf seine Unerfahrenheit. Best;tigung daf;r war ein deutscher Bub, der nicht weit von ihnen sa; und zum Neid der Erwachsenen aus dem Wasser ziemlich oft Fische herauszog. Noch eine weitere Stunde verging, aber es gab keinen Fang. Solch ein "Erfolg" ;rgerte Tschernow schlie;lich und er seufzte m;hsam und sagte sanftm;tig:
- Kusnezow, wirf diese Angel zum Teufel ... Ich hab es schon satt, die W;rmer und den Teig auf den Haken zu stecken... Lieber werden wir in eine Kneipe gehen und die Kehle anfeuchten... Und mir knurrt auch schon der Bauch... Dir wahrscheinlich auch?
Alexander reagierte nicht auf Nikolajs Vorschlag und schaute weiter b;se auf die Angel, die ohne jede Bewegung schon zwanzig Minuten im Wasser lag. Der Soldat reagierte auf den Vorschlag Tschernows auch dann nicht, als jener ihm leicht auf die Schulter klopfte. Er starrte weiter aufmerksam auf die Angel. Erst, nachdem er von seinem Lehrer nachdr;cklich ausgeschimpft worden war, stand der Fischer auf und sagte faul:
- Br;derchen, du wei;t es doch nicht, dass bei mir hinter der Seele nichts ist, nicht ein Pfennig... Diese Kneipe bedeutet F;r mich nichts...
Der F;hnrich antwortete mit einem Lachen und sagte fr;hlich:
- Ach du, Gr;nschnabel! Sanjka, du denkst, dass ich so dumm und naiv bin... Ich wei; auch ohne dich, dass die Taschen der sowjetischen Soldaten leer sind, dass sie keinen Groschen besitzen. Meine Finanzen singen auch schon seit langem Romanzen. Du wei;t doch nicht, warum ich noch immer hier bin. Ich kenne mich ein wenig mit Autos aus. Der Major versteht von dieser Technik ;berhaupt nichts... Ich fahre zusammen mit ihm zu den Deutschen und suche ihm ein Auto aus... Er steckt mir deshalb etwas zu. Woher er das Geld nimmt, ist mir unbekannt, ich brauche es auch nicht wissen. F;r Bier reicht es mir und in der Einheit habe ich auch ein Weib...
Vom Standort der Fischer bis zu der Kneipe war es etwa f;nfhundert Meter, nicht mehr. Kusnezow bewunderte den kleinen h;lzernen Bau, der in den Kiefernwald im eigentlichen Sinne hineingedr;ngt war und sich in f;nf Meter, vielleicht auch weniger, vom Fluss befand. Die Freunde wunderte die Stille in dem gro;en Raum, der durch echte Blumen in zwei R;ume geteilt war. Ein Teil der Blumen befand sich in den speziellen hohen St;ndern, der andere Teil hing aus kleinen T;pfchen herunter, die an der Decke befestigt waren. An den kleinen Tischen sa;en nicht so viele Besucher. Ihnen, wie es Alexander schien, schenkte niemand Aufmerksamkeit. Der Kellner, ein ziemlich dicker Mann mit braungebrannter Haut, kam tr;ge an ihren kleinen Tisch. Die Bestellung war nicht sehr kompliziert. Nach f;nf Minuten stellte man den Russen zwei Gl;ser mit Bier und zwei W;rstchen mit Br;tchen auf den kleinen Tisch. Von dem angenehmen Geruch musste Alexander schlucken, er hatte schon seit langem Hunger und Durst. Kaum hatten die Fischer das Bier anger;hrt, als sie hinter sich eine hysterische laute etwas zitternde Stimme h;rten:
- Russe, Schweine, raus, raus...
Die Russen schauten sich um und sahen in der Ecke des Raumes einen nicht sehr gro;en Mann. Dem Aussehen nach war er etwa drei;ig Jahre alt, oder vielleicht auch etwas ;lter. Er sa; an einem kleinen Tisch allein und schl;rfte das Bier aus einem kleinen Bierglas. Neben ihm auf dem Fu;boden sa; ein riesiger Hund mit einer schrecklichen Schnauze. Kusnezow hatte noch nie so einen Hund gesehen und deshalb strengte er sein Gehirn nicht an, um nachzudenken, zu welcher Rasse dieses ziemlich m;chtige Tier geh;rt. Die Freunde waren sogar einige Zeit geschockt von dem hysterischen Schrei des Deutschen und von seinem furchtbaren Hund. Besonders erschrocken war Alexander. Er konnte nicht glauben, dass die Deutschen der DDR ihn so frech aus der Kneipe hinauswerfen k;nnten, die er zum ersten Mal im Leben besucht hatte. Der gro;e junge Mann h;tte sich nichts daraus gemacht, diese Einrichtung und diese Deutschen k;nnten ihn mal, wenn man ihn, wie auch Hunderttausende anderer junger Leute, nicht zum Schutz der Eroberungen des Sozialismus gerufen h;tte. Als Erster erwachte Tschernow aus der Erstarrung. Er stand langsam vom Tisch auf und schaute von seiner "H;he" den Deutschen ver;chtlich an, der wie aufgedreht fortsetzte zu schreien:
- Russe, Schweine, weg, raus...
Der F;hnrich entschied sich aller Wahrscheinlichkeit nach, den Stolz und die Unabh;ngigkeit dem Deutschen vorzuf;hren, dessen roter Bart an einen kleinen sumpfigen Erdhaufen erinnerte. Nikolaj presste die Schulter des Gespr;chspartners stark zusammen und sagte laut russisch:
- Sanjka, ich werde noch eine Packung Zigaretten zum Trotz dieser Missgeburt nehmen... Er soll wissen, dass von ihm niemand Angst hat und niemals f;rchten wird...
F;r eine gewisse Zeit war der Lehrer des Armeegr;nschnabels still geworden und schaute abwechselnd den Deutschen und seinen gro;en Hund an. Dann klopfte er mit der Hand auf die Schulter des Riesen und sagte leise:
- Kusnezow, nimm unsere Lebensmittel. An der frischen Luft wird der Appetit besser sein.
Danach ging Tschernow entschlossen zur Restauranttheke nach den Zigaretten. Die Besucher der Bierkneipe reagierten auf den Zwischenfall in keiner Weise, alle sa;en und schwiegen. Der Schreier wurde auch still.
Die Vorg;nge im Sommerrestaurant am Ufer der Elbe drangen tief in die Seele der Milit;rzugeh;rigen ein, ihnen war es nicht mehr zum Fischfang zumute. Jedoch hielt der Stress die M;nner nicht davon ab, sich zu s;ttigen. Mit riesigem Vergn;gen verspeisten sie alle Essenreste in k;rzester Zeit. Kusnezow gefiel der Senf, den er auf das W;rstchen schmierte. Er bem;hte sich, das Vergn;gen zu verl;ngern, er biss kleine St;ckchen von der Wurst ab und a; sie mit Genuss. Dem jungen Soldaten der Westlichen Gruppe der Truppen schien es jetzt, dass er solche Wurst noch niemals in seinem Leben gegessen hatte. Die nicht erfolgreichen Fischer, die am Ufer des deutschen Flusses sa;en, besprachen an diesem Tag sehr Vieles. Sie kamen sehr sp;t in der Sanit;tsstelle an, in den Kammern schliefen schon alle.
F;hnrich Tschernow wurde am folgenden Morgen entlassen. Er fr;hst;ckte ein letztes Mal und dr;ckte fest die Hand des Riesen. Dann stand er blitzschnell auf, zog die Uniformjacke gerade und sagte streng auf milit;rische Art:
- Lebe wohl, Gardesoldat Kusnezow, der Namensvetter des verherrlichten sowjetischen Aufkl;rers, denke an mich nicht im B;sen... Und noch etwas will ich dir sagen. Vergiss das alles nicht, wor;ber wir gestern den ganzen Tag gesprochen haben...
Vor Aufregung verschluckte sich der Milit;r unerwartet und hustete laut, dann lief er st;rmisch hinaus. Tschernow kam nach f;nf Minuten zur;ck, in den H;nden trug er Boxhandschuhe. Er umarmte Alexander fest und streckte sie dem verbl;fften Soldaten hin.
- Sascha, nimm diese Boxhandschuhe... Das ist f;r dich ein Geschenk von mir und von unserem Vorgesetzten, - redete er singend, - und in diesem Zusammenhang will ich dir, mein Gr;nschnabel, noch Folgendes sagen...
- Der Gott hat mich in Bezug auf Kr;fte benachteiligt, aber dich hat er damit belohnt. Und deshalb merke dir eins... Schlage auf die Schnauze stark dem, der es verdient. Gleichzeitig beleidige nicht den, der noch nicht Abschaum wurde… Beleidige keine Schwache, darin liegen die Kraft und die W;rde der starken Menschen... Vergiss es niemals und nirgendswo...
Nach diesen Worten klopfte Tschernow noch einmal seinem jungen Freund auf die Schulter und allen, die im Speisesaal sa;en, winkte er mit der Hand zu. Nach einigen Augenblicken war der Sch;ker und lustige Mann hinter der T;r verschwunden...
Der Abschied von Tschernow ber;hrte die Seele des Sibiriers sehr schmerzhaft. Ihm war es noch niemals im Leben so schwer gefallen, sich von einem Menschen zu trennen, den er tats;chlich erst gestern richtig kennen gelernt hatte, als sie in "die Selbstentlassung" gingen. Leider, ging "die Selbstentlassung" nicht ohne Abenteuer vor;ber. Fast den ganzen Tag bummelte Alexander auf dem Territorium des kleinen Milit;rst;dtchens. Hier war alles genau so wie in dem Motorschie;regiment, das er vor drei Wochen aus «technischen Gr;nden» verlassen hatte. W;hrend des ziellosen Bummelns kamen dem jungen Soldaten verschiedene Gedanken. Aber im Ged;chtnis tauchte tats;chlich jede Minute das wieder auf, was ihn gestern der Lehrer, der die Sanit;tsstelle verlassen hatte, gelehrt hatte. Gerade, dank Tschernow, machte er Versuche, diese Welt ganz anders zu sehen, die ihm bis jetzt rein und regenbogenfarbig schien. Alexander, dar;ber nachdenkend, war gleichzeitig begeistert vom Verstand des einfachen Menschen, der alles in allem zehn Jahre ;lter war als er...
Das Abenteuer in der Bierkneipe f;hrte auf nichts die Fischleidenschaften F;hnrichs Tschernow. Er r;hrte die Angel, die friedlich am Ufer des Flusses schimmerte, nicht mehr an. Nikolaj "kochte" ganz und gab die Weite seinen Gedanken:
- Vor einem Jahr ging ich mit diesen Deutschen durch die Stadt, sie feierten das vierzigste Jubil;um der Stadt. Alle Stra;en und Pl;tzen waren mit den Fahnen der DDR und der Sowjetunion beh;ngt. Alle schrien: " Freundschaft-Drushba"... Und ich schrie... Ich denke, auch dieser roter schrie aus voller Kehle... Jetzt haben sie gewittert, dass wir weggehen, und sich entschieden, auf uns Schmutz auszugie;en...
Kusnezow mischte sich in den Strom der Gedanken und Ausspr;che des ;lteren Lehrers nicht ein. Er sah nur manchmal aufmerksam den lebendigen "Samowar" an, ab und zu stimmte er zu, senkte den Kopf nach unten, wie schuldige Sch;ler ziemlich oft ihn sinken. Je mehr Tschernow kochte, desto mehr wurde sich der Soldat ;ber das Leben der WGT und der DDR klar und schrieb es sich hinter die Ohren.
Gerade in diesen Abend am Ufer der Elbe h;rte der junge Soldat vom Lehrer von den sowjetischen Soldaten-Fahnenfl;chtigen zum ersten Mal, die die Truppeneinheiten aus irgendeinem Grunde verlie;en, jemand verlie; sie sogar mit den Waffen in den H;nden.
Die Informationen dar;ber erschreckten den Sibirier sozusagen. Er hatte nicht daran geglaubt, dass in irgendwelchem Regiment aus dem Bataillon der junge Hauptmann fortgelaufen war und den Automat und die Pistole mitgenommen hatte. Den Offizier konnten die ;lteren Soldaten nicht schikanieren! Der fl;chtige Offizier hatte nat;rlich eher mehr M;glichkeiten als die einfachen Soldaten, tats;chlich das zivile Leben der Bewohner der deutschen Stadt und ganz Deutschlands anzuschauen... Mit diesen ziemlich "tr;ben" Gedanken schlief der Patient ein. Der Soldat Kusnezow wurde nach einem Monat entlassen, nachdem er die T;r der Sanit;tsstelle ge;ffnet hatte. Major Udalzow lud nach der Erledigung der Entlassungspapiere den Soldaten pers;nlich zu sich ins Arbeitszimmer ein und bat ihn freundschaftlich an den Tisch. Danach bl;tterte er in seiner Krankengeschichte und sagte fr;hlich:
- Also, ich sehe, dass du jetzt ganz Gesund bist... Das ist sehr sch;n... Ich w;rde dich noch ein paar Tage hier lassen... Du bist ein ruhiger Bursche und anscheinend kein Dummkopf... Aber leider, Br;derchen, der Dienst ruft... Er fordert nicht nur ausgezeichnete Schie;erei, sondern auch mehr Patienten...
Auf die Worte des Offiziers reagierte der Soldat nicht, er schwieg einfach und l;chelte. Zum Abschied dr;ckte der Arzt Alexanders Hand fest und sagte leise:
- Also, Landsmann, verschwinde nach Hause... Ja, an dich ein sch;nen Gru; von Tschernow...
Zum Mittagessen war Alexander schon in seiner Einheit. In seinem Soldatenrucksack, den ihm Udalzow gegeben hatte, waren nur die Boxhandschuhe, das wertvolle Geschenk vom F;hnrich-Autofahrer und dem Major des medizinischen Dienstes.
W;hrend der Abwesenheit des Soldaten Kusnezow in dem Motorschie;regiment waren da gro;e Ver;nderungen geschehen. Das hatte er gesehen und gef;hlt, kaum dass er die Schwelle des Kontrollpunkts ;berschritten hatte. Der Sch;tze erkannte seine Kollegen nicht mehr, vor einem Monat bewegten sie sich durch das St;dtchen in der Kolonne oder in kleinen Gruppen und gingen nur mit Truppenschritt. Jetzt waren vor ihm ganz andere Soldaten, die vor dem Diensthabenden in der Einheit, wie Milit;rbauarbeiter im eigentlichen Sinne, schlenderten. Bei vielen hing der Riemen bis "zum Nabel" herunter, einige von ihnen spuckten herum. Ein ;hnliches Bild war auch neben dem Eingang in die Kaserne des ersten Motorsch;tzenbataillons zu sehen. Ein Teil der Soldaten sa; auf der Haustreppe und rauchte, einige lagen auf einen Liegen nicht weit vom Sportplatz und spielten Karten. Ab und zu h;rte man, wie jemand fluchte.
Als Erster bemerkte Soldat Iljassow aus der benachbarten Granatwerferbatterie den zwei Meter gro;en Boxer. Die Batterie befand sich auf einem Stockwerk mit den Motorsch;tzen. Mit einem breiten L;cheln schrie der Granatwerfer laut:
- Kerls, unser Regiment hat sich vergr;;ert... Unser Boxer ist aus der Sanit;tsabteilung zur;ck! Freund gib deine Pfote...
Die Gaffer in der Milit;rform reagierten nicht auf das Erscheinen des Boxers. Deshalb entschied sich Kusnezow, anstelle der ausgestreckten Hand dem Kameraden den Stinkfinger zu zeigen und sagte durch die Z;hne:
- Geh weg, du Schei;kerl, damit ich mir nicht wegen dir die H;nde waschen muss...
Die Suche der Offizieren oder des Hauptfeldwebels der Kompanie erwies sich f;r den Neuank;mmling als erfolglos, von der ;rtlichen Leitung war niemand zu finden. Der Diensthabenden der Kompanie zeigte sich auch in der Einheit nicht. Der Stuben;lteste, der auf dem Nachtschr;nkchen sa; und aufmerksam einen Brief las, sagte faul zu dem Kollegen:
- Also, du Gr;nschnabel, gehe ins Zwischendeck und warte auf das Mittagessen... Bei uns ist jetzt ;berall Ruhe und wir werden bald entlassen... Bald tragen uns die Beine in die Heimatl;nder fort... Freilich, wohin und wann, m;ssen wir nicht wissen... Erst am Abend nach dem Schlusssignal im Rauchzimmer hatte Alexander tats;chlich begriffen, wie das Leben in der Einheit lief. Ihr Motorschie;regiment sollte als eines der ersten Regimenter Deutschland verlassen, daran zweifelte schon niemand mehr. Es waren nur die Ladefristen in den Staffeln und die Zeit ihrer Abfahrt unbekannt. F;r viele Soldaten, zu denen auch der Boxer geh;rte, war die R;ckkehr in die Heimat eine gro;e ;berraschung. Er wollte das reiche Land auf keine Weise verlassen. Bei ihm war der Wunsch, noch mehrmals durch die sauberen deutschen Stra;en zu bummeln, k;hles Bier zu trinken und ein Paar W;rstchen zu essen, noch gr;;er geworden. Diese Leidenschaft war bei dem Riesen noch zehn Mal gr;;er geworden, nachdem er mit Tschernow zivile Luft eingeatmet hatte. Und nicht nur deshalb. Auch die Neuigkeit, dass aus ihrem Regiment zwei ;lteren Soldaten entlaufen waren, die um politisches Asyl bei den ;rtlichen Beh;rden gebeten hatten, regte den Soldaten auf. Ob es die Wahrheit war oder nicht, hatte niemand im Rauchzimmer behauptet, aber auch nicht abgestritten. Unter den Zweiflern war auch Kusnezow. Er wusste sehr gut, dass der "Soldatenrundfunk" nicht so viel wissen konnte. Den Kommandeur des dritten Zuges, der in der Kompanie verantwortlich war, traute sich Alexander nicht zu fragen. Dem Offizier war es wahrscheinlich nicht nach den Fragen des Soldaten zumute. Der Leutnant war von etwas aufgeregt und rannte sofort nach Hause, kaum er den Befehl des Diensthabenden «Die Kompanie! Das Schlusssignal!» geh;rt hatte. Das Treffen des Meisters der Vereinigung nach dem Boxen mit dem Verlierer fand am n;chsten Tag nachmittags statt. Der Hauptmann Makarow erwartete mit Ungeduld seinen besiegten Sch;ler. Kusnezow war noch nicht dazugekommen, sich auf das B;nkchen im Raucherzimmer zu setzen, als zu ihm der Diensthabende in der Kompanie, Sergeant Nikodimow, gelaufen kam und mit Befehlsstimme schnell sagte:
- Kusnezow, du sollst zum Kommandeur auf den Teppich kommen... Beeil dich, er hat heute wieder schlechte Laune...
Dass der Diensthabende richtig die schlechte Stimmung des Kommandeurs gesp;rt hatte, merkte Alexander sofort. Der Hauptmann reagierte nicht auf das Klopfen an der T;r und las weiter am Tisch die Zeitung «Roter Stern». Erst, nachdem der schlanke zwei Meter-Riese auf dem Parkett laut herein marschierte und sich dem Tisch n;herte, hob der Offizier den Kopf und sagte leise:
- Also, endlich ist auch Boxer Kusnezow angekommen... Ich dachte aus Versehen daran, dass du irgendwohin entlaufen bist... Jetzt sprechen die Deutschen nur dar;ber, dass in ihren W;ldern Zehntausende sowjetischer Soldaten mit Waffen sich verstecken und alles ausrauben...
Kusnezow hob die Handfl;che zur Schl;fe und sagte fr;hlich:
- Keinesfalls, Genosse Hauptmann... Ich will unserem Vaterland und unserer Armee ehrlich dienen...
Der Offizier vertiefte sich f;r einige Augenblicke wieder in die Zeitung. Dann lehnte er sich auf dem Stuhl zur;ck und klopfte mit den Fingern auf den Tisch, danach bemerkte er lebhaft:
- Also es ist gut, dass mein Landsmann nicht weglaufen m;chte... Er ist voll entschlossen, seinen eigenen und auch den fremden Herd zu sch;tzen...
Zwischen dem Soldaten und dem Offizier ergab sich diesmal kein vertrauliches Gespr;ch.
Der Untergebene wurde sogar nicht gebeten, sich an den Tisch zu setzen, und blieb stramm vor dem Vorgesetzten zu stehen. Jeder von ihnen f;hlte diese Entfremdung, aber keiner unternahm etwas f;r den Beginn eines vertraulichen Gespr;ches, wie es zwischen ihnen vor kurzem stattgefunden hatte. Der Soldat schaute ins Gesicht seines Kommandeurs und in seinen Augen sah er keine Fl;mmchen des ;bermuts und der ;berzeugung, die bei ihm fr;her waren. Er f;rchtete sich jetzt sogar etwas vor dem kalten und gleichg;ltigen Blick des Landsmannes. Kusnezow erz;hlte dem Kommandeur vom monatlichen Aufenthalt in der Sanit;tsstelle, verheimlichte aber Vieles. Er sagte nichts von F;hnrich Tschernow, der ihn anders auf die Welt schauen zu lehrte. Und der Offizier bestand auch nicht auf einer Suche nach Gr;nden eines so einen langes Aufenthaltes des Untergebenen au;erhalb der Einheit.
Es vergingen noch zwei Monate des Armeedienstes. Der Sch;tze wurde in der so kurzen Zeit kr;ftiger und in den Schultern breiter und wuchs sogar um f;nf Zentimeter. Alexander war darauf sehr stolz, dass die M;tterchen - Natur ihm eine ausgezeichnete Figur und ein sympathisches Gesicht gegeben hatte. Er tauchte oft vor dem Kommandeur auf und stellte sich innerlich wie ein Riesen gegen ihn. Der Offizier reagierte auf das mehrfache Erscheinen seines Landsmannes in keiner Weise. Aller Wahrscheinlichkeit nach wollte Hauptmann Makarow niemanden sehen. Seine Untergebenen verstanden auch, dass mit ihrem Kommandeur etwas Beunruhigendes geschah. Alle wussten, dass er ziemlich lange in der Kompanie "sa;". Man meinte, dass der Grund der Gleichg;ltigkeit zum Dienst des Offiziers in der unerwarteten R;ckkehr des Regiments in die Sowjetunion war. Eine ;hnliche Einstellung zum Dienst war bei der Mehrheit der Offiziere und der F;hnriche zu sp;ren. F;r die Soldaten zerbrach diese R;ckkehr keine Pl;ne auf eine reiche Zukunft, sie bauten diese Pl;ne nicht. Alle kannten das nicht festgeschriebene Gesetz der Armee: "der Soldat schl;ft - der Dienst geht". F;r jeden von ihnen lag das Ende des Dienstes nicht in der Ferne...
Der Sommer ging seinem Ende entgegen. Irgendeine Gefechtsausbildung fand in der Einheit nicht statt. Die Ger;chte ;ber "das Hinaustragen" verfl;chtigen sich manchmal, dann tauchten sie erneut verst;rkt auf. Davon hing auch der Zustand des kleinen Milit;rst;dtchens ab, in dem sich fast zwei Tausend Soldaten und Offiziere vor Langweile qu;lten. Auf Befehl von oben wurde auch die Kaserne nicht renoviert. Es blieb alles liegen. ;ber das Schicksal der ziemlich alten Ziegelbauten hatten die Beh;rden der Stadt Dachbau bestimmt. Die ;brigen anderen Geb;ude rissen speziell geschaffene Brigaden der Soldaten ab und machten sie zu Schutt. Alles, was brannte und kein giftiges Gas oder Rauch verursachte, wurde auf einem speziellen Platz hinter dem Parkplatz der Kampftechnik verbrannt.
Kusnezow nahm an dieser "Schaubude" nicht teil. Hauptmann Makarow besch;ftigte seinen Landsmann mit nebens;chlichen Arbeiten der Einheit. Die Sch;tzen reinigten die Keller und Dachb;den, manchmal wurden sie zu Wirtschaftsarbeiten in den Park der Kampffahrzeuge geschickt. Sehr oft wurde der Sibirier zum Patrouillieren auf dem Territorium des Milit;rst;dtchens sowie auch au;erhalb seiner Grenzen herangezogen. Fast den ganzen Sommer fanden zwischen dem Hauptmann Makarow und Soldaten Kusnezow keine Treffen unter vier Augen statt. Eine Ausnahme trat gleich Anfang Oktober ein, als sich die Kompanie auf das Mittagessen vorbereitete. In den kleinen Schlafraum der Sch;tzen kam der Stuben;lteste der Kompanie hereingelaufen und sagte zu Kusnezow:
- Hauptmann Makarow ruft dich zu sich... Lauf schnell, sonst wird er gleich zu Mittagspause verschwinden...
Der Offizier war wirklich schon auf dem Weg zur Mittagspause. Der Soldat kam gar nicht richtig dazu, die T;r zu ;ffnen, als jener schnell sagte:
- Ach, Mist, fast h;tte ich von deinem Brief vergessen... Ich habe gestern die Bettschr;nkchen und die Betten im ersten Zug gepr;ft. Und ganz zuf;llig habe ich den Brief f;r dich bei dem ;lteren Soldat Ischakow, dem Landsmann des entlassenen Makulow gefunden... Ein Brief von deiner Mutter... Ich wei; nicht, wieso er dort war...
Der Hauptmann drehte sich auf dem Stuhl geschickt um und streckte die Hand zum kleinen Schrank, der an der Wand hing. Aus dem B;cherstapel zog er die Unterst;tzung f;r das politische Studium der Soldaten schnell heraus und sch;ttelte sie. Aus dem dicken Buch fiel ein zerknitterter Briefumschlag heraus. Makarow streckte ihn sofort seinem Soldaten hin, der mit Ungeduld auf eine Nachricht aus seinem Heimatdorf wartete. Als er die unerwarteten Tr;nen seines Untergebenen sah, sagte der Offizier traurig:
- Ich hatte mit Absicht den Brief in das Buch gelegt. Weil ich wusste, dass die Soldaten diesen Quatsch nicht lesen. Meine Kanzlei wurde in der letzten Zeit wie ein Durchgangshof... Besser man l;sst nichts liegen, sonst wird es geklaut...
Kusnezow beschloss, den Brief von seiner Mutter etwas sp;ter zu lesen. In ihm brannten Bosheit und Hass auf den, der gewagt hatte, den Brief von seiner Mutter, auf den er mit solcher Ungeduld fast ein halbes Jahr gewartet hatte, zu verstecken. Gleichzeitig war der Soldat dem Hauptmann Makarow sehr dankbar, dass er den Brief zuf;llig gefunden hatte. Die Suche nach Ischakow war kurz. Er sa; im Raucherzimmer und rauchte vergn;glich eine Zigarette. Der Alte reagierte auf den sich ihm rasend n;hernden Riese nicht. Ischakow kam noch gar nicht dazu, in das Gesicht des Sch;tzen zu blicken, als er sich schon in seinen m;chtigen Armen befand. Der Boxer fasste mit all seiner Kraft, wie ein Stier, mit beiden H;nden den kleinen Kasachen am Kragen und am Hintern, und warf ihn dann blitzschnell mit dem Kopf nach unten um. Den Kopf des Opfers an den Autoreifen dr;ckend, der als eigent;mlicher Aschenbecher diente, schrie er laut:
- Du Missgeburt, Hund, wer bat dich meinen Brief zu nehmen und zu lesen? Wer, frage ich dich? Wer, du Hund?
Ischakow, der offenbar nicht auf solchen Geschehnisse vorbereitet war, brummte bei jeder Ber;hrung des Kopfes mit dem Aschenbecher erschrocken:
- Freundchen, Kusja, mich hat der Teufel verwirrt... Genau, er hat mich verwirrt...
Solch eine Erkl;rung ;rgerte "den Henker" noch mehr. Er begann, den Kopf des Kasachen noch st;rker ins Gummirad zu dr;cken und noch lauter aus vollem Halse zu schreien:
- Ach, du Schwein, Missgeburt, wieso l;gst du... Oder hast du vergessen, wie deine Mutter hei;t? Ich frage dich... Wie hei;t deine Mutter, du Hund?
Er schlug Ischakow mit dem Kopf an den Gummireifen, manchmal auch auf die Erde. Der hatte die L;ge aller Wahrscheinlichkeit nach verstanden und sich entschieden, die Wahrheit zu sagen. Er sch;tzte manchmal mit der Hand den Kopf und schrie auf die mehrfach wiederholende Frage des Gewaltt;ters aus vollem Halse:
- Genosse Kusnezow, meine Mutter hei;t Raisa, und deine Mutter hei;t Antonida... Òînja, Tonetschka...
Der Taumel der Gerechtigkeit ;ber das ;bel und die L;ge dauerte nur kurz. Der Athleten war es schlie;lich von der Zwangsvollstreckung leid. Wahrscheinlich h;tte sie noch einige Augenblicke gedauert, wenn nicht ein erstickender und stinkender Geruch unerwartet von dem Opfer ausgegangen w;re. Der Boxer lie; den K;rper des Soldaten fallen und trat mit dem Stiefel in Ischakows Bauch mit voller Kraft. Jener schrie vom starken Schmerz auf und begann sich auf dem Boden zu w;lzen. Kusnezow reagierte nicht auf das St;hnen des Kollegen. Er schaute mit der Verachtung auf den Liegenden herunter und spuckte ihm ins Gesicht. Dann ging er in die Richtung des kleinen Waldes, der den Park der Kampftechnik umgab...
Auf dem Weg zum Wald beruhigte sich Alexander wieder und begann, eine Stelle zu suchen, wo man sich ausziehen und den ersten Brief von seiner Mutter lesen konnte. Es war sehr schwierig, eine saubere und nicht stinkende Stelle zu finden.
Der kleine Wald war ganz verdreckt und verunreinigt. ;berall lagen leeren Konservendosen und Bier- oder Wodkaflaschen herum. An vielen Stellen ruhten friedlich die "Haufen" menschlichen Drecks. F;r Kusnezow war es klar, dass das alles ein Ergebnis der Gardisten des Motorschie;regiments war. Nur am Rand des Waldes, nicht weit vom Feldweg, fand er einen Platz unter einer einzelnen Kiefer, wo er beschloss, sich hinzulegen... Der Soldat lie; sich schwer auf den Boden fallen und zog aus der Jackentasche vorsichtig den zerknitterten Briefumschlag heraus, dann entnahm er ihm zwei Bl;tter des Schulpapiers, die von der m;tterlichen Hand klein beschrieben waren. Der junge Mann zog den Brief an die Lippen und k;sste ihn vorsichtig.
In diesen Augenblick erschien vor ihm die Gestalt seiner geliebten Mutter, die er jetzt so vermisste. Es vermisste auch seinen Vater. Von lauter Gef;hlen zu seinen Eltern hat Alexander, der Sohn begonnen zu weinen, er weinte sehr bitterlich. Danach l;chelte er froh und lachte laut. Wieso er es getan hatte, konnte er sich selbst nicht erkl;ren. Es konnte sein, dass der Grund der Freude dieser Brief von seiner Mutter war, den er zum ersten Mal im Leben bekommen hatte. Fr;her schrieb in der Familie keiner jemandem Briefe. Die Mutter oder der Vater gaben dem nichtsnutzigen Riese alle Hinweise und Klapse ohne jeden Brief. Der Sohn reagierte auf alle Elternhinweise und Bemerkungen meistens ganz normal. Aber nicht selten antwortete er auch bissig, besonders dann, wenn seine Freunde zu Besuch da waren.
Der Sohn entfaltete sehr vorsichtig das erste Blatt des Briefes und begann langsam zu lesen. Die Mutter schrieb:
«Guten Tag mein teurer und geliebter Sohn Saschenjka, guten Tag mein Herz!!! In den ersten Zeilen meines Briefes m;chte ich dir mitteilen, dass ich noch lebe und gesund bin, was ich auch dir hundert Mal w;nsche. Ich m;chte dir, mein Sonnenschein, alles der Reihe nach beschreiben. Unser Dorf Neidjonowka steht wie immer noch am selben Platz. Das Leben in unserem Gebiet ist aber sehr schwer und sogar schrecklich geworden. Viele M;nner und Frauen auf dem Lande sind arbeitslos, es gibt keine Arbeitspl;tze, fast das gesamte Vieh in der Sowchose wurde abgeschlachtet. Der Herr Gott gibt mir noch Arbeit, dein Anbau w;rmt mich. Die ;brigen Viehst;lle haben die Menschen abgerissen und das Baumaterial weggeschleppt. Im Dorf ist die ganze Technik kaputt, es gibt kein Benzin, es ist sogar nichts da, um Brennholz zu holen.
Dein Vater ist immer noch verschollen, ich kann schon nicht mehr um ihn weinen. Das Weib Pelageja, du kennst sie, die am Rande des Dorfes lebte, erz;hlte mir einen Tag vor ihrem Tod davon, dass sie von Nikolaj tr;umte als ob ihn irgendein Teufel festhielt. Um ;ber deinen Vater was zu erfahren, bin ich dreimal nach Isumrudnoje gefahren, aber sie haben mir dort auch keine Auskunft gegeben. Ich habe verstanden, dass alle Vorgesetzte sich nicht um unseren Vater k;mmern, sie machen sich ;berhaupt keine Sorgen um die einfachen Menschen. Vor einigen Tagen h;rte ich, dass sie einen hochrangigen Milizion;r eingesperrt haben, weil seine Frau in Gesch;ften stahl...
Ich m;chte auch, mein liebster Sohn, dir ;ber unsere Landsleute schreiben. Seit deiner Abwesenheit in Neidjonowka ist das ganze Leben durcheinander geraten. Das Gehalt wird nicht ausgezahlt, es gibt auch keine Arbeitspl;tze. Anstelle des Gehaltes Teilen der Sohn und die Tochter des Direktors der Sowchose an uns Lebensmittel aus. Ich wei; nicht, was die Kinder des Direktors mir morgen geben werden. Wahrscheinlich nichts. Alle beklauen einander und betrinken sich. Die Miliz kommt mit den Betrunkenen nicht zurecht. Sie erscheint nur dann, wenn es im Dorf Ermordete gibt. Nach Silvester hat Witjka Chutorows Frau ihn mit der Axt wegen seiner Sauferei und Hurerei erschlagen. Schurka hat ihren Ern;hrer umsonst umgebracht, sie ist selbst untreu. Jetzt haben wir niemanden, um das Wasser auf dem Turm zu schwingen, zu uns muss eine Fachkraft aus dem benachbarten Dorf kommen. Alle M;nner aus unserem Dorf sind Alkoholiker geworden, niemand will mehr den Kopf gebrauchen.
Jetzt m;chte ich dir ein wenig ;ber das Leben deiner Kumpel und M;dchen berichten. Sanjka Kurkin ist vor kurzem verstorben. Er fiel betrunken vom LKW ÊÀÌÀZ, mit dem die Jugendliche aus der Stadt kammen. Beerdigt wurde deinen Mitsch;ler vom ganzen Dorf. Witjka Prygunow dient in der Armee, wo er dient und wie er dient, wei; niemand. Einige sagen, dass er irgendwo an einem hei;en Ort k;mpft. Was es bedeutet, wei; ich auch nicht. Seinem Vater hat er aus irgendeinem Grund auch noch nicht geschrieben. Iwan Sawolokin hat mal nach dir gefragt. Ich habe ihm sogar deinen Brief vorgelesen. Ihm sind sogar die Tr;nen gekommen, obwohl er ein starker Mann ist. Polinka Kraut ist nach Deutschland ausgewandert und hat schon einen Brief an die Schule geschickt. Sie schreibt, dass dort bei ihnen es sehr gut ist. Sie haben schon eine Wohnung bekommen und ein Auto gekauft. Polinka hat auch Nadjka Petrowa verr;ckt gemacht, der hat sie versprochen, einen Br;utigam in Deutschland zu finden. Das M;del hat schon unsere Brieftr;gerin mit Fragen ;ber die Briefe von den Br;utigamen tot gequ;lt. Unsere neue Lehrerin hat f;r Nadjka in der Zeitung einen Artikel gefunden, in dem ein alter Mann junge M;dels im Ausland sucht. Ich wei; nicht, ob das Geld bei Petrows dazu ausreichen wird. Ich denke, mit Gottes Hilfe werden sie das Geld f;r ihre einzige Tochter finden. Es gehen die Ger;chte herum, dass Nadjka schon selbst in Omsk einen Mann gefunden hat, der versprach ihr zu helfen, zu ihrer Freundin zu fahren. Bei mir, mein S;hnchen, gibt es keine Neuigkeiten mehr.
Am Ende meines Briefes m;chte ich dich auch etwas fragen. Wie dient es sich in der Fremde? Beleidigt dich jemand? Schreibe mir, mein Sonnenschein, ich warte auf eine Nachricht von dir. Mein Sohn, entehre nicht das Andenken an deinen Urgro;vater...
Ich verbeuge mich tief, k;sse und umarme dich ganz fest.
Antonida Petrowna, deine Mutter... ».
Ein Absende Datum stand nicht im Brief. Und es verwunderte den Soldaten ;berhaupt nicht. Er wusste sehr gut, dass es in letzter Zeit sehr schwierig war, einen Brief aus Neidjonowka abzusenden. Dazu hatte seine Mutter mehr als genug Sorgen.
Der Sohn, die Stille des deutschen Waldes genie;end, las den Brief der Mutter noch mehrmals durch. W;hrend des Lesens sah der junge Mann die Zeilen, die mit Tintenstift geschrieben waren, sehr aufmerksam an... Einige von ihnen waren mit violetten Farbflecken, dass bedeutete, dass die Mutter geweint hatte. Die Stellen der getrockneten Tr;nen seiner Mutter streichelte Alexander mit der Hand und dr;ckte sie oft z;rtlich an die Lippen. Der Soldaten h;tte in dieser Zeit gerne die Schwierigkeiten und Probleme seiner Mutter abgenommen...
Antonida Kusnezowa hatte im Brief an den Sohn nur den Bruchteil der Wahrheit geschrieben. Sie wollte ihm, der immer und in diesen Augenblick seines schwierigen und noch kurzen Lebens f;r sie der naheste Mensch auf dieser Erde war, keinen Schmerz zuf;gen. Und das Schicksal brachte ihr in der Zeit seines Armeedienstes keine frohen Geschenke. Sie verheimlichte vor dem Sohn den Tod ihres Mannes, Alexanders Vater. Den enthaupteten K;rper des ;lteren Kusnezows hatte man am Rande des regionalen Zentrums buchst;blich drei Tage vor Silvester zuf;llig gefunden. Man hatte ihn im Schneehaufen neben der Endhaltestelle des Stadtbusses gefunden. Die Miliz suchte ziemlich lange nach den Verwandten des Ermordeten. Bis Isumrudnoje in der Reihe war, vergingen noch drei Wochen. Und Antonida h;tte im Verstorbenen nicht ihren Mann erkannt, wenn nicht das Mal gewesen w;re. Die Zweifel an "der Glaubw;rdigkeit" des Mannes verschwanden teilweise, als sie auf dem linken Bein den abgehauenen Zeh gesehen hatte. Der Mann hatte sich diese Verst;mmelung noch in der Schule w;hrend der Kartoffelernte in der Sowchose zugezogen. Sch;ler der sechsten Klasse Koljka Kusnezow hat sich w;hrend der Pause den halben Zehe unabsichtlich abgehauen, die Buben hatten gewettet, wer mit der Schaufel in kurzer Zeit mehr Kartoffelknollen zerhaut. Antonida schrie in der Leichenhalle wie eine W;lfin, so sehr tat ihr es weh und Leid f;r ihren Mann. Ihr Zusammenleben war nicht perfekt, aber es gab auch Gutes in ihrem Leben. Die junge Witwe meinte, dass sie ;berhaupt nicht schlechter als andere Dorfbewohner lebten.
Antonida schrieb dem Sohn den Brief, in dem sie vor ihm den Tod des Vaters verheimlicht hatte und bereute es sp;ter auch nicht. Die fast verweste Leiche war an manchen Stellen so entstellt, dass die Frau selbst an den Tod ihres Ehemannes manchmal nicht glaubte. Von den Bewohnern Neidjonowkas sah auf dem Friedhof niemand die Leiche des Verstorbenen, auch die Witwe nicht. Den h;lzernen Sarg mit dem zugeschlagenen Deckel hatte man aus der Kreisstadt gebracht und sofort in die Grube heruntergelassen. Viele von den Frauen und den Kindern kamen nicht auf den Friedhof. Sie waren erschrocken, dass die Leiche des Dorfbewohners enthauptet war. In der ganzen Zeit der Existierung des Dorfes kam so etwas noch nie vor. Nach einer Weile nach der Beerdigung des Vaters des Sohnes-Internationalisten versammelte sich ein Teil der Bewohner Neidjonowkas wieder auf dem Friedhof. Diesmal beerdigten sie den Elektriker Witjka Chutorow auch fast "kopflos". Die Frau hatte den Mann f;rs Fremdgehen grausam bestraft, sie hatte ihm seine Axt auf den Kopf geschlagen. Den Betroffenen hatten sie nur bis nach Isumrudnoje gebracht. Der Mann verstarb im Krankenhauszimmer noch vor Ankunft des Chirurgen. Die Mutter des Soldaten hatte sich ausgeweint, ausgeschrien ;ber den Tod ihres Mannes und den Schmerz f;r immer in ihrem weiblichen Herz verborgen. Nach dem Tod des Ehemannes ereilten die Witwe die n;chsten Ungl;cke. Im Sp;tsommer hatte jemand bei der schon arbeitslosen Frau in der Nacht ihre Kuh weggeholt. Im Dorf hatte man in dieser Nacht f;nf K;he und zwei Stiere gestohlen. Nach dem Verschwinden ihrer Kuh entschied sich die einsame Frau, sich ;berhaupt kein Vieh mehr anzuschaffen, es hatte kein Sinn. Die Dorfbewohner bestahlen sich gegenseitig Tag und Nacht, stahlen fast alles, was ihnen unter H;nde kam. Die ;berf;lle der Stadtbewohner auf das kleine Dorf verringerte auch gr;ndlich die Vielzahl bei den Bauern. Antonida qu;lte sich mit ihren alten Krankheiten, der R;cken schmerzte Tag und Nacht, die Arme durchbohrte auch der Schmerz. Sie fuhr ein paar Mal zum Arzt nach Isumrudnoje, aber der konnte ihr nicht helfen, war nur ratlos. Sie fuhr noch einmal ins regionale Zentrum, in der privaten Praxis halfen sie ihr auch nicht. Der Arzt zog die Frau bis zum Slip aus und legte sie auf die Liege. Dann begann er mit den riesigen H;nden den R;cken zu kneten und auf die Wirbels;ule zu klopfen, dabei murmelnd: «Ja, hilf doch mir und ihr, mein Herrgott». Viel Geld hatte er genommen, aber sie nicht geheilt. Nach dem Heiler lag die B;uerin einen ganzen Monat im Bett, stand nur auf, um im Gesch;ft ein Laib Brot zu kaufen. Die kranke Frau bekam keine Hilfe weder von der Verwaltung der Sowchose noch von den Dorfbewohnern. Jeder lebte schon im Kapitalismus mit der sowjetischen F;rbung. Die ehemalige Parteigenossen, die frischgebackenen Demokraten, teilten nicht nur die Macht in den warmen Kabinetten, sondern auch den Volksbesitz.
Die nicht besonders gebildete Frau verstand und sah das alles. In Isumrudnoje hatte der Hauptbezirksvorgesetzte sich ein gro;es Haus gebaut, in das mehr als zwanzig Bewohner von Neidjonowka gut hereingepasst h;tten. Der Direktor der Sowchose, der ehemalige Biologielehrer, zeigte auch keinen Ehrgeiz und keine Sorge um die Dorfgenossen. Er verbrachte die ganze Zeit bei Omsk, der Chef baute sich dort ein Haus und noch ein Wochenendhaus nach europ;ischem Standard...
Die einfachen Menschen sahen die Machenschaften allerlei Vorgesetzten, aber sie wehrten sich nicht dagegen. Alles war vergeblich, die Macht hatte die Andersdenkenden grausam fertig gemacht. Der Rentner Fjodor Makejew, fr;her arbeitete er in der Sowchose als Buchhalter, versuchte gegen die Ungerechtigkeit zu k;mpfen. Mit den Klagen war der Alte bis zur Bezirksleitung gekommen. Dort hatten sie ihn angeh;rt, versprachen alles zu verbessern. Sie versprachen es, aber taten nichts. Aber daf;r litt «der Gerecht suchende» selbst grausam. Seine kleine Rente k;rzten sie dem Mann ;berhaupt mit Begr;ndung, dass die Berechnungen fr;her im Bezirk bei ihm falsch gemacht worden waren. Es war noch nicht alles. Allen Rentnern im Dorf, wenn auch mit einer gro;en Verz;gerung, brachte der Brieftr;ger die Rente, aber am Haus des ehemaligen Buchhalters ging das Weib Schura vorbei. Der Direktor der Sowchose hatte der Alte aufs allerstrengste verboten, ihm das Geld zu bringen. Makejew war gezwungen nach seiner winzigen Rente in den Bezirk zu fahren und oft kehrte er ohne sie zur;ck. Die Geduld des K;mpfers um die Wahrheit platzte letzten Endes und er zog ins benachbarte Kasachstan um, dort wohnte sein ;ltester Sohn...
Den Inhalt des Briefes von der Mutter ging der Soldat im Kopf mehrmals durch und jedes Mal kam er zu einer unerfreulichen Schlussfolgerung. Die Mutter ohne den verschwundenen Vater w;rde es sehr schwer haben. Er verstand auch sehr gut, dass sie vieles Schlechte aus ihrem Leben vom Sohn verheimlichen konnte. Das machten fast alle Eltern immer und ;berall, um die Kinder von den zahlreichen Problemen nicht zu verwirren. Jetzt kr;nkte sich der junge Mann, dass er in der ganzen Zeit seines Dienstes nicht richtig an die Mutter gedacht, sich nicht in ihre Situation versetzt hatte. Alexander hatte sich als Junge niemals um die Sorgen und Probleme seiner Eltern gek;mmert. Auf dem Familientisch gab es immer ein St;ck Brot, Milch und Kartoffeln. Es war ein Haupt- und st;ndiges Gericht f;r alle und jeden. Bei ihnen zu Hause gab es keine Delikatessen, daf;r fehlte das Geld, aber hungrig war auch niemand.
Alexander, der Sohn von Antonida Kusnezowa hungerte in der Armee auch nicht. An die Soldatenmahlzeit, die aus Brei und Fisch haupts;chlich bestand, hatte er sich sehr schnell gew;hnt. Nachdem er nicht mehr der "Gr;nschnabel" im Dienst war, ern;hrte er sich noch besser als fr;her. Ziemlich oft lag auf seinem Tisch "Zusatz", wie Zucker, Butter oder andere Delikatessen des nicht sehr reichen soldatischen Men;s. Eins wusste er sicher, dass die Vorschriften der Sowjetischen Armee weder seinen n;chsten "Titel", noch diesen "Zusatz" vorsahen. Wer das alles erfunden hatte und warum, verstand der Sibirier nicht. Fast alle schmeichelten sich bei ihm ein, einschlie;lich der Brotschneider. Ihn schubste auch niemand herum. Ihm gab der Bataillonskommandeur, Major Siwolapow, die Hand zur Begr;;ung. Der Offizier war stolz, dass in seinem Bataillon der beste Boxer im Schwergewicht der Division diente und deshalb interessierte er sich jeden Morgen f;r die Laune der Ber;hmtheit. Der Meister gab nach seinem Sieg in jenem ungl;cklichen Duell ihm nicht mehr die Hand. Alexander bemerkte die Gleichg;ltigkeit des Hauptmanns Makarows ihm gegen;ber sofort. Wieso das passierte, welche Katze zwischen ihnen durchgelaufen war, verstand der Untergebene nicht...
Mit seinen Gedanken besch;ftigt, merkte der Soldat nicht, wie die Zeit schnell vergangen war. Kusnezow schaute auf die Uhr und seufzte schwer, zum Mittagsessen hatte er sich schon versp;tet. Das entstehende Hungergef;hl milderte in irgendwelchem Ma; das gute Wetter, ;ber dem W;ldchen schien die Sommersonne. Dem Liegende auf dem Gras war es warm und gem;tlich und er war sogar kurz eingeschlafen. Der Soldat wachte von einem unerwarteten L;rm und Gepolter auf. Als er die Augen ;ffnete, sah er vor sich mehrere Soldaten mit Schaufeln und Tragen. Sie begannen vor ihm die Haufen des Krams und des M;lls zu entfernen, die im Wald und um ihn herum lagen. Alexander ;berlegte nicht lange, stand schnell auf und zog sich an. Dann nahm er den Brief seiner Mutter und steckte ihn in die Jackeninnentasche.
Es war f;r ihn egal, wohin er ging und deshalb lief er langsam in Richtung zu dem Weg, der sich zehn Schritte vom Wald befand. Die frische Luft, die Idylle der Natur tauchten Alexander in die lebenswichtigen ;berlegungen wieder ein. Der Grund daf;r war aller Wahrscheinlichkeit nach der Brief seiner Mutter. Irgendwelche philosophischen Gedanken gab es im Kopf des Soldaten nicht. Er brauchte sie auch nicht. Er war sehr besorgt um seine Mutter, die in einige Tausende Kilometer von ihm entfernt, im kleinen sibirischen Dorf lebte. Der Sohn, der langsam zum Weg ging, wollte jetzt alles hinschmei;en und zu Fu; durch den Wald und durch die Fl;sse zu seiner Mutter gehen, die er noch vor kurzem oft beleidigt hatte. Er hatte sie ganz umsonst gekr;nkt. Die Gedanken an seinen Vater, ;ber den die Mutter tats;chlich nichts mitteilte, regten den jungen Burschen sehr auf. Er ertrug es nicht und weinte bitterlich. Der Gehende konnte nicht glauben, dass sein Vater irgendwo umgekommen sein k;nnte. Irgendwelche S;nden hatten weder sein Vater noch seine Mutter und er selbst vor dem Herrgott nicht. Und dass der Vater oft getrunken hatte, beunruhigte ihn nicht sehr. In Neidenowka tranken fast alle, keine Ausnahme war auch die ;berwiegende Mehrheit der Bewohner des riesigen Landes. Halt vor den Spirituosen machten auch die Offiziere der Sowjetischen Armee und die hiesigen Deutschen nicht...
Am Stra;enrand sah der Reisende auf dem Schild, dass es bis zum deutschen Dorf Kronstadt noch drei Kilometer waren. Nicht weit vom Schild beschloss der Milit;rangeh;rige, sich zu erholen und setzte sich ins Gras. Am Sitzenden flitzten Autos immer wieder vorbei, einige der Fahrer hupten oder riefen etwas. Kusnezow reagierte auf diese St;rungen nicht, ihm war es jetzt nicht nach den Menschen, nach deren Problemen, gro;en oder kleinen. Die Sonne und das Gehen hatten den Burschen gr;ndlich «aufgew;rmt», er nahm seine Kopfbedeckung ab und legte sich hin. Irgendwann verebbte der Verkehr. Unerwartet trat Stille ein, eine m;rderische Stille. Der Soldat h;rte sogar das Klopfen seines Herzen. Er stand gezwungenerma;en auf und schaute sich um. Die abger;umten Felder, kleine W;ldchen, die Obstb;ume entlang des Weges luden zum Leben ein, zu einem menschlichen Leben. Kusnezow weinte wieder. Er verstand es selbst nicht, warum ihm die Tr;nen liefen. Nur tief in seiner Seele war es dem jungen Mann bewusst, dass er heute oder morgen dieses Land verlassen w;rde, f;r immer verlassen. Alexander, wie es ihm jetzt schien, hatte sich mit diesem Land angefreundet, wenn auch diese Freundschaft nur auf Entfernung war, durch die Betonwand, durch Stacheldraht. Kronstadt stellte eine kleine Siedlung dar, mit etwa zwanzig H;usern oder sogar weniger. Der Soldat-Internationalist traute sich, durch die Hauptstra;e des Dorfes spazieren zu gehen, die Angst war diesmal f;r "den Selbstentlassenen" in den Hintergrund verschwunden. Fr;her d;rfte der Soldat nicht allein in den deutschen Siedlungen spazieren gehen, es bestand keine M;glichkeit. Jetzt wusste er sehr gut, dass es sein letzter Besuch des deutschen Dorfes war. Deshalb bem;hte sich Alexander sehr aufmerksam, alles zu betrachten, was er auf dem Weg traf. Der Riese ging die Stra;e sehr langsam entlang und laste sich Zeit um sich umzuschauen. Hier gefiel ihm alles sehr, die gepflegten H;usern, die gr;nen Rasen, die kleine Bierstube vor der drei m;chtige Kastanienb;ume standen. Das kleine Gesch;ft, buchst;blich angeklebt an der h;lzernen Br;cke, die wie ;ber den breiten Bach hin;bergeworfen wirkte, zog mit seinem Aussehen auch die Aufmerksamkeit auf sich. Die Besichtigung der Sehensw;rdigkeiten dauerte ungef;hr drei;ig Minuten, nicht l;nger.
Am Ende des Dorfes stie; Kusnezow unerwartet auf einen Friedhof, der sich wie ein d;nnes Band zu einem kleinen Wald, aber einem sehr dichten, erstreckte. Den Auftrag der Mutter, das Grab seines Urgro;vaters auf dem Territorium Deutschlands zu finden, hatte das Gehirn und die Seele des jungen Mannes buchst;blich "durchbohrt". Alexander war bis jetzt noch nie auf einem deutschen Friedhof gewesen und sein Interesse erwachte. Vor dem Eingang blieb er gezwungen stehen und erstarrte. Das, was er eigentlich sah, erinnerte ihn an ein paradiesisches St;ckchen Erde. Es gab in den geraden Reihen nicht so gro;e Gr;ber, die mit m;rchenhaftem Meer von Blumen bedeckt waren. Diese Blumen befanden sich in kleinen bunten T;pfchen. Die Reihen der Gr;ber wurden mit gr;nem Rasen voneinander abgetrennt, was dem Friedhof die Art eines g;ttlichen Museums gab oder an ganz etwas anderes erinnerte, dass der Neuank;mmling sich niemals im Leben vorstellen konnte. Der Soldat huschte schnell unter den gr;nen Bogen, das Tor durch, und gelangte auf einen gepflasterten Gehweg. Nach ein paar Metern blieb er wieder stehen. Die ideale Sauberkeit und die Stille, die auf dem Friedhof herrschten, ersch;tterten ihn. Der Soldat nahm die "Schirmm;tze" nicht vor Angst und nicht von etwas anderem beeinflusst ab und begann sich r;ckw;rts zur;ckzubewegen. Jetzt steuerte seinen K;rper nicht sein Kopf, und nicht seine K;rperkraft, sondern etwas Anderes, das, wie es Alexander schien, nicht aus der Welt des Irdischen, sondern aus der Welt des Geistigen gekommen war. Und dieses Unverst;ndliche zwang den jungen Mann, sich immer weiter und weiter zu bewegen, bis er sich schlie;lich au;erhalb des Friedhofs befand. Kusnezow hatte den Kopf nach unten gesenkt und sich von "der Sauberkeit" seiner Stiefel erschrocken. Der junge Mann fing an, mit den H;nden die Stiefel, auf deren Sohlen Reste des Drecks und des gr;nes Grases waren, zu reinigen. Das alles klebte von seinem heutigen Waldspaziergang an den Stiefeln. Jetzt sch;mte er sich f;r die schmutzigen Stiefel. Er konnte immer noch nicht verstehen, wie er es fertiggebracht hatte mit solchen schmutzigen Armeestiefeln das Gel;nde des Friedhofs zu betreten. Bei diesen Gedanken err;tete der Soldaten, einen Bruchteil des Gewissens erg;nzte auch noch eine Besucherin des Friedhofs. Die graue Deutsche, die durch den Bogen gekommen war, sah aus irgendeinem Grunde den m;chtigen und gro;en jungen Mann in der Milit;runiform erschrocken an und bekreuzigte sich verzweifelt. Der Riese zog sich gezwungenerma;en zusammen, dann entspannte er sich wieder. Die Spur der Alten war schon verwischt... Nach f;nf Minuten hatte Kusnezow sich beruhigt und betrat das Friedhofsgel;nde. Er nahm sich vor, sehr aufmerksam die Grabobelisken und die Grabsteine zu betrachten. Die Namen des Gestorbenen waren deutsch geschrieben. Auf einigen Grabsteinen waren mehrere Familiennamen, hier haben die ewige Ruhe Familien oder die Vertreter vieler Generationen gefunden. Der Besucher in der Milit;runiform fand bedauerlicherweise kein Grab von sowjetischen Menschen bis er am Ende des Friedhofs war. In der entferntesten Ecke erblickte er zwei kleine hellrote Grabsteine, jeweils in der Mitte waren die f;nfspitzigen Sterne eingemei;elt. Der Soldat ging sofort zu den Begr;bnisst;tten und blieb vor ihnen wie angewurzelt stehen. Auf jeder Platte waren zwei gleiche russische Familiennamen "Krasnosselski" eingemei;elt, die Familiennamen waren ohne Initialen. Unter jedem Familiennamen standen auch die gleichen Geburts- und Todesdaten «1922-1944». Alexander lie; sich langsam auf die Knie herunter und ber;hrte vorsichtig mit der Hand die Marmorplatte. Er konnte sich nicht erkl;ren, wieso die Gr;ber der zwei M;nner mit den russischen Familiennamen auf diesem Friedhof und in diesem Land sich befanden. Der junge Mann fand keine Antwort auf seine Fragen. Erst gegen Abend verlie; der Soldat den deutschen Friedhof, verlie; ihn dankbar und mit Bedauern. Er dankte den Deutschen, dass sie ein halbes Jahrhundert nach dem Ende des Krieges nicht nur die zwei Gr;ber bewahrt, sondern sie auch gepflegt hatten. Er bedauerte, dass er das Grab seines Urgro;vaters nicht gefunden hatte. Das junge Ehepaar Kusnezows gab dem einzigen Sohn den Vornamen Alexander zu Ehren des Urgro;vaters, der auf ewig in der fremden Erde liegen blieb. Der ;ltere Kusnezow hatte mehrmals den Wunsch, das Grab seines Vorfahren zu finden, aber leider war es unm;glich... Nikolaj konnte sein Wunsch nicht verwirklichen. Er hatte kein Geld f;r die Reise, und die Beh;rden erlaubten es auch nicht... Der Soldat marschierte zum sowjetischen Milit;rst;dtchen los, den Namen des Urgro;vaters wusste er, aber an den Vatersnamen konnte er sich aus irgendeinem Grunde jetzt nicht erinnern... Sanjka war auf den Namensvettern stolz und schrieb nicht selten von ihm in den Schulaufs;tzen. Die Lehrerin las mit gro;er Freude der Klasse die kurzen Erz;hlungen des Sch;lers vor, dann kam sie zum jungen Autor und umarmte ihn fest. Mit Tr;nen in den Augen dankte sie dem Sch;ler daf;r, dass sein Urgro;vater alles M;gliche f;r ein besseres Leben der sowjetischen Menschen und f;r alle Arbeiter des Planeten getan hatte.
Bei diesen Erinnerungen kamen Alexander Tr;nen, Tr;nen der Freude und Hoffnung. Er zweifelte ;berhaupt nicht daran, dass er den Urgro;vater ganz bestimmt finden und einen Blumenstrau; aufs Grab des Befreiers Europas legen w;rde. Dass die Suche schwierig und lang werden w;rde, erschreckte Alexander nicht...
Auf der deutschen Erde befanden sich 837 Massengr;ber und einzelne milit;rische Begr;bnisst;tten und Milit;rfriedh;fe. Hier haben fast 500 Tausend sowjetische Soldaten und Offiziere ihre Ruhe gefunden, die in der Schlacht gegen Faschismus fielen. Der Besuch des deutschen Friedhofs und der entstehende Wunsch, um jeden Preis das Grab des Verwandten zu finden, zwangen den Soldaten, sich an den Kompaniechef zu wenden. Der Kommandeur fehlte wegen seiner Krankheit. Hauptmann Makarow nahm die Idee des Untergebenen ziemlich vorsichtig und ohne jeden Enthusiasmus an. Der Offizier hielt die Suche nach dem Grab des Urgro;vaters f;r eine sinnlose Besch;ftigung, war jetzt dem Soldaten nicht danach zu Mute.
- Kusnezow, h;r mal aufmerksam zu, - sagte der Kompaniechef ruhig. - ich, sowie auch du, haben jetzt daf;r keine Zeit... Wir k;nnten die Einheit heute Abend verlassen, und vielleicht auch erst nach einem Monat... Niemand wei; es. Ich denke, dass die Obersten die Zeit des R;ckzugs selbst noch nicht bestimmt haben... Und wieso brauchst du das alles. Komm nach einem Jahr hierher als Tourist und suche dann so lange du m;chtest...
Weil er keine Unterst;tzung in solch einer edlen Sache vom Hauptmann Makarow bekam, entschied sich Alexander, selbst aktiver und hartn;ckiger zu werden. Am n;chsten Tag sprang er im Jogginganzug beh;nde ;ber den Zaun und ging in Richtung Stadt.
Den Park, in dem sich das Massengrab der sowjetischen K;mpfer befand, fand der Soldat sofort. Kusnezow n;herte sich mit stockendem Herzen dem gro;en Obelisken mit der Hoffnung den bekannten Familiennamen zu finden. Die Entt;uschung machte sich buchst;blich nach einer Minute breit, als er das lange Verzeichnis der Familiennamen, die auf der Gedenktafel eingemei;elt waren, ;berflogen hatte. Kusnezows gab's hier nicht...
Es verging noch eine Woche. Der Boxer, wie auch der gr;;te Teil der Soldaten,
reagierte nicht auf die Geschehnisse in der Kompanie. Um Autos oder irgendwelche Klamotten zu kaufen, hatte der Soldat das Geld nicht. Die K;ufe machten die Offiziere und die F;hnriche mit ihren Familien. Zugleich konnte er bemerken, dass viele Soldaten in erster Linie die, die l;nger im Dienst waren, ganze Tage irgendwohin verschwanden und sp;ter wieder auftauchten. Aus der Kaserne waren einige auch nachts verschwunden. Kusnezow entschied sich "die Ohren zu spitzen", herauszufinden, was in ihrer Kompanie und im ganzen Regiment geschah. Schon nach einem Tag kam er zu einer eindeutigen Schlussfolgerung. Die Soldaten verkauften den Deutschen alles, was ihnen in die Finger gekommen war. "Die K;nige" in dieser Richtung waren die Autofahrer und wer mit Benzin, Munition, mit Soldatenklamotten und Lebensmitteln in irgendeiner Weise verbunden war.
Den Armeemarkt kennen zu lernen, half Kusnezow der Soldat Ischakow, der von ihm erst vor kurzem einen richtigen Tritt bekommen hatte. Nach der feierlichen Versammlung, die dem Tag der Verfassung gewidmet war, st;rmten einige Soldaten ins Caf;.
Alexander wollte auch etwas S;;es trinken. Die deutsche Limonade schmeckte dem Sibirier nicht und deshalb trank er an der Flasche sehr lange. An den kleinen Tisch hatte sich Ischakow gesetzt und gesagt:
- Freund, nihm von mir ein St;ck Kuchen, sch;me dich nicht… Ich, wie du siehst, habe ganze f;nf St;ck gekauft... F;r mich reicht es auch... Bediene dich…
Dem Riesen musste man es nicht zweimal sagen. Er hatte nur einmal in der ganze Zeit
seines Dienstes Kuchen gekauft. Der Soldat legte von seinen f;nfzehn Mark ein wenig zur Seite, f;r das Gesparte wollte er der Mutter eine Decke aufs Bett kaufen...
Nach dem Caf;besuch sprangen die zwei jungen Leute auf Initiative Ischakows ;ber den Drahtzaun und nach f;nf Minuten sp;ter befanden sie sich neben einem kleinen H;uschen. Es war eine Gastst;tte. Davon ;berzeugte sich Kusnezow sofort, als er am Haus ankam. ;ber dem Eingang in den Raum hing ein Schild aus Glas mit Beleuchtung, darauf ein gro;es Bierglas. Die Soldaten gingen hinein. Ischakow als F;hrer nahm den Riesen am Arm und f;hrte ihn schnell in die Ecke zu einem kleinen Tisch. Dann verschwand der F;hrer irgendwohin. Kusnezow blieb nichts anderes zu tun als zu sitzen und sich um zuschauen. An der Decke und an den W;nden des kleinen Raumes waren Bilder mit Jagdszenen gemalt. Auf seinem Tisch war auch ein Wolf, der den Hasen verfolgte, dargestellt. Nach f;nf Minuten erschien Ischakow mit zwei gro;en Biergl;sern. Aus der Tasche zog der Soldat eine Packung Zigaretten und zwei P;ckchen Kaugummis heraus.
Auf den verwunderten Blick des Kollegen sagte der Kasache:
- Also, du bist ja einer... Ich siehe, dass du wie ein richtigen Kommunist oder Komsomolze dienst... Obwohl jene und andere trinken und mit den Weiber schlafen. Und sind sie
etwas Besseres als wir?
Kusnezow reagierte nicht auf die Spr;che des Regimentskameraden. Er konnte nicht verstehen, woher ein einfacher Maschinenpistolensch;tze so viel Geld f;r das Bier und f;r das ganze ;brige nehmen k;nnte. In der J;gergastst;tte f;hlte er sich auch als geh;re er zu ihnen. Die zwei Stunden in der Bierkneipe verflogen f;r die jungen Leute sehr schnell. Kusnezow rauchte zum ersten Mal im Leben eine Zigarette ausl;ndischer Produktion, fr;her wurde er nur mit denen der heimischen manchmal verw;hnt. Von dem Import wurde es dem Burschen ein wenig ;bel. Und das Bier erwies sich auch als hochprozentiges. Es stieg ihm sofort zum Kopf. Der Sibirier sa; am Tisch und konnte sich selbst nicht erkl;ren, wie die zwei Liter der k;hlen Fl;ssigkeit in seinen Magen gelangten. In der ganzen Zeit ihres Aufenthalts in der Gastst;tte besuchten die Leute nur ein paar Mal die Toilette, die sich von der Sauberkeit und dem Geruch von der Toilette in der Kaserne sehr unterschied. W;hrend des Gespr;ches richteten die Soldaten ihre Blicke sehr oft zu dem kleinen Tisch, an dem die deutschen Besucher sa;en. Sie bemerkten eine junge und schlanke Blondine. Die Deutsche sa; ein paar Tische von ihnen weg und warf ziemlich oft Blicke auf die russischen Soldaten, die ;ber etwas in ihrer Sprache schwatzten. Daran, dass gerade Kusnezow ihr sympathisch war, zweifelte Alexander ;berhaupt nicht. Davon ;berzeugte er sich, nachdem das M;dchen mit dem langen blonden Haar zur Theke gegangen war und etwas dem Kellner ins Ohr fl;sterte.
Der Mann kam nach einer Weile zu ihnen und stellte zwei kleine Weingl;ser mit Bier auf den Tisch. Alexander schaute den l;chelnden Deutschen fragend an, dann richtete er die Blicke auf den Kollegen. Ischakow sagte mit besoffener Stimme:
- Mein Freund, du kannst dir das nicht vorstellen, dass jemand von den Deutschen in uns sich verliebt... Das ist sehr gut...
Kusnezow hob blitzschnell den Kopf und schaute zu dem kleinen Tisch, wo die junge Person gerade erst gesessen hatte. Die Blondine war nicht mehr da…Das Gespr;ch in der Bierkneipe war auch diesmal sehr lehrreich f;r den Boxer. Er fand viel Gemeinsames in den Gedanken und im Verhalten des F;hnrichs Tschernow und dem schon l;nger dienenden Soldaten Ischakow. Der vergeudete die Zeit nicht in Erwartung der Entlassung und des Transports nach Hause. Er verkaufte den Deutschen buchst;blich alles, was ihm unter die H;nde kam, auch f;r seine Landsleute.
Horst, so hie; der Kellner, war ein guter Vermittler. Durch ihn kauften die Deutschen in der Bierkneipe Uniformen, Jacken, allerlei Erkennungszeichen der Offiziere und der Soldaten der Sowjetischen Armee. Hier verkauften sie auch die St;cklebensmittel (Konserven), Pistolen und Patronen. Sehr gut verkaufte sich auch das Benzin, das die sowjetischen Milit;rangeh;rigen in den Kanistern brachten, der Handel ging hier oder die K;ufer nannten andere Treffpunkte. Bezahlt wurde sowohl mit Geld als auch mit Spirituosen...
Der Dienstkollege Alexanders erz;hlte bei Bier ;berhaupt alles, womit die Phantasie "der Armeealten" auf dem Gebiet des Handels reich war. Gerade vom frischgebackenen Freund erfuhr Kusnezow davon, dass vor drei Jahren aus dem Leninzimmer der zweiten Kompanie die B;ste Lenins gestohlen worden war und von der Wand alle Portr;ts des Politischen B;ros des ZK der KPdSU abgenommen worden waren. Der Stellvertreter f;r politische Arbeit bekam davon fast einen Infarkt. Den jungen Leutnant hatte der Politstellvertreter anl;sslich der nicht ordin;ren Situation in der Einheit mehrmals zu sich auf den Teppich gerufen, darauf hoffend, dass es dem Offizier schlie;lich gelingen wird den "Fisch" zu fangen, der so gemein gehandelt hatte. Die Versuche verschiedener Vorgesetzter, die Spuren des Verschwindens der Parteireliquien zu finden, waren erfolglos, obwohl viele Soldaten in der Kompanie und im Bataillon wussten, wer es getan hatte. Der Usbeke Toschbaew verkaufte das "Heilige" f;r drei Kisten Bier dem ziemlich alten Deutschen, der mit einem alten "Moskwitsch" gerade zum Kontrollpunkt des Motorschie;regiments gekommen war.
Die Gleichg;ltigkeit dem Dienst bei der Mehrheit der Offiziere, die sich mit einem legitimen Flohmarkt besch;ftigten, wirkte sich negativ auf den politischen-moralischen Zustand der
Milit;rausbildung und der Kampfvorbereitung der Einheit. Die Soldaten waren sich selbst ;berlassen, das hei;t, jeder war nach seinen Vorstellungen besch;ftigt. Eine Kampfvorbereitung gab es nicht. Einige der Kommandeure des Unterabteilungen, besonders wenn ein weiterer Mythos ;ber den morgigen R;ckzug zerstreut war, f;hrten die Untergebenen zur Truppenvorbereitung hinaus oder in Klassenzimmer zum Politunterricht. Die Verf;gbarkeit von freier Zeit war auch aufgrund der Tatsache bedingt, dass die deutschen Beh;rden die russische Kaserne zur weiteren Verwendung als ungeeignet anerkannten.
Solche eine "Armeeschaubude" gefiel dem Soldaten Kusnezow ganz gut, eine Hauptstelle seines Dienstes wurde das Bett und die Gastst;tte. Sich mit dem Boxen zu besch;ftigen hatte er aufgeh;rt, die F;uste zu schwingen und zu schwitzen hatte er keine Lust mehr. Die Boxhandschuhe des Sportasses lagen im Schrank zusammen mit der Galauniform, die er w;hrend der gro;en zivilen und Armeefeiertage trug, und verstaubten. Und nicht nur das. Zu seinem fr;heren Lieblingsportger;t, der selbstgemachten Birne, die sich auf dem Dachboden der Kaserne befand, stieg der Soldat erst nach drei Monaten nach "der Krankheit" hinauf. Alexander beschloss, auf eigenen Wunsch etwas mit seinen "F;uste zu klopfen", vom Liegen im Bett hatte er schon genug. Der Besuch auf den Dachboden des Sibiriers ;bertraf alle seine Erwartungen. Als er die T;r, die ohne den m;chtigen Riegel aus irgendeinem Grunde war, ge;ffnet hatte, erstickte der Boxer fast von einem ziemlich unangenehmen Geruch, der unter dem Dach sich gesammelt hatte. Der ganze Dachboden, in zwei Teile von einer Trennwand aus gr;nem Tarnnetz getrennt, war verm;llt und verdreckt. Besonders dreckig war es in "der Tischlerabteilung", wo gew;hnlich die Zimmerm;nner allerlei Bestellungen der Offiziere und der F;hnriche ausf;hrten. Auf dem ganzen Fu;boden lagen St;cke der Presspappe herum, aus ihr wurden die Kisten f;r den h;uslichen Hausrat f;r die Weggehenden und die neu Ankommenden gefertigt. Und jetzt waren auch etwa zehn der Kisten aufeinander entlang der Wand akkurat zusammengelegt und warteten auf die Besteller. In der hinteren Ecke, nicht weit von den Kisten, ruhte friedlich ein gro;er Haufen allerlei M;lls und Krams. In der Ecke gegen;ber lagen leeren Flaschen von Wodka, Dosen von Bier und Lebensmitteln herum. Hier sah der Milit;rangeh;rige auch Konservenb;chsen mit Kippen. Viele den Kippen brachten es in irgendwelcher Weise fertig, sogar auf den Brettern "zu h;ngen", auf denen die Dachziegel lagen…
Der Soldat hob mit der Hand das Tarnnetz hoch und wollte sich den zweiten Teil des Dachbodens anschauen. In der Ecke, wo er sich fr;her mit dem Boxen besch;ftigte, war es verh;ltnism;;ig sauber. Kusnezow freute sich ;ber diese Sauberkeit sehr und trat schnell an die selbstgemachte Birne heran. Ein paar Mal klopfte er mit der Faust stark darauf. Pl;tzlich h;rte er Stimmen. Alexander drehte den Kopf herum und sah ganz am Ende des Dachbodens ungef;hr Zehn Soldaten. Sie sa;en an einem gro;en Tisch und sprachen ;ber etwas angeregt. Der Riese l;chelte und begab sich zu ihnen, dann begr;;te er die Sitzende laut und blickte auf den Tisch. Die Milit;rangeh;rigen a;en Schaschlik und tranken Bier. In etwa drei Metern vom Tisch stand ein selbstgemachter Grill, auf dem Fleischspie;en mit gro;en St;cken Fleisch gebraten wurden. Der Rauch vom Grill entwich durch das kaputte Dachfenster. Der Geruch des gebratenen Fleisches kitzelte angenehm in der Nase, der Riese musste schlucken. Den Versuch Alexanders, das Erstaunen ;ber das anst;ndige Essen mit durchaus nicht anst;ndiger Sprache zu ;u;ern, unterbrach die bekannte Stimme Ischakows. Der stand beim Erscheinen der Ber;hmtheit vom Essen auf und ging ihm schnell entgegen. Dabei redete er wie aus dem Maschinengewehr:
- Meine Herren, Genossen, Kameraden... Es ist unser Mensch, es ist mein Freund und ein guter Landsmann... Unser Kusnez ist ein sehr guter Mensch, sehr...
Auf das Lob an seine Adresse reagierte Kusnezow in keiner Weise. Er schwieg und folgte tapfer Ischakow, der einen Platz am Tisch f;r seinen Freund suchte. Der spezifische Geruch des Schaschliks zusammen mit dem Zwiebelgeruch rief bei Alexander einen unheimlichen Hunger herbei. Er konnte sich fast nicht mehr zur;ckhalten, ihm lief schon das Wasser im Munde zusammen, dann klammerte sich Kusnezow mit den Z;hnen an das weiche St;ck Rindfleisch fest und verschluckte es augenblicklich mit unbeschreiblichem Genuss. Die Saufparty dauerte bis in die Nacht hinein, sie tranken bis zum Umfallen. Die, die auf dem Dachboden waren, wussten sehr gut, dass heute die abendliche Kontrolle der Hauptfeldwebel der Kompanie hatte. F;hnrich Nasarow kam zur Gliederung ziemlich oft, besonders in letzter Zeit, selbst unter dem "Gas". Aus diesen bekannten Gr;nden konnte der Vorgesetzte nicht feststellen wer in der Kompanie die Spirituosen getrunken hatte und wer nicht. Und heute w;hrend der abendlichen Durchsicht standen alle Untergebenen gerade und niemand wackelte, es kam auch nicht zu anderen Ausschreitungen. Die Information des Diensthabenden ;ber die Kompanie, dass auf dem Dachboden f;nf Soldaten eine spezielle Bestellung des Stellvertreters des Regimentskommandeurs erf;llen, nahm der F;hnrich pers;nlich zu Kenntnis. Guten Kisten aus der dicken Presspappe, die bei den Deutschen gestohlen worden war, brauchte auch der Oberstleutnant. Die erste Motorsch;tzeneinheit innerhalb der m;chtigen Gruppierung der sowjetischen Truppen setzte fort, in Ehren ihre internationale Pflicht zu erf;llen...
Internationalist Kusnezow erschien nicht zum Fr;hst;ck, ihm schmerzte furchtbar der Kopf. Im Mund war es so unangenehm, dass es ihm schien, als ob dort jemand oder etwas Unerlaubtes gemacht h;tte. Er zog die Decke vom seinem Kopf und f;hrte langsam den Blick durch den Schlafraum. Niemand war da, das freute den Soldaten. Er streckte sich kr;ftig und schlief wieder ein, er schlief sehr fest. Alexander weckte man erst zum Mittagessen. Das tat Sergeant Pogossow, der vor kurzem den entlassenen Dubrowin ersetzte. Der Kommandeur hatte eine nicht zu verbergende Angst vor dem m;chtigen Riesen. Er sch;ttelte den Schlafenden leicht an der Schulter und sagte leise:
- Genosse Soldat Kusnezow, wach auf, wach auf... Bald ist die Besichtigung zum Mittagessen und du hast noch gar nicht gegessen…
Die hellblasse Suppe, in der einen winziges St;ckchen Fleisch und Teilchen von Kohl
oder Kartoffeln von verd;chtig dunkler Farbe schwammen, weckten beim Hungrigen keinen Appetit. Den Brei, der einen merkw;rdigen Geruch hatte, schob er weg. Kusnezow schluckte ein St;ck Brot und einen Becher Kissel hinunter und ging schnell aus der Kantine hinaus. Buchst;blich nach ein paar Minuten kam Ischakow zu ihm. Im Unterschied zu dem Riesen war der schlanke Kasache voller Kr;fte und sah ganz frisch aus. Die Freunde warteten nicht auf die allgemeine Besichtigung der Kompanie, sie entschieden, sich ins kleine Raucherzimmer neben dem Haus der Offiziere zur;ckzuziehen. Die B;nkchen waren leer und deshalb lie;en die "Landsm;nner" ihren Gedanken freien Lauf und redeten ;ber die gestrige Saufparty. Kusnezow erinnerte sich zu seinem Erstaunen nicht an alles vollst;ndig. Die Mischung aus Wodka, Bier und Wein war vermutlich der Grund seiner "tr;ben" Erinnerungen. An die Szene der Schie;erei aus dem automatischen Kalaschnikow Gewehr konnte sich der Riese nicht mehr erinnern. Etwas von gestern erz;hlte Ischakow dem Boxer. Dem Kasachen gefiel "die L;cke" des Sibiriers sehr, er hielt sich manchmal mit beiden H;nden seinen Bauch vor Gel;chter. Dabei schnalzte er laut mit der Zunge und sprach vertraulich:
- Du bist ja einer, mein Freund... Ich f;llte dir pers;nlich Patronen nach... Ich kann beschw;ren, dass du nach der Schie;erei zur Zielscheibe gegangen bist und deinen Mund bis zu den Ohren hochgezogen hast, wenn eines der Geschosse ins Auge des Frosches getroffen hat...
Dem von der Sauferei noch nicht zu sich gekommenen Riese sagte auch das nichts. Kusnezow sah den Kollegen angeschlagen an und seufzte m;hsam. Manchmal nickte er unpassend mit dem Kopf, was bedeutete, dass seine Teilnahme in der Schie;erei stattgefunden hatte oder vielleicht auch nicht. Nachdem sie genug geplaudert hatten, kehrten die Soldaten in die Anordnung der Kompanie. Vor dem Eingang in die Kaserne blieb Ischakow stehen und fl;sterte froh l;chelnd dem Riesen ins Ohr:
- Sanj, h;hr mal Sanj, am Sonnabend wird ein nicht schlechter Markt ge;ffnet... Wirst du hingehen? Und?... Ich werde gehen, weil wir bald „die Beine fortbewegen“ werden...
Kusnezow gab keine Antwort, er lachte nur und nickte mit dem Kopf. Bis zum Freitag hatte der Riese geschuftet, er trug ohne jeden Eifer und Wunsch die Kisten mit der Munition aus dem Lagerhaus und lud sie auf den Wagen. "Den Dudelsack zogen" auch andere Milit;rangeh;rige, keine Ausnahme war auch der ;lteste der Mannschaften in dieser Hinsicht. Der F;hnrich verbarg sogar seine Unzufriedenheit von den Untergebenen nicht. Der wohlgen;hrte "Diener" verschwand immer ;fter in unbekannte Richtung, sein Vertreter war Soldat Kusnezow. W;hrend der seltenen Anwesenheit schimpfte der alte Mann st;ndig nachdr;cklich und dabei fluchte er auf die Leitung, die seiner Meinung nach schon seit langem den Befehl des Divisionskommandeurs von der S;uberung des Lagerhauses ausf;hren sollte.
Der n;chste Wunsch, den Dachboden zu besuchen, um die Birne zu klopfen, entstand bei Alexander erst am Freitagnachmittag. An diesen Tag und zu dieser Zeit beruhigte sich das Regiment augenblicklich, stand sogar still. "Die Sternchen" liefen nach Hause noch zum Mittagessen weg. Einige von ihnen verlie;en augenblicklich die Belegschaft und gingen mit den Frauen, manche auch allein in die deutschen Gesch;fte. Die Soldaten liefen auch auseinander. Die Bewohner des Milit;rst;dtchens konzentrierten sich in den Kasernen und in den Wohnungen erst sp;t am Abend. Auf dem Dachboden war niemand, das erfreute den jungen Mann sehr, er zog sich bis zu den Unterhosen schnell aus, schl;pfte in die Handschuhe und begann mit ganzer Kraft auf die Birne einzuschlagen. "Das Duell" war sehr kurz, Kusnezow "verreckte" blitzschnell. Seine Atmung setzte aus, ein unbekanntes Stechen in der Brust erschien, er beschloss, sich ein wenig auszuruhen. Er setzte sich auf einen leeren Kasten der Panzerabwehrgranaten, dann warf Alexander einen Blick in die Ecke, wo ein gro;es Schild aus dicken Kieferbrettern stand. Auf dem Schild war mit Kreide und Kohle ein gro;er Frosch gemalt. Den Soldaten interessierte die Zielscheibe sehr und er ging n;her an das Schild heran. Der Versuch, eines der Geschosse aus den Augen des Frosches herauszuziehen, gelang nicht. Der Boxer, in der Hoffnung etwas Spitzes, vielleicht einen Nagel zu finden, blickte nach oben und erstarrte augenblicklich. In der L;cke zwischen einem breiten Brett und einem Dachziegel befand sich eine Patronentasche von einer Maschinenpistole. Der Soldat streckte sofort die Hand nach der Tasche aus, die war voll mit Patronen geladen. Der Riese schaute mit den Augen rundherum, auf dem Dachboden war niemand. Er ;berlegte nicht lange, zog seine Jacke an und steckte die Patronentasche sich schnell in die Hose...
Am Samstag, eine Stunde nach dem Fr;hst;ck, verschwanden Ischakow und Kusnezow aus der Einheit. Keine Offiziere waren da und deshalb sprangen "die Selbstentlassene" ohne jede Probleme leicht ;ber den Zaun. Zum Erstaunen des Sibiriers, einen Markt hinter dem Stacheldraht, wie er ihn von Isumrudnoje kannte, gab es hier nicht. Aber das entmutigte ihn anf;nglich sogar sehr. Er h;tte wahrscheinlich das alles aufgegeben, wenn nicht der Freund da gewesen w;re, der als F;hrer sicher galt. Die Soldaten schauten mit den Augen in alle vier Richtungen und wechselten von einem leichten Trab in den Lauf und bald befanden sie sich auf einem kleinen Weg, der sie zu einem ziemlich gro;en Wald brachte. Von ihm bis zur Einheit waren es etwa zwei Kilometer. W;hrend des Laufes durch den Wald sprachen sie nicht. Ischakow als F;hrer, wie auch fr;her, ging voraus. Je weiter sie sich von der Einheit entfernten, desto unruhiger schlug Alexander das Herz. Der Soldat verstand bis zum Ende selbst seine Unruhe nicht. Aller Wahrscheinlichkeit nach war es die Angst vor der M;glichkeit, der Milit;rstreife in die H;nde zu fallen. Das Kommando der Einheit und der Vereinigung war erschrocken wegen des steigernden Ausma;es des Handels und der Landstreicherei der Untergebenen mit den Deutschen und deshalb vergr;;erten sie fast jeden Tag die Anzahl der Streifen. Sie patroulieren innerhalb des Milit;rst;dtchens und auch au;erhalb seiner Grenzen. Die Selbstentlassenen wussten das sehr genau. In der Einheit gab es nicht eine Kontrolle, auf der man allerlei Spekulanten oder Schl;ger zur "Erziehung" nicht herausf;hrte. Ein schlechtes Gewissen in der Seele des Sibiriers machten auch "die Spuren" von den Befehlen und den Instruktionen der Offiziere, die den Milit;rangeh;rigen streng verboten, Milit;reigentum und Munition der deutschen Bev;lkerung zu verkaufen. Kusnezow kannte den Inhalt der Befehle, wie auch wie viel wof;r ihm droht. Aber gleichzeitig wusste er auch, dass es nicht immer so war. Jetzt kam ihm ein einzigartiger Fall in den Sinn. In der benachbarten Granatwerferbatterie hatte der Kommandeur w;hrend der Arbeiten auf dem Schie;;bungsplatz es fertiggebracht aus dem Automaten zwei Wildschweine zu erschie;en. Die Soldaten ern;hrten sich mit dem Wildschweinfleisch eine ganze Woche. Ein Stellvertreter des Regimentskommandeurs kostete es auch und schmeckte ihm sehr. Aber als er von dem eigenm;chtigen Abschuss der Wildschweine und noch dazu im deutschen Naturschutzgebiet erfahren hatte, rastete der Major sehr stark aus. Am Morgen stellte er die Minenwerfer zur Besichtigung auf und “schiss“ sie zusammen. Den Soldaten passierte nichts, aber der Zugf;hrer wurde verwarnt. Dieser Fall brachte den Riesen auf den schlauen Gedanken: wenn man alle, die Gesetze der Sowjetischen Armee versto;en, einsperren und bestrafen w;rde, so w;rden die f;hrenden Grenzen des Sozialismus schon l;ngst die Afrikaner sch;tzten. Er zweifelte daran ;berhaupt nicht. Jetzt gab ihm dieser philosophische Gedanke Tapferkeit und Entschlossenheit. In seiner Entschlossenheit best;rkten ihn auch die sicheren Handlungen "Iwans Sussanins“, der es fertig gebracht hatte, sich etwas anzuschaffen. Der Kasache hatte in seinem Kasernenzimmer f;r „die Alten“ einen anst;ndigen Videorecorder und ein Paar neue Jeans. Kusnezow hatte bis jetzt von so einem "Wunder" ;berhaupt nicht getr;umt. Bevor sie aus dem Wald hinausgegangen waren, blieb Ischakow stehen und lauschte. Dann fl;sterte er leise zum Freund:
- Kusnez, versteck dich hinter dem Busch und warte auf mich... Hast du mich verstanden, Landsfreund? Alles andere werde ich selbst machen... Einer bekommt weniger f;r das Verbrechen als wenn man es in Gruppe tut...
Dem Riesen blieb bei diesen Worten „des Sussanins“ fast das Herz stehen. Der einst gro;en Optimismus war wie mit der Zunge einer Kuh weggewischt. Den breiten R;cken ;berzog G;nsehaut. Kusnezow wollte den Kollegen an der Hand greifen und ihn bitten, auf die Idee mit diesem Markt zu verzichten. In diesem Wald sah er aus irgendeinem Grunde weder Verk;ufer noch K;ufer. Nachdem der Kasache die Verwirrung des Landsmannes gesp;rt hatte, verwandelte er sich ins Gegenteil, wurde sogar mobilisierter. Er, wie ein F;hrer irgendwelchen Stammes, machte ein mutiges Gesicht und sagte mit Mahnung halblaut:
- Du, Meister, hab keine Angst. Wir und die Deutschen haben seit langem alles im Griff... Fr;her war es einfacher, jetzt ist es etwas schwieriger... Unsere M;ndel, wenn sie auch in den Bierkneipen ;ber die Demokratie rumschreien, verpassen die M;glichkeit jedoch nicht, sich an der kostenlosen russischen Futterkrippe zu bereichern... Ich sage ihnen daf;r trotzdem Danke...
Danach l;chelte er und ging entschlossen in Richtung eines kleinen H;uschens, das schon deutlich zu erkennen war. In der linken Hand trug Ischakow ein schwarzes Plastes;ckchen, in dem sich die volle Patronentasche vom der Kalaschnikow befand. Was der Organisator des Handels pers;nlich f;r den Verkauf dabei hatte, wusste der Riese nicht. Und wollte es auch nicht wissen. Eine halbe Stunde verging. Ischakow war verschwunden. Kusnezow fing an nerv;s zu werden, er schaute aufmerksam auf den schmalen Weg, auf dem sein Kollege weggegangen war. Manchmal hielt er den Atem an und lauschte jedem Ger;usch, das im Wald erklang. Ischakow kam zur verzweigten Kiefer lautlos wie ein Luchs. "Der H;ndler" kam mit einer gro;en roten Tasche, die etwas an einen Soldatenrucksack erinnerte. Er erholte sich ein wenig, danach lie; er sich langsam auf die Knie herunter und zog aus der Tasche ein kleines Tonbandger;t heraus. Als er die erstaunten Augen des Riesen bemerkte, der sich von solcher Wundertechnik sogar gesetzt hatte, sagte der Kleine ruhig:
- Mein Landsfreund, du hast sehr viel Gl;ck gehabt... Der Hausherr war heute nicht zu Hause, es war nur sein Sohn da, der wahrscheinlich die Kunst des Handels noch nicht begriffen hat... Mit einem Wort, du bekommst das Tonbandger;t... Sp;ter, irgendwann wirst du mir noch zuzahlen.
Kusnezow konnte nichts antworten, er schwieg und streichelte zart mit den H;nden das schwarze Tonbandger;t. Er hielt so ein "M;rchen" zum ersten Mal in seinem Leben in den H;nden...
Nach einem Monat hatte Soldat Kusnezow in seinem Versteck schon neue Jeans, neue Schuhe und sogar ein braunen Anzug. Er hatte diese Klamotten eines Tages auf dem Markt bei einer dicken Deutschen gekauft. Die Frau verkaufte mit gro;en Vergn;gen die guten Sachen des verstorbenen Sohnes an zwei Burschen in Jogginganz;gen, die anstelle des Geldes ihr einen ganzen Rucksack B;chsenfleisches sowjetischer Produktion angeboten hatten. Daran, dass die Verk;ufer von Nahrung russische Soldaten waren, zweifelte die Frau ;berhaupt nicht. Wie sie auch wusste, dass sie f;r ihre Klamotten von Deutschen nur Zehn Mark bekommen h;tte, und das war auch noch die Frage... Diesen seinen Kauf, wie auch alle nachfolgenden, machte Alexander nicht ohne die aktive Beteiligung Farids, der niemals verga;, vor ihm mit dem "kommerziellen" Verstand zu prahlen. Gerade am Tag des erfolgreichsten Kaufes erfuhr Alexander den Namen seines Freundes zum ersten Mal. In Neidjonowka und ;berhaupt w;hrend seines Zivillebens nannte er sehr selten irgendjemanden mit dem Namen. Unter der Jugendlichen war es aus irgendeinem Grunde nicht ;blich. Tats;chlich hatte jeder einen Spitznamen, auch wenn er einem nicht gefiel. Aber Kusnezow hatten alle seine Spitznamen gefallen. Wie man ihn im Zivilleben nur nicht genannt hatte! Er war Kusja, der Schmied, der Starke, der Riese und sogar der Idiot. Den letzten Spitznamen hatte ihm noch in der Schule die Klassensch;nheit Nadjka Sidorowa w;hrend einer Kontrollarbeit in Mathematik versucht anzuh;ngen. Sie hatte die Arbeit schon geschrieben und sa; mit einem klugen Ausdruck des Gesichtes und wartete auf das Klingeln. Auf die Bitten von Sanjka, dem Riesen, die L;sung der letzten Aufgabe abzuschreiben zu lassen, reagierte die Sch;lerin gar nicht. Er ertrug es nicht und zog sie boshaft am Zopf. Die Beleidigte drehte sich mit Tr;nen in den Augen zu dem Buben, der auf der Schulbank hinter ihr sa;, um und sagte laut:
- Genosse Kusnezow, ich dachte nicht, dass du in der Tat ein Vollidiot bist... Nicht umsonst sagten mir das meine Eltern...
Sanjka sprach mit der besten Sch;lerin eine ganze Woche nicht, aber er veranstaltete auch keine Auseinandersetzungen mehr mit ihr. Den Buben lie; man am selben Tag in das Direktorenzimmer kommen. Hier pr;fte die Mathelehrerin seine Kontrollarbeit und bewertete sie mit einer fetten Zwei.
"Der Armeegesch;ftsmann" Ischakow hatte den Vornamen Farid von den Eltern zu Ehren des Gro;vaters bekommen, der Anfang der f;nfziger Jahre nach der Komsomoleinweisung nach Kasachstan zu Neulanderschlie;ung gekommen war. Er war einer der Ersten, der mit seinen H;nden den zentralen Hof des Sowchos "Molodeshnyj" aufbauten. Nach einem Jahr fand im neuen Haus eine Komsomolhochzeit des jungen Tataren Farid und der jungen Kasachin Guljnara statt...
Es kam der Dezember, der letzte Monat des Jahres. Das Motorschie;regiment blieb an Ort und Stelle. Die Agiotage anl;sslich des baldigen «Hinaustragen von Beinen» wurde auf eine gewisse Zeit wieder still, jedoch brodelte das Leben im Milit;rst;dtchen und ;hnelte einem Vulkan oder einem tobenden Ozean.
Grund waren die in der Sowjetunion, die die letzten Tage und Stunden ihres Existierens erlebte, vor sich gehende Ereignisse. Am 8. Dezember 1991 haben in den Beloweschski- W;lder die Regierung Russlands, Wei;russlands und der Ukraine eine Erkl;rung ;ber die Liquidation der Union der Sowjetischen Sozialistischen Republiken unterzeichnet. Am 25. Dezember unterschrieb der Pr;sident der UdSSR, Gorbatschow, seinen R;cktritt. Im Kreml wurde die sowjetische Fahne eingeholt. Am 26. Dezember 1991 hatte die Sowjetunion die Existenz aufgegeben...
Die Bewohner des Milit;rst;dtchens besprachen das Geschehen in ihrer Heimat vom Morgen bis zum Abend. Niemand wusste, was dort in Wirklichkeit geschehen war und warum wurde das einst so m;chtige B;ndnis der gleichberechtigten Republiken so schnell zerst;rt. Besonders hitzige Debatten fanden unter den Offizieren statt, die sich in den Raucherzimmern oder in den Kanzleien versammelten. Unter ihnen waren sowohl Optimisten, als Skeptiker bez;glich der Perspektiven des zerfallenen B;ndnisses. Es gab keine einhellige Meinung, auch es keine gleichen M;glichkeiten f;r sie f;r den Kauf von allerlei Sachen, Klamotten, die es in Deutschland gab. Die Anschaffungen nach dem Zerfall der gro;en Macht hatten eine besondere Aktualit;t und Bedeutung erhalten.
Die Ma;st;be f;r den Kauf von Autos und Klamotten durch Kommandeuren und den Vorgesetzten hing von ihrer Besoldung oder ihren Beziehungen ab. Und das alles hing in erster Linie von der Anzahl und dem Umfang der Sterne auf den Schulterst;cken ab. Je h;her der Vorgesetzte stand, desto mehr „besorgte“ er. ;ber die Habgier des Kommandeurs der Einheit, den jungen Oberstleutnant Sljunjkow und seine Frau, gingen im Milit;rst;dtchen verschiedene Ger;chte und Klatsch herum. Die Mehrheit glaubte an die Ger;chte ;ber die ;lteren Offiziere. Alle wussten genau, dass der Glatzkopf w;hrend seines Urlaubes einen fast neuen "Mercedes" ;ber die Grenze weggebracht hatte. Dann erschien in der Einheit ein niemandem bekannter Russe, der ohne jede Hindernisse auf einer neuen "Honda" mit deutschen Kennzeichen auf das Territorium des Milit;rst;dtchens fuhr. Die Staatsangeh;rigkeit des Freundes des Glatzkopfes erkannte der Diensthabende des Kontrollpunktes, als er seine Dokumente gepr;ft hatte. Der Besucher widersetzte sich der Kontrolle heftig, drohte allen mit der Abrechnung seitens des Kommandeurs der Einheit. Er fluchte sogar ein paar Mal. Es ist nicht bekannt, wie es ausgegangen w;re, wenn nicht der Diensthabende der Einheit erschienen w;re. Auf seinen Befehl wurde die Wache gerufen. Der Wachhabende und zwei Soldaten fesselten schnell die Zivilperson und steckten sie ohne Probleme in den Kofferraum des eigenen Wagens. Sljunjkow erschien in der Einheit erst nach paar Stunden. Niemand wu;te, wer der Gefangene f;r den Kommandeur der Einheit war. Niemanden interessierte es. Die politische Unruhe in den grenzenlosen Weiten der ehemaligen UdSSR erschrak die Bewohner des Milit;rst;dtchens. Niemand wu;te, wer und was sie in den wieder geschaffenen unabh;ngigen L;ndern erwartete, die sich sofort auf den Tr;mmern des einst sowjetischen Imperiums gebildet hatten. Die Unsicherheit vor dem morgigen Tag zwang alle, durch ganz Deutschland zu laufen und sich einen Vorrat zu besorgen...
Endlich entschied sich auch Hauptmann Makarow etwas "zu beschaffen". Er fing sogar an, nachts von einem Importauto zu tr;umen. Er wollte ein sch;nes Auto haben, auch Wika, die mit dem Neid eines Kindes auf die jungen Freundinnen schaute, die in den ausl;ndischen Wagen zusammen mit den V;tern und mit den M;ttern vorbeiflitzten. Der Automarkt befand sich in etwa zwanzig Kilometern von Dachbau und deshalb entschieden sich die Eheleute Makarow, N;tzliches mit Angenehmen zu verbinden und fuhren mit den Fahrr;dern. Der Entschluss, einen Wagen gerade in diesen Tag zu kaufen war endg;ltig und sie beabsichtigten f;r ihn die Fahrr;der zu opfern. Auf dem Markt war ein ganzes Meer von Autos, sogar ein Ozean. Vor den Augen der Russen flimmerte ein ;berfluss allerlei Marken, Typen und Farben der Autos. Der Offizier mit der Milit;rfreundin suchte einen Wagen nach dem Geld aus und ging deshalb um die neuen Autos seitlich herum, um sich die Seele und das Herz nicht zu vergiften. Erst nach einer Stunde beschlossen sie, "zu landen" und w;hlten einen silbernen "Mercedes" aus. Alexander und Tatjana betasteten nicht nur mit den H;nden die Karosserie des Wagens, sondern beklopften sie auch noch mit den F;usten und sind auch in den Wagen hineingekrochen und haben das Lenkrad gedreht. Der junge Verk;ufer beobachtete gleichg;ltig das Ehepaar, das russisch die Vorz;ge und die M;ngel des Wagens sehr laut besprach. Die Versuche Makarows, beim Besitzer den Preis des eisernen "Sch;nling" russisch als auch deutsch herauszukriegen, gingen mit einem Misserfolg zu Ende. Der Teenager l;chelte nur als Antwort und brummte deutsch:
- Einen Moment, einen Moment..., einen Moment, Genosse, einen Moment...
Solch ein "Service" st;rte die Russen und sie entschieden sich, ein wenig auf dem Markt zu bummeln, hoffend, beim n;chsten Wagen besser als bei jenem "zu landen", deren Preis sie nicht herausfinden konnten. Aber leider... Ein Wagen nach ihrem Geld war nicht da. Nach einer halben Stunde haben die Makarows sich wieder dem silbernen "Merc" gen;hert und sich sehr gefreut. Neben dem ausl;ndischen Wagen stand ein ;ltere Deutsche, der Gro;vater des Teenagers. Er war sehr mager und kleinw;chsig. Alexander begr;;te den Alten auf Deutsch und fragte dann auch Deutsch nach dem Preis des Wagens. Es gab keine Reaktionen, nicht auf die Begr;;ung, auch nicht auf die Frage. Der K;ufer hat alles wieder nur russisch wiederholt, aber eine Antwort bekam er wieder nicht. Anstelle der Gesten oder irgendwelcher Zeichen der menschlichen Kommunikation sah das magere Wesen hasserf;llt von unten nach oben den an, der beabsichtigte, seinen Wagen zu kaufen. Jetzt entschied sich auch Tatjana, nach dem Preis zu fragen und nicht ohne Erfolg. Der Alte, wie auch vorher, schwieg weiter, aber immerhin tat er der Frau den Gefallen und hob seine magere Hand mit f;nf ausgestreckten Fingern vor ihr Gesicht. Die Eheleute hatten die Geste des Deutschen zuerst nicht verstanden. Erst nach mehrfachem Bewegen der H;nde, erkannten sie den Wert des eisernen "Pferdes". F;nf Tausend Mark hatte das Ehepaar nicht. Au;erdem zweifelten sie ;berhaupt nicht daran, dass diese "Preisbildung" eindeutig hochgetrieben war. Der Deutsche hasste unheimlich die Russen. Die Makarows t;tigten an diesem Tag doch einen Kauf. Noch vor Schlie;ung des Marktes fanden sie einen "Opel-Rekord". Die Deutsche, die Besitzerin des Wagens, erwies sich als eine ruhige Frau und deshalb dauerte der Handel nicht sehr lange. Das Auto, das auf den deutschen Stra;en hundertf;nfzigtausend Kilometer gefahren war, kauften die Eheleute f;r Tausend Mark. Besonders Tatjana freute sich ;ber den erfolgreichen Kauf. Sie sa; auf dem Beifahrersitz neben ihrem Mann und sprach ununterbrochen, dass es ihr gelungen war, ganze zweihundert Mark herunterzuhandeln. Froh war auch Alexander, der manchmal die Blicke von der Stra;e nahm und leidenschaftlich die Lippen seiner geliebten Frau k;sste. Am Abend versammelten sich die Besitzer des ausl;ndischen Wagens am Familientisch. Voller Freude und Gl;cks waren in der kleinen Wohnung nicht nur die Erwachsenen. Ihre Tochter Wika sa; wie ein Kreisel auf dem Stuhl und konnte ihre Bulette mit den Nudeln nicht aufessen. Der Kleinen war es nicht danach zu Mute. Sie erz;hlte dem Vater und der Mutter freudig davon, wie sehr es ihr im Auto, das ihre Eltern heute gekauft hatten, gefallen hatte zu sitzen. Manchmal lief das M;dchen auf den Balkon hinaus und warf Bonbonpapier nach unten. Ein Teil davon landete auf dem Dach des blauen ausl;ndischen Autos, das war jetzt auch ihr Wagen. Wika konnte jetzt stolz ihr N;schen "hochheben", wenn sie an Petjka Scharkow vorbei spazieren ging, dessen Vater schon seit langem einen schwarzen "Honda" besa;. Die Eltern des gl;cklichen Kindes sa;en noch lange am Tisch. Sie sa;en auch noch, nachdem es schon fest eingeschlafen war. Der Vater und die Mutter von Wika Makarowa hatten etwas zu bereden, sich ihre Probleme und Freuden mitzuteilen. Der Kauf des Wagens verbesserte in irgendeiner Weise die Lebens- und Armeeprobleme des Hauptmanns Makarows. Jetzt hatte er ein Auto, obwohl es alt war, aber immerhin seins. Er hatte keine Angst mehr von allerlei Ger;chten ;ber das schreckliche ;berf;hren des Wagens durch Polen und Russland. Der Mann wusste, dass man bei Durchfahrt Schmiergeld geben m;sste, manchmal auch mehr... F;r das Gl;ck der Tochter und der Frau war er an diesem Abend mit allem einverstanden und bereit, alles zu ertragen und zu erleben. Alexander, wie auch Tatjana, wussten sehr gut, dass ihnen das Gl;ck niemand auf einem goldenen Tablett bringen w;rde. Sie hatten diese einzige Tochter und f;r sie waren sie bereit, nicht nur mit dem Kopf und den H;nden zu arbeiten, sondern ihr Leben zu opfern...
Das begonnene Jahr war f;r den Soldaten Kusnezow das Jahr der Entlassung. Irgendeine Ver;nderung in der Einheit und im Leben des Soldaten gab es nicht. Alles und alle im St;dtchen faulenzten. Manche aus den Freunden und den Bekannten wurden entlassen. Besonders schwierig war der Abschied des Boxers von dem Sergeanten Ischakow. Den Dienstgrad "Sergeant" schenkte ihm zum Andenken der Landsmann Nasarbajew aus der Truppeneinheit des Regiments. Farid brachte die drei Streifen auf seine Schulterklappen an vor der letzten Besichtigung auf dem Platz, wo sich die "Entlassene" von den Milit;rfahnen der Einheit verabschiedeten. Der Bataillonskommandeur Major Siwolapow bemerkte die neuen Erkennungszeichen sogar trotz seiner geringer Gr;;e, sagte jedoch nichts. Der Offizier wollte die Stimmung des Entlassenen nicht tr;ben. Und er selbst war satt von all dem Stressen mit den Untergebenen. Erst vor kurzem hatte er ;rger wegen einem Deserteur, der aus der zweiten Kompanie weggelaufen war. War weggelaufen und war wie vom Erdboden verschluckt. Siwolapow wurde auf den Teppich zum Kommandeur der Einheit gerufen, im Arbeitszimmer des Divisionskommandeurs war er sehr nerv;s. An jenem Tag standen beim General drei Bataillonskommandeure stramm, bei denen sich auch Deserteuren befunden hatten. Der junge General schimpfte sehr gen;sslich die Untergebenen aus, verga; auch nicht, einen Fluch hinzusetzen. Einer der Bataillonskommandeure, der graue Oberstleutnant, weinte sogar, weil der Kommandeur der Vereinigung von seiner dienstlichen Inkompetenz gesprochen hatte. Am Tag des Abschieds der Entlassenen herrschte fast sommerliches Wetter. Die Entlassenen flatterten wie Libellen durch die Einheit. Jeder wollte nach Hause, jeder baute seine Pl;ne f;r sein Zivilleben.
Beim Abschied teilte auch Sergeant Ischakow seine Pl;ne mit. Er umarmte Kusnezow fest und sagte mit Tr;nen in den Augen:
- Du, mein Landsmann, verzeih mir f;r jenen Brief... Ich wollte, ehrlich gesagt, dich ;berhaupt nicht kr;nken... Jetzt wartet meine Mutter auch auf mich...
Dann schwieg er, die Tr;nen bedeckten immer mehr seine Augen. Alexander hielt seine Tr;nen auch nicht zur;ck. Ihm fiel die Trennung von Farid auch sehr schwer, von ihm hatte er sehr Vieles dazu gelernt.
- Wei;t du, Kusnez, - sagte Ischakow unter Tr;nen, - nach der Entlassung komm zu mir nach Kurkanaj... Komm ins Milizrevier, dort arbeitet ein Verwandter von mir. Er ist Major... Du sagst nur dem Diensthabenden, dass du von Ischakow kommst und alle T;ren werden f;r dich offen sein... Und noch was. Ich wollte weglaufen, aber mir tun meine Mutter und Schwester Leid... Ich bef;rchte davor, dass sie dort f;r mich verantwortlich gemacht werden...
Kusnezow antwortete nicht, er knutschte nur noch st;rker mit seinen m;chtigen H;nden den kleinen und mageren Kasachen und lachte froh aus irgendeinem Grunde. Dann fasste er ihn blitzschnell unter die Ellbogen und warf ihn mit Kraft nach oben. Ischakow erschrak sogar vor ;berraschung f;r ein paar Sekunden, aber sp;ter beruhigte er sich schon im Flug vom ";berfall ". Nach der Landung sagte er begeistert:
- Also, du hast ja Kraft, Soldat Kusnez, also, du hast Kraft... So-o gro; und so-o stark... Du solltest zu mir in die Stadt kommen und dich dem Boxen widmen. Wir hatten fr;her eine Boxerschule. Und M;dels finde ich f;r dich auch, komm nur.
Der Wagen mit den Entlassenen fuhr aus der Einheit erst nach einer Stunde ab, nachdem sich die Freunde herzlich getrennt hatten. Der Kommandeur der Einheit pr;fte sehr aufmerksam die Entlassungsdokumente, dann trat er mit einem Abschiedswort auf. Neben dem Kontrollpunkt der Einheit hatte sich inzwischen eine gro;e Menge von Zuschauern versammelt. Alexander winkte Ischakow noch mal mit der Hand zu und rief laut:
- Farid! Ich werde unbedingt zu dir kommen... Ich werde unbedingt kommen, warte auf mich im n;chsten Sommer...
Aus dem Wagen klang die bekannte Stimme:
- Ich habe dich, Athlet, verstanden... Komm, ich werde auf dich warten, komm unbedingt...
Kusnezow fiel der Abschied von seinem Freund sehr schwer und deshalb schlief er in dieser Nacht ;berhaupt nicht. Wenn er f;r ein paar Minuten auch einschlief, so hatte er Alptr;ume. Er tr;umte auch von seiner Mutter, die aus irgendeinem Grund am Rande des Abgrundes stand und betete. Einmal schlug sie ihren Sohn mit einem Birkenast ins Gesicht... Von diesen Alptr;umen wurde es Alexander unheimlich und er hatte Angst, wieder einzuschlafen. Um ;berhaupt in die Panik von diesem Tr;umen nicht zu geraten, fing er an, den einzigen Brief von der Mutter in Gedanken durchzulesen. So hatte er es mehrmals getan. Er gab im Ged;chtnis auch seinen Brief wieder, den er ganz vorkurzem abgesendet hatte. Das Schreiben in sein Neidjonowka war sehr kurz. Der Soldat hoffte, mehr und besser auf die Antwort seines M;tterchen zu schreiben. Er wusste sehr gut, dass sein Vater, was f;r Briefe schreiben betraf, sehr faul war. Kusnezow der J;ngere stellte sich f;r einen Augenblick vor, wie die Mutter mit seinem "Schreiben" durch das Dorf ging und allen von den Heldentaten des einzigen Sohnes erz;hlte, der in der ganzen Zeit seines Dienstes nur ein paar Mal auf dem ;bungsplatz war. Alexander bem;hte sich, die traurigen Gedanken zu verdr;ngen, die ihm von den Alptr;umen eingefl;;t worden, "der Alte" schaltete wieder auf den Abschied Ischakows um. Er begann erst jetzt, als erwachsen werdender Mann, nicht nur den Sinn zu verstehen, sondern auch die Kraft der Armeeh;rtung, der Armeefreundschaft zu empfinden. Alexander bezweifelte ;berhaupt nicht, dass Ischakow und andere Soldaten viel mehr ertragen mussten als er. In diesem System der Erniedrigung befand auch er sich. Nur dank seiner nat;rlichen Kraft und Gr;;e hatte er weniger abbekommen...
Dem n;chsten Morgen begegnete Kusnezow ohne Interesse. Zum Fr;hst;ck ging er nicht, das Essen brachte ihm der Stuben;lteste in der Kompanie. Im Bett bis zum Mittagessen zu liegen lie; man Alexander nicht, in der Einheit erschien der Kompaniechef. Der Riese f;rchtete ihn sehr, nicht nur als Offizier, sondern auch als Boxer. Makarow kam gleich nach dem Fr;hst;ck und erkl;rte, dass im Klub der Soldaten in einer Stunde eine Vorlesung der Befehle stattfinden w;rde, danach w;rde ;ber die Intrigen der Sonderdienste der westlichen L;nder ein Film vorgef;hrt. Die "Alten" Soldaten gingen selbst bis zum Zentrum der kulturellen Massenarbeit, keine Ausnahme war auch Kusnezow. Bevor er in die Aula des Klubs ging, suchte der Soldat den Kompaniemaler, den Sergeanten Streljnikow, auf. Er machte die Anschauungsagitation in der Kompanie und "drehte" Filme den Soldaten. Die Landsm;nner waren verschiedenen Aufrufs, aber das st;rte ihre Freundschaft ;berhaupt nicht. Andrej z;hlte zu der Kompanie des Hauptmanns Makarows, aber "diente" beim Vorgesetzten des Klubs. Der Dienst als Maler und Filmdreher war fast ein ziviler, aber war auch sehr schwer. «Der Gr;nschnabel» kam selten in die Kompanie schlafen, er schlief mehr in seinem Malerzimmer. Ein Grund daf;r war das dynamische Leben im Land. Der Vorgesetzte des Klubs schaffte es kaum, dem Untergebenen die verschiedensten Ausz;ge aus den gro;en Gedanken der leitenden Partei zu schreiben. Hauptmann Konowalow schlief selbst nicht selten umschlungen mit dem Soldaten und mit einem Satz verschiedener Pinsel, damit er am Morgen dem Vorgesetzte f;r politische Arbeit ;ber die "Verewigung" der Verordnungen der Partei und der sowjetischen Regierung berichten konnte. Kusnezow war w;hrend seines Besuches beim Freund mehrfach Zeuge, wie der Politarbeiter gegen alles und alle loszog, was mit der Tat dieses oder jenes Hauptmitgliedes der Partei, in der er fast zwanzig Jahre Mitglied war, verbunden war. Nikolaj hatte das rote B;chlein des Mitgliedes der KPdSU noch in den W;nden der Bildungseinrichtung erhalten. Zur politischen Arbeit geriet er ganz zuf;llig. Seinen Dienst begann er im Amt des Kommandeurs des Panzerzuges. Zuerst ging alles normal, fast wie bei allen. Aber nach einem Jahr bekam er f;r eine Kleinigkeit, wie es ihm schien, eine Warnung von der Parteif;hrung. Den Konspekt f;r den Leiter der Gruppe der politischen Besch;ftigungen schrieb seine Frau, die nicht nur eine gute Lebensgef;hrtin, sondern auch eine musterhaften Sekret;rin zuerst war. Dann beging die Milit;rfreundin einen zuf;lligen Fehler, der f;r ihren Mann sehr teuer geworden war. Dar;ber, dass sie jede Woche «der Kommunist der Streitkr;fte» abschrieb, hatte die Neue der Frau des Stellvertreters des Kommandeurs des Panzerbataillons f;r politische Arbeit mitgeteilt. Am Morgen wurde der Absolventen der Bildungseinrichtung in die Kanzlei des Bataillons gerufen, nach einer Stunde hatten sie ihm im Parteib;ro eine Abmahnung erteilt und aus der Kandidatenliste f;r den Posten des Kommandeurs der Panzerkompanie gestrichen. Der Name des politischen Blenders wurde auf fast jeder Parteiversammlung der Einheit genannt. In der jungen Familie begann Streiterei, als erste ertrug es Ljudmila nicht, sie fing an, ihren Mann zu betr;gen. Der verheirateten Frau aus dem verherrlichten Transbaikalischen Milit;rbezirk gefiel der ledige Offizier aus der benachbarten Einheit. Der verliebte Hauptmann verbrauchte fast sein ganzes Dienstlohn f;r die Unterhaltung der neuen Freundin. ;ber das Fremdgehen seiner Ehegattin erfuhr Konowalow durch einen Soldaten, der den Milit;rdienst nicht weit vom Offiziershaus aus;bte. Der Minenwerfer kam zu Ljudmila immer dann, wenn ihr Mann im Dienst war oder auf den ;bungsplatz fuhr. Der Leutnant war manchmal paar Wochen weg. Der Panzerkommandeur entschied, den «Hurensohn» grausam zu bestrafen. Einmal, w;hrend der Schie;;bungen, klagte er ;ber heftiges Unwohlsein und meldete sich zum Arzt ab. Zur so einer sp;ten Zeit erwartete seine Frau ihn auf keinen Fall, erwartete ihn auch ihr Liebhaber nicht. In dieser Nacht gab es im Offiziershaus eine gro;e Auseinandersetzung und Krach. Der w;tende Ehemann rechnete mit den n;chtlichen Bewohnern der Wohnung grausam ab. Mit einem B;geleisen, das ihm unter die H;nde gekommen war, schlug er den Kopf der Frau durch und ihrem Liebhaber brach er den Kiefer. Am Morgen begannen gleich in zwei Einheiten Auseinandersetzungen. Konowalow bekam nach der Parteilinie eine strenge Abmahnung und der Regimentskommandeur bestrafte ihn auch. Nach ein paar Stunden fuhr der Kommandeur des Panzerzuges auf einem Panzer betrunken zum Stab der Einheit und fing an zu drohen, alles platt zu machen, wenn alle seine Abmahnungen nicht r;ckg;ngig gemacht werden. Eilig verdoppelte man die Anzahl der Wachen, um ihn zu beruhigen. Der Regimentskommandeur selbst holte f;r alle F;lle einen Panzer aus dem Park der Kampffahrzeuge und stellte ihn vor das Tor des Kontrollpunkts. Er f;rchtete, dass sein Untergebener auf der schrecklichen Technik ;ber die Grenze des Milit;rst;dtchens fahren und auf die friedliche Bev;lkerung sich st;rzen k;nnte. Das passierte nicht und das Hindernis war ;berfl;ssig. Bis zum benachbarten Dorf war es viel zu weit, fast hundert Kilometer... Der einst musterhafte Kommunist, ging nach der Ausn;chterung "die S;uberung" in allen Parteiinstanzen durch. Die Kommunisten der Einheit unterst;tzten die Erkl;rung der Parteiorganisation des Panzerzuges einstimmig und sprachen dem Mitglied der KPdSU Genossen Konowalow einen strengen Verweis mit Eintragung in die Berechnungskarte aus. Die weitere Milit;rkarriere des Offiziers ging ;berhaupt schief. F;nf Jahre war er als Kommandeur des Panzerzuges t;tig, dann schickten sie ihn in die Truppeneinheit des Artillerieregiments, das sich nicht weit von der t;rkischen Grenze befand. Blitzschnell vergingen zwei Jahre, hier wurde er auch zum Hauptmann bef;rdert. Konowalow war mit seinem Schicksal am Ende endg;ltig zufrieden und war bereit, auf seinem Lieblingsstuhl mit dem Lederfutter bis zur Rente "die Hosen durchzureiben", aber es klappte nicht. Schuld hatte diesmal nicht seine ehemalige Frau, sondern sein untergeordneter Schreiber. Der Soldat legte bei der Erledigung der Personalakte des Stellvertreters des Kommandeurs der Einheit, der auf die Erh;hung wegging, zuf;llig oder mit Absicht die Parteicharakteristik nicht hinein. Es verging eine Woche. Der junge Heerf;hrer telefonierte herum und interessierte sich f;r seine Dokumente. Aber als Antwort rief man den zuk;nftigen Regimentskommandeur zur Ruhe... Nach einem Monat ;bertrug man Konowalow das unbesetzte Amt des Vorgesetzten des Klubs, hier wurde seine sch;ne Handschrift n;tzlich...
Mit dem Gespr;ch zwischen den Landsm;nnern wurde diesmal nichts. Der Vorgesetzte des Klubs st;rte sie. Kaum hatte er die T;r ins Zimmer des Malers ge;ffnet, als er schon losschimpfte, gerichtet an die Adresse des Untergebenen:
- Du Gr;nschnabel, wieso kr;nkst du mich? Ich frage dich, warum hast du die Fahnen aus der Abstellkammer gestohlen? Wohin hast du, schlechter Abschaum, sie gebracht? Wo sind sie, frage ich dich, Genosse Sergeant?
Der Maler, auch Filmdreher, sah auf die w;tende Physiognomie des Chefs, aber antwortete nichts auf das Schimpfen. Er straffte sich, stand stramm und blinzelte mit den Augen. Die Art des unschuldigen Opfers brachte den Hauptmann ganz aus der Fassung. Der Offizier, die F;uste vor der Nase des Sergeanten schwingend, schrie weiter:
- Du, Missgeburt, hast sie wahrscheinlich den Deutschen verkauft... Diese Banner haben unsere Kompanien noch vom Neuland gebracht... Ich dachte, dass ich sie mir als Andenken nach Russland mitnehme...
Aller Wahrscheinlichkeit nach begriff Sergeant Streljnikow nach dieser Schlussfolgerung erst tats;chlich, worum es ging und begann, auf das Schimpfen des Vorgesetzten zu antworten. Er stotterte wie ein Erstkl;ssler mit leiser Stimme:
- Auf keinen Fall, Genosse Haupt-man, ich nahm die Fah - nen nicht, Eh - ren - wort, ich nahm nichts... Und wozu k;nnte ich sie brauchen? ...
Aber Konowalow beruhigte sich nicht und setzte fort ihn zu beschimpfen:
- Ich bin hundert Prozent ;berzeugt, dass der Verlust der Banner auf dich zur;ckgeht... Wie konntest du, ein sowjetische Soldat, die Banner unserer Heimat fremden Menschen verkaufen?
Der Gedanke des Vorgesetzten gefiel wahrscheinlich Andrej sehr und er entschied sich, bissig zu antworten:
- Genosse Hauptmann, - fl;sterte der Sergeant leise, - Sie sagen, dass ich ein Verr;ter bin und die Ehre unserer Heimat und meine Ehre verkauft habe... Keinesfalls, Genosse Hauptmann... Alles haben verraten und verkauft die, die ich Tag und Nacht male... Und Sie, Genosse Hauptmann, wissen und verstehen es besser als ich...
Der "weise" Gedanke des Untergebenen brachte den Vorgesetzten des Klubs aus der Fassung. Er wurde hysterisch, schaute b;se den Maler an und schrie aus vollem Halse:
- Ach, du Hurensohn, stinkender Gr;nschnabel, du sprichst noch gegen die Politik unserer Regierung... Ich werde dich, Missgeburt, noch heute Abend einsperren lassen oder werde dich in die Abteilung "schweige - schweige" abgeben...
Danach war dem Hauptmann der Wortschatz ausgegangen. Er sagte nichts mehr, und sah nur b;se den Soldaten an, mit dem er Seite an Seite im Malerzimmer dutzende N;chte verbracht hatte. Die Auseinandersetzung zwischen dem Vorgesetzten und dem Untergebenen war sehr kurz. Der Offizier fluchte noch mehrfach und lief st;rmisch hinaus. Nachdem die T;r geschlossen war, lachte der Maler laut auf und sagte unter Tr;nen:
- Wei;t du, Sanjok, ich habe diese Banner schon seit langem bemerkt. Sie lagen als „toten“ Kapital unter der Pressepappe in der Vorratskammer. Der Gedanke sie zu verkaufen kam mir vor einer Woche, als mein Chef in einer Sitzung war. Die Deutschen haben sich wegen dieser Lappen fast geschlagen... Es ist schade, dass ich sie etwas zu billig verkauft habe...
Es waren noch keine f;nf Minuten nach dem Zusammensto; vergangen, als jemand an der T;r zum Maler klopfte. Die T;r ;ffnete sich langsam und der Kopf des Brieftr;gers erschien. Der magere Soldat, der aussah, als h;tte man ihm jahrelang nichts zu Essen gegeben, machte sehr vorsichtig einige Schritte in Richtung Kusnezow und fl;sterte einschmeichelnd:
- Starker, f;r dich ist ein Brief gekommen, aber ohne Vorname... Ich habe speziell auf deine Ankunft gewartet... Bei uns im Regiment gibt's mehr als Zehn Kusnezows... Vielleicht ist dieser Brief f;r dich...
Der Athlet freute sich sehr ;ber die Nachricht des Brieftr;gers. Nach seiner Rechnung h;tte er eine Antwort von der Mutter schon mindesten vor einem Monat bekommen m;ssen. Die Handschrift des Absenders auf dem Briefumschlag war Alexander unbekannt, deshalb gab er ohne jedes Bedauern den Brief zur;ck. Aber pl;tzlich stieg ein unbekanntes Gef;hl in seinen Kopf auf und aus irgendeinem Grund zog sich sein Herz unerwartet zusammen. Der Gedanke, dass es m;glich war, dass etwas Schreckliches mit seiner Mutter oder mit dem Vater passiert sein konnte, lie; den Soldaten furchtbar erschrecken. Er entriss schnell den Brief den H;nden des Regimentskameraden und ;ffnete ihn. Je mehr er las, desto schneller verlie;en die Kr;fte den m;chtigen Burschen. Kusnezow sah niemanden mehr, er rannte st;rmisch aus dem Malerzimmer. Wenigen Minuten sp;ter sprang er ;ber den Zaun und befand sich im Wald. Hier lie; er den Tr;nen freien Lauf...
Der Inhalt des Briefes, den die Dorfbrieftr;gerin dem Soldaten geschrieben hatte, war sehr tragisch. Das Weib Schura Leschtschewa teilte ihm den Tod seiner Mutter mit. Antonida kam im M;rz um, rein zuf;llig. Die Frau war wie immer nach Trinkwasser zum Wasserturm gegangen. Sie ging mit dem Wasser, um den Weg nach Hause abzuk;rzen, durch ein W;ldchen. Auf dem Weg fiel sie in einen alten Brunnen, den man aus Schlamperei nicht zugesch;ttet hatte. Die Dorfbewohnerin wusste ;ber diesen Brunnen sehr gut Bescheid, aber sie hatte sich an der Stelle geirrt, wo er sich befand. Der Schnee hatte auch die tiefe Grube gr;ndlich zugeschneit. Antonida fanden sie nach zwei Tagen. Die Verstorbene lag drei Tage zu Hause, alle warteten auf ihren einzigen Sohn aus dem fernen Deutschland. Den Soldaten versuchte der Verwalter zu benachrichtigen, er hatte das Milit;rkommissariat angerufen. Dort versprachen sie zu helfen, aber haben nichts unternommen. Der Milit;rkommissar hielt einen Versuch f;r erfolglos, weil viele Soldaten-Internationalisten nach Osten losmarschiert waren. Und eine genaue Adresse des Sibiriers gab es im Milit;rkommissariat auch nicht. Aus diesem Grund konnte Alexander seine Mutter nicht auf ihrem letzten Weg begleiten. Die Brieftr;gerin hatte zu Hause rein zuf;llig den Briefumschlag der Mutter an den Soldaten gefunden, wo sie einst mit dem Bleistift den Briefumschlag beschrieben hatte. Die Alte fand diesen Briefumschlag einen Monat nach Antonidas Tod und beschloss, sofort ihrem Sohn zu schreiben. Am Ende des Briefes teilte das Weib Schura mit, dass Neidjonowka ganz zerst;rt w;re, nur noch kranke und alte Bewohner dort geblieben w;ren. Sie hat auch die Deutschen aus dem Dorf erw;hnt, sie waren alle nach einem guten Leben nach Deutschland weggegangen. Am Ende des Briefes war ein Nachsatz, dass die Verstorbene ihren Nikolaj nur f;r kurze Zeit ;berlebt hatte... Und noch etwas... Antonida war unheimlich gekr;nkt wegen ihres Herzchens, das ihr keine Nachricht aus dem fernen Deutschland geschickt hatte...
Der Brief schockierte den Soldaten, er schottete sich auf eine gewisse Zeit von der Au;enwelt ab. Kusnezow wollte auf keine Weise dem glauben, was die Alte geschrieben hatte. Der Sohn glaubte nicht, dass seine Mutter gestorben war und dass er sie niemals mehr im Leben wiedersehen w;rde. Er glaubte auch nicht an den Tod des Vaters, der immer gesund war, obwohl er oft getrunken hatte. Der j;ngere Kusnezow verzieh seinem Vater die Saufereien. Verzieh, weil dieser Mann, obwohl ein Trinker, aber sein Vater war, ein naher Mensch, der es ihm erm;glicht hatte, auf dieser Erde zu erscheinen. Ungeachtet der schlechten Seiten des Vaters hatte der Bub auch schon als erwachsener Bursche niemals beabsichtigt, ihn gegen einen anderen Mann "einzutauschen". Er liebte ihn so wie er war... Kusnezow kam in die Kaserne sehr sp;t, alle schliefen schon. Er schlich sich an dem schlafenden Stuben;ltesten vorbei und zog sich schnell aus. Schlafen wollte er nicht, im Kopf machten sich verschiedene furchtbare Gedanken breit, ein Gedanke grausamer als der andere. In den Schl;fen klopften sehr stark irgendwelche H;mmerchen, die, wie es ihm schien, seinen Sch;del in kleine Teile gleich zerst;ckeln w;rden. Die Tr;nen flossen immer wieder aus den Augen des Soldaten auf das Kissen. Von den Tr;nen wurde es bald feucht. Je mehr Alexander ;ber den Brief nachdachte, desto mehr kam er zu schrecklichen Schlussfolgerungen, denen er auf keine Weise zustimmen wollte. Er war erst zwanzig Jahre alt, aber er hatte schon keine Mutter, auch keinen Vater mehr. Er war auf dieser riesigen Erde allein, allein, wie ein armes Sandkorn. Und dieses Sandkorn brauchte nach dem Tod der Eltern niemand. Der Soldat ging wieder und wieder in Gedanken den Brief vom Weib Schura durch und konnte es nicht verstehen, wieso die Mutter ihm ;ber den Tod des Vaters nicht fr;her geschrieben hatte. Er verstand auch nicht, warum sie seinen Brief nicht bekommen hatte. Er hatte ihr geschrieben, wenn auch sehr sp;t, aber eine Antwort hatte er seiner Mutter doch gegeben. Das Schreiben des einzigen Sohnes war sehr kurz, aber die Eltern h;tten sich trotzdem sehr gefreut. Daran zweifelte der Riese ;berhaupt nicht. Er verstand erst in der Armee den Wert der kurzen Nachricht aus der Heimat, ganz zu schweigen von den Briefen der Eltern, bei denen immer und ;berall das Herz f;r das liebste Kind weh tat…
Der Soldat und das Weib Schura wussten nicht, dass der Grund des Verschwindens des Briefes des Soldaten der Streik der Postarbeiter der zerst;rten Sowjetunion war. Den Leuten hatte man einige Monate den Lohn nicht ausgezahlt. Deshalb kamen viele Briefe bei den Empf;ngern nicht an...
Ebenfalls keinen Optimismus f;gte dem Soldaten auch die Nachricht der Gro;mutter-Brieftr;gerin ;ber das Leben in Neidjonowka hinzu. Alexander wusste schon fr;her, in welcher Not die Dorfbewohner lebten. Die Bauer starben schnell und unmerklich wie die Fliegen aus. Von den furchtbaren Erinnerungen durchlief seinen K;rper G;nsehaut, das Herz schlug beunruhigt. Den einschlafenden Soldaten freute es, dass Polinka Kraut aus ihrem Dorf nach Deutschland ausgereist war. In dieser Nacht tr;umte er von ihr und k;sste sie sogar leidenschaftlich. Sie bat Sanjka, f;r immer bei ihr zu bleiben...
Kapitel zwei. Der Teufelsentschluss.
Der Wunsch, in Deutschland zu bleiben, f;r immer hier zu bleiben, tauchte bei dem Soldaten Alexander Kusnezow irgendwie unerwartet auf. Die Hauptsache war wahrscheinlich der furchtbare Brief aus seinem Heimatdorf. Je ;fter er ;ber sein Ungl;ck nachdachte, desto mehr h;uften sich in seinem Kopf seltsame Gedanken, die sich w;hrend seines Wehrdienstes angeh;uft hatten. Alles wurde auf eins zur;ckgef;hrt: das Leben in der ehemaligen DDR und in dem vereinigtem Deutschland war viel besser als in Neidjonowka oder in Isumrudnoje. Der ziemlich kluge und ernste F;hnrich Tschernow, der das ganze Land in seiner L;nge und Breite durchgekehrt hatte, sah hier auch nichts Schlechtes. ;l ins Feuer goss auch noch Ischakow.
Farid hatte auch nichts dagegen, sich in diesem Land unterzulassen. Alexander war selbst Zeuge, wie einer aus den Offizieren, der versetzt wurde, mit Tr;nen in den Augen dieses, wenn bei weitem auch kein paradiesisches, aber doch das Herz und die Seele erfreuendes Eckchen der Erde verlie;.
Viele Soldaten-Internationalisten wollten in diesem Land leben, aber nur einige von ihnen wagten es zu riskieren. Nicht nur, weil diese Einzelne Egoisten waren oder hatten gr;;ere M;glichkeiten als tausende oder zehntausende Andere, die gut essen wollten. Nein, der Grund dieses Mutes war ganz woanders. Die jungen M;nner, die keine Lebenserfahrung hatten und die Deutschen nur durch die Fenster der Kasernen sahen, die hinter hohen Z;unen sich befanden, waren sich des Preises des erw;nschten Paradieses nicht bewu;t. Der Weg zu diesem Paradies, manchmal auch versch;nertem, war dornig und forderte nicht nur viele Nerven. In Wirklichkeit bedeutete es die Fahnenflucht, sogar Verrat der sozialistischen Heimat. Kusnezow wurde es von diesen Gedanken hei;. Vor den Augen tauchte gezwungenerma;en die Episode des Ablegens des Milit;reides auf. An diesem Tag hatte er zum ersten Mal im Leben eine Auszeichnung von dem Kommandeur der Kompanie erhalten. F;r die Interessen der heiligen russischen Erde, f;r eine bessere Zukunft Alexanders, hatte sein Urgro;vater auf dem Schlachtfeld das junge Leben gelassen. Von diesen Gedanken wurde es in seiner Seele noch "tr;ber".
Das Grab seines Urgro;vaters hatte er auch nicht gefunden, obwohl die Mutter ihn ausdr;cklich darum gebeten hatte. Er verga; auch nicht, in seinen Gedanken versunken, den Auftrag des Vaters, der Sanjka lehrte, immer ehrlich zu leben und zu arbeiten und mit Ehre zu dienen. Alexander wusste dabei auch genau, was ihm f;r die Fahnenflucht und f;r den Verrat der Heimat drohen w;rde. Dar;ber summten die Offiziere wie die Fliegen in jeder Sitzung. In der Einheit legten sie f;r alle und alles Unterlagen an, um den Strom der Deserteure zu verringern. Unterschrieben hatten die Papiere nicht nur die Milit;rangeh;rigen, sondern auch die Mitglieder ihrer Familien. In der sowjetischen Einheit, die sich am Rande der deutschen Stadt Dachbau befand, gab es wenige Deserteure, nur f;nf. Einer der Entlaufenen kam sogar wieder zur;ck, den Sergeanten hatten die Deutschen festgenommen. Bei den Erinnerungen an die Polizei sch;ttelte sich der Riese zwangsl;ufig.
Die Bem;hungen der Motorsch;tzen, selbst die Deserteure zu fangen, waren fast immer erfolglos. ;ber den professionellen "Sp;rsinn" der Polizei des sozialistischen Deutschlands rankten sich unter den sowjetischen Milit;rangeh;rigen ganze Legenden. Aus der Einheit war vor drei;ig Jahre ein Schreiber weggelaufen, unsere suchten ihn eine ganze Woche. Tausende Soldaten liefen ;ber die Feldern und ;bungspl;tzen, Tonnen von Benzin verbranten sie, alles war umsonst. Dann wandten sie sich an die Deutschen, die brachten den Entlaufenen nach f;nf Stunden. Der "Arme" wohnte im Hotel im Norden der DDR und wollte nach D;nemark r;ber schwimmen...
Alexander hatte auch Angst von den Polizisten. Er sah die deutschen Wagen mit den Blinkern auf dem Territorium des Milit;rst;dtchens ziemlich oft, und es schien ihm, als ob sein Herz stehen blieb. Aus Angst vor der Polizei verfl;chtigten sich bei dem Riesen die Gedanken an eine Desertierung, verschwanden und kamen wieder...
Den Entschluss zu fassen, wegzulaufen, um in diesem Land f;r immer zu bleiben, half Alexander ein nicht gew;hnlicher Zufall. Mitte Juni hatte die Kompanie des Hauptmanns Makarow den Wachdienst im Regiment ;bernommen. Zur Wache oder in die K;che hatte man Kusnezow nicht abgestellt. Der Hauptfeldwebel der Kompanie hatte ihn auf die Streife geschickt. Die Aufgabe der Streife bestand darin, nach dem ;u;erlichen Perimeter des Milit;rst;dtchens und ein wenig au;erhalb zu verkehren, um ein bisschen die Deutschen "mitzunehmen". Der Sibirier ging gern auf Streife und deshalb bereitete er sich besonders sorgf;ltig darauf vor. Eine halbe Stunde vor der Besichtigung sah die Regimentsber;hmtheit hundert Prozent wie ein Sch;nling aus. Die Paradeuniform sa; dem Soldaten so perfekt, dass der Helfer des Diensthabenden der Einheit sich nicht zur;ckhalten konnte und lobte ihn f;r die ausgezeichnete Vorbereitung auf die Streife.
Nach der Besichtigung ging die vom F;hnrich gef;hrte Streife bis zur Dunkelheit ziellos um das Milit;rst;dtchen herum, manchmal gingen sie auf den Eisenbahnhof, wo sie aus dem Automaten Bonbons a;en. Den Milit;rangeh;rigen gefielen sehr die Sauberkeit und die Stille des kleinen deutschen St;dtchens, in dem, kaum die Dunkelheit eingebrochen war, alles augenblicklich verstummte. Der Morgen verlief bei der Streife auch ohne au;erordentliche Vorkommnisse. Au;erhalb des Milit;rst;dtchens hatte man keine Vorf;lle eines Handels oder eines Diebstahls gesehen, sie hatten auch keine "Selbstentlassung" bemerkt…
Ein au;erordentlicher Vorfall passierte am hellichten Tag gegen zw;lf Uhr. Das au;ergew;hnliche Vorkommnis war nach dem Inhalt ziemlich spezifisch. Daran waren weder die Bewohner des Milit;rst;dtchens noch die ortsans;ssigen Deutschen beteiligt, sondern Deutsche aus der Sowjetunion. Der Riese in der Milit;runiform kannte vorher gar nicht diese Kategorie der Deutschen. In ihrer Neidjonowka gab es einzelne Deutsche, aber sie waren fast alle nach Deutschland ausgewandert. Das war damals alles an seinen Ohren vorbeigerauscht.
Die Streife des F;hnrichs Grebnew handelte sehr organisiert und entschlossen, als sie auf dem Betonzaun eine h;ngende Frau sahen. Neben ihr stand ein junges M;dchen, das mit lauter Stimme «der Aufsteigerin» Hinweise f;r den erfolgreichen Abstieg auf die Erde auf Deutsch gab. Die drei jungen und starken Burschen st;rmten augenblicklich zum Ereignisort. So sie gest;rmt waren, blieben sie auch gleich stehen. Ein Grund daf;r war die deutsche Sprache. Dass die junge Person deutsch sprach, bezweifelte niemand von den Milit;rs. Wie niemand auch daran zweifelte, dass die Hinweise der Deutschen f;r sie ein Geheimnis waren, weil sie die Sprache des Landes des Aufenthaltes nicht beherrschten. Den Bewohnern der Milit;rst;dtchen war es aufs allerstrengste verboten, in irgendwelche Konflikte mit der dortigen Bev;lkerung zu treten. Der Vorgesetzte der Streife beabsichtigte schon, einen Boten zum Diensthabenden der Einheit wegen der Ber;cksichtigung der strengen Hinweise von Oben zu schicken, um den Hauptmann ;ber den n;chsten Angriff der Deutschen auf das sozialistische Eigentum zu informieren. Aber die ziemlich lustige Szene aus dem zivilen Leben siegte.
Die Milit;rs begannen sich langsam in Richtung Frauen zu bewegen. «Die Aufsteigerin», die auf dem Kamm des Zaunes sa;, war sehr dick. Wahrscheinlich hatte das gro;e Gewicht oder die Angst sie gehindert, auf den Boden herabzusteigen. Erst als sie in die Milit;rs in die "H;hle" des au;ergew;hnlichen Vorkommnisses geraten waren, ;nderte sich gleich f;r die Milit;rs der Standpunkt. Sich auf den Boden herabzulassen, st;rte die Dicke weder ihr riesiges Gewicht, noch ihre gro;en Br;ste und auch nicht ihre dicken Hintern, sondern die gro;e schwarze Tasche, die sie in den Z;hnen aus irgendeinem Grund hielt. Zwei Soldaten liefen schnell zum Zaun hoben vorsichtig die arme Frau runter. Nach der Ausf;hrung der internationalen Pflicht haute es Kusnezow fast um, als er von der Frau die Worte der Dankbarkeit in Russisch h;rte. Mit der russischsprachigen Deutschen ins Gespr;ch zu treten, verbot den Soldaten der Vorgesetzte der Streife. Der F;hnrich forderte die Frau auf, ihm die schwarze Tasche zu geben, in der, so vermutete er, sich Munition oder Waffen befinden k;nnten. Jene lehnte es h;flich ab. Grebnew ging etwas r;ckw;rts weg und dann bewegte er sich heftig auf die Dicke zu. Die Frau sprang wie eine Tigerin r;ckw;rts weg, stolperte und fiel mit dem R;cken auf die Erde. Das nutzte der Vorgesetzte der Streife sofort aus, entriss sehr geschickt die Tasche aus den H;nden der Unbekannten. Als der F;hnrich das Beweisst;ck hatte, bewegte er sich langsam in Richtung Kontrollpunkt der Einheit. Er kam nicht dazu keine zwei Schritte zu machen, als er hinter sich Fluche in seiner Muttersprache h;rte. "Der Gewaltt;ter" bezweifelte ;berhaupt nicht, dass das alles ihm "geh;rte". Grebnew drehte sich heftig zu der Dicken um und befahl mit lauter Stimme die Festnahme der Fluchenden.
Zwei Streifen griffen die Frau schnell unter die Arme und fuhrten sie zum Diensthabenden der Einheit. Aber nach etwa zehn Meter gerieten die Soldaten in Verlegenheit. Die Vertreterin des schwachen Geschlechtes lie; sich pl;tzlich auf die Erde runter und fing wieder an, den Vorgesetzten der Streife zu beschimpfen:
- Du F;hnrich, du Dicker, dir ist alles zu wenig, alles stiehlst du und du bist ein S;ufer... Ich hatte auch so einen Dummkopf... Dem Gott sein Dank, dass er ihn zu sich genommen hat.
Die Unbekannte blieb weiter auf der Erde sitzen und beschimpfte die Milit;rs. Die Streifen standen verwirrt neben dem Opfer und warteten auf die Hinweise des Vorgesetzten. Jener erstarrt auch f;r einen Moment und sah aus irgendeinem Grund ohne jegliche Aufmerksamkeit auf die Abenteuer der dicken Person. Aller Wahrscheinlichkeit nach h;tte die Frau sich auch beruhigt, wenn nicht das junge M;dchen gewesen w;re. Bis jetzt war sie keine Quelle einer erh;hten Gefahr f;r die Milit;rangeh;rigen, das M;dchen beobachtete nur von der Seite das Geschehen leise. Aber pl;tzlich warf sie sich auf den sehr gro;en Soldaten und glitt heftig mit der Hand ;ber sein Gesicht. Auf der Wange Kusnezows zeigte sich augenblicklich Blut... Eine weitere Zwangsvollstreckung erlaubte der K;mpfer-Internationalist nicht. Er fasste mit beiden H;nden die K;mpferin um die Taille und warf sie mit Kraft auf den Zaun. Zum Gl;ck passierte das alles ohne Verletzungen und Herunterfallen. Das M;dchen wusste wahrscheinlich selbst nicht, wie sie es geschafft hatte, bei so einem festen Griff sich mit beiden H;nden an der Mauer festzuklammern. Als Kusnezow die junge Person auf dem Zaun sah, die darauf ganz bequem sa;, lachte der Riese froh. Das Lachen des Soldaten ver;rgerte "das Adlerweibchen" nur noch mehr. Sie wusste vermutlich, dass es den Soldaten verboten war, den F;usten freien Lauf zu lassen, deshalb entschied sie sich, sie um jeden Preis zertreten. Die junge «Aufsteigerin» beklagte sich auch laut, wie die Dicke, erst f;nf Minuten sp;ter:
- Ihr armen stinkenden Untergebene... Ich h;rte und las ;ber euch viel... Die Wahrheit sagen die Deutschen ;ber euch, dass ihr in den Rudeln durch die W;lder lauft und stinkenden Brei fresst... Habt die Frauen ;berfallen, selbst bekommt ihr wahrscheinlich jeden Tag eins auf die Schnauze von den "Alten". Von den Milit;rs h;rte niemand zu, was das junge M;dchen redete. F;hnrich Grebnew ;berlie; die Opfer des schwachen Geschlechtes dem Schutz der Soldaten und er ging selber mit schnellen Schritten in Richtung des Kontrollpunkts. Nach ca. zehn Minuten erschien der Wachhabende mit zwei bewaffneten Soldaten. Als die Dicke das ernste Gesicht des jungen Leutnants sah, sprang sie augenblicklich vom Boden auf und folgte ruhig dem Offizier. An ihren beiden Seiten gingen die bewaffneten Wachen. Dicht auf den Fersen der Dicken folgte das junge "Adlerweibchen", das nicht ohne Hilfe Kusnezows „gelandet“ war. Im Raum des Diensthabenden der Einheit erfuhren die Streifen von den neuen Abenteuern, deren Hauptfiguren Russlandsdeutschen waren. Vor Hauptmann Makarow standen zwei M;nner. Sie standen und schauten, wie betroffene Sch;ler nach unten sich ihre F;sse an. In der Ecke auf dem Stuhl sa; ein Bub, der etwa zehn Jahre alt war, viellecht auch ein bisschen ;lter. Neben ihm stand eine Frau. Der Offizier war ;ber die Ankunft der n;chsten russischsprachigen Verbrecherin sehr erfreut, er schickte die Soldaten aus dem Kontrollpunkt schnell hinaus und schloss dicht hinter sich die T;r...
Der erzieherische Prozess der Zivilpersonen beim Diensthabenden der Einheit zog sich hin, ca. eine Stunde war schon vergangen. Die Streifen hatten es schon satt, neben dem Kontrollpunkt zu warten. Kusnezows Partner wollte unbedingt etwas trinken und bot dem Riese an, in die Soldaten-Gastst;tte zu gehen, um dort paar Schlucken Kissel oder Kompott zu bekommen. Die Soldaten teilten mit gro;em Vergn;gen br;derlich eine halbe Teekanne Kissel und kamen noch dazu, mit dem Brotschneider ein wenig zu plaudern. Ein paar Minuten nach der Ankunft der Streifen ;ffnete sich die T;r des Kontrollpunktes und der Kopf des Hauptmanns Makarows tauchte auf. Als er Kusnezow sah, der beabsichtigte in den Soldaten Klub "zu entkommen", sagte er streng:
-Soldat Kusnezow, begleiten Sie die Zivilpersonen durch den Kontrollpunkt und sp;ter berichten Sie mir...
Nach diesen Worten ist der Kopf des Offiziers so schnell wie er auch erschienen war verschwunden. Die B;rger kamen aus dem Raum des Diensthabenden der Einheit nicht sofort heraus, sondern erst nach etwa f;nf Minuten. Beim Erscheinen der Aussiedler zog Kusnezow den Riemen enger und zog Bauch ein, dann ging er mit einem ernsten Gesicht entschlossen in Richtung des Kontrollpunkts. Zwei M;nner, drei Frauen und der Bub folgten ihm ergeben. Der Soldat entschied sich, die Russlanddeutschen bis zur Parkhaltestelle, die neben dem Eisenbahnbahnhof war, zu begleiten. Bis dorthin brauchte man zehn Minuten, nicht mehr. Zuerst f;rchteten sich die Zivilpersonen vor dem gro;en und ziemlich starken Milit;r. Aber nach etwa zehn Meter vom Kontrollpunkt "rastete"einer von ihnen aus. Ausgerastet war der kleine, schlanke, sogar d;nne Mann. Dem Soldaten schien es, dass dieser Typ erst vor kurzem aus dem Konzentrationslager gekommen war. Dazu, aus ihm unverst;ndlichen Gr;nden, hatte der D;nne eine Kaninchenfellm;tze auf, obwohl es drau;en ;ber zwanzig Grad warm war, vielleicht auch mehr. Nachdem das Milit;rst;dtchen hinter den deutschen H;usern endg;ltig verschwunden war, rastete der Mann in der M;tze noch mehr aus. Wenn er fr;her ;ber die ganze Sowjetische Armee schimpfte, so wurde jetzt das Objekt seines Fluchsangriffes der Diensthabende der Einheit, der, wie es sich herausstellte, ihm eine ganze Kiste russischen Wodka abgenommen hatte. Wegen der Spirituosen waren die zwei Familien auch zum Milit;rst;dtchen gekommen. Was h;rte der Streifenposten nicht alles ;ber die V;ter-Kommandeure! Endg;ltig „aufzubrausen“ hinderte den D;nnen seine Frau, die der Figur nach ihrem Mann ;hnlich war. Die Frau beruhigte den Ehemann immer wieder:
- Also, Petenjka, mein H;hnchen, reg dich nicht so stark auf... Der Teufel mit ihr, mit diesem Wodka... Soll der Habgierige unser Gut, das f;r ehrliches Geld gekauft war, auslecken... Der Bub trug auch dazu bei, das Feuer zu sch;ren. Er lief immer wieder zum Vater und klagte:
- Vater, Vati, als ich durch den Zaun kroch, hat mich ein schwarzer Soldat gefangen... Er bat f;r den Eintritt ins Gesch;ft eine Mark... Ich habe gesagt, dass ich kein Geld habe... Er, das Arschloch, glaubte mir nicht und duchsuchte meine Taschen... Dieses Arschloch hat zwei Mark bei mir abgenommen...
Um die gr;;ere ;berzeugung zu erreichen, lief der Bub zu den die Eltern und drehte die Taschen seiner Hosen auf die linke Seite. Er kam auch dazu, es auch vor dem Soldaten zu machen. Von dem dramatischen Leiden der Familie des D;nnen infolge der ungesetzlichen Beschlagnahme des Wodkas durch den Diensthabenden der Einheit, oft durchsetzt mit Fluchen und Geschimpfe, hatte es der Soldat Kusnezow schnell genug.
Er entschied sich, etwas zur;ckzubleiben. Zu seinem Erstaunen verlangsamte den Lauf auch das M;dchen, das vor kurzem sein Gesicht bis aufs Blut zerkratzt hatte. Kusnezow warf immer wieder ein Blick auf die Angreiferin. Die, trotz ihrer Wildheit und Flinkheit, gefiel ihm. Und deshalb begann er als Erster das Gespr;ch:
- Fr;ulein, und was ist mit Ihnen in unserer Garnison passiert? Sie sind doch auch Russen... Alle von Ihnen sprechen russisch...
Die junge Person antwortete dem Milit;r zuerst nicht. Sie l;chelte nur aus irgendeinem Grund, sah den gro;en und sch;nen Burschen an, der auf die Antwort wartete und deshalb schwieg. Das Schweigespiel dauerte nicht lange. Das M;dchen, kaum betrat sie die Stra;e, die zum Bahnhof f;hrte, lebte auf und fing an zu sprechen:
- Ihr Vorgesetzte ist sehr skrupellos. Er betrachtete alle unsere Dokumente. Wollte sogar von unserem Witjka, meinem Bruder, den Pass fordern...
F;r einen Augenblick wurde sie still, Alexander schwieg auch, der wollte sich jetzt aus irgendeinem Grund vor dem M;dchen und ihren Eltern f;r das schlechte Verhalten, wie es ihm schien, des diensthabenden Offiziers entschuldigen. Er h;tte es wahrscheinlich auch getan, wenn die Aussiedlerin nicht das Schweigen gebrochen h;tte. Sie schaute den Riesen an und setzte mit einem gro;en Bedauern in der Stimme fort:
- Bei uns ging zuerst alles glatt, wenn nicht dieser Vorgesetzte mit der Binde gewesen w;re... Er begegnete uns gerade an der Schwelle des Gesch;ftes, wo alles billiger als bei den Deutschen ist. Mein Vater und unser Nachbar im Wohnheim haben eine ganze Kiste russischer Wodka gekauft, und meine Mutter hat etwas sich von den Lebensmitteln gekauft... Der Vorgesetzte hat den Wodka abgenommen, aber das ;brige r;hrte er nicht an. Er drohte uns, wenn wir noch Mal gefasst werden, werden wir eingesperrt...
Die Erw;hnung der Arestanstalt hat den Milit;r sehr zum Lachen gebracht. Kusnezow hat hinrei;end gelacht, dass die Vorangehende gezwungen waren, sich umzuschauen. Mit ihm lachte auch gleichzeitig seine neue Bekannte... Der Streife begleitete die B;rger bis zum Parkplatz. Der Vater und die Mutter des M;dchens entschieden nach einigen ;berlegungen, noch einmal die Gesch;fte durchzulaufen. Alexander begegnete dem Entschluss des Elternehepaars mit gro;er Freude. Er entschied sich, Nastja, so hie; die Aussiedlerin, n;her kennenzulernen. Der Spaziergang der jungen Menschen in der Stadt dauerte etwas mehr als eine Stunde. Das Wort im Gespr;ch f;hrte das M;dchen, der Soldat fragte nur manchmal etwas die neue Bekannte oder best;tigte einfach nochmals das Gesagte. Nastja, die nur ein bisschen j;nger als der Soldat war, hatte in ihrem kurzen Leben schon, wie auch er, die Schwierigkeiten des Lebens erfahren. Sie war in einem kleinen sibirischen Dorf geboren, in dem haupts;chlich Russlandsdeutsche lebten. Dem M;dchen gefielen ihre kleine Heimat und der Fluss, in dem es sehr viel Fische gab. Sie hatte auch ein Br;utigam, einen russischen Bursche, der Ingenieurwesen studierte. In Prokasino gingen die Ger;chte ;ber die bevorstehende Hochzeit des jungen Ingenieurs-Elektrikers und der Studentin des zweiten Kurses des p;dagogischen Institutes hartn;ckig rum. Aber leider... Die Hochzeit fand nicht statt. Das Leben hatte anders entschieden. Auf dem Territorium des riesigen Landes hat die gro;e Willk;r angefangen, die auch bis in die weiten sibirischen Ecken angekommen war. Die D;rfer zerfielen wie Kartenh;uschen. Das deutsche Dorf ;berlebte nur auf Kosten des Flei;es ihrer Bewohner, aber auch bei ihnen war mal Schluss. Die Bauern bekamen jahrelang kein Gehalt, sa;en mehrere Wochen ohne elektrisches Licht da. Viele Russen sahen f;r die Zukunft schwarz. Bei den Deutschen dagegen keimte die Hoffnung auf eine bessere Zukunft auf. Diese Hoffnung wurde Deutschland. Das einst saubere und sch;ne Dorf starb buchst;blich innerhalb eines Jahr aus. Die Deutschen, klein und gro; wanderten in die historische Heimat ihrer Vorfahren aus. Fuhren sogar ohne Kleingeld in der Tasche weg, niemand kaufte die guten H;user und ihre Wirtschaftsgeb;ude. Die Bewohner der umliegenden D;rfer und die St;dter wussten sehr gut, dass «die Deutschen» keine reichen K;ufer in diesem, von Gott vergessenen Dorf, finden w;rden.
Eine Stunde nach der Abreise der deutschen Familie zogen ins leere Haus die neuen Bewohner r;cksichtslos ein. Haupts;chlich waren es Kasachen, die nicht selten in die fremden, gepflegten H;user ihr Vieh "einsiedelten"...
Alexander Kusnezow traf sich mit der neuen Bekannten am n;chsten Tag wieder. Von Dachbau bis zur Stadt Bonhaus, wo Nastja mit den Eltern im Wohnheim lebte, war es nicht sehr weit. Nur drei Haltestellen mit dem Zug. Der Soldat beschloss, die f;nf Mark zu sparen und fuhr deshalb ohne Fahrkarte "schwarz" als ein "Hase", aber er kam Problemlos an. Das M;dchen erwartete ihren Landsmann auf dem Zugbahnhof. Sie war „aus dem H;uschen“, als sie den ehemaligen Streifenposten in einem sch;nen braunen Anzug erblickte. Elegant sahen an dem Burschen auch die schwarzen Schuhe aus. Als Alexander das M;dchen sah, sprang er geschickt vom Trittbrett des Zuges und lief mit sicherem Schritt zur Nastja. Ein paar Schritte vor ihr machte er die linke Hand hinter dem R;cken frei und hielt der Aussiedlerin eine rote Rose hin. Jene sagte nichts. Sie dr;ckte nur aus irgendeinem Grund sehr fest die Hand dem gro;en Burschen und l;chelte, als wollte sie ihre sch;nen Z;hne zur Schau stellen. Danach gingen sie in die Stadt spazieren. Das ziellose Spazieren hatten sie bald satt. Die jungen Leute gingen in ein kleines Caf;, es befand sich weit entfernt von der Hauptstra;e der Stadt und war von einer kleinen Gr;nanlage umgeben. Solche eine Umgebung erfreute das junge P;rchen sehr. Das M;dchen wollte nicht auf die zahlreichen Bewohner des russischen Wohnheimes treffen, der sch;ne Bursche wollte auch nicht auffallen. Er f;rchtete sich immer noch vor den Milit;rstreifen, die konnten ohne Probleme die "Verwandten" an ihrer kurzen Frisur oder der Gangsart erkennen. An diesen Merkmalen wurden die sowjetischen Soldaten auch von jedem orteans;ssigen Deutschen, ganz zu schweigen von der Polizei, erkannt...
Die jungen Leute hatten jetzt Stille und Ruhe n;tig, sie sehnten sich nach der menschlichen N;he. Alexander hatte schon seit zwei Jahren keine weibliche Hand mehr ber;hrt, er hatte genugsatt von den "groben Mannsbilder" in Mmilit;runiform, die in der Kaserne Tag und Nacht hin und her liefen. Eine Beziehung wollte auch die Aussiedlerin. Die Seele und das Herz sagten ihr vor, dass sie einem anst;ndigen Burschen begegnet war...
Die zwei sch;nen Menschenwesen sa;en im Caf; ziemlich lange und unterhielten sich, etwa drei Stunden. Sie haben es schon seit langem vergessen, wie sie in der ersten Minute des Aufenthaltes im Caf; mit einer paar d;nnen W;rstchen „fertig waren". Jeden qu;lte der Hunger, die Augenlider wurden von der gestrigen Schlaflosigkeit schwer, aber niemand wollte es eingestehen. Sie hatten nicht nur gemeinsame physische Bed;rfnisse. Jeder von ihnen hatte in der vergangenen Nacht im Kopf und in der Seele heimliche Gedanken und Pl;ne entwickelt. Besonders kam damit der Soldat voran, er wollte sehr von seiner Bekannten alles ;ber das Leben in Russland und in Sibirien erfahren. Etwas hatte er auch f;r die Ausfrage ;ber das Leben in Deutschland zurechtgelegt. Die Aussiedler wussten viel mehr vom hiesigen Leben als er, der Soldat, der offiziell nur paar Mal in die Entlassung in den zwei Jahren und das unter Begleitung ging. Das M;dchen, wie auch w;hrend des ersten Treffens, f;hrte den Burschen in den Ablauf des internationalen und hiesigen Lebens ziemlich schnell ein. Sie kam kaum dazu, auf Alexanders Fragen zu antworten, der am Ende des weiblichen Monologes schon den Geschmack des deutschen Bieres wieder vergessen hatte.
Nastja hatte den Apfelsaft erst vor dem Weggehen ausgetrunken. Der "Wissbegierige" kam auch am n;chsten Tag wieder zum Treffen...
Zwei Wochen vergingen, nachdem der Streifensoldat Kusnezow unter ungew;hnlichen Umst;nden die sympathische Russlandsdeutsche kennengelernt hatte. Sie gefiel ihm sehr. Ihr gefiel der Soldat der russischen Armee, der die Beine schon bald „forttragen sollte“, auch. Nur nach zwei Wochen hat das M;dchen den Burschen ins Wohnheim eingeladen. Im Heim fand der Neue sich sehr schnell Freunde, die sich in der Mehrheit beim m;chtigen und gro;en Soldaten einschmeichelten. Kusnezow verzichtete auch nicht auf die Bekanntschaft mit den Bewohnern «der russischen Insel der Freiheit", so nannten das Wohnheim die jungen Leute. Er spielte mit ihnen Karten und soff richtig. Einmal betrank er sich so stark, dass er im Wagen des freundlichen Jurka Wei;, eines Aussiedlers aus Kasachstan, ;bernachtete. Die Informationen, die Alexander w;hrend der Besuche im Heim bekam, "verarbeitete" er st;ndig. Nachdenken musste er ziemlich gr;ndlich. Das erschreckende Bild des Lebens, das in seiner Neidjonowka eingetreten war, brachte den Burschen auf ziemlich tr;be Gedanken. Zeit zu verschwenden in dem weiten D;rfchen oder an anderer Stelle des gro;en Landes wollte er nicht. Die Eltern waren gestorben, Verwandte und nahe Menschen gab es nicht. Einen Beruf hatte er auch nicht. Das alles brachte ihn ziemlich oft auf einen Gedanken: man muss aus der Einheit weglaufen, um hier, in diesem Land, zu bleiben und zu leben. Einen Irrtum in seinem Entschluss schloss der Soldat aus. Die Deutschen aus der Sowjetunion kamen in Zehntausenden hier an und l;sten sich augenblicklich in den St;dten und in den D;rfern des kleinen Landes auf. Die Aussiedler lebten nicht schlecht, sondern sogar sehr gut. Die Bewohner «der russischen Insel» gingen mit zufriedenen Gesichtern, viele hatten schon Autos gekauft. Die Liebhaber anderer Empfindungen zogen das Bier vor und rauchten teure Zigaretten. Von all den tr;umte auch Sanjka Kusnezow aus dem weiten Dorf Neidjonowka, nach der satten Realit;t musste man nur die Hand ausstrecken...
Die Massenflucht der Russlanddeutschen aus dem einst m;chtigen gro;en Land hielt Alexander f;r richtig. Das totalit;re Regime der UdSSR sowohl in der Vergangenheit und als auch in der Gegenwart zwang diese flei;igen Menschen in die historische Heimat der Vorfahren auszureisen. Die Massenemigration wurde von einer Reihe von Gr;nden herbeigerufen. Zu den Gr;nden des gesellschaftspolitischen Charakters geh;rten die negati-
ven Folgen der volksfeindlichen Politik der KPdSU, die Dutzende von Jahren durchgef;hrt wurde, die der genetische Fond der Deutschen in bedeutender Masse gesprengt und zu ihrer physischen Vernichtung beigetragen hatte. Sie wurde auch durch eine langj;hrige Diskriminierung der Deutschen auf dem religi;sen Gebiet verursacht. Sie h;rten auf, an die leeren Versprechungen der offiziellen Beh;rden ;ber die ;berlassung der Verfassungsrechte und die M;glichkeit einer zivilisierten Existenz in die UdSSR, ganz zu schweigen von der Wiedergeburt der deutschen Staatlichkeit im Land, zu glauben. Ein anregenden Motiv, das das Anwachsen der Emigration f;rderte, waren auch solche negativen Erscheinungen wie Trunksucht, Diebstahl, Bestechlichkeit, B;rokratismus, Unordnung und Rechtlosigkeit. Im Laufe der Pseudoumgestaltung, die die Parteibeh;rde geschaffen hatte, nahmen diese negativen Erscheinungen Massenma;st;be an. Der ;bergang Russlands zur sogenannten Marktwirtschaft sowjetischen Typs bewirkte neue negative sozial-politische und Wirtschaftserscheinungen wie die Arbeitslosigkeit, die nicht regelm;;ige Gehaltszahlungen, Anwachsen von Kriminalit;t und Korruption, was zum Versto; der Normen des zivilisierten menschlichen Wohnheimes beitrug...
F;r die Ausreise in die historische Heimat der Vorfahren hatten die Deutschen der Sowjetunion auch pers;nliche Gr;nde. Viele von ihnen wollten mit den Verwandten, die in der BRD wohnten, wiedervereinigt werden. Der Wunsch und die M;glichkeit, in der historischen Heimat einen h;heren materiellen und kulturellen Wohlstand zu erreichen, zwang auch die Menschen, das Land zu verlassen.
Die Zahl der Ausreisende wuchs mit jedem Jahr. Nach dem Fall der Berliner Mauer 1989 kamen in der BRD 98 134 Menschen, in 1990 - 147 950 Menschen an. 1995 reisten ins Land 209 409 Aussiedler ein...
Eine Hoffnung f;r "den Geist" der Idee einer Flucht Kusnezows gaben die Informationen ;ber die sowjetischen Fahnenfl;chtigen aus der Westgruppe der Truppen. W;hrend der kleinen Feiern mit den jungen Aussiedlern schwoll der Kopf des Soldaten von allerlei Ger;chten an. Alexander hielt sich den Kopf von den Informationen einiger Leute dar;ber, dass in den W;ldern Deutschlands hunderte, vielleicht sogar auch tausende ausger;stete sowjetische Soldaten schlendern. Dutzende Fl;chtlinge baten um politisches Asyl im
Land. Die Seele des Riesen jubelte, er war auf dem richtigen Weg. Der Wunsch in der BRD zu bleiben, um hier gl;cklich und reich zu leben, besch;ftigte den Soldaten immer mehr und mehr... Gleichzeitig glaubte Kusnezow jedem und an etwas, aber Vieles fegte er auch weg. Manchmal ;berpr;fte er das Geplauder ;ber die Befehle zur Fahnenflucht aus der Einheit, die den Soldaten erschrecken. Der Soldat, um die Wahrheit ;ber die Fahnenfl;chtigen zu erfahren, fing an, die verschn;rten Zeitungen, die im Lenins Zimmer lagen, zu lesen. Ehrlich gesagt zeigte er vom ersten Tag des Dienstes kein Interesse an dieser Informationsquelle. Und viele seine Kollegen interessierte das alles auch nicht. Alle wussten sehr gut, dass die Wahrheit ;ber das Land und ;ber die Armee niemand und niemals schrieb und auch nicht schreiben w;rde. Dank den Bem;hungen des Stellvertreters f;r die politische Arbeit und des Kompaniechefs blieben die verschn;rten Zeitungen f;r ein Jahr, sogar auch f;r zwei Jahre erhalten. Die Offiziere verwendeten sie zum Schreiben der Konspekte. Die Verwalter der Gliederung stapelten die Zeitungen in der Kanzlei, damit ein Teil "des Papierquatsches" nicht Verwendung in der Soldatentoilette fand. W;hrend der Ankunft der gro;en Vorgesetzten belegten die verschn;rten Zeitungen ihren Platz im Lenins Zimmer. Die Soldaten, die die Zeitungen zu lesen w;nschten, kamen zum Kompanieschreiber, jener gab sie gegen Unterschrift aus. Bei R;ckgabe wurden alle Zeitungsnummern sorgf;ltig gepr;ft.
Zum ersten Mal las der Rekrut die kurze Information ;ber die Entlaufenen in der Milit;rform in der Zeitung «Roter Stern» bald nach der Eidesablegung. Der Artikel hatte den Gr;nschnabel sehr neugierig gemacht. 1988 waren aus der GSSD zwei Soldaten-Esten nach Amerika weggelaufen mit der Hoffnung, dort ein besseres Leben zu finden. Als der Milit;rkorrespondent davon sprach, bedauerte er gleichzeitig die armen Schlucker, die sich auf den K;der der westlichen Massenmedien sich eingelassen hatten.
Alexander bezweifelte in jenem Abend auch, dass im fernen Amerika das Leben besser sein k;nnte, als in seiner Heimat. Die amerikanische Lebensweise erschreckte ihn sehr. Hier aber, im Milit;rst;dtchen, das sich auf dem Territorium des sozialistischen Deutschlands befand, ging es ihm gut, niemand und nichts erschreckten ihn. Der Gr;nschnabel ging ziemlich oft auf dem Territorium der Einheit spazieren und war begeistert von der Technik und der Ausr;stung, die sich hier bei den Russen befanden. Die Ausstattung war auch in Wirklichkeit erstklassig, davon ;berzeugte er sich w;hrend des Lernens oder des Schie;ens mehrfach. Die Mitwirkung an dieser Armada und an jenen Menschen, die diese Technik besa;en, rief dann beim jungen Soldaten einen bestimmten Verdacht gegen;ber denen hervor, die die Truppeneinheiten verlie;en.
Die offizielle Presse, sowohl die sowjetische als auch deutsche, brachten verschiedene Angaben ;ber die Anzahl der Fl;chtigen. Das Kommando der WGT verneinte ;berhaupt das Vorhandensein bewaffneter Fahnenfl;chtiger bei den sowjetischen Soldaten auf deutschem Territorium. Hauptgr;nde f;r die, die ihre Einheiten verlassen hatten, waren falsche Handlungen seitens der Kollegen oder einiger Kommandeure. Was "die falschen" Handlungen bedeuteten, wusste der junger Soldat Kusnezow sehr gut, er hatte es schon am eigenen Leib erfahren-...
In Wirklichkeit, laut der offiziellen Beh;rde, blieb alles genau so, wie es auch fr;her war. In der m;chtigsten Armee der Welt, die aus Arbeitern und Bauern bestand, gab es keine Schikanieren und niemand lief irgendwohin weg. Das Beste gab es und war nur in der GSSD zu finden. Hier gab es die beste Kampfbereitschaft und einen sehr hohen und moralischen Geist. Die Korrespondenten, mit den Sternchen und ohne, schrieben ;ber die pl;tzlich zustr;mende Einheit des Geistes der GSSD und der Bewohner des vereinigten Deutschlands. Im Januar 1991 waren ;ber 25 tausende Pakete mit Geschenken den sowjetischen Soldaten der neun Garnisonen im Land Th;ringen ;bergeben worden. Diese wohlt;tige Aktion wurde auf Initiative der CDU des westdeutschen Landes Rheinland-Pfalz durchgef;hrt. Am 17. Februar dieses Jahres wurde in 23 Garnisonen der WGT zum ersten Mal in der Geschichte der GSSD «ein Tag der offenen T;ren» durchgef;hrt. Tausende Deutsche besuchten die Kasernen. An diesem Tag dankte in der sowjetischen Garnison Grimma des Landes Sachsen die F;hrung des Landbezirks dem sowjetischen Soldaten Mechmedow f;r die Rettung des ertrinkenden siebenj;hrigen Jungen Marcel Raabe. Alexander nahm leider an der Rettung des Ortsbewohners nicht teil. Die deutschen Geschenke gingen an den Bewohnern des Milit;rst;dtchens in Dachbau auch vorbei.
Seine geheimen Gedanken wollte Kusnezow mit Nastja noch w;hrend des ersten Wiedersehens im Caf; teilen. Sie haben damals Vieles klar und offen einander gestanden. Jedoch sch;ttete er seine Seele aus irgendeinem Grund nicht bis zu Ende w;hrend des ersten Treffens aus, auch sp;ter nicht. Er f;rchtete sich sehr vor den ernsten Augen des M;dchens. Ihm schien es, dass sie nicht nur seine bestialische Entscheidung ;ber die Flucht aus der Einheit augenblicklich absto;en, sondern auch seine Seele und Herz absto;en w;rde. Er w;re f;r immer vergesto;en. Der Soldat hatte Angst vor der Einsamkeit, nach dem Tod der Eltern wurde es f;r ihn wie eine echte Folter. Die seelische Leere f;llte auch das Armeealltagsleben nicht aus. Viele Milit;rangeh;rigen, auf das „Hinausf;hren wartend", zogen sich in kleinen Gruppen zur;ck, einige besoffen sich oder stahlen.
Hauptmann Makarow hatte auch keine Zeit f;r seinen Landsmann. Er hatte den Dienst sausen lassen und lief mit seiner Frau durch das deutsche St;dtchen, um mehr Klamotten f;r die Familie zu kaufen. Alexander hat entschieden, am ersten Juli sich vom herzlichen "Splitter" zu befreien. Es war ein wichtiger Anlass. Nastja wurde in diesen Tag zwanzig Jahre alt. Viel Geld hatte Kavalier nicht, nach der Entlassung Ischakows hat er nur paar Mal «gehandelt» und nur mit Kleinigkeiten... Ohne Blumen aber ging nicht er zu dem Geburtstagskind. Bevor er in den Zug stieg, „besuchte“ er fr;h morgens den kleinen Garten der Deutschen. Das M;dchen freute sich ;ber die Ankunft des Burschen sehr und gab ihm einen leichten Kuss auf die Wange. Der gro;e Strau; aus roten und wei;en Rosen vom Soldaten war wundersch;n...
In dieser Nacht ;bernachtete Soldat Kusnezow zum ersten Mal in der ganzen Zeit seines Dienstes in der Westgruppe der Truppen nicht in der Einheit. Die Deutsche aus Russland unterst;tzte die Endscheidung ihres Geliebten, die Truppeneinheit zu verlassen und in der historischen Heimat ihrer Vorfahren zu bleiben zu leben. Sie versprach, alles M;gliche f;r sein Gl;ck zu tun. Die Nacht des ersten Juli war f;r den Milit;rangeh;rigen der russischen Armee eine ungew;hnliche Nacht. Gerade in dieser Nacht, im st;dtischen Park, in dieser Ecke der Erde, wo es im ;berfluss Blumen und D;fte gab, entschied er sich, sein Privatleben zu ;ndern. Das halbbetrunkene junge M;dchen, in festen Umarmungen des stattlichen sch;nen Mannes, versprach ihm, nicht nur eine sichere St;tze, sondern auch eine liebevolle Frau zu werden...
Die Abwesenheit des Soldaten Kusnezow hatten die Offiziere der Kompanie nicht bemerkt. Niemand bemerkte auch den Reisesack, den er im Wald nicht weit vom Park der Kampffahrzeuge versteckt hatte. In der alten Aktentasche lagen die Soldaten «Klamotten», die der Riese bei R;ckkehr von der „Selbstentlassung“ wieder anzog. Am Morgen erwartete den noch nicht gewordenen Fahnenfl;chtigen in der Einheit eine verbl;ffende Neuheit. Die Motorzeiger verlie;en das Milit;rst;dtchen nach einer Woche. Es zweifelte jetzt schon niemand daran, auch der Riese nicht. Alexander entschied sich zu handeln, so schnell wie m;glich. Nachmittags begab er sich in den Wald, wo sein Versteck war. Die kleine Grube, die vom Rasen bedeckt war, fl;;te ihm jetzt kein Vertrauen mehr ein. Er wusste genau, dass es dutzende ;hnliche Verstecke in diesem Kiefernwald gab. Der Soldat, der von eine beunruhigten Gedanken getrieben wurde, "untersuchte" tats;chlich jeden Meter des kleinen Waldes. Der Armeealte hatte sich in seinen Vermutungen nicht geirrt. Er hatte noch drei ;hnliche Verstecke gefunden, alle "vollgef;llt". In einem lag ein kurzes automatisches Gewehr „Kalaschnikow“ und ein Kiste mit Patronen, in den ;brigen waren Lebensmittel. Von solch einem «Fang» setzte sich Kusnezow sogar auf die Erde. Ein Gedanke, dass man das alles mitnehmen und ein sicheres Versteck etwas weiter von diesem Wald suchen sollte, kam ihm sofort. Er kam in die Kompanie erst zum Abendessen, die Kompanie a; schon. Der Sch;tze schlief in dieser Nacht wie ein Toter. Er war ;berzeugt, dass sein Versteck auch am Tag mit einem Feuer nicht finden w;rde...
Bis zur Abfahrt der Staffel verlor Kusnezow keine Zeit. Das Versteck, f;r das die zerfallene Gartenlaube diente, wurde mit zwei Kartons Buchweizenbrei und B;chsenfleisch erg;nzt. Zwei Matratzen mit Decken passten ohne Problem hinein. Alexander war ein praktischer Mensch. Er brachte in das kleine H;uschen buchst;blich Alles, was f;r den Aufenthalt n;tzlich sein konnte. Das weitere Leben schloss keine Schwierigkeiten aus. Die Vernunft, wenn auch primitiv, hatte ihm sein l;ndliches Leben gelehrt wie auch der Dienst in der Armee.
Das Motorschie;regiment ging planm;;ig aus dem St;dtchen tief in der Nacht. Das Lied "Slawjanka" war nicht vorgesehen, die Armeebeamten f;rchteten, die Ruhe der Ortsbewohner zu st;ren. Alles lief ohne offizielle Feierlichkeit ab, es fehlten auch die Vertreter der st;dtischen Macht. Kusnezow schlenderte nach dem Abendessen lange durch die Kaserne und betrachtete aus irgendeinem Grunde gleichg;ltig das ganze Durcheinander des letzten Sammelns und der Vorbereitungen. Im dreigeschossigen Geb;ude war ein totales Durcheinander. In den Schlafr;umen waren die T;ren zerbrochen, die Scheiben in den Fenstern ausgeschlagen. Alle W;nde, sogar ein Teil der Decke, war beschrieben und mit Zeichnungen bedeckt. Ein Autogramm im Flur hinterlie; auch Alexander, der mit der Spitze des Bajonettmessers seinen Familiennamen und das Jahr der Entlassung geschrieben hatte. Jeder Soldat entschied in dieser Zeit selbst, was er machte, um sich besser auf den Mehrtagesmarsch nach Zentralrussland vorzubereiten. Es stand ein schwerer Marsch, ohne deutschen Komfort, bevor...
Der Riese schlief bis zum Sirenenweckruf. Er war aufgeregt und ;berpr;fte seine Endscheidung, von den furchtbaren Gedanken wurde es ihm manchmal schlecht. Sein Herz, wie es ihm schien, w;rde gleich stehenbleiben oder aus dem Brustkorb herausspringen. Auch der Kopf brummte. Der Soldat schaute immer wieder mal auf die Kommandeursuhr. Bis zur Sirene blieb es ca. eine Stunde. F;r paar Augenblicke schlief Alexander ein, unerwartet f;r sich und f;r seine schmerzende Seele. Im Traum hatte er seine Eltern, den Vater und die Mutter gesehen. Der Sohn hat das Gesicht seines Vaters aus irgendeinem Grunde undeutlich, seine Mutter aber sah er deutlich, wie lebendig. Er sah jedes F;ltchen auf ihrem sch;nen Gesicht. Ihn haben nur die Augen der Frau sehr stark betroffen gemacht, sie waren sehr traurig. Alexander konnte das seltsame Verhalten des M;tterchens nicht verstehen, die mit den Tr;nen in den Augen l;chelte und fl;sterte:
- Sanetschka, du mein Einziger... Verfolge deine Idee weiter... Sie wird dir vom Willen Gottes vorgeschrieben.... Gehe weiter, schreite fester... Man darf unseren Gott nicht ver;rgern... Gehe weiter, mein Herzchen...
Von dem prophetischen Traum wachte Kusnezow auf und schrie laut auf, sein ganzer K;rper war feucht. F;r einen Moment wurde er von dieser Welt abgeschaltet. Danach fing er an, mit den H;nden sein Gesicht zu betasten, um zu pr;fen, ob er als Mensch noch auf dieser Erde w;re. Dann stellte er heftig die Beine auf den Fu;boden. Die kommenden Empfindungen zeugten davon, dass er in der Milit;rform auf dem Metallnetz des Bettes lag und sich im kleinen Schlafraum befand. Und das hatte ihn wieder gezwungen, in die Welt des Lebens zur;ckzukehren. Die Zeit bewegte sich unerbittlich vorw;rts. Was mit ihm weiter geschehen w;rde, was er jetzt oder sp;ter machen w;rde, wusste er auch selbst nicht. Bis zum F;llen der letzten Entscheidung blieben drei;ig Minuten, nicht mehr und nicht weniger. Alexander wusste sehr gut, dass jetzt nur er der Herr seines Schicksals war. Nur er, und kein anderer konnte diese sehr wichtige Entscheidung treffen. In dieser halben Stunde war der Preis der Endscheidung ;berm;;ig hoch, eine Fehlkalkulation konnte mit einer lebenswichtigen Katastrophe enden. Jetzt f;rchtete er sehr seine Unentschlossenheit und viellecht sogar seine Feigheit. Wenn sein Wunsch zu desertieren zu den Offizieren dringt, w;rde er einen gro;en ;rger bekommen. Kusnezow schaute wieder auf die Uhr, bis zum Befehl zum Aufstehen des Diensthabenden der Kompanie blieben zehn Minuten. Er sprang schnell aus dem Bett und verlie; auch schnell das Territorium der Kompanie...
Erst nach zwei Stunden ;ffnete sich das Tor des Kontrollpunkts der Einheit. Die Motorzeiger verlie;en das Milit;rst;dtchen, verlie;en es f;r immer. Alle, die in der Reihe gingen, wussten das sehr gut und verstanden es auch. Einige Offiziere wischten die Tr;nen nicht ohne Gr;nde heimlich weg. Von ihnen wird niemand und nie wieder mehr die Untergebenen auf diesen sehr gem;tlichen Fetzen der Erde bringen und sie hier unterrichten. Hier w;rden niemals mehr Milit;rm;rsche erklingen, die die Mehrheit der ortsans;ssigen Deutschen anhimmelten. Es gab auch solche unter ihnen, die anl;sslich der Milit;rmacht der Sowjetunion schadenfroh waren. Die Zahl der Hasser war immer gr;;er geworden, besonders in der letzten Zeit, als die Verordnung ;ber den Abzug der sowjetischen Truppen aus Europa kam... Hauptmann Makarow ging mit seiner Kompanie als Bestandsteil des Regiments hinaus. Lust, das Milit;rst;dtchen zu verlassen, hatte er nicht. Er ertrugt sehr schwer den Abzug, aber er bem;hte sich, ein Beispiel f;r seine M;ndel zu sein. Seine kr;ftige Stimme klang ;berall und es half den Soldaten und den Offizieren. Er atmete nur etwas tief, als er an seinem Offiziershaus zum letzten Mal vorbeiging. In der Zweizimmerwohnung des F;nfgeschosses hatte er zusammen mit seiner Frau und dem T;chterchen fast f;nf Jahre gewohnt. Jetzt in der Dunkelheit war der kleine Bau inm unbekannt, sogar unheimlich fremd. Von diesem Gef;hl und dieser Empfindung wurde ihm kalt. Er kroch gezwungenerma;en in sich zusammen, obwohl es eine Julinacht war.
Alexander, nachdem die Kompanie die Schwelle des Kontrollpunkts zum letzten Mal ;berschritten hatte, trat unerwartet aus der Reihe heraus, ging nicht zur Abgabe des n;chsten Befehls oder Hinweises hinaus. Seine Kompanie ging zur Verladestation ruhig, auf Totenstille bedacht. Und diese Stille hatte nicht nur den grauen Offizier erschrocken, sondern lastete auch auf ihn furchtbar, dr;ckte, wie die gr;;te Presse auf diesem Planeten. Ihm war es sehr peinlich und kr;nkend f;r sich und f;r seine Untergebenen, die mit den Waffen in den H;nden ganz unbemerkt diese Erde verlie;en, die Gro;v;ter und die Urgro;v;ter vor einem halben Jahrhundert vom Faschismus befreit hatten. Der grauhaarige Hauptmann wusste auch selbst nicht, wieso er immer noch da stand und mal auf die Kaserne und dann wieder auf das Haus sah. Die Tr;nen, wie die Tr;pfchen des Morgentaus, tropften langsam aus den Augen und verschwanden unter seinen dicht gewachsenen Borsten. Aus dem Zustand der nerv;sen Erstarrung holte ihn der Kompaniechef Leutnant Makorin, der Zugf;hrer, heraus. Der Untergebene war ganz verschwitzt und sehr aufgeregt. Er hatte sich aller Wahrscheinlichkeit nach zu sehr angestrengt und atmete deshalb schwer. Der Offizier, als er den Vorgesetzten sah, setzte schnell seine Khakischirmm;tze auf seinen Glatzkopf und berichtete laut:
- Genosse Gardehauptmann, ich suche diesen Kusnezow schon die ganze Nacht... Gestern am Tag und am Abend sah man ihn und jetzt ist er verschwunden... Dieser Boxer ist wie von die Erde verschlungen... Ich denke, dass alles in Ordnung, ohne au;ergew;hnlichen Vorfall, kommt. Er kennt die Gesetze und wird mit ihnen nicht scherzen...
Der Hauptmann Makarow reagierte in keiner Weise auf den Vortrag des Untergebenen. Er blieb weiterhin stehen und sah in Richtung des Milit;rst;dtchens. Als der Zugf;hrer die Tr;nen des Riesenmannes sah, beschloss er, ihn mit seinen Schlussfolgerungen nicht mehr zu st;ren. Er erwies ihm noch einmal die Ehrenbezeigung und lief mit beschleunigten Schritten, seinen Zug einzuholen. Nach ein paar Sekunden war er schon au;er Sichtweiten der Menge der ausger;steten jungen M;nner verschwunden. Ihm folgte sofort auch sein ;lterer Kommandeur...
Alexander Kusnezow, nachdem er sich an dem Stuben;ltesten der Kompanie unbemerkt vorbeigeschlichen hatte, begab sich schnell in die Richtung des Sportst;dtchens und versteckte sich hinter einem Schild aus der Presspappe. Auf dem Schild war ein sch;ner und strammer Soldat mit nacktem Oberk;rper h;ngend auf einem Reck dargestellt. Er glich etwas dem Sibirier. Auf den Sportplatz war der Soldat ;fter gewesen, besonders im ersten Jahr seines Dienstes. In dem zweiten Jahr hatte er mit dem Muskeltraning aufgeh;rt. Es war ihm auch schon nach dem Status s;ndhaft zu machen. Der Alte kam mit einem anderen Ziel hierher. Nachmittags zog er sich in der Regel bis zum G;rtel aus und "warf sich" auf die h;lzerne Liege, um sich ausgiebig zu sonnen. «Das Sonnenbad» dauerte manchmal stundenlang und ging ohne jede Nervosit;t vorbei. Die jungen Soldaten konnten die Ruhe des Riesen "nach dem Status" nicht verletzen, die Gleichaltrigen f;rchteten einfach sich von ihm. Die Offiziere hinderten ihn auch nicht daran. Nach den Sonnenb;dern ging Kusnezow zu den Wasserprozeduren ;ber. Im Badezimmer veranstaltete Alexander wahrhaftig eine herrschaftliche Dusche. Als der Stuben;lteste erfuhr, dass "Stevenson" die Knochen waschen w;rde, lief er sofort ins Badezimmer, um einen Gummischlauch an den Wasserhahn anzuschlie;en. Unter lauten Ausrufen der zahlreichen Gaffer zog sich der Riese ganz nackt aus und demonstrierte gern den sch;nen und starken K;rper. Dann, auf Befehl des Athleten, drehte der Stuben;lteste das Wasser auf und begann ihn aus dem Schlauch zu begie;en. Zuerst zog sich der Alte unter den Strahlen des kalten Wassers zusammen und st;hnte. Nach einer Weile geriet Alexander in Eifer und sp;ter begann er vor Vergn;gen laut zu schreien. Die Wasserprozeduren im Vergleich zu denen in der Sonne waren sehr kurz. Nach der Dusche lief Kusnezow in den Schlafraum und „schaltete“ bis zum Abendessen „ab“...
Der Entlaufene erkannte seine Kompanie sofort und sie konnte man wegen des Hauptmerkmales nicht nicht erkennen. Hauptmann Makarow, der vor der Kolonne ging, unterschied sich auffallend von allen Untergeordneten durch seine Gr;;e und m;chtige Figur. Fast zwei Stunden, w;hrend sich das Regiment auf den Marsch vorbereitete, ;berlegte Alexander immer noch hin und her. Einmal wurde er f;r einen Augenblick schwach, bei ihm tauchte wieder der riesige Wunsch auf, seinen Platz in der Reihe der Kompanie, der Einheit und der ganzen Sowjetischen Armee einzunehmen. Er wollte zur;ck nach Hause fahren und sich vor den M;dchen mit allerlei Kampf- und Sportauszeichnungen zeigen. Jetzt bezweifelte er schon ;berhaupt nicht mehr, dass alle Schwierigkeiten in der Heimat f;r ihn, den starken und stattlichen sch;nen Mann ohne Bedeutung sein w;rden. Der Soldat streckte seinen Kopf hinter der Ecke des deutschen Hauses hinaus, die Villa stand gegen;ber dem Kontrollpunkt. Von dem Gesehenen erstarte der Entlaufene und weinte bitter. Die erste Kompanie war ans Haus herangekommen.
Kusnezow h;tte fast sein Versteck verlassen und w;re zum Kommandeur losgerannt, als er ihn sah. Der war aus irgendeinem Grund aus der Marschreihe hinausgegangen und stand, wie eine S;ule. Zwischen dem Soldaten und dem Offizier war es etwa f;nfzig Meter, nicht mehr. Der Untergebene, dem es schien, dass er das Atmen des Vorgesetzten h;rte, beobachtete seinen Kommandeur intensiv und wartete auf seine n;chsten Handlungen. Aber es passierte nichts. Der grauhaarige Mann in der Milit;rform sah traurig aus irgendeinem Grund auf das Milit;rst;dtchen, das er gerade erst verlassen hatte, und schwieg. Es schwieg auch der, der sich entschieden hatte, in der Fremde zu bleiben. Das seltsame Verhalten des Kommandeurs beruhigte Alexander irgendwie. Er fing an, sich deutlich bewu;t zu werden, dass er in diesen Moment noch kein Fahnenfl;chtiger und kein Verr;ter war. Erst, nachdem die Kompanie in die Wagons verladen wird und in Richtung Osten abfahren w;rde, w;rde er ein Verbrecher sein… Bei diesen Gedanken verschlug es dem Entlaufenen den Atem. Der Teufelsentschluss in Deutschland zu bleiben trat auf den zweiten Plan zur;ck, trat f;r immer zur;ck. Die tierische Angst von den Folgen f;r das Verbrechen ergriff ihn wieder. Er trat scheu aus dem Versteck hervor und machte ein paar Schritte in Richtung Kolonne. Und in diesem Augenblick sah der Entlaufene Hauptmann Makarow, der den Kopf zur Seite der Villa unerwartet umgedreht hatte, wo sich gerade erst sein Untergebener verborgen hatte. Alexander schien es jetzt, dass sein Vorgesetzter in dem Augenblick nicht nur aus der Entfernung seine Gedanken erriet, sondern auch seine Seele und Herz f;hlte. Er hatte wieder Mitleid mit diesem Offizier, der in der Kompanie sehr lange "sa;". Dieses Gef;hl f;llte sich gleichzeitig mit Stolz auf die Kompanie, auf die Armee, die zwei Jahre f;r ihn eine Schule zum Erwachsenwerden und ein Ort der Tests f;r St;rke gewesen war. Mit den Tr;nen in den Augen machte der Soldat noch ein paar Schritte zum Kommandeur, der in irgendwelcher Weise ihm den Vater f;r zwei Jahre ersetzt hatte. Jetzt bezweifelte er nicht, dass der starke Mann in der Milit;rform seinen Untergebenen verstehen, ihn auf den richtigen Weg f;hren, den schicksalhaften Fehler nicht zulassen w;rde, der ihn auf die Anklagebank bringen konnte. Etwa zehn Meter vom Offizier entfernt blieb Kusnezow unerwartet stehen und erstarrte. In den Augen des Kompaniechefs standen Tr;nen. Alexander wollte seinen Augen nicht trauen. Er dachte, dass so ein kluger und starker Mensch nicht weinen konnte. Er machte noch einen Schritt vorw;rts und er hatte keine Zweifel mehr. Der grauhaarige Mann weinte. Die Tr;nen in seinen Augen waren deutlich sichtbar, wie auch sein Gesicht, das durch die Strahlen der n;chtlichen elektrischen Laterne in diesem Moment beleuchtet wurde. Was es f;r Tr;nen waren, warum der Kommandeur weinte, verstand der Soldat nicht. Er konnte auch seine weiteren Handlungen nicht verstehen. Er drehte sich heftig um hundert achtzig Grad um und lief in die Gegenrichtung weg. Nach etwa f;nf Minuten war er am Ende der Stadt. Hier war eine Stille, eine ungew;hnliche Stille. Der Entlaufene entschied sich, durchzuatmen und lie; sich auf ein B;nkchen nieder, nicht weit von einem kleinen kleinen Bach. Jetzt hatte er in seinem Kopf keine andere Gedanken nicht, au;er dem einen und richtigen. Den Entschluss hier zu bleiben, f;r immer zu bleiben, beschloss er, niemals mehr zu ;ndern. Daran w;rde ihn niemand und auch nichts mehr hindern. Auch der Gedanke an Zwangsvollstreckungen erschreckte ihn nicht. Besser zu leben, menschlich zu leben empfand der Fahnenfl;chtige der Sowjetischen Armee nicht als Verbrechen...
Ins russische Wohnheim kam Alexander am Abend, zu dieser Zeit hatte das Motorschie;regiment Dachbau schon verlassen. Nastja freute sich sehr ;ber die Ankunft des Kavaliers. Die Aussiedler wussten es schon, dass die Russen aus dem benachbarten St;dtchen weggegangen waren und deshalb fragte sie ohne jedes Nachdenken ihren Liebsten:
- Sanja, und was wirst du weiter machen? Unsere Leute erz;hlen mir davon, dass einige n Soldaten weggelaufen sind... Die Offiziere und die Deutschen fangen sie, ihnen allen droht das Gef;ngnis... So eine Frage mit solchen Kommentaren regte den jungen Mann sehr auf. Er wurde augenblicklich still. In seiner Seele und im Herz schlich sich f;r eine gewisse Zeit eine K;hle des Unverst;ndnisses und sogar eines bestimmten Hasses gege;ber seiner Freundin ein. Nastja bemerkte fast augenblicklich die auffallende Ver;nderung im Verhalten des Burschen. Um ihre Taktlosigkeit zu korrigieren, dr;ckte sie seine Hand fest zusammen und fl;sterte leise:
- Du, Sascha, nimm mir bitte das nicht ;bel... Ich w;nsche dir doch nichts B;ses... Mit dir geht es mir sehr gut... Wenn wir uns gern haben, dann fallen uns auch viele kluge Gedanken ein... Habe ich Recht, mein Athleten und sch;ner Mann?
Kusnezow antwortete nicht. Er fasste nur kr;ftig das M;dchen mit den H;nden und hob sie wie ein Kind hoch und k;sste sie fest auf den Mund. Sie antwortete auch mit einem Kuss...
Die erste Nacht nach der Flucht aus der Truppeneinheit verbrachte der Fahnenfl;chtige der Sowjetischen Armee allein mit der Geliebter, ihnen ging es sehr gut. Sie schlenderten fest umarmt in der mit Stille ausgef;llten Nacht durch das kleine St;dtchen, das im Gr;n versunken war. Die Stra;en des St;dtchens waren leer, keine lebendige Seele st;rte sie beim Spazieren oder Nachdenken. In dieser Nacht sprachen sie miteinander sehr wenig. Sie schwiegen mehr und dachten ;ber sich nach. Nastja verstand, dass ihr Freund ;ber das Vollzogene sehr aufgeregt war. Daran ;berzeugte sie sich sofort, kaum dass sie fl;chtig einen Blick auf den an ihrer Seite Gehenden warf. Ihr schien es, dass er kleiner und ;lter geworden war. Sogar seine Augen waren schon nicht mehr so ausgelassen im Vergleich zum ersten Treffen, als sie auf dem Zaun des Milit;rst;dtchens sa;. Manchmal kam dem M;dchen der Gedanke, dass man alles beiseite schieben m;sste und dem Soldaten helfen, wieder in seine Einheit zur;ckzukehren oder die Milit;rs anrufen. Sie hatte schon paar Gr;nde gefunden, die Saschka rechtfertigten, warum er vom Abmarsch zur;ckgeblieben war. Die alle schienen f;r sie real und wahrhaft. Nastja bezweifelte es ;berhaupt nicht, dass ihren Freund niemand einsperren und auch niemand ihn Verr;ter oder Fahnenfl;chtigen nennen w;rde. Diese Gedanken "klopften" bei ihr besonders hartn;ckig fr;hmorgens, als die ersten Z;ge abfuhrten…
Das Nastja von der Fahnenflucht wusste und ihre Folgen kannte, k;hlte die "Kampfeinstellung" Alexanders ab, der vor paar Stunden an der Richtigkeit der gefassten Entscheidung nicht gezweifelt hatte. Den Entschluss hatte auch Nastja vor einer Woche unterst;tzt, sie versprach ihm zu helfen, die bevorstehenden Schwierigkeiten zu ;berwinden. Gerade das Erscheinen dieses sympathischen M;dchens hatte ihm einen neuen Impuls zum Leben gegeben. Kusnezow zweifelte aus irgendeinem Grunde von der ersten Minute der Bekanntschaft nicht, dass sie, Nastja, der einzige Mensch auf dieser Erde, ihm St;tze und Ratgeberin sein, und, dass gerade diese Br;nette seine Frau werden w;rde.
Jetzt, durch die Stra;en der Stadt gehend, warf er ziemlich oft einen Blick auf das schlanke M;dchen und konnte sie nicht verstehen. Wieso begann sie, nachdem er das Vergehen, sogar das Verbrechen schon begangen hatte, zu zweifeln. Der Gehende verbannte f;r eine Zeit Nastja aus seinem Kopf und stellte sich allein in diesem satten und reichen Land vor. Aus solcher Einsamkeit wollte man nicht nur weinen, sondern auch heulen wie ein Wolf. Er h;tte es jetzt augenblicklich auch gemacht, wenn nicht die neben ihm Gehende Aussiedlerin gewesen w;re, die wie auch er schwieg. Sie machte nur hin und wieder einige Versuche, ein Blick des Geliebten zu erhaschen. In diesem Abend haben sie aus irgendeinem Grunde sehr oft ihre Blicke voneinander versteckt. Alexander schaute mit den Augen zur Seite, er ;berzeugte sich immer mehr und mehr davon, dass dem M;dchen die Schwere des milit;rischen Verbrechens, das er begangen hatte, nicht klar war. Er hatte es nicht ohne ihre Hilfe begangen. Von Zeit zu Zeit wollte er aus seiner breiten Handfl;che die zarte und feuchte Handfl;che vonn Nastja, die auf einen Augenblick sein Feind wurde, loslassen. Der junge Mann lockerte mehrfach die Muskeln seiner Hand, darauf hoffend, dass die junge Frau auch die Hand lockern w;rde und sie beide niemals die H;nde einander geben w;rden. Er beabsichtigte nicht, ihr die Hand als Erster hinzuhalten, daran zweifelte er ;berhaupt nicht. Wie er auch daran nicht zweifelte, dass er von diesem Moment an alles anders machen w;rde. Nach ein paar Minuten w;rde er sich in einen Zug setzen und zum Versteck nach seiner Milit;rform und Milit;rkarte losrennen. Noch nach einer Stunde w;rde er sich in Soldatenuniform und mit dem Automaten in den H;nden an der Station der Verladung befinden, die vor Soldaten und der Technik Tag und Nacht wimmelte...
Aber das Zur;ckzukehren stand dem Burschen nicht bevor, Nastja nahm aus der breiten und groben Handfl;che des Riesen ihre zarten H;ndchen nicht heraus. Im Gegenteil, sie presste die Hand ziemlich oft stark zusammen, presste sie mit ihrer ganzen Kraft zusammen. Der Mann f;hlte diese weibliche Kraft und sie gab ihm ein gr;;eres Selbstbewusstsein. F;r einen Augenblick erinnerte er sich wieder an den prophetischen Traum, in dem die Mutter ihn bat, nach dem Willen Gottes weiter zu gehen, sicherer zu gehen...
Kusnezow besuchte das Milit;rst;dtchen erst nach zwei Wochen, nachdem die Motorzeiger es f;r immer verlassen hatten. Fr;her seine Nase hierher zu stecken, hatte Alexander nicht vorgehabt. Er schloss nicht aus, dass in einer beliebigen Kaserne oder in der Seitengasse jemand warten k;nnte, der mit dem Auffangen des Fahnenfl;chtigen der ersten Motorschie;kompanie beauftragt war. Er wusste auch selbst nicht, wieso er einen „Besuch" in seiner Einheit machen wollte. Aller Wahrscheinlichkeit nach trugen seine Beine selbst ihn hierher. Und seine Seele sehnte sich nach der Vergangenheit, nach jenem St;ckchen der Erde, wo ganz vor kurzem noch die sowjetischen Gesetze galten und die sowjetische Lebensweise war. Hier sprachen alle und alles russisch. Auf diesem Fetzen der Erde waren ihm verwandte Menschen, die f;r ein Ziel lebten, einen Angriff der Streitkr;fte des Imperialismus abzuwehren. Kusnezow verbarg nicht das Gef;hl des Stolzes, dass er die ;u;ersten Grenzen des Sozialismus in Europa und der ganze Welt insgesamt sch;tzte.
Zum Tor des Kontrollpunktes des ehemaligen Milit;rst;dtchens kam Alexander um etwa sechs Uhr abends, er hatte sich sehr leise unbemerkt herangeschlichen. Danach dr;ckte er vorsichtig mit der Schulter auf das Metalltor. Es lie; sich m;helos ;ffnen. Im St;dtchen war keine Seele, ;berall war Totenstille. Er machte paar Schritte vorw;rts und blieb pl;tzlich stehen. Vor seinem Blick erschien wahrhaftig ein bedr;ckendes Bild. Das St;ck Land, das unter den Maronen und der Grasrasen einst in Gr;n versunken war, stellte jetzt eine ;hnlichkeit dar, das die Sieger hinterlassen, wenn sie eine Siedlung erobert hatten. Das hatte Alexander im Geschichtsunterricht gelernt und auch etwas in B;chern gelesen. Die einst sch;nen Maronen waren auf barbarische Weise entstellt und erinnerten an die entlang der Wege stehende Obstb;ume nach dem Ansturm der sowjetischen Soldaten, um Fr;chte zu naschen. Noch schlimmer sahen die R;ume in den Kasernen aus. Auf vielen Stockwerken klafften L;cher zwischen den Fenstern. Alexander konnte nicht glauben, dass seine Kollegen in ein paar Stunden vor dem Abmarsch so grausam mit der Natur und der Wohnfl;che umgegangen waren. Er ging mit einer nicht zu verbergenden Besorgnis und Aufregung in die Kaserne hinein und stieg in den zweiten Stock hinauf. Hier wurde auch etwas „erneuert" nachdem er in der Nacht die Kompanie verlassen hatte. Gerade hier im Flur wurden Haufen des M;lls abgelagert. Aus der Toilette kam ein stinkender Geruch von menschlicher Schei;e. Der Riese hielt sich augenblicklich die Nase zu und tauchte in den einstigen Schlafraum ein. Das Fenster, das sich nicht weit von dem Bett des Sch;tzen befand, war zerschlagen. Ein Teil des Glases ruhte auf dem Fensterbrett, der andere Teil lag auf dem Fu;boden. Alle Betten, ausschlie;lich das Bett des Athleten der Kompanie, waren umgedreht. Es gab keine Zweifeln, dass die Kollegen, einschlie;lich Hauptmann Makarow, auf seine R;ckkehr bis zum letzten Moment gewartet hatten. Sein Bett hatten sie auch deshalb nicht ber;hrt, weil die Soldaten von dem Sibirier Angst hatten. Die physische Zwangsvollstreckung des Gr;nschnabels gegen;ber den Alten am ersten Tag seines Ankommens in der Kompanie wurde zu einer lebenden Legende. Nach dem "Altern" Kusnezows wurde sie sich mit neuen und neuen Einzelheiten erg;nzt. Alle, einschlie;lich der Offiziere, wussten, dass der Alte die jungen Soldaten nicht schlug. Er fasste auch die anderen nicht an. Fast jeder f;rchtete allein schon sein Aussehen, ganz zu schweigen seine Faust. Die riesige Faust des Boxers war viel furchtbarer als die Faust des Kompaniekommandeurs. Die Milit;rangeh;rigen verstanden sehr gut, dass der Offizier sich f;rchten w;rde, irgendjemand damit zu schlagen, um die Sternchen nicht zu verlieren. Soldat Kusnezow hatte nichts zu verlieren, die Entlassung war nicht weit hinter den Bergen...
Alexander kam langsam zu seinem Bett heran und fuhr mit beiden H;nden ;ber das Metallnetz, danach weinte er. Ihm schien es, dass dieses Metall noch die W;rme seines K;rpers bewahrt hatte und mit seinen Problemen und Sorgen noch lebte. Mit Tr;nen in den Augen setzte sich der ehemalige Soldat auf das Bett, dann streckte er sich aus und machte die Augen zu...
Die physische und psychische M;digkeit machte sich sofort bemerkbar. Der Athlet schlief augenblicklich ein, wie ein Kleinkind, das den ganzen Tag rum lief und sich dann an der m;tterlichen Brust ges;ttigt hatte und sorglos eingeschlafen war. In dieser Nacht glich Alexanders Bett einem Federbett, obwohl er auf einem Metallnetz schlief. Er wachte morgens in der fr;hen Morgend;mmerung auf. Er sprang schnell auf und ging auf den Dachboden, wo er ganz vor kurzem mit den Kollegen das Hinaustragen des "K;rpers des Entlassenen" aus der Einheit begossen hatte. Der ganze Dachboden war vom M;ll zugesch;ttet, ;berall lagen leere Flaschen und Metalldosen herum. Dutzende
Soldatenmatratzen, die ;berall rumlagen, waren zerrissen. Kisten f;r den Offiziershausrat gab es auf dem Dachboden nicht mehr. Es war nur eine geblieben. Darin wurde fr;her das Tischlerinventar aufbewahrt und einige "Vorr;te" der Alten gelagert, die sie nicht getraut hatten, sie in ihrem Zimmer in der Kaserne zu lassen. Die Kiste wurde mit einem m;chtigen H;ngeschloss abgeschlossen, der Schl;ssel wurde an einer geheimen Stelle versteckt. Der Boxer wusste nicht, wo sich der Schl;ssel befand. Aber nicht, weil ihm die Kollegen nicht trauten. Er verbarg einfach nichts von den Offizieren, sogar seine Boxhandschuhe bewahrte er in der Kaserne auf. Der Hauptfeldwebel der Kompanie F;hnrich Nasarow zog manchmal die Handschuhe aus dem Schrank heraus, um die Untergebenen mit seiner Kraft zu ;ngstigen. Der Gott hatte ihn mit seiner Gr;;e sehr beleidigt, aber mit "den Wurzel" hatte er ihn nicht benachteiligt. Der junge Mann war zwar klein, aber in den Schultern sehr breit. Er hatte auch sehr gro;e F;uste, auf die er nur mit M;he die Boxhandschuhe drauf zog. Dem Vorgesetzten gefiel es besonders nach dem Besuch des Offizierscaf;s "zu boxen".
Er kam in der Regel nach dem Schlusssignal, wenn die Soldaten wie verr;ckt in ihre Schlafr;ume st;rmten und sich schnell ausgezogen und "die horizontale" Lage ;bernahmen. Niemand wollte dem kraftstrotzenden Menschen unter die Hand kommen. Nach ein paar Minuten klopfte es sicher an der Kammert;r. Der Diensthabende der Kompanie, der die T;r ;ffnete, ging in den Truppenschritt ;ber und berichtete ihm mit lauten Stimme, dass in der Gliederung das Schlusssignal erteilt worden und alles ohne Vorf;lle verlaufen war. Der angetrunkene F;hnrich, der entspannt am Tisch sa;, ;bernahm mit einem gl;ckseligen L;cheln den Rapport. Noch mit gr;;erer Lust zog er die Boxhandschuhe an und begann mit dem Sergeanten zu boxen. In der Regel endete der Kampf mit Sieg des Vorgesetzten. Manchmal bekam auch er etwas ab. Alles hing vom Gegner ab, die Alten g;nnten sich, bissig zu antworten. Der nicht selten betrunkene Vorgesetzte befand sich dann auf allen "Vieren"...
Diesmal war der Kiste «des Alten» nicht nur ge;ffnet, sondern auch aus irgendeinem Grunde mit allerlei Soldatenklamotten aufgef;llt. Kusnezow entschied sich, auf alle F;lle den Inhalt der Kaste umzudrehen, hoffend, dass sich etwas N;tzliches f;r den weiteren Aufenthalt findet. Er warf aus der Kiste ein paar blaue Decken, dutzende zerrissenen Soldatenhemden und ein paar M;ntel auf den Fu;boden. Dann sah er einen Offiziersregen-umhang. ;ber den Fund freute er sich sehr, der Regenmantel war eine unersetzliche Sache w;hrend des Regens. Er nahm ihn augenblicklich in die H;nde und erstarrte. Auf dem Boden der Kisten lagen ein Automat, zwei volle Magazine mit Patronen und zwei kleine Granaten. Vom diesem vollen Ausr;stungssatz kratzte es Alexander in der Kehle. Er setzte sich herunter und begann zu ;berlegen. Sofort kam ihm der Gedanke, das alles den ortsans;ssigen Deutschen zu verkaufen und zwar so teurer wie m;glich. Nach dem Abmarsch der Russen war der Gewehrmarkt in Dachbau verschwunden, war f;r immer verschwunden. Aber nach wenigen Augenblicken verwarf der Riese diesen Einfal, kaum dass er sich allein im deutschen Gesch;ft oder in der Bierkneipe vorgestellt hatte. Mit Farid w;rde er sich viel mutiger benehmen. Die ortsans;ssigen Deutschen wussten sicher schon ;ber das Verlassen der Motorsch;tzen der Stadt Bescheid und deshalb konnten sie ruhig ihn ihrer Polizei oder denselben Russen, die sich noch in vielen Orten Deutschlands befanden, ;bergeben. Die Waffen auf dem Dachboden lassen wollte Alexander aber auch nicht. Nach einer Woche, und vielleicht sogar schon morgen, k;nnten im Milit;rst;dtchen nicht nur ortsans;ssigedie lokalen Teenager, sondern auch die Erwachsenen erscheinen, die etwas "Interessantes" hier suchten...
Kusnezow verlie; die Kaserne nach einer halbe Stunde. Der Zivilmensch, der aus dem Eingang sehr vorsichtig hinausging, trug in den H;nden ein neues automatisches Gewehr, eine Kalaschnikow mit einem vollen Magazin. Ein weiteres Magazin lag in seiner Tasche. Die Morgend;mmerung brach schon kraftvoll herein und zwang den Fahnenfl;chtigen sich zu beeilen. In andere Kasernen entschloss er sich nicht zu gehen, das Aussehen der ;brigen R;ume war gleich. Das auftauchende Hungergef;hl zwang ihn sich in Richtung Offizierscaf; zu bewegen. W;hrend des Dienstes hatte er diese Stehkneipe nur einmal besucht, wo er nach Befehl des Diensthabenden der Einheit des Kompaniechefs den Hauptfeldwebel suchte. Etwas Essbares gab es weder im Keller noch im Caf;. Hier gab es auch keine Flaschen mit Spirituosen oder mit Limonade…
Aus dem Caf; begab sich der Riese in Richtung Soldatklub, der sich dem Truppenplatz anschloss. Der Platz wurde fr;her von den gro;en Portr;ts der politischen F;hrung der kommunistischen Partei und des Sowjetischen Staates umrahmt. Gegen;ber dem Klub, gleich am Anfang des Platzes, stand eine farbenreiche Wand, die eine Kopie der Kremlwand auf dem Roten Platz darstellte. In der Mitte dieser Wand befand sich ein riesiges Wappen der Sowjetunion. Als Alexander es sah, erschrak er ein wenig. Fast die gesamte anschauliche Agitation war aus irgendeinem Grunde auch noch jetzt hier, obwohl das Regiment aller Wahrscheinlichkeit nach schon seine Reise beendet und sich schon irgendwo einquartiert hatte. Vor Angst blieb er stehen und schaute sich furchtsam um. Seinen K;rper ;berlief eine leichte K;hle, als er sich f;r nur einen Augenblick den Kommandeur der Einheit auf der "Regierungstrib;ne" vorstellte. Von dieser Stelle las jener die verschiedensten Befehle und gab seine "wertvollen" Hinweise. Kusnezow schaute sich zur Beruhigung seiner Seele und seines Herzes noch einmal aufmerksam um, er entdeckte niemanden und nichts Gef;hrliches um sich herum. Und das hatte ihm Mut gemacht. Er zog den Verschluss des Automaten schnell zur;ck, dann dr;ckte er auf den Abzugshaken und fing an mit dem Automat zu den Seiten zu schie;en. Bald wurde der Kalasch still. Alexander schob das andere Magazin maschinell ein und leerte auch das mit Erbitterung. Danach warf er mit einer Bosheit den Automaten auf die Erde und lief in Richtung des Waldes. Aus seinen Augen liefen Tr;nen...
Der erste Monat des Aufenthaltes des Fahnenfl;chtigen der Sowjetischen Armee, des Soldaten Kusnezow, am neuen Wohnort verflog unbemerkt.
Die erste Woche besch;ftigte er sich mit der Einrichtung des Klosters, das sich mit jeder Stunde verwandelte. Das verlassene Wochenendhaus stellte einen kleinen Bau dar, der aus ziemlich guten Brettern zusammengenagelt war. Darin war praktisch fast alles Notwendige zum Leben. Gegen;ber der T;r stand ein Bett mit einem Nachtschr;nkchen. Hier gab es auch einen runden Tisch mit einer Tischlampe. Wof;r und warum sie hier stand, war f;r den neuen Bewohner unverst;ndlich. Irgendwelche Quellen des Stromes im zugewachsenen Garten gab es nicht, aber das entmutigte ihn ;berhaupt nicht. Unter dem Bett hatte er einen kleinen Eimer mit Wachskerzen gefunden, etwa zwanzig St;ck. F;nf Schachteln Streichh;lzer waren auch vorhanden. Alexander dankte in Gedanken dem Gartenbesitzer f;r seine Voraussicht. Die weiteren "Ausgrabungen" ;bertrafen alle seine Erwartungen. Unter dem Bett fand er einen ziemlich gro;en Koffer in grauer Farbe, der mit einem Schloss abgeschlossen war. Er ;ffnete ihn l;ngere Zeit nicht. In seinem Kopf schwebten immer noch die beunruhigten Gedanken, dass der Besitzer gleich erscheinen w;rde und er verschwinden m;sste. Der Fl;chtige fasste den Mut, das Schloss auf dem guten Koffer erst nach nach der Vollendung der h;uslichen «Einrichtung» aufzubrechen. Das Schloss unter dem Druck seiner Kraft und aufgrund der Qualit;t des sowjetischen Bajonettmessers vom automatischen Gewehr "Kalaschnikow" ;ffnete sich augenblicklich. Beim Anblick des Kofferinhaltes fing der Riese zu tanzen und sogar zu singen an. Nach ein paar Augenblicken hatte er den ganzen Koffer durchw;hlt und danach breitetet er sich vergn;glich auf dem Bett aus. Er breitete sich vor Freude und vor einer Empfindung aus, weil es ihm schien, dass Gott sich entschieden hatte, ihm tats;chlich zu helfen, sich auf dem Territorium Deutschlands einzuleben. Alle Sachen im Koffer waren neu und alle sie passten ihm. Er dankte erneut dem unbekannten Deutschen, der, wie auftragsgem;;, dem sowjetischen Soldaten die Decke ;ber den Kopf und die Kleidung vorbereitet hatte. Geld war nicht im Koffer...
Die erste Woche des Aufenthaltes im Garten wie auch die nachfolgende unterschied sich beim Fahnenfl;chtigen nicht durch gro;e Vielf;ltigkeit. Abends durchquerte er den ziemlich langen Garten, der sich nicht nur der Fl;che nach gro; erwiesen hatte, sondern sich auch durch die Vielfalt der Obstb;ume unterschied. Alexander kannte sich in den Sorten der ;pfel oder Birnen kaum aus, die grimmige K;lte verschonte in seiner Najdenowka nur die wilde Apfelb;ume und die nicht immer. Nachdem Alexander die Einheit verlassen hatte, kleidete er sich sofort in den schwarzen Jogginganzug mit den wei;en Streifen auf den ;rmeln der Jacke und auf den Hosen um. Die Milit;runiform legte der Fahnenfl;chtige in eine Plaste und vergrub sie nicht weit vom Wochenendhaus. Die Zivilkleidung verwirrte den ehemaligen Milit;rangeh;rigen ;berhaupt nicht, in diesem Gewand war er Tag und Nacht. Der Mieter bewegte sich darin fast ohne jede Angst bis zum nahegelegenen deutschen Dorf Steinholz, das sich in f;nf Kilometern vom sowjetischen Milit;rst;dtchen befand. Die Besuche in die Siedlung machte der Fahnenfl;chtige einmal pro Woche montags, er ging Lebensmittel einkaufen. Am Anfang der Arbeitswoche war das Dorf ;berhaupt menschenleer. Unterwegs und auch im Dorf schenkte man dem gro;en jungen Mann im Prinzip keine Aufmerksamkeit. Ausnahme waren einige M;dchen. Sie hielten manchmal sehr starr den Blick auf dem gro;en und schlanken Mann, dessen Kopf und Gesicht mit schwarzen Haaren und dicken Borsten heftig zuwuchsen.
Die Frisur und der Bart erfreuten den jungen Burschen. Jetzt bezweifelte er ;berhaupt nicht, dass die sowjetischen Tschekisten und ortans;ssige Deutschen darin den sowjetischen Fahnenfl;chtigen, zu deren Kategorie der ehemalige Soldat sich jetzt z;hlte, kaum erkennen konnten. Im Dorf gab es wenig Gesch;fte, sehr wenig.
Meist besuchter Ort f;r den Entlaufenen wurde das Lebensmittelgesch;ft. Hier kaufte er Brot und Limonade, er kaufte das Billigste. Alexander kam hierher nicht nur wegen der notwendigen Lebensmittel. Im winzigen kleinen Gesch;ft gefiel ihm die junge Verk;uferin, sie war sehr schlank und glich etwas einem russischen M;dchen.
Der Riese hatte sie sofort bemerkt, als er an die Kasse herantrat. Alexander hatte nichts dagegen, sie noch am ersten Tag kennenzulernen, aber er hielt sich zur;ck. Der Grund war, dass er die deutsche Sprache nicht beherrschte, er konnte nicht deutsch sprechen und so ging es auch weiter. Im letzten Sommermonat suchte der Riese dutzende Male das Gesch;ft auf und alle diese Besuche unterschieden sich nicht durch irgendwelche Vielfalt in den menschlichen Beziehungen zwischen den zwei jungen Menschen. Der stattliche sch;ne Mann legte die Ware wie immer auf den kleinen Tisch vor der Kasse und l;chelte heiter. Die schlanke Verk;uferin packte wie immer das Brot und die Limonade akkurat ins Paket und hob dann den Kopf hoch... F;r einen Moment trafen sich die Augen des Russen und der Deutschen, sie l;chelten. Daraufhin ging alles aber zu Ende. Der September kam. Den ersten Besuch ins Dorf h;tte der Fl;chtige fast verschoben. Brot hatte er noch, Obst gab es auch genug. Dazu hatte sich auch das Wetter heftig ge;ndert, von Morgen an fiel ein kalter Regen. Aber der Wunsch, die junge Deutsche zu sehen, siegtesiegte bei dem Verliebten. Alexander kam ins Gesch;ft nur zur Mittagszeit, die Blondine war sehr aufgelebt in diesem Tag. Der einzige Kunde im Gesch;ft bemerkte es sofort, kaum er vor der Kasse mit "den diensthabenden" Lebensmitteln erschienen war. Die Verk;uferin wollte diesmal aller Wahrscheinlichkeit die sehr geringe Ration des st;ndigen K;ufers zu erg;nzen und begann etwas zu sagen. Kusnezow l;chelte froh als Antwort darauf wie auch die junge Person und sagte ein und dasselbe Wort "Ja". Die Bedeutung dieses Wortes sowohl russisch als auch deutsch kannte der Kunde. Alles andere, was die Deutsche sagte, verstand er nicht. Sie sprach nicht nur, sondern tat auch was. Die Augen des jungen Mannes f;llten sich immer mehr und mehr vor Erstaunen und Angst mit jeder Bewegung der Verk;uferin. Sie sah den Mann mit ihren Augen liebevoll an und legte vor ihm ein paar kleine Br;tchen und etwas Kuchen hin. Dann tauchte vor dem Riesen ein ziemlich gro;es Br;tchen, oder war es ein Kuchen, auf. Der Kunde mit dem fast bis zu den Ohren ge;ffneten Mund konnte immer noch nicht das Geschehene verstehen. Bei ihm «machte es klick» erst dann, als er auf dem Kassendisplay die Zahlen sah. Daran, dass man ganze drei;ig Mark bezahlen m;sste, zweifelte der K;ufer schon nicht mehr. So viel Geld hatte er bei sich nicht, nicht nur bei sich, sondern auch ;berhaupt nicht. Von der unerwarteten Verlegenheit err;tete Alexander v;llig, auf seinem Gesicht traten gro;e Schwei;tr;pfchen. Bei dem M;dchen machte es etwas sp;ter "klick". Sie dachte nicht, dass dieser sch;ne Bursche kein Geld h;tte. Dazu hatte er mit einer Freude alle ihre Vorschl;ge angenommen. Sie war zuerst sogar verlegen, aber es dauerte nur ein paar Augenblicke. Als sie verstanden hatte, dass vor ihr ein Ausl;nder, der ;berhaupt nicht Deutsch versteht oder, vollkommen m;glich, sogar ein psychisch Kranker steht, beschloss sie, schnell den Fehler zu korrigieren. Und dabei half ihr selbst der Riese. Er w;hlte aus dem ganzen ;berfluss der Lebensmittel wieder die "geliebten" aus. Die Verk;uferin nahm mit einem L;cheln aus der gro;en Handfl;che des Kunden die Zweimarkm;nze. Der K;ufer ging aus dem Gesch;ft hinaus und holte erleichtert Luft. Er hatte erst jetzt verstanden, dass er ohne deutsche Sprache in diesem Land nichts erreichen konnte...
Das Wetter hat sich Ende September heftig ge;ndert, es wurde sogar richtig sommerlich.
Das freute Alexander sehr, die Sonne hatte in seiner Laube "st;ndig Dienst". Er befand sich praktisch die ganze Zeit iim Hellen in dem zugewachsenen Garten, aber in dem geschlossenen Ort wurde ihm es langweilig. Etwas Neues in seiner Lebensweise suchen wollte er an seinem Geburtstag, am 25. September. Er mochte alle Daten, die auf null und F;nf endeten. An diesem Tag g;nnte sich das Geburtstagskind bis zum Mittag zu schlafen und hat auch eine Ausnahme in der Nahrungsmenge. Er ging in sein Versteck und holte eine gro;e Dose sowjetischen B;chsenfleisches. Gegen Abend verlie; er seine Laube und begab sich zum kleinen See. Der Bursche hatte ihn vor ganz kurzem w;hrend eines Ausflugs entdeckt. Am See war jetzt niemand mehr. Die Feier beim Geburtstagskind war bescheiden, aber es blieb in Erinnerung. In diesem Abend a; sich der Fl;chtige, der zweiundzwanzig Jahre geworden war, richtig satt. Er badete auch viel. Die Essvorr;te, die er aus der Soldatengastst;tte des Motorschie;regiments gestohlen hatte, brachte der Fahnenfl;chtige in den Garten erst nach zwei Monaten nach der peinlichen Situation im Gesch;ft. Die M;glichkeit des Erscheinens des Gartenbesitzers zwang ihn nicht nur, die Lebensmittel und die Waffen zu verstecken, sondern sich auch mit ziellosem Spazierengehen durch den Garten oder in seiner N;he zu besch;ftigen. Manchmal erm;dete er furchtbar von dem st;ndigen Hin- und Hergehen und "schaltete ab", er schlief sehr lange. Jetzt kommandierte den jungen Einsiedler niemand mehr. ;ber ihn wachten weder die Schullehrer noch Offiziere, die ihn lehrten, richtig auf der Schulbank zu sitzen oder richtig die Stiefellappen umzuwickeln. Es waren auch keine Eltern um ihn herum. Neben ihm war keine menschliche Seele. Mit ihm war nur eins, die Natur. Von diesem Himmel, dieser Sonne, diesen friedlich stehenden B;umen f;rchtete sich der Riese ;berhaupt nicht. Und in all das, was mit dem Menschen und seinen S;nden nicht verbunden war, hatte er sich verliebt, sich leidenschaftlich verliebt. Es waren zwei Monate vergangen, seit er die Einheit verlassen hatte. Sogar in dieser sehr kurzen Zeit f;hlte er sich st;rker mit der Natur verbunden, sie hatte ihm nie etwas B;ses getan. Das Zusammenleben des fl;chtigen Soldaten mit dem Wunder Natur hing ziemlich oft von seiner Stimmung ab. Kusnezows Stimmung nach der Flucht aus der Einheit war meistens schlecht, oft qu;lte ihn die Angst. Er f;rchtete sich vor allem, erschrak sogar von einem unerwarteten Klopfen oder dem Krachen der ;stchen im Wald. Vor Angst stand der Riese f;r ein Augenblick still und sah aufmerksam alles ringsherum an. Ihm schien es, dass hinter jedem Baum ein deutscher Polizist oder sowjetischer Offizier aus der Abteilung "schweige-schweige" lauerte. Er lief ziemlich oft wegen eines unbekannten Lautes oder lauten Ger;uschen weg. Infolge der Angst suchte der sehr gro;e Mensch im Jogginganzug w;hrend seines n;chsten "Spazierganges"schon nicht mehr den "verd;chtigen" Wald auf. Er suchte f;r seine Einsamkeit eine andere Stelle, die ihm bis jetzt unbekannt und unverd;chtig war. Manchmal irrte der Entlaufene ziemlich lange umher, aber ihn retteten die Schilder auf den deutschen Wegen...
Die Angst erzwang den Fahnenfl;chtigen, alle Vorsichtsma;nahmen auch w;hrend des Aufenthaltes in seiner Laube zu beachten. Er begann "seine Arbeiten" erst dann zu erledigen, wenn er den Umkreis des Gartens untersucht hatte. Daf;r brauchte er etwa drei;ig Minuten, mitunter auch mehr.
Erst als er sich davon ;berzeugt hatte, dass niemand da war, begann er im eigentlichen Sinne, sich mit Lebensproblemen zu besch;ftigen. In der Laube oder einer anderer Stelle zu schlafen, bestimmte der Riese nicht selbst, sondern einfach der Aberglaube. Als ein Symbol daf;r wurde eine gew;hnliche M;nze, eine Markm;nze. Alexander warf mit stockendem Herzen die M;nze nach oben und auch mit stockendem Herzen lie; er seinen Kopf nach unten zur Erde sinken. Er "st;hlte" immer auf den Adler. Die Wappendarstellung hatte ihm Gl;ck gebracht, sowohl in der Heimat als auch im Dienst, wenn er mit den Kollegen um etwas gewettet hatte. Der Adler verlie; auch jetzt nicht den Fahnenfl;chtigen. Er hob die M;nze von der Erde und k;sste leidenschaftlich die Wappendarstellung. Dann ging Alexander tapfer dazu ;ber, alles zu machen, was er geplant hatte. An diesem Tag schlief er wesentlich fr;her ein, sogar die T;r seiner Laube schloss er nicht einmal ab.
Vor dem Schlaf wiederholte der junge Mann mehrmals laut einen kurzes Gebet. Es war eine einfache Bitte an Gott, dass diese Nacht und der n;chste Tag ihm Ruhe und nur Ruhe bringen sollten. Mit dieser Bitte schlief er ein und mit ihr wachte er auch auf.
Mit der Zahlseite hatte der Fl;chtige immer Pech, deshalb versuchte er dann, sich vor allerlei Abenteuern zu sch;tzen, in dieser Nacht schlief er nicht in der Laube. Er zog auf sich au;er dem Jogginganzug die Offizierspanzerjacke an und ging ins Garteninnere, wo auf ihn die selbstgemachte H;ngematte wartete. Er hat sie am ersten Tag, als er die Einrichtung der fremden Laube beschlossen hatte, hergestellt. Der Liebhaber der frischen Luft schlief sehr sp;t ein, er dachte und dachte immer ;ber etwas nach. Die Gedanken waren meistens beunruhigt und freudelos, besonders dann, wenn der Bauch stark knurrte. Manchmal schien es Alexander, dass sein Bauch gleich explodieren w;rde. Er verlie; ziemlich oft die H;ngematte, um sich irgendwie "zu entladen". Von Zeit zu Zeit wiederholte sich diese "Entspannung" jede halbe Stunde. Er tr;umte in diesem Moment von den Soldaten «Gerichte», die er sehr schnell verschluckt hatte. Dabei hatte der, dem das Wasser im Mund zusammen lief, jetzt weder die leere Suppe noch den stinkenden Fisch. Er hatte nur die frische Luft und das Gef;hl der Freiheit. Welche Freiheit es war, von wem oder wovon er frei war, war es dem Fahnenfl;chtigen auch selbst nicht bewusst...
Die Naturgesetze zeigten sich hartn;ckig, der Herbst kam. Das Laub fiel von den B;umen, es sind auch die Liebhaber im gr;nen Garten zu bummeln, verschwunden.
Der Fl;chtige bewohnte immer mehr und mehr seine Laube, sie wurde f;r ihn von Tag zu Tag heimlicher und w;rmer. Erst Ende Oktober brachte er den Automaten und die Munition in die Laube, er hatte sich entschieden, sich niemals von den Waffen zu trennen. Sogar in der Nacht, in der der Adler ihn begleitete, lag der Automat mit einem vollen Patronenmagazin unter dem Kissen des Soldaten, lag f;r alle F;lle. Der Bewohner des zugewachsenen Gartens schloss noch nicht aus, dass irgendjemand von der Polizei oder aus den Resten WGT versuchen w;rde, ihn zu suchen. Alexander weinte sehr oft in den N;chten, in den H;nden den Automaten fest zusammenpressend. Von seinen Tr;nen sch;mte er sich nicht, wie er auch nicht f;rchtete,, ermordet zu werden. Ihm war es gleich mit wem zu k;mpfen oder wen er zu t;ten h;tte. Eins war ihm klar, lebendig w;rde er niemanden in die H;nde fallen und sich niemals ergeben. Er hatte in seiner Kindheit und auch als junger Mann mehr von den M;dchen Angst und sich gesch;mt als von Milizion;ren oder Milit;rs. Sein M;tterchen erschrak das Kind mit dem Onkel in der roten Schirmm;tze ziemlich oft, der Sanetschka ins Gef;ngnis nur daf;r stecken k;nnte, wenn jener nicht auf die Eltern h;rt. Der Fahnenfl;chtige schloss auch ein Selbsterschie;en nicht aus, das erschrak ihn auch nicht besonders. Von einem ;hnlichen Fall hatte der Gruppenf;hrer den Gr;nschn;beln auf den Schie;;bungen erz;hlt. Ein jungern Soldat aus dem Panzerregiment, das sich nicht weit von den Motorsch;tzen befand, hatte die Verspottung und die Qu;lerei der Alten nicht ertragen und war mit der Waffe in den H;nden weggelaufen. Er war in der Nacht zwanzig Kilometer durchgelaufen und hatte sich in einem deutschen Garten in einer Laube versteckt. Den Entlaufenen hatte man am zweiten Tag gefunden, man hatte ihn umzingelt und aufgefordert sich zu ergeben. Der Fahnenfl;chtige hatte bewaffneten Widerstand geleistet, danach sich selbst erschossen. Kusnezow hatte ;berhaupt keine Zweifel daran, dass in der Heimat ihn niemand begnadigen w;rde, er w;rde aufs ganze Ma; bekommen. Dazu hatte er auch keine "haarige" Hand, die in irgendwelchem Grad seinen Fehler ausb;geln k;nnte. Sogar bis zur weiten Najdenowka gelangten die Ger;chte ;ber die Machenschaften der Parteiarbeiter, f;r die irgendwelche menschlichen Gesetze nicht existierten. Gegen die Gottlosen auf dieser Erde gab es keine Macht, aber dem einfachen Jungen w;rde sofort eine Schlinge umgelegt. Von diesen Gedanken presste der junge Philosoph den Automaten mit den H;nden noch fester zusammen, der f;r ihn jetzt nicht nur Werkzeug der Vergeltung, sondern auch Werkzeug des Schutzes der sozialen Gerechtigkeit war. In einigen Momenten seiner ;berlegungen tat dem Entlaufenen das Schicksal des Hauptmanns Makarows Leid. Er wusste es sehr gut, dass die zwei ber;hmten russischen Familiennamen in allerlei Unterlagen und B;cher des sehr gro;en Vorgesetzten dabei f;r sehr lange "umsiedeln" w;rdenerden. Die Fahnenflucht des Untergebenen begrub die Karrieretr;ume des Kompaniechefs in der Sowjetischen Armee f;r immer. Der Kommandeur der Kompanie war f;r die Untergebenen ein anst;ndige Offizier und Mensch gewesen. Das Mitleid des Riesen f;r den Landsmann erweckte f;r einige Augenblicke wieder den Wunsch, auf seinen Entschluss zu verzichten und in die Einheit zur;ckzukehren. Jedoch nach einer Weile verzichtete er auf seine Gedanken und hielt das Alles f;r eine einfache menschliche Schw;che. „Der Armeealte", trotz seiner Jugend und sehr geringen Lebenserfahrung kannte sehr gut die nicht festgeschriebenen Gesetze der Institution und jenes System, in dem er diente und lebte. Beliebige Fehler des Untergebenen, sogar ungeachtet seiner offenherzigen Anerkennung und seiner Reue, wurden bis zu einem bestimmten negativen Kult gehoben. Alles hing davon ab, wer sich etwas zu Schulden hatte kommen lassen. Er bezweifelte ;berhaupt nicht, dass sein "Fehler" auch ihm angerechnet und er wie auch hunderte Andere entsprechend seiner Verdienste was abbekommen w;rde. F;r die Fahnenflucht des Sch;tzen w;rde Hauptmann Makarow auch voll bestraft werden. Darunter w;rde nicht nur er selbst, sondern auch seine Familie leiden. Der Fl;chtige stellte sich f;r einen Moment das weinende T;chterchen des Vorgesetzten vor. In der Wohnung des Kompaniechefs war er nur ein paar Mal und ihm gefiel das kleine M;dchen, das beim Anblick des sehr gro;en Milit;ronkels aus irgendeinem Grund weinte und sich die ganze Zeit auf den Vater und die Mutter umschaute...
Das n;chste Treffen Alexanders mit Nastja geschah erst vor Silvester, es war fast ein halbes Jahr seit ihrem letzten Treffen vergangen. Alexander wusste auch selbst nicht, warum er sich in dieser Siedlung so lange nicht gezeigt hatte, obwohl er Sehnsucht nach seiner Beliebten hatte. Gleichzeitig verga; er auch nicht ihr letztes Gespr;ch, das sein Herz und seine Seele ziemlich stark ber;hrt hatte. In Bonhaus kam Kusnezow sehr sp;t, um elf Uhr abends an. Er fuhr ohne Fahrkarte und "sicherte" sich fast die ganze Zeit von Kontrolleuren. Er ging sofort ins russische "Wohnheim". Die Eingangst;r des Wohnheimes war schon abgeschlossen. Nastja kam erst nach einer halben Stunde zum Eingang heraus, sie war nerv;s. Sie schenkte zuerst demgro;en an der T;r stehenden Mann mit einem dichten zuwachsenden Bart keine Aufmerksamkeit und ging auf den Hof hinaus, wo leidenschaftliche Kartenspieler weiter Karten spielten. Erst nach ein paar Augenblicken, als Alexander sie gerufen hatte, erkannte sie in ihm «ihren».
Nastja, wie ein ausgelassener Bub, "lief" mit den Augen ;ber die Figur des B;rtigen, dem der neue Anzug sehr gut sa;, und lachte laut. Davon, dass sie auf ihn gewartet hatte, ;berzeugte sich Kusnezow sofort, kaum dass er den leidenschaftlichen Kuss des M;dchens sp;rte. Der Spaziergang in der n;chtlichen Stadt zog sich auch dieses Mal hin. Nach der halbj;hrlichen Abwesenheit des Br;utigams entschied sich die Braut, ihre Seele so richtig auszusch;tten. Zuerst gingen sie das russische Wohnheim "durch", in dem der neue Kommandant das Durchlassregime versch;rft hatte. Danach redete sie eine halbe Stunde ;ber ihre Eltern, die in der benachbarten Stadt eine Arbeit in ihrem Beruf gefunden hatten und nicht schlecht verdienen w;rden. Sie erz;hlte auch etwas ;ber sich, zuerst das Negative, danach das Positive. Ihre zwei Kurse des p;dagogischen Institutes ben;tigte hier niemanden wie auch nicht Lehrer f;r russische Sprache und Literatur. Zu ihren Eroberungen z;hlte die Gespr;chige die Sprachkurse, die sie als beste in der Gruppe beendet hatte. Um ihre "Kenntnisse" vorzuf;hren, sagte die Braut ihrem Geliebten manchmal ein paar S;tze deutsch. Jener konnte das Wissen der Geliebten nicht richtig bewerten, weil er die deutsche Sprache nicht beherrschte. Er lachte nur hinrei;end und k;sste leidenschaftlich die Kluge auf den Mund. Jene redete durch diese K;sse noch etwas mehr und lauter deutsch und ;bersetzte es gleich ins Russische...
Das verliebte P;rchen kam fr;hmorgens ins Wohnheim, dessen Bewohner alle noch fest schliefen. Nastja lief schnell in ihr Zimmer und brachte von dort eine Matratze. Danach gingen die jungen Leute in den Keller, wo sich das Zimmer f;r verschiedene Sitzungen und Beratungen befand, die hier der Kommandant des Wohnheimes durchf;hrte. Nastja breitete mit den Rechten einer Bewohnerin die Matratze auf dem breiten und langen Tisch schnell aus und bedeckte sie mit einem Laken.
Alexander freute sich sehr ;ber das Bett, er hatte schon lange nicht mehr auf einem reinen Laken geschlafen. Danach redeten der Bursche und das M;dchen ein wenig ;ber die morgigen Pl;ne. Nachdem Nastja dem Geliebten einen Kuss fest auf den Mund gedr;ckt hatte, winkte sie ihm mit der Hand und schloss hinter sich fest die T;r...
Der B;rtige zog die Decke ;ber den Kopf und schlief augenblicklich ein. Nach einer halben Stunde klopfte es stark an der Zimmert;r, der Schlafende reagierte auf das Klopfen nicht. Das Klopfen wiederholte sich, diesmal war er sehr stark und hartn;ckig. Kusnezow ;ffnete die Augen und konnte sich zuerst in der Dunkelheit nicht zurechtfinden. Das Klopfen wiederholte sich wieder, der auf der Matratze Liegende beschloss, nicht zu reagieren. Er zweifelte ;berhaupt nicht daran, dass nicht Nastja an der T;r klopfte, sondern ein fremder Mensch. Nach dem n;chsten Klopfen geriet der B;rtige in Verwirrung und wusste nicht, was er weiter tun sollte. Eins wusste er genau, dass zur n;chtlichen Zeit Unbefugten der Eingang ins Wohnheim streng verboten war. Von der Gef;hl, dass hinter der T;r der Kommandant oder ein Polizist stehen k;nnte, wurde ihm hei;. Er dr;ckte sich noch st;rker in die Matratze hinein und bem;hte sich, in irgendwie nicht bemerkt zu werden... Nach einigen Augenblicken ;ffnete sich die T;r und das Zimmer wurde von einem grellen elektrischen Licht erhellt. Alexander bedeckte augenblicklich die Augen mit den H;nden und in diesem Augenblick drang zu ihm eine laute Stimme:
- Kusnezow, du, Dienender, stehe auf... Ich will mit dir sprechen... Stehe auf und komm raus auf die Stra;e, ich werde auf dich dort warten....
Wer sprach und wer ihn fr;hmorgens wecken musste, konnte der Fahnenfl;chtige nicht verstehen. Er stand langsam aus dem Bett auf und ging auch langsam aus dem Keller hinaus. Neben dem Ausgang aus dem Wohnheim hat Kusnezow einen Mann, der etwa f;nfzig Jahre alt war. Irgendwelche "Defekte" in seinem ;u;eren gab es nicht, wenn man seine kleine Gr;;e nicht dazu rechnete. Alexander sch;tzte ihn auf eine Gr;;e von einem Meter sechzig, nicht mehr. In den zwei Jahren in der Armee hatte er gelernt, fast genau die Gr;;e der Kollegen zu erkennen. Aller Wahrscheinlichkeit nach waren es die Folgen der Besichtigungen und Befehls;bungen, die den Soldaten manchmal bis zu Verirrung f;hrten. Daran, dass vor ihm Nastjas Vater stand, zweifelte der B;rtige schon ;berhaupt nicht mehr. Dieser Typ blieb aus vielen Gr;nden gleich und f;r lange Zeit in seinem Ged;chnis. Er erinnerte sich an ihn wegen dem Kaste von Wodka, den er mit den Verwandten im Standortgesch;ft kaufen wollte und wegen der Kaninchenm;tze, die Peter bei der damaligen Hitze trug. Auf die Begr;;ung des Herauskommenden reagierte der Mann in keiner Weise, er tat ihm auch nicht den Gefallen, die Hand zur Begr;;ung auszustrecken. Die ganze Art des Mageren, sogar seine engen Augen, dr;ckte nicht menschliches Misstrauen gegen;ber dem ehemaligen Streifen aus. Davon wurde es in der Seele des ehemaligen Soldaten ungem;tlich, sogar kalt.
Peter Kejt gab sich in der Wortwahl und im menschlichen Benehmen keine M;he, er hatte sich entschieden, energisch und frech mit dem umzugehen, der sich erlaubt hatte, mit seiner Tochter «das Wasser zu tr;ben". Er legte die H;nde ;ber dem Bauch zusammen, als ob solche Haltung ihm Kr;fte gab, und zischte mit boshaft:
- Ich habe schon von dir und deinen Heldentaten geh;rt... Du bist unter dem weltweiten Aufruf ;ber die Abr;stung aus dem Motorschie;regiment desertiert... Meine N;rrin summt die ganze Zeit allen dar;ber, dass ihr Liebhaber ein anst;ndiger Bursche sei, obwohl sie sich darin sehr stark irrt... Ist es richtig, was ich sage, du, Fahnenfl;chtige?
Der B;rtige entschied sich, auf die Frage des Mageren nicht zu antworten. Unter dem stechenden Blick des noch verh;ltnism;;ig jungen Mannes f;hlte sich der Riese wie ein sehr armes und winziges Wesen. Er wollte jetzt nur eines: unter die Erde sinken und sich augenblicklich in «dem Viehwagon» zu befinden, der sich in Richtung Russland bewegte.
Der Aussiedler sah und verstand sehr gut, dass der vor ihm strammstehende Riese in irgendwelchem Ma; sich seines Vergehens bewusst war, deshalb entschied er sich, Kusnezow den Todessto; zu versetzen.
- Du denkst, - setzte der Knirps frech fort, - bei uns im Wohnheim sind alle Dummk;pfe und verstehen nicht, warum du hier bist. Einen wie dich haben die Deutschen hier vor einem Jahr festgenommen. Auch dich werden sie fassen, ich bezweifle das nicht im Geringsten. F;r mich, einem ehemaligen Soldaten, der in China das Brot mit dem Sand fra;, ist kr;nkend zu lesen und zu h;ren, dass hunderte unserer Soldaten durch die W;lder schlendern und die Ortsbewohner bel;stigen...
Nach diesen Worten entschloss sich der B;rtige, zu widersprechen und den Mund aufzumachen, um irgendwelche Erkl;rungen dem Beleidiger zu geben. Er bezweifelte in diesem Moment schon ;berhaupt nicht, dass er noch eine M;glichkeit hatte, die Situation zu retten. Wie er auch nicht bezweifelte, dass Nastja alles M;gliche f;r die Normalisierung der Beziehungen zwischen den zwei M;nnern unternehmen w;rde. Er schaute aufmerksam in die Augen des Vaters der Braut, schaute und lie; den Kopf sinken. Aber den mageren Knirps aufzuhalten, war unm;glich. Der Mann, dessen Gesicht von der nerv;sen Anstrengung rot wurde, fuhr in seinen Anschuldigungen fort:
- Ich will dir, du, Fahnenfl;chtiger, die Wahrheit sagen... Meine Tochter wird niemals mit dir zusammen sein... Sie wird sich nicht im Elend mit einem Fahnenfl;chtigen auf der Erde der Vorfahren qu;len. Das kannst du dir auf deine Stirn schreiben... Und noch was… Wenn du es nicht verstehen wirst, so mache dir selbst Vorw;rfe... Ich werde dich einfach wie einen obdachlosen Hund umbringen... Hast du, Dummkopf, mich verstanden... Mir reicht es, was ich und meine Eltern beim vorigen Regime erlebt haben...
Nach diesen Worten schwieg der Vater des geliebten M;dchens, dann drehte er sich heftig um und lief st;rmisch ins Wohnheim hinein. Nachdem Peter Kejt hinter der T;r verschwunden war, blieb der "Beleidigte" neben dem Eingang ins Wohnheim weiter stehen. Er stand, wie ein Soldat, stramm, stand ohne irgendwelchen Gedanken im Kopf. Sein Organismus war von der Au;enwelt abgeschaltet. Er verstand noch nicht, was mit ihm geschehen und warum es geschehen war. Erst auf dem Bahnhof hatte es bei ihm „klick gemacht“. Vom Schmerz im Herz und von der seelischen Leere gezwungen, setzte sich Alexander auf das Bahnhofsb;nkchen. Der Gedanke daran, dass er heute Nastja verloren, f;r immer verloren hatte, erschreckte ihn. Je mehr er daran dachte, desto st;rker und beunruhigter schlug sein Herz. Eine R;ckkehr zum M;dchen gab es nicht, weder heute, noch morgen, niemals mehr auf dieser Welt. Und der Grund daf;r war ihr Vater, der kleine Mann. F;r Augenblicke erinnerte sich Kusnezow in seinen Gedanken an die Augen dieses Menschen. Sie waren voll des Hasses und der Verachtung f;r ihn, den jungen und sch;nen Menschen, dem die Tochter des Knirpses sehr gefiel. Alexander bezweifelte ;berhaupt nicht, dass dieser "Ankl;ger" auch noch mehr machen k;nnte... Er f;rchtete sich nicht vor dem Tod, besonders nicht aus Liebe zum M;dchen.
Den einsamen Menschen, der sich auf dem Bahnhof der schon fremden Stadt befand, erschreckte jetzt nur eins, die bevorstehende Strafe f;r das milit;rische Verbrechen. Er hatte alle Fristen "vers;umt" und jetzt machte es keinen Sinn mehr, um Gnade von irgendwelchen Armeevorgesetzten zu bitten. Die Zeit und die M;glichkeiten dazu waren f;r ihn vergangen, waren f;r immer vergangen. F;r immer war auch das geliebte M;dchen weggegangen...
Kusnezow sa; auf dem Bahnhof bis zur letzten Bahn. Die Hoffnung, dass Nastja wieder kommen w;rde, wie auch fr;her, und sie w;rden durch die Stadt schlendern, verlie; ihn nicht ganz. Dann w;rde sich das verliebte P;rchen eine Zeit lang zur;ckziehen und sich den K;ssen ;berlassen. Dem M;dchen gefielen die leidenschaftlichen K;sse des jungen und sch;nen Burschen sehr. Sie verstellte sich in der Seele ;berhaupt nicht, als sie sich eingestanden hatte, dass dieser ungelernten und bettelarmen Riese ihr viel mehr gef;llt als der Ingenieur Nikolaj, mit dem sie in Sibirien einst beabsichtigte, ihr Schicksal zu teilen. Das hatte sie Alexander erst vor kurzem anvertraut. Und hier hatte sie genug Burschen, die ihr nachliefen, wenn nicht der Vater w;re, der aus irgendeinem Grund in der Heimat der Vorfahren sehr streng zu den Kindern geworden war, besonders zu der erwachsenen Tochter. Es konnte sein, dass selbst das Leben den Knirps gezwungen hatte, auf die Kindern zu achten. Fr;her hatte Nastja einen ;lteren Bruder, der zwei Jahre vor ihrer Geburt umgekommen war. Der f;nfj;hrige Junge ist ganz zuf;llig umgekommen, wo er mit dem Vater die Farm bewachte. Frida bat den Mann, das Kind nicht mitzunehmen, sie f;rchtete, dass er sich erk;lten k;nnte. Der Vater hatte auf seiner Entscheidung bestanden, er wollte ja so sehr seinem Erstling die gro;en K;lber zeigen. Es hatte Tag und Nacht geschneit, gro;e Flocken Schnee waren gefallen. Das Dach der Farm st;rzte pl;tzlich und unerwartet ein. Peter kroch mit gro;er M;he aus dem Versch;tteten heraus, kroch ohne einen Kratzer heraus. Der Bub hatte Pech gehabt. Der dicke Querbalken, der in drei Meter H;he zusammenbrach, verwundete ihn t;dlich. Die Kejts hatte der Tod des einzigen Sohnes sehr schwer mitgenommen. Besonders sehr hatte sich der Vater gekr;nkt, er gab sich die Schuld f;r Antoschkas Tod. Die wegen des Verlustes fr;h ergrauten Eltern hatten sich vorgenommen, alles M;gliche zu tun, um die Fehler bei der Tochter und sp;ter auch bei dem j;ngeren Witenjka zu vermeiden... Alexander, gequ;lt von der Erwartung des M;dchens, ging ziemlich oft aus dem Geb;ude des Bahnhofs heraus und dann ging er zu der Stra;e, die in Richtung des russischen Wohnheimes f;hrt. Ging heraus in der Hoffnung, Nastja zu sehen, aber noch weiter, f;rchtete er.
Er bezweifelte nicht, dass Peter Kejt ohne jede Probleme ihn der deutschen Polizei oder dem sowjetischen Milit;r verraten w;rde, deren Wagen ziemlich oft am Bahnhof vorbei fuhren. Die Angst zwang den ehemaligen Soldaten, der in einem zivilen Anzug gekleidet war, sich sehr oft zur Seiten umzuschauen. Beim Erscheinen eines Polizeiwagens oder sowjetischen "UAZ" drehte sich der B;rtige gezwungenerma;en um oder suchte sofort mit den Augen ein Haus, hinter dem man sich verstecken konnte...
Nastja Kejt kam an diesem Tag und auch in diesem Abend nicht zum Bahnhof. Zum letzten Mal sah der sch;ne und stattliche Schwarzfahrer aus dem Fenster des Waggons auf den Bahnsteig der ihm schon fremden und schon unbekannten Stadt. Der Zug war losgefahren, aber er blickte weiter aufmerksam den von ihm langsam verschwindenden Bahnsteig. Das bekannte Gesicht sah man nicht, auch dann nicht, als die Umrisse des Bahnhofs von der n;chtlichen Dunkelheit verborgen wurden, f;r immer verborgen wurden.
Nach f;nf Minuten presste der Riese die Z;hne stark zusammen, lehnte sich auf den Sitz zur;ck und machte seine Auge zu. Jetzt war er zu einem eindeutigen Entschluss gekommen. Nastja, seine erste Liebe, w;rde niemals mehr zu ihm kommen und er w;rde auch niemals mehr die Leidenschaft ihrer K;sse erleben. Von der Erkenntnis der Hoffnungslosigkeit und der seelischen Leere weinte er, er weinte sehr bitter. Alexander sch;mte sich jetzt aus irgendeinem Grunde nicht f;r seine Tr;nen, die ganze menschliche Welt mit ihren Launen war ihm gleichg;ltig. Der weinende B;rtige sah durch den Nebel auch mit einer Gleichg;ltigkeit auf den jungen Neger, der am Fenster sa; und seine Beine auf das Sitz gegen;ber gelegt hatte. Er reagierte auch auf den vorbeigehenden glatzk;pfigen Schaffner nicht, der aus irgendeinem Grund b;se in seine Richtung schaute. Ihn beunruhigten auch die lauten Schreie der jungen Deutschen nicht, die nicht weit von ihm in einer Gruppe sa;en und sich mit Bier "voll laufen" lie;en. Einige der jungen Burschen warfen unter dem allgemeinen Gel;chter den Saufkumpanen leere Bierdosen auf den Gang, die trommelten ;ber den ganzen Waggon. Er dachte jetzt auch nicht dar;ber nach, warum der Vater des geliebten M;dchens mit ihm so grob umgegangen war. Alexander betrachtete Peter, wie auch sich, als einen sowjetischen Menschen, die das Gef;hl der Menschlichkeit und der gegenseitigen Hilfe zu einander immer besa;. Er konnte immer noch nicht verstehen, was den erwachsenen Mann bewogen hatte und worin die S;nde des Soldaten, wenn auch die eines Milit;rfahnenfl;chtigen, bestand.
Die Gr;nde des groben Verhaltens des Russlanddeutschen ihm gegen;ber zu verstehen, stand dem Fl;chtigen nicht zu. Alexander hatte sich fr;her und auch jetzt f;r die Geschichte der Deutschen in Russland wenig interessiert. Alles das, was durch Nastja erg;nzt worden war, was sie von sich und ;ber ihre Eltern erz;hlte, war f;r den Riesen eine gew;hnliche Sache. Das Leben der jungen Leute hatte sich wenig voneinander unterschieden, so lebten Tausende und sogar Millionen Burschen und M;dchen...
Nachdem Peter Kejt die T;r des Wohnheimes geschlossen hatte, ging er schnell ins Zimmer hinauf und schaute aus dem Fenster. Der fl;chtige B;rtige stand immer noch auf der Haustreppe und dachte ;ber etwas nach. ;ber vieles musste in dieser Nacht auch der Andere nachdenken, der so sehr den sch;nen Burschen beleidigt hatte. Peter freute sich zuerst von ganzem Herzen, dass seine Nastja sich verliebt hatte, sich richtig verliebt hatte. Sie redete fast die ganze Zeit mit den Eltern ;ber den unbekannten Burschen. Das Erscheinen des sowjetischen Soldaten im russischen Wohnheim, der einst die Aussiedlerfamilie bis zum Eisenbahnbahnhof begleitete, beunruhigte Herr Kejt zuerst wenig. Die Soldaten kamen ziemlich oft zu ihren Landsm;nnern, sie spielten zusammen mit ihnen Karten und tranken Bier. Peter kam es nicht in den Kopf, dass seine einzige Tochter sich in den Soldaten, dazu noch in einen Verbrecher verlieben k;nnte. Fast alle der Bewohner «der russischen Insel der Freiheit» hatten gleich nach dem Erscheinen Kusnezows ;ber die Freundschaft zwischen Nastja und dem Neuen gesprochen. Viele junge Aussiedlerinnen sahen mit einem L;cheln den sch;nen Riesen an, die meisten von ihnen reichten ihm die Hand zur Freundschaft. Peter und seine Frau Frida glaubten dem Gerede in der ersten Zeit nicht, sie wollten einfach das nicht glauben. Die Liebe der Tochter passte zurzeit nicht in ihre Pl;ne hinein, die Auswanderer hofften nach dem Wohnheim einen Arbeitsplatz zu bekommen. Sie tr;umten von einem anst;ndigen Arbeitsplatz und einem Studium f;r die Kinder. Die Mutter schaute immer mehr und mehr die Tochter an, deren Gesicht vor Freude nach jedem Treffen mit dem Soldaten leuchtete. Als sie ihre ernsten Absichten erkannte, entschied sie sich, mit ihr zu reden. Ein richtiges Gespr;ch ergab sich nicht, Nastja wollte den Ratschl;gen ihrer Mutter nicht zuh;ren. Sie gestand nicht nur die Liebe zum Burschen ein, sondern erz;hlte auch von den Absichten immer und in allem ihm zu helfen. Mit Tr;nen in den Augen teilte Frida dem Mann die Probleme mit, nach einer Weile wurden diese Probleme ihre gemeinsamen. Peter suchte nach einem passenden Moment, um den Fl;chtige von seiner Tochter zu trennen, f;r immer zu trennen. Und dieser Moment hatte sich ergeben... Das weitere Schicksal des Fahnenfl;chtigen interessierte den Mann jetzt wenig, sein Herz tat f;r seine Tochter weh. Der Vater wollte sehr, dass ihr Leben in der historischen Heimat der Vorfahren ein menschliches Leben, ohne Probleme und ohne Zukunftsangst w;rde. Er wollte f;r sie kein solches Leben wie das seiner Eltern und seines gewesen war...
Die Eltern von Peter Kejt, als Vertreter «des gef;hrlichen deutschen Elementes», waren im Herbst 1941 aus dem Wolgagebiet nach Sibirien umgesiedelt. Manfred und Magda hatten einen Monat vor der Abfahrt ihre Hochzeit gefeiert. Die Menschen wurden in Viehwagons gesetzt, w;hrend der Fahrt starben vor Hunger zw;lf Menschen, darunter drei Kinder. F;r die Ankommenden hatte man auch eine Stelle f;r den Aufenthalt bestimmt - ein leeres Feld. Die Menschen gruben L;cher in der Erde, bedeckten sie mit ;sten und so lebten sie dort. Die Kejts wie auch andere Deutsche, damit sie vom Hunger nicht starben, gingen ins benachbarte Dorf und gruben die Gem;seg;rten um auf der Suche nach den verbliebenen Kartoffeln. Nach einem Jahr hatte man Manfred in die Arbeitsarmee einbezogen, er blieb fast f;nf Jahre im Gebiet Sverdlowsk, er f;llte B;ume im Wald, baute das Aluminiumwerk mit auf. Aufgrund der st;ndigen Unterern;hrung, der Br;he mit Wanzen, der schweren k;rperlichen Arbeit starben viele M;nner. Der gro;e Lagerfriedhof wurde jeden Tag vergr;;ert. Die Verstorbenen glichen menschlichen Skeletten.
Nicht besser war auch Magdas Leben. Der Winter 1942/1943 Jahre war auf der sibirischen Erde sehr kalt und sehr schwer. Die Verwendung von toten Tieren als Nahrung, allerlei Ersatz geh;rte fast zum Alltag in den sibirischen D;rfern. Viele Bewohner waren vom Hunger aufgedunsen, einige starben. Der junge Organismus der Deutschen ertrug diese Qual, sie hielten auch weiteren Schwierigkeiten stand. Im Fr;hling 1943 hatte man die kinderlose Frau in die Arbeitskolonnen mobilisiert, sie s;gte drei Jahre B;ume im Norden des Gebietes Tjumen.
Erst zwei Jahre nach der Aufl;sung der Arbeitsarmee trafen sich die Eheleute wieder. Ins Heimatdorf an der Wolga zur;ckzukehren, erlaubten die Beh;rden den Kejts nicht. Erst nach dem Tod Stalins brach eine reale Wende zu einer Besserung in der L;sung der deutschen Probleme an. F;r die Deutschen wurde die Kommandantur aufgehoben, sie bekamen P;sse, ihnen wurde erlaubt durch das Land zu fahren. Familie Kejt baute ein sch;nes Haus, sie schaffte sich Vieh und andere Haustiere an. Dann heiratete ihr einziger Sohn Peter, bald kamen Enkel Anton, dann die Enkelin Nastja und dann noch ein Enkel Witenjka. Die Alten reisten nicht mehr in die historische Heimat aus, sie starben drei Jahre vor der Ausreise ihres Sohnes nach Deutschland. Peter und Frida nahmen bei der Sowjetmacht keine gro;en Posten ein, in Parteien waren sie auch nicht eingetreten. Die lokalen Beamten bewilligten ihnen problemlos die Dokumente f;r die Ausreise...
Die Nacht nach der tragischen Trennung von Nastja war f;r Alexander eine richtige H;lle. Er drehte sich sehr lange im Bett in der Laube hin und her und konnte nicht einschlafen. Das Erlebnis, was gerade erst mit ihm geschehen war, war f;r ihn sehr schwer. Der Verlust der Liebsten, wie er es sah, war f;r ihn eine Gottesstrafe. Von diesen Gedanken presste er immer fester und fester die Kalaschnikow mit den H;nden zusammen, die unter seinem Kissen lag. F;r einen Augenblick gefiel dem jungen Mann der Gedanke ;ber seinen Selbstmord. Von Selbsterschie;ung von Soldaten h;rte er in der Armee ziemlich oft. Drei Suizide gab es auch in seinem Motorschie;regiment. Diesen Weg gingen in der Regel junge Soldaten, die die Verspottung seitens der „Alten" nicht ertrugen oder beunruhigente Briefe von den Eltern oder von den Br;uten bekamen.
Der Sch;tze Kusnezow ;berh;rte es und hielt das f;r «die Spucke der Babys», so hatte er gern die Selbstm;rder unter den Alten genannt. Der Boxer wusste sehr gut, dass ihn niemand und niemals mit dem Finger ber;hren w;rde. Nach der ehrlosen Braut oder Freundin zu sabbern beabsichtigte er ;berhaupt nicht, damals hatte er einfach keine.
In dieser schlaflosen Nacht kam der Riese auch dazu, seiner geliebten Freundin die Meinung zu sagen. Er konnte keinen Grund zur Rechtfertigung von Nastja Tat finden, die sich von den Drohungen des Vaters f;rchtete und ihr Versprechen verga;, ihm zu helfen, ganz zu schweigen von dem Bekennen ihrer Liebe zu dem Soldaten. Je mehr der Entlaufene in die Welt der lebenswichtigen Gedanken eintauchte, desto mehr hasste er sich. Keine Umwelt, einschlie;lich Alexander selbst, existierte in diesem Moment f;r den B;rtigen. Der ehemalige B;rger der ehemaligen gro;en Sowjetunion, er, auch der ehemaligen Soldat der Sowjetischen Armee, er, auch der jetzige Milit;rverbrecher, blieb auf dieser Erde, in dieser menschlichen Welt allein mit sich selbst. Die Tr;nen traten in Alexanders Augen auf, als er seine Nichtigkeit erkannt hatte, und er kam zu einem furchtbaren Gedanken, von dem er nicht leben wollte. Er, der junge und gesunde Mann, war ein Mensch ohne Heimat, ohne N;chste und Verwandte, ohne ein Fleckchen heimatlicher Erde... Er hatte auch keine Existenzmittel. Er wusste auch nicht, was mit ihm morgen passierte...
Der B;rtige, bei dem die ganze Nacht der Bauch knurrte und die F;;e froren, stand auf und zog entschlossen die Waffe unter dem Kissen hervor. Dann dr;ckte er wie verzaubert seine Auge zu, den Verschluss des Automaten zur;ck und richtete das Gewehr auf sein Herz. In diesem Moment h;rte er unerwartet hinter der Laube ein Ger;usch, das immer st;rker und st;rker wurde. Dieser Laut riss Alexander aus seiner nerv;sen Erstarrung f;r einige Augenblicke heraus. Er wusste selbst nicht wieso, aber er hatte den Automaten etwas zur Seite gehoben und stark auf den Abzugshaken gedr;ckt...
Kapitel drei. Das Hundeleben.
Kusnezow wachte erst am Mittag auf, die Strahlen der Sommersonne tanzten auf seinem Gesicht. Aller Wahrscheinlichkeit nach hatten sie auch den jungen Mann geweckt, der infolge des unbekannten Ger;usches das automatische Gewehr von Kalaschnikow vom Herz zur Seite gedreht hatte. Er, um seine "Anwesenheit" auf dieser Erde zu pr;fen, fing krampfhaft an, mit den H;nden sein K;rper abzutasten. Die H;nde, die Beine und der Kopf waren an ihrem Platz. Deren Betasten hatte auch sein Gehirn gezwungen zu arbeiten. Als Erstes kam ihm der Gedanke an die nicht gelungene Selbsterschie;ung.
Der Fahnenfl;chtige bezweifelte ;berhaupt nicht, dass die Quelle des unerwartet erscheinenden Ger;usches ein Polizist sein konnte, der ihn, den Sowjetsoldaten, aufgesp;rt und schon eine lange Zeit verfolgt hatte. Was weiter mit ihm nach dem Waffenschuss geschah, konnte er sich selbst nicht vorstellen. Die tierische Angst vor dem Tod oder der nerv;se Stress hatten ihn f;r einige Zeit von dem Leben abgeschaltet. Die unerwartete Trennung von Nastja war nicht spurlos an ihm vorbeigegangen...
Die Angst vor der Polizei, die nach der festen ;berzeugung des Bewohners der Laube, schon den verlassenen Garten umgeben hatte, zwang ihn, unter dem Bett sich zu verstecken. Etwa zwei Stunden lag der Riese unter dem Bettnetz und atmete fast nicht. Er lauschte, wie ein getriebenes Tier, auf jedes Ger;usch, das ringsherum erklang. Erst gegen Abend, als in den Schleier der Dunkelheit auch die Laube eingetaucht war, wagte der B;rtige, den Kopf nach drau;en hinauszustrecken.
Aus dem h;lzernen H;uschen ging er nicht hinaus, sondern kroch heraus, kroch auf dem Bauch heraus. Ihm schien es, das der Polizist immer noch da war. Nach ein paar hundert Meter von der Laube entfernt stand Kusnezow auf und rannte weg. Wohin er lief und warum er lief, wusste er selbst nicht. Diese Nacht verbrachte der fl;chtige Soldat der Sowjetischen Armee neben dem Stra;enrand unter einem kleinen Heuhaufen. Fr;h am Morgen bewegte er sich wieder in Richtung des verlassenen Gartens, der Hunger machte sich bemerkbar. Die Angst zwang ihn, alle Vorsichtsma;nahmen zu beachten. Erst nach zweimaligem Umkreisen des Gartens n;herte sich der Fahnenfl;chtige der Laube, um sie herum war alles ruhig und ohne Ver;nderungen. Dies brachte ihn zur;ck ins Leben. Er ;ffnete sehr vorsichtig die T;r und begann aufmerksam die Wand gegen;ber vom Bett anzuschauen. In einem d;nnen Brett fand er drei L;cher von der gestrigen Schie;erei. Ein kalter Schwei; brach ;ber seinem ganzen K;rper aus.
Der wachsende Hunger behauptet sich immer mehr. Das steigende Hungergef;hl wurde immer st;rker. Der B;rtige ging entschlossen zum Bett und zog darunter eine Box mit Marschverpflegung heraus. Den Buchweizenbrei mit Fleisch hatte er sofort verschlungen, auch die letzte Flasche Limonade trank er aus. Pl;tzlich war ein Rascheln hinter der Laube. Es erinnerte etwas an das n;chtliche Ger;usch, als Kusnezow die kurze Schie;erei aus dem Automaten erzeugt hatte. Die Angst ergriff wieder den Fahnenfl;chtigen und er fasste sofort den Automaten. Danach lie; er sich mit ganzer Kraft auf den Fu;boden fallen, um eine Verteidigung bei einem Schusswechsel mit der ;rtlichen Polizei oder mit den sowjetischen Soldaten aufzunehmen. Das Ger;usch h;rte f;r eine Weile auf, sp;ter tauchte es wieder auf. Die Tatsache, dass der Garten und die H;tte umgeben waren, bezweifelte der Liegende schon ;berhaupt nicht mehr. Wie er auch keinen Zweifel hatte, dass er sich lebendig niemandem ergeben w;rde.
Bei diesem Gedanken presste er noch st;rker den Automaten zusammen und hielt den Atem an. In dem Raum und um die H;tten herrschte pl;tzlich eine Stille, es war eine Todesstille. Alexander h;rte deutlich das Klopfen seines Herzes. Und das alles erschreckte ihn sehr. Der Finger, der sich auf dem Abzugshaken des automatischen Gewehres „Kalaschnikow“ befand, war von der nerv;sen ;beranspannung wie bet;ubt. Alexander sp;rte ihn nicht. Das Ger;usch hinter der Wand wiederholte sich, ein paar Augenblicke sp;ter erklang einklagendes Heulen. Der Sch;tze reagierte auf diese Laute aus irgendeinem Grund nicht, er lag auf dem Fu;boden und bewegte sich nicht...
Der Gedanke, dass in der N;he der H;tte sich ein streunender Hund befand, oder irgendwelche andere Tiere, kamm dem Fahnenfl;chtigen erst dann, als an der Eingangst;r jemand hartn;ckig kratzte. Kusnezow zweifelte an seinem Gedanke schon ;berhaupt nicht mehr, er stand, den Automaten bereithaltend, schnell auf und ;ffnete vorsichtig die T;r. In den Raum st;rmte ein kleiner Hund herein und begann sofort, den fremden Mensch zu beschnuppern. Vom Erscheinen des vierbeinigen "Polizisten" lachte der Besitzer der Laube auf und warf sich sofort auf das Bett. An die Stelle tierischer Angst erfasste ihn das Lachen, ein homerisches Lachen, sozusagen sogar ein unmenschliches. Er lachte und streichelte sanft den Unbekannten an den Ohren.
Der Hund sa; zuerst gehorsam auf dem Fu;boden und jammerte freudig. Dann freude er sich aller Wahrscheinlichkeit nach ;ber das lebendige Wesen, sprang schnell auf das Bett und fing eifrig an, das Gesicht des Menschen zu lecken. Alexander sah die Schnauze des Tieres aufmerksam an und lachte immer wieder. Aus seinen Augen flossen Tr;nen...
Kaschtanka, so hatte der Mieter den Hund getauft, wurde in kurzer Zeit mit einer ganzen Dose des B;chsenfleisches fertig, die sich Alexander f;r den n;chsten Tag aufgehoben hatte. Nach der Trennung von Nastja, aufgrund unvorhergesehener Umst;nde und Geldmangels, beschlo; er die Lebensmittel eisern zu sparen.
Der Hund, nach "der Abrechnung" mit dem B;chsenfleisch, setzte sich sanftm;tig auf seinen Hintern und fing an, aufmerksam den neuen Besitzer anzuschauen. Das kleine deutsche St;dtchen wimmelte in letzter Zeit von streunenden Hunden. Einige Bewohner hatten sich Hals ;ber Kopf nach dem Westen des Landes gemacht, um dort darauf hoffend besser zu essen und auch so viel wie m;glich „Demokratie“ in Ihre Lungen zu bekommen. Aus diesem Grund wurden Dutzende von vierbeinigen Tieren ihrem Schicksal ;berlassen. Dazu kamen auch noch die Tiere der Milit;rangeh;rigen der WGT. Nach dem Abzug der Truppen blieben auf dem Territorium der Milit;rst;dtchens viele Katzen und Hunden f;r immer zur;ck.
Das verlassene Landhaus, eine Art der Erbe von einem Ostdeutschen, hatte auch der Fahnenfl;chtige der Sowjetischen Armee Alexander Kusnezow bekommen. Daran, dass in diesen Garten der Besitzer niemals einen Fu; setzen w;rde, zweifelte der ungesetzliche Bewohner von Tag zu Tag immer wenigert.
Das Auftauchen des vierbeinigen Tieres hatte ihn nicht nur wiederbelebt, sondern "stabilisierte" auch zu einem gro;en Teil das Leben des Einsiedlers. Er war jetzt nicht mehr allein. Kaschtanka erwies sich als ;u;erst anst;ndiger Hund. Der Mensch und der Hund waren eins. Sie teilten sich in gleichen Teilen die bleibenden Essvorr;te, die sich sehr schnell verringerten. Nach einiger Zeit des Aufenthalts hatte der Hund seine Pflichten allm;hlich "gelernt".
Kaschtanka kam in der Wachsache voran, sie setzte sich am fr;hsten Morgen sanftm;tig nicht weit von der H;tte hin und wachte. An die Signale des vierbeinigen Freundes hatte sich Alexander gleich gew;hnt. Wenn Kaschtanka faul klaffte oder jammerte, so war der Besitzer ruhig. Es bedeutete, dass niemand da war. Im Falle eines lauten Bellens brachte Kusnezow sich in die Kampfbereitschaft, den Automaten niemals vergessend.
Ein paar Sekunden sp;ter kam auch "die Wache" in die Deckung. Als der Hund, das ernste Gesicht des Besitzers sah, fing er an klagend zu jammern an und richtete dann seinen Blick auf die Eingangst;r. Die Bewohner der H;tte waren bereit, ihre Feinde abzuwehren.
Den B;rtigen erstaunte sehr oft die nat;rliche Intelligenz des Hundes, vor allem beim Wachdienst. Er bellte niemals umsonst laut. Wenn der Hund nach einem verzweifelten Kl;ffen nicht sofort in den Raum eindrang, so vernachl;ssigte Alexander die Kampfbereitschaft. Er wusste sehr gut, dass sein Hund zu den "Auseinandersetzungen" weggelaufen war. Er f;hrte einen echten Kampf ;hnlicher Art mit denen, die gestern oder heute wagten, die Ruhe der Bewohner der H;tte zu st;ren. Manchmal verlor Kaschtanka auch, dann kam sie nach Hause mit gro;en herausgerissenen Fellfetzen des eigenen Fells, sogar mit Hautfetzen.
Sie setzte sich neben das Bett und starrte seinen Besitzer aufmerksam an. Der B;rtige, der sich meistens in der horizontalen Lage befand, stand auf und sch;ttelte den Kopf. Dann streichelte er zart seinen Freund. Kaschtankas Niederlagen ;nderten in ihr die Hauptsache nicht, sie blieb ihrem Herrchen ergeben. Der „G;rtner“ z;ndete manchmal abends eine Kerze an und bewunderte seinen Hund, bewunderte ihn und lachte. Er hatte auch Tr;nen. Nach der Trennung von Nastja weinte er ziemlich oft nachts. Kaschtanka sp;rte diese Tr;nen und jammerte leise, als ob sie den Kummer des ihr nahen Menschen erlebte, dem sie ganz vor kurzem das Leben gerettet hat. Die traurigen Erinnerungen aus der Nacht nahm der Fl;chtige ziemlich oft auch in den Tag mit. In seiner Seele wurde es sehr unheimlich und er ging in den Wald.
Der Hund bellte freudig und folgte ihm. Der Wald zog von Tag zu Tag immer mehr und mehr den B;rtigen an und wurde f;r ihn nicht nur eine Art Zuflucht, sondern auch zu einer Gelegenheit des Durchatmungs. Die Liebhaber von Waldluft oder Pilzen achteten meistens nicht auf den gro;en Mann mit dem schwarzen Bart. Einige der Gaffern blieben f;r einen Moment stehen, aber das sehr selten, und bewunderten den schwarz-wei;en Hund, der um den Besitzer herumlief und herumschw;nzelte. Der Besitzer des Hundes reagierte nicht auf die Spr;che der Passanten. Er lachte nur und ging aus irgendeinem Grund z;gig weiter. Der Hund folgte gehorsam dem Beispiel seines kr;ftigen Besitzers...
Die Essvorr;te sowjetischer Produktion waren bei Alexander Kusnezow nach sechs Monaten der Flucht, gleich zu Beginn des neuen Jahres, zu Ende gegangen. Soldatenrationen in den benachbarten Siedlungen zu suchen, wo sich m;glicherweise noch die sowjetischen Einheiten befanden, wagte sich der Fahnenfl;chtige nicht. Er hatte Angst, Angst vor fast allem und jedem. Diese Angst verzehnfachte sich nach der unvergesslichen Begegnung mit Nastjas Vater. Die ;rtliche Polizei konnte Kontakte sowohl mit Aussiedlern als auch mit den russischen Milit;rs haben. Er hatte sich auch nicht getraut, noch einmal auf der Suche nach Essbarem auf das Territorien seiner ehemaligen Einheit zu gehen. Der Riese unterdr;ckte mehrmals den Wunsch, den Automaten, den er auf dem Platz neben «der Kremlwand» gelassen hatte, zu nehmen und den Deutschen zu verkaufen. Das Geld hatte er dringend n;tig. Seinen Automaten bewahrte er f;r den "Fall der F;lle“ auf...
Das nat;rliche Bed;rfnis nach anderen Lebensmitteln behauptete sich immer mehr und mehr. Die Nahrung einzig nur aus dem Pflanzenreich wirkte sich auf die Gesundheit des fl;chtigen Soldaten negativ aus. Wegen des st;ndigen Gebrauches von ;pfel und Birnen aus dem verlassenen Garten litt er ziemlich oft an der Magenverstimmung, Probleme mit dem Gr;nzeug hatte auch Kaschtanka. Der Riese sah immer ;fter in den Hundeaugen tr;ben Fl;mmchen und es zwang ihn, etwas von den Fleischkonserven f;r den Hund aufzusparen. Lebensmittel, sogar sehr billige, f;r sich und seinen vierbeinigen Freund zukaufen, konnte Kusnezow aus Mangel an Geld nicht. Und in den deutschen Gesch;ften zu erscheinen, hatte er sehr gro;e Angst. Er bezweifelte nicht, dass die milit;rische Einheit nicht nur er allein verlassen hatte. Wie er k;nnten es Hunderte, sogar Tausende sein... Die Deutschen hatten satt von den sowjetischen Fahnenfl;chtigen, die in der Regel sich in den W;ldern versteckten. Alexandersaussehen rief von Tag zu Tag mehr Bef;rchtungen herbei, er ging ;fter und ;fter in den Wald weg...
Die erste Jagd nach Nahrung hatte sich f;r den B;rtigen sehr erfolgreich erwiesen. Auch er selbst hatte nicht erwartet, dass alles so gut ging. Das kleine Lebensmittelgesch;ft befand sich am Rande des Dorfes, der Fahnenfl;chtige war hier fr;her noch nicht gewesen. Er hatte „Objekt" speziell etwas weiter von Dachbau gew;hlt, um im Falle einer Verfolgung nicht die Spur auf sich zu lenken. Die viele freie Zeit erlaubte ihm, gr;ndlich das unbekannte Gel;nde zu erkunden. Er, um sich auf dem R;ckweg nicht zu verirren, brach ;ste von B;umen ab und warf sie auf den Weg. Die Lebensmittel im Gesch;ft beschloss Kusnezow, in der Mittagszeit "zu nehmen". Die Deutschen waren sehr p;nktliche Menschen, in der Mittagszeit blieb alles ;berall im ganzen Land stehen. Er sa; etwa eine Stunde mit dem Hund im Hinterhalt und streckte seine Nase aus dem kleinen Geb;sch nicht heraus. Neben dem Eingang ins Gesch;ft und in der Umgebung war keine Seele zu sehen.
Das freute den Riesen, er w;rde den Verk;ufer ohne Probleme ;berw;ltigen. T;ten w;rde er ihn nicht, aber einen Lappen ihm in den Mund zu stecken, dazu hatte er genug Kraft. Alexander trat entschlossen aus dem Hinterhalt heraus und blieb pl;tzlich stehen. Ans H;uschen fuhr ein Auto heran, dann hielt es an. Nach einer Weile entstieg ihm eine ziemlich alte Frau und ging sehr langsam zum Stand der Einkaufswagen. Die K;uferin kam aus dem Gesch;ft nach etwa drei;ig Minuten. Sie atmete ein wenig durch, dann steckte sie den Kopf in den Kofferraum und fing an, den Einkauf in zwei gro;e K;sten akkurat hineinzulegen. Kusnezow schrie vor Freude sogar leise auf, als er den halboffenen Kofferraum und die sich mit dem Wagen entfernende Alte sah. Am Erfolg seiner "Jagd" zweifelte er schon ;berhaupt nicht mehr, als die Alte im Gesch;ft wieder verschwand. Die Besitzerin des neuen "Mercedes" beabsichtigte noch etwas zu kaufen. Alexander schaute sich schnell nach den Seiten um und fing entschlossen an, schon nach einem neuen Plan zu handeln...
Die Lebensmittelbeute war sehr reich und sehr vielf;ltig. Erst nach etwa f;nfhundert Meter vom Gesch;ft entschied sich der Fahnenfl;chtige, die Lebensmittel in den Rucksack umzulagern. Es passte nur ein Kasten hinein. Den zweiten Kasten packte er in die Sportjacke, deren ;rmel er zugebunden hatte. In dieser Nacht soff und fra; im wahrsten Sinne der frischgebackene Dieb. Reichlich ern;hrte sich auch Kaschtanka, die wie immer auf dem warmen Teppich am Eingang in die Laube sa;.
Nach der alten Deutschen folgten andere K;ufer, Gesch;fte und kleinen Gesch;fte...
Ein Versagen gab es beim B;rtigen nicht, er verwunderte sich auch selbst ;ber seine Erfindungsgabe zu stehlen. Der Winter verging schnell. Der Mensch und der Hund lebten und stahlen, als ein Ganzes...
Der Beginn des Fr;hlings brachte Alexander Kusnezow nicht nur warmes Wetter, sondern auch die menschlichen Hoffnungen. Er verga; allm;hlich, dass er einst aus der sowjetischen Garnison desertiert war. Ihm schmerzte schon nicht mehr das Herz beim Anblick der hiesigen Deutschen, schon nicht so stark zitterten die H;nde und die Beine beim Erscheinen von Polizisten. Dazu hatte er es geschafft, den Kontakt mit einem Deutschen aus dem Ort, einem Sch;ler herzustellen. Hans, so hie; der erste und einzige Deutsche, den der Fl;chtige kennengelernt hatte, war der Sohn von durchaus nicht armen Eltern. Der B;rtige hatte den Burschen ganz zuf;llig kennengelernt, als er wieder einmal durch den Wald schlenderte. Der Bub hatte aller Wahrscheinlichkeit nach als Erster von den Ortsbewohnern den gro;en Mann entdeckt, der aus irgendeinem Grund oft in den verlassenen Garten ging.
Er wusste genau, dass im Laufe von Dutzenden Jahren die st;ndigen Besucher dieses Gartens sowjetische Offiziere und F;hnriche waren. Sie kamen hierher mit ganzen Familien, einige von ihnen kamen auch mit Autos an. Der verlassene Garten hatte im eigentlichen Sinne Tag und Nacht geraucht, besonders vor dem Abzug der Russen aus Dachbau. Die Liebhaber des Schaschliks und des Alkohols hinterlie;en Berge allerlei M;lls. Die ortsans;ssigen Deutschen steckten nicht ihre Nase in die eigent;mliche Dom;ne der sowjetischen Truppen. Die ;rtliche Polizei schaute hier auch nicht herein, nach der Vereinigung des Landes hatte sich auch nichts ge;ndert...
Die Freundschaft des fl;chtigen Soldaten und des Ortsbewohners wurde von Tag zu Tag, wie auch mit jeder Stunde st;rker. Kaschtanka hatte sich an den jungen Deutschen auch gew;hnt. Alexander lie; als Ausnahme, nicht ohne Hintergedanken, den vierbeinigen Freund mit dem Sch;ler nach Hause gehen, als der Bub den Freunden einige Lebensmittel brachte. Gerade damit hatte auch die Freundschaft begonnen, als sie sich im Wald begegnet waren. Der Deutsche begr;sste als Erster den gro;en Mann, dessen Bart an den Bart eines Priesters erinnerte. "Der Heilige Vater" hatte auf die Begr;;ung des jungen Fremden nicht geantwortet. Er lief wie ;blich mit schnellem Schritt von ihm weg. Die Bewohner der H;tte kehrten nach einer Stunde nach Hause zur;ck. Der Bub wartete schon auf die Bekannten am Rande des Gartens. Der Riese versuchte wieder, in den Wald zu entkommen, aber es funktionierte nicht. Den Roten erschrak auch Kaschtankas lautes Bellen nicht, die im eigentlichen Sinne versuchte, ihm die Hosen herunterzuziehen. Es zog ihn, wie ein Magnet zum Riesen und er setzte im eigentlichen Sinne fort, ihn zu verfolgen.
Am Ende war Alexander m;de geworden und ergab sich. Er blieb stehen und starrte w;tend auf den, der ihn verfolgte. In seinem Kopf waren nur zwei Gedanken, die ihn von dieser aufdringlichen Fliege sicher befreit h;tten. Die Entscheidung, dem Buben tats;chlich den Hintern zu versohlen oder auf ihn Kaschtanka zu hetzen, verwarf der Riesen fast augenblicklich. Der Grund daf;r war nicht nur die friedliebende Art des Jungs, sondern auch seine weiteren Handlungen. Er, als h;tte er die Absichten des „Heiligen Vaters“ und seines Hundes gelesen, schaute heiter in das erbitterte Gesicht des Mannes und sagte leise auf Russisch:
- Onkel, sind Sie ein Russe? Ich denke, dass auch ehrlich ein Russe...
Der Bub hatte diese W;rter mit einem sehr gro;en Akzent und auseinander gezogen gesagt, was den fl;chtigen Soldaten zum Lachen brachte. Aber Alexander beantwortete nicht die Frage des Neugierigen. Er schwieg weiter und starrte ungl;ubig auf den, der nach fast einem Jahr seine Ruhe gest;rt hatte. Er schaute ihn aufmerksam an und dachte nach. Dieser St;rer konnte nicht der Sohn eines sowjetischen Milit;rangeh;rigen sein. Kusnezow, trotz der Tatsache, dass er selten zur Entlassung ging, lernte die russischen und ;rtlichen Jungs zu unterscheiden. Dieser Rothaarige war eindeutig kein Russe. Darin irrte sich der Fl;chtige nicht. Sein Schweigen gab dem aufdringlichen Verfolger Mut. Der Bub redete wieder sicherer:
- Mein Vater studierte in Moskau, ich war auch zwei Mal dort... Mein Vater arbeitete vor zwei Jahren als Vorgesetzter... Ich habe die russische Sprache in unserer Schule gelernt, sehr gut gelernt... Mein Vater wollte, dass ich auch in der Sowjetunion studiere...
Nach diesen Worten des Buben mit Akzent und mit Fehlern zweifelte der B;rtige schon daran ;berhaupt nicht mehr, dass vor ihm der Sohn irgendeines lokalen Vorgesetzten stand. Ihn erfreute auch seine russische Sprache, die er schon lange nicht mehr geh;rt hatte. Den fl;chtigen Soldaten "verw;hnte" auch die deutsche Sprache nicht, in der er ;berhaupt ein "Dummer" war. Auf die russischen W;rter von dem ortsans;ssigen Deutschen reagierte Alexander wieder nicht. Er, als ob vor ihm ein leerer Platz w;re, drehte sich schnell um und ging in Richtung des Waldes, in der Absicht zu zeigen, dass er in diesem verlassenen Garten niemals lebte. Kaschtanka folgte dem Besitzer. Nach etwa zehn Meter blieb der Hund stehen und setzte sich.
Dann entschied er sich, wie ein Gr;nschnabel in der Armee, dem Besitzer zu dienen und kl;ffte laut mehrmals in Richtung des unerw;nschten Gastes. Der Bub stand noch lange da und sah mit Tr;nen in den Augen in Richtung derer, die sich ihm gegen;ber aus irgendeinem Grund sehr gleichg;ltig verhielten.
Nach einer Woche erschien Hans wieder am Rande des Gartens. An diesem Tag kam Alexander von dem "Fang", kam sehr zufrieden. Nach einer herzhaften Mahlzeit und Alkohol beschloss er, durch den Garten zu gehen und stie; wieder auf den Deutschen. Auch diesmal brannte der „Heilige Vater“ nicht vom Wunsch, Freundschaft mit dem Buben zu schlie;en. Er ging knapp f;nfzig Meter vor der aufdringlichen "Fliege" entfernt mit beschleunigtem Schritt in Richtung Wald. Nach etwa zehn Meter blieb er stehen, Kaschtanka war nicht da... Kaum hatte der Hund den Buben erblickt, rannte er sofort zu ihm und fing an, um ihn herum zu laufen. Der Deutsche ;ffnete den Mund vor ;berraschung und fiel hin, lachend wegen des Hundes. Kaschtankas ungew;hnliches Verhalten freute den Besitzer und er schloss sich auch den einfachen Spielen an, die der Bub und der vierbeinige Hund f;hrten. An diesem Abend schlenderten der sowjetische Fahnenfl;chtige und der junge Deutsche sehr lange durch den Wald. Alexander traute sich nicht, den unerw;nschten Gast zu sich in die H;tte einzuladen. Er vertraute ihm nicht, wie er auch nicht glaubte daran, was jener ihm erz;hlte. ;ber sich hatte der Fl;chtige dem Buben nichts erz;hlt, er hielt es f;r eine unn;tige Besch;ftigung. Und was konnte er dem „gesetzlichen" Bewohner des vereinigten Deutschlands erz;hlen? Kusnezow war hier einfach ein Verbrecher, der ein besseres Leben in diesem bis jetzt ihm unbekannten und unverst;ndlichen Land wollte. Der gemeinsame Spaziergang ;berzeugte den B;rtigen, dass der Bub fr;her und jetzt ihn nicht belogen hatte. Hans, der im Dorf nicht weit von der Stadt Dachbau lebte, wusste von den Russen viel mehr als der ehemalige Soldat. Der Bub hatte sich in diesem Ort ganz zuf;llig aufgehalten. Er suchte den sowjetischen Schie;platz, den er bis jetzt immer noch nicht gefunden hatte. Vor fast einem Jahr fuhr er mit einem Freund nach Dresden, wo einst die sowjetischen Truppen waren, in der Hoffnung ein Automaten oder eine Pistole zu finden. Die Jungs waren ein wenig zu sp;t gekommen, die ;rtlichen Beh;rden hatten schon die Kaserne zerst;rt. Von den sowjetischen Waffen tr;umte der rothaarige Junge sogar. Er weinte sogar heimlich vor dem Vater, als jener der Mutter und der Gro;mutter davon erz;hlte, dass in einem der Milit;rst;dtchen die Bauarbeiter auf dem Dachboden einige Pistolen und zwei Kisten Patronen gefunden hatten. Die Informationen ;ber die Fahrl;ssigkeit der Russen brachte die Gro;mutter fast zum Infarkt, sie verdoppelte die Kontrolle ;ber den ungehorsamen Enkel. In diesem Sommer wurde Enkel ohne Aufsicht gelassen. Die Gro;mutter war ins Krankenhaus gebracht worden, als sie erfahren hatte, dass ihre Tochter und der Schwiegersohn ohne Arbeit waren.
Die Neuheiten des kleinen Deutschen w;hlten die Seele des fl;chtigen Soldaten wieder auf. Der Schlaf wollte nicht kommen, er w;lzte sich immer wieder, das Nervensystem beruhigte auch der deutsche Weinbrand nicht. Seit der Flucht aus der Kompanie war fast ein Jahr vergangen. In dieser Zeit wurde Alexander nicht nur wild, sondern war fast vollst;ndig von der Au;enwelt abgeschnitten. Er musste sogar den Bekannten nach dem Wochentag fragen. Hans war ein echter Anh;nger der sowjetischen Prinzipien und nicht nur das. Er war ein sehr kluger und anst;ndiger Mensch. Nach einer Woche lie; der Riese ihn zu sich in den Garten herein. Der Bub war ;ber die Einladung sehr froh und sah mit gro;em Interesse die "Villa" seines Freundens an. Daran, dass der B;rtige ein Russen Iwan ist, zweifelte der Sch;ler schon ;berhaupt nicht mehr. Er war davon sofort ;berzeugt, als er zur deutschen Sprache ;berging. Der gro;e Russe machte als Antwort einen gleichg;ltigen Gesichtsausdruck und lachte freudig.
In schwierigen Situationen gingen die Freunde zu Gesten ;ber. Um ;ber gro;en Dingen zu sprechen, reichten bei beiden weder die W;rter noch die Gesten aus. Aus diesem Grund wurde die Politik ;bersprungen.
Am ersten Tag seines Aufenthaltes erhielt der Gast vom Besitzer der H;tte ein Geschenk, das aus einem Knopf, einem Emblem und einem Zeichen der "Garde" bestand. Der B;rtige hatte die Erkennungszeichen von seinem "Gewand" abgenommen, die er in der N;he der H;tte immer noch versteckte. Er bezweifelte schon nicht mehr, dass die Soldatenuniform ihm nicht mehr n;tzlich sein w;rde. Hans freute sich sehr ;ber das Geschenk des ;lteren Freundes. Am n;chsten Abend machte der Bub ihm ein Gegengeschenk. In seinem Schulranzen hatte er f;r Iwan einen kleinen Transistor und zwei Zeitschriften mitgebracht. Er hatte auch ein russisch-deutsches W;rterbuch mitgebracht, das seine Eltern noch vor kurzem benutzten. Vom bevorstehenden musikalischen Vergn;gen schnalzte der Riese sogar mit der Zunge, die Quelle der Musik f;gte ihm lebenswichtigen Optimismus zu. Der Transistor sendete aus irgendeinem Grund keine russische Nachrichten oder Programmen. Das kleine Radio wurde f;r den Fl;chtigen zu einem Amulett, von dem er sich niemals und nirgendwo trennte. Er hing um seinen Hals w;hrend des Schlafes und w;hrend der mehrst;ndigen Spazierg;nge. Er verga; es auch dann nicht, wenn er mit Kaschtanka auf den «Fang» ging.
Einen bestimmten Flei; zeigte der Fl;chtige auch beim Lernen der deutschen Sprache. Das W;rterbuch war dem Inhalt nach sehr einfach. Bald war Alexander schon in der Lage, den Jungen etwas auf Deutsch zu fragen. Manchmal hatte er auch in seinem Kopf "gegraben", aber es hatte wenig Sinn. Die deutsche Sprache hatte er in Neidjonowka fast drei Jahre gelernt, aber ohne jegliches Interesse. Dazu kam die Lehrerin monatelang nicht aus dem Bezirkskrankenhaus heraus.
Den Jahrestag seiner Flucht aus dem Milit;rst;dtchen beginn der Fahnenfl;chtige mit Tr;nen in den Augen, schuld daran war die Melancholie. Von dieser menschlichen Eigenschaft rettete ihn weder die Musik noch die Besch;ftigung mit der deutschen Sprache. In die Macht der Traurigkeit geriet der Besitzer der H;tte in der Regel nach dem Kontakt mit dem jungen Deutschen. Er begann, sich daf;r sofort bitter zu hassen, dass er in der ganzen Zeit nach seiner Flucht nichts unternommen hatte, um in der Gesellschaft anzu-kommen, die er f;r den Etalon des Lebens hielt.
Ziemlich oft weinte er auch. Zu diesem Zeitpunkt beneidete er den rothaarigen Hans, der seine Eltern, ein Heim und Freunde hatte. Er, dieser gro;en Russe Iwan hatte nichts. Er beneidete manchmal auch Kaschtanka, die ihm treu diente und niemanden f;rchtete. Er ;rgerte sich immer mehr und mehr ;ber dieses vierbeinige Wesen, das friedlich neben dem Bett oder neben dem Eingang lag und seine sehr komplizierten Probleme, die Probleme des zweibeinigen Menschen nicht verstehen wollte...
Einen gewissen Optimismus hatte der Riese noch, manchmal sogar im ;berfluss. Es geschah in der Regel nur beim sehr sonnigen Wetter und beim Treffen mit Hans. Der rothaarige Junge wurde f;r ihn wie ein j;ngerer Bruder, der in sein Leben sehr schnell eingedrungen war. Er brachte dem Russen Iwan ziemlich oft Lebensmittel, brachte sie umsonst. Er verga; auch den vierbeinigen Freund nicht. Spezielle Produkte f;r Hunde gab es im Elternhaus nicht und deshalb kaufte der Sch;ler die K;stlichkeiten im Gesch;ft, wenn auch sehr selten. Die M;nner lachten fr;hlich, wenn Kaschtanka mit Appetit den Inhalt der Dosen, auf denen die sch;nen Schnauzen ihrer Altgenossen gezeichnet waren, verschlang. Nach dem Fressen kam sie zum Besitzer, dann zum kleinen Gast und leckte sie abwechselnd. Solche Dankbarkeit rief bei den Freunden neue Welle des Lachens und der Freude hervor.
Der Sommer verging schnell, leise verabschiedete sich auch der Herbst. Es kam der Winter, die schlimmste Zeit f;r die Laubenbewohner. Besonders litt Alexander, vom Schlaf und der Langeweile wurde ihm manchmal schlecht. Vor dem Wahnsinn retteten ihn der Wald und der kleine Hans. Im Winter kam der Junge seltener, er lernte in der sechsten Klasse und verbrachte seine Zeit mit Lernen.
Dank ihm verlor der Fl;chtige nicht den Kontakt mit der menschlichen Zivilisation. In einigen Zeitschriften und Zeitungen, die der Junge brachte, fand der B;rtige einige Politiker der ehemaligen Sowjetunion. Der Versuch, die Informationen ;ber den Abzug der sowjetischen Truppen oder ;berhaupt ;ber die Sowjetische Armee zu finden, scheiterte in der Regel. Der "Lesende" kannte die fremde Sprache nicht, Bilder oder Zeichnungen mit den sowjetischen Panzern und Soldaten gab es in den Kinder- und Modenzeitschriften aus irgendeinem Grund auch nicht. Es gab solche auch nicht in der Bezirkszeitung. Wenig Information ;ber den Abzug der westlichen Gruppe hatte auch der kleinen Deutschen. Er wusste nur genau, dass die Kasernen des sowjetischen St;dtchens in Dachbau zerst;rt waren, den ganzen Kram hatten die Deutschen entsorgt...
Die Freundschaft der M;nner unterschiedlichen Alters basierte auf vollem Vertrauen und gegenseitigem Respekt. Sie betrachten sich als Mitglieder einer Familie und waren deshalb sehr besorgt, wenn jemand von ihnen in eine schlimme Lebenssituation geriet. Am Ende des Winters erkrankte Alexander schwer, ihn qu;lte st;ndig der Magen. An der Schwelle des Fr;hlings verschlimmerte sich das stark, von einem schwachen «Stuhl" kam er nicht herunter. Hans brachte dem gro;en "Russi" etwa ein Dutzend Arten verschiedeneri Medikamente, nach einer Woche „stabilisierte“ sich der Magen des Riesen. Eine moralische Unterst;tzung unter den Bewohnern der H;tte fand auch der «kleine Hans», so nannte Alexander liebevoll den Freund, als beim Buben die Lieblingsgro;mutter gestorben war. Die noch nicht sehr alte Frau starb nach einem Infarkt nach einem Streit mit der Nachbarin von dem zweiten Stock, jene nannte die Gro;mutter ein Stasischwein. Frau M;ller hatte sich wegen solcher Beleidigung sehr aufgeregt und weinte die ganze Nacht.
Am Morgen wurde sie mit dem Krankenwagen ins Krankenhaus gebracht, wo sie auch starb. Nach der Beerdigung der Lieblingsgro;mutter kam der Enkel in den Garten sehr beedr;ckt und weinte die ganze Zeit. Kusnezow war in Bezug auf den Freund an diesem Abend besonders behutsam und schenkte ihm das Bajonettmesser vom automatischen Gewehr „Kalaschnikow“. Als Trost f;r den Buben hatte er sich entschlossen, in den Wald zu gehen und aus dem Automaten zu schie;en. Die M;nner, die von Kaschtankas frohem Bellen begleitet wurden, suchten eine Stelle f;r die Schie;erei sehr lange. Der Riese f;rchtete sehr, dass jemand aus den ortsans;ssigen Deutschen die Sch;sse h;ren und die Polizei alarmieren k;nnte.
Hans hatte ohne jegliche Probleme das Magazin mit dem Verschluss verbunden und den Ausl;ser verschoben, dann hatte er den Automaten auf einzelne Sch;sse eingestellt. Die Zielscheibe f;r die Schie;erei w;hlte er auch selbst aus. Mangel daran gab es nicht, es gab sehr viel Kiefern, eine sch;ner als die anderen. Der Junge w;hlte die dickste und h;chste.
Er entlud in die Kiefer das volle Automatenmagazin. Von der Anstrengung war "der Sch;tze" furchtbar err;tet und verschwitzt, er bem;hte sich mit dem Gesicht nicht in den Dreck vor dem russischen Freund zu fallen. F;r die Freude des Sch;lers gab es keine Grenze, als er in der dicken Kiefer etwa ein Dutzend Kugeln, die tief in ihrem "K;rper" sa;en, sah. Nach der Schie;erei schenkte der B;rtige dem Freund eine Kampfpatrone. Mehr Patronen, schon ganz zu schweigen von dem Automaten, beabsichtigte er niemandem zu schenken. Das alles konnte ihm noch n;tzlich sein. Die Freunde hielten sich im Wald bis zum sp;ten Abend auf. Der Lehrer des jungen Sch;tzen war sehr besorgt um den Buben, die Eltern konnten das mehrst;ndige Verschwinden des einzigen Sohnes bemerken.
Die Sommerferien verbrachte Hans M;ller in seinem Heimatdorf Br;cken.
Aus unverst;ndlichen f;r die Eltern Gr;nden verzichtete der Sohn hartn;ckig auf ihre Einladung, im Sommer nach Bayern zu den Verwandten des Vaters und von dort aus zum Bodensee zu fahren. Besonders verstand den Buben der Vater nicht, der alles M;gliche und Unm;gliche f;r sein geliebtes H;nschen machte. Der Vater und der Sohn waren fr;her immer und ;berall zusammen, aber in diesem Jahr war es, als ob jemand den j;ngeren M;ller ausgewechselt h;tte. Die Eltern beschlossen, auf das Kind einen genauen Blick zu werfen und vor allem seine pers;nlichen Sachen genau zu untersuchen. Ganz unten im Kleiderschrank fanden sie zu ihrem Erstaunen ein Bajonettmesser vom sowjetischen automatischen Gewehr „Kalaschnikow“, eine Kampfpatrone und das Zeichen "Garde".
Niemand bezweifelte, dass der Lieblingssohn unter den Russen herumhing und irgendwie gef;hrliche Sachen bekam. Die Eltern gerieten in Panik, der Mutter des Buben zitterten die H;nde. Sie wollte nicht, dass ihr Sohn in eine unangenehme Geschichte mit den Russen geriet, von deren Verbrechen die Massenmedien Tag und Nacht berichteten. Die Eltern entschieden sich, dem Sohn von den Funden nicht zu sagen und benahmen sich so, als ob sie nichts gesehen h;tten. Manfred M;ller sp;rte seinen Sohn erst nach einer Woche auf, als der sich entschieden hatte, den Mitsch;ler Stevenson zu besuchen. Der Junge ging nicht in die Richtung der Stra;e, wo sein Freund wohnte, er stieg in den Linienbus ein. Der Vater rannte nach Hause, nach einer Weile sah der Fahrer des alten "Mercedes" vor sich den Bus mit dem bekannten Kennzeichen...
Hans kam von seinem Freund Stevenson recht sp;t zur;ck und verschwand sofort in sein Kinderzimmer. Sein Vater kam etwas sp;ter nach Hause und ging ins Schlafzimmer. In dieser Nacht schliefen die Eheleute M;ller nicht. Sie konnten es immer noch nicht verstehen, was ihr einziger Sohn in der verlassenen H;tte machte, und was er und der sehr gro;e Mann mit dem schwarzen Bart, den nur Priester hatten, gemeinsam haben k;nnten.
An den ersten Sonntag des Augustes wird sich der Milit;rfahnenfl;chtige, Soldat Alexander Kusnezow sein Leben lang erinnern. Raus aus dem Bett an diesem Tag wollte er nicht, drau;en ging ein Dauerregen. Die kleinen Tr;pfchen des Regens trommelten langsam und sehr langweilig auf dem Dach der Laube. Von diesem monotonen Klopfen zog er es vor zu schlafen, aber der Schlaf kam nicht. Die Apathie und die Gleichg;ltigkeit allem gegen;ber und zu sich "t;teten" den Liegenden. Er beabsichtigte, auch weiterhin in der horizontalen Lage zu bleiben, wenn nicht Kaschtankas Jammern gewesen w;re. Das tat sie immer, wenn sie in den Hof gehen wollte. Der Riese stand tr;ge aus dem warmen Bett auf und ;ffnete langsam die T;r. Der Hund sprang sofort vor Freude aus dem Raum hinaus und verschwand im Gr;nen des Gartens.
Unerwartet h;rte Alexander das bekannte Hundebellen, diesmal war es aber sehr stark und sehr beunruhigt. Der B;rtige eilte sofort zum Fenster. Am Rande des Gartens in Richtung der H;tte bewegten sich zwei Polizisten und ein Mann in Zivil. Zweifel hatte der Fl;chtige nicht, man hatte ihn aufgesp;rt. Er entschied sich, sehr entschlossen zu handeln. Er b;ckte sich nach unten und zog unter dem Bett den Soldatenrucksack hervor, in dem die Milit;rkarte, zwei Pakete Soldatenmarschverpflegung und die Boxhandschuhe waren. Darin war auch das Magazin f;r den Automaten, aufgef;llt bis zum Rand mit Kampfpatronen. Ohne zu z;gern stie; der B;rtige mit Kraft die Eingangst;r der H;tte auf und st;rzte sich zum Wald, wo ihm jeder Busch und jeder Fu;weg bekannt war.
W;hrend des R;ckzugs drehte der Riese den Kopf in Richtung der H;tte um, die Verfolger hatten auch den Kurs ge;ndert und bewegten sich ebenfalls zum Wald. Vor den drei Personen hatte er Kaschtanka gesehen, die aus vollem Halse bellte und mit ganzer Kraft der Spur des Besitzers nach lief. Der Fl;chtige lief noch schneller. Etwa f;nfzig Meter vor dem Wald tauchte pl;tzlich ein Polizeiauto mit Blaulicht auf, aus dem Wagen sprangen zwei Polizisten heraus. Sie hielten die Pistolen bereit und schrien laut etwas auf Deutsch. F;r einen Moment erfasste den Fluchtigen Angst und er blieb stehen, blieb stehen und schaute mit den Augen den Wald entlang, in der Hoffnung, einen anderen Fluchtweg zu finden.
Von dem, was er sah, fing sein Herz beunruhigt an zu schlagen und Schwei; ;bergoss seinen K;rper. An den Wald fuhr mit einer wahnsinnigen Geschwindigkeit ein anderes Polizeiauto heran, Blaulicht blinkte und es gab einen m;chtigen Krach. Alexander war von der gut organisierten Arbeit der deutschen Polizei f;r einen Moment verbl;fft. Er glaubte schon nicht mehr, dass es ihm gelingen w;rde, sich zu retten oder von der Verfolgung zu entkommen. Dar;ber, wer ihn aufgesp;rt oder wer ihn verraten hatte, dachte er jetzt nicht nach. Er wusste eins genau, lebendig in die H;nde der Polizei w;rde er sich nicht ergeben. Und es gab ihm eine gigantische, sogar eine ;bermenschliche Kraft. Er wurde von der Stelle wie ein Reh gerissen und dabei presste er noch st;rker seinen Automaten, seinen eigenen Automaten zusammen. Mit seiner pers;nlichen Waffe fest umschlungen hatte er fast vier Jahre geschlafen...
Die Polizisten hatten offenbar beim Anblick des zwei Meter gro;en "kubanischen Fidel" kalte F;;e bekommen. Der ;lterer Mann und das junge M;dchen, deren Gesichter sich Kusnezow n;herten, feuerten keinen Schuss auf dier lebendige Zielscheibe ab. Das w;tende Gesicht des Riesen, der w;hrend des Laufens schoss, hatte die Ordnungsh;ter entsetzt. Besonders stark erschrocken war die junge Person, als es nahe ihren Ohren ein paar Kugeln pfiffen. Von tierischer Angst um ihr Leben schrie sie hysterisch etwas auf Deutsch und schlich sich niedergebeugt in den Wald. Erschrocken war auch ihr Kollege. Er, trotz umfangreicher Erfahrung im Fangen allerlei Verbrecher, hatte solche Unversch;mtheit nicht vom sowjetischen Fahnenfl;chtigen erwartet. Der Russe mit dem Bart rannte wie ein Sprinter an ihm vorbei und verga; nicht, alles ringsherum aus dem Automaten mit bleiernem Feuer zu begie;en...
Nach ein paar Kilometern hatte sich Kusnezow entschieden durchzuatmen. Seine Seele und sein Herz jubelten, er war den Verfolgern mutig und tapfer entkommen. Jetzt, besonders in dem vertrauten Wald, trat die Angst um sein Leben in den Hintergrund. In den zwei Jahren wurden ihm dieser Wald und die W;ldchen vertraut und nah. Sie verbargen nicht nur ihn von den Augen der Menschen, sondern retteten ihn auch von der Polizei. Der B;rtige hatte sich in der Tiefe des Waldes einen gro;en Busch ausgew;hlt und legte sich hin, legte sich f;r eine Weile hin. Er bezweifelte nicht, dass die gewissenhaften Deutschen fortsetzen w;rden, ihn bis zum Abend zu verfolgen und vielleicht sogar die ganze Nacht. W;hrend des Dienstes h;rte er mehrfach, dass sich die sowjetischen Vorgesetzten um Hilfe an die Polizei des sozialistischen Deutschlands gewandt hatten. Die Russen hoben manchmal f;r das Einfangen der Entlaufenen ganze Divisionen aus und durchk;mmten Dutzende D;rfer und G;rten. Es entstanden verschiedene Gruppen des Einfangens und der Ergreifung, es wurden verschiedene Schemata auf den Karten gezeichnet. Durch das ganze Land fuhrten hunderte von Wagen, es wurde ein ganzes Meer von Sprit verbrannt. Es liefen in der Regel jungen Soldaten weg...
Die ;berlegungen ;ber die Gr;nschn;bel steigernten in einem gewissen Ma; den moralischen Geist des Fl;chtigen. Er z;hlte sich nicht zu den Gr;nschn;beln, er konnte sich immer verteidigen. So war es auch jetzt geschehen, als er fast wie Suworow eine ganze Menge von bewaffneten Deutschen ;berw;ltigt hatte. Der Liegende lachte laut, als er vor sich das erschrockene Gesicht der jungen Deutschen vorstellte... Er war immer gegen den Dienst der Frauen in der Armee, sie sollten auch nichts mit der Polizei zu tun haben. Bei diesen ;berlegungen glitt er unbemerkt in den Schlaf, nach etwa zwanzig Minuten wachte er auf. Der Riese h;tte noch weiter geschlafen, wenn da nicht ein seltsames Gef;hl gewesen w;re, dass er auf dem Gesicht zu sp;ren begann.
Davon hatte er sich sehr erschrocken und st;rzte sich schnell zur Seite, gleichzeitig riss er den Automaten hinter sich. Auf den Angreifer musste er nicht schie;en. Vor ihm stand Kaschtanka, sie jammerte und lief um ihren Besitzer herum.
Kusnezow streichelte den vierbeinigen Freund z;rtlich und sah ihm aufmerksam in die Augen. In den Augen des Hundes leuchteten Fl;mmchen echter Freude. Das Herz des Fl;chtigen presste sich beunruhigt zusammen, aus seinen Augen flossen Tr;nen. Der Hund, den Kummer und die Freude des Besitzers verstehend, dr;ckte sich noch n;her an ihn heran. Alexander streichelte z;rtlich mit seiner gro;en Hand die Schnauze des Tieres und murmelte leise unter Tr;nen:
- Liebe Kaschtanka, ich werde dich mein Leben lang nicht vergessen, du hast mir das Leben gerettet... Ich werde dich niemals vergessen, meine Kaschtanka...
Er wiederholte dem ergebenen Hund mehrmals die Worte der Dankbarkeit. Die W;rme der menschlichen Seele und des Herzen ;bertrugen sich aller Wahrscheinlichkeit nach auch auf den Hund. Sie drehte sich weiter um ihn herum und kl;ffte leise neben dem, der auf dem Boden lag und aus irgendeinem Grund weinte...
Der Rest des Tages und die Nacht verwischten der ausger;stete B;rtige und sein Hund die Spuren. Erst am Morgen, als die Sonne anfing aufzugehen, etschieden sich die Fl;chtlinge, eine Pause einzulegen. Vom verlassenen Garten hatten sie sich etwa drei;ig Kilometer entfernt, vielleicht auch mehr. Je weiter Kusnezow sich vom Ort seines "Wohnsitzes" entfernte, desto ruhiger wurde es in seiner Seele. Er bezweifelte jetzt nicht, dass die Polizei seine Spuren kaum finden w;rde. W;hrend des R;ckzuges hatte er immer alles «clever» getan. Nach etwa zehn Kilometer zog er seine Schuhe aus, anstelle deren zog er die alten Sportschuhe an, die er im Wald gefunden hatte. Sie waren ihm ein wenig zu klein, aber es st;rte ihn ;berhaupt nicht. Der B;rtige verga; auch seine Kaschtanka nicht. Ihre Pfoten umwickelte er mit Lappen, dazu hatte er das Hemd in kleine St;cke gerissen, das auf der Vogelscheuche gehangen hatte, um die V;gel im Gem;segarten abzu- schreckten.
Der Hund setzte der Maskierung ;berhaupt keinen Widerstand, sie kl;ffte nur leise und leckte z;rtlich dem Besitzer die H;nde, der ihr flei;ig "Schuhe" bastelte. Als Erholungsplatz hatten sie ein kleines W;ldchen gew;hlt, es war ziemlich dicht und wurde vom hohen Gras umrahmt. Alexander fiel buchst;blich neben der riesigen Kiefer um und schlief sofort ein. Er hatte nicht mehr die physische Kraft, um sich in unbekannte Richtung weiter zu bewegen. Auch Kaschtanka war m;de. Sie hatte sich neben den Beinen des Riesen sanftm;tig niedergelegt und die Augen geschlossen. Manchmal wachte sie auf, um auf alle F;lle ihren Besitzer «zu bewachen». Der schlief wie ein Murmeltier. Er war noch niemals in seinem kurzen, aber sehr komplizierten Leben so sehr erm;det gewesen...
Aufgewacht war der B;rtige von etwas Nassem, das seinen ganzen K;rper bedeckte. Als er die Augen ;ffnete, verstand er, dass es regnete. Die Bl;tter einiger B;ume und Str;ucher gl;nzten von den Regentr;pfchen. Die Ursache der unbeschreiblichen Sch;nheit des Waldes war die helle Sonne, die manchmal durch die feine Schicht des Nieselregens durchkam. Kaschtanka war nicht neben dem Besitzer, sie ;nderte w;hrend seines Schlafes die Stelle der "Dislozierung". Der Grund daf;r war der Regen. Alexander lachte laut auf, als er seinen treuen Hund unter einem sicheren "Schirm" sah, wof;r ein sehr dichter Busch diente. Er sprang, ohne zu ;berlegen, auch zum Hund.
Der Regen h;rte etwa nach einer Stunde auf. Durch den dichten Schleier des Waldes kam bald die Sonne hervor, sie stieg immer h;her und h;her. Die Entlaufenen freuten sich sehr ;ber die nat;rliche Erscheinung und gingen zum Waldrand hinaus. Vor ihnen erschien ein Paradies auf Erde und der Grund daf;r war die Sch;nheit der Natur. Der Wald und alles rundherum atmete die frische Luft. Alexander warf sich sofort in das dichte Gras, es war schon fast trocken von der brennenden Sonne. Er zog seinen Sportanzug aus, danach seine Unterhosen und blieb nackt. In solchem Zustand zu liegen war es sehr angenehm. Die Sonnenstrahlen, die seine schlanke Figur streichelten, hatten gleichzeitig die Bluterg;ssen seines K;rpers geheilt. W;hrend des Schlafes und auch am Tag kratzte Alexander sich sehr stark, manchmal bis zum Blut. Sein K;rper brauchte schon seit sehr langem hei;es Wasser. Er stellte sich f;r einen Moment die Soldatensauna vor, die trotz der Armeemacken jetzt f;r ihn ein echtes Gl;ck w;re. "Eine Desinfektion" brauchte auch Kaschtanka, die neben dem Besitzer lag und sich ziemlich oft ins Fell biss.
Von den weniger erfreulichen Gedanken und der hellen Sonne schlief der Fl;chtige ein, aber lange zu schlafen, gelang ihm nicht. Kaschtanka jammerte kl;glich, immer wieder leckte sie mit der Zunge das Gesicht des Schlafenden. Das Tier jammerte vor Hunger. Kusnezow wachte auf und sah auf die Uhr, die "Kommandeursuhr" zeigte genau zwei Uhr am Tag. Das Datum und der Tag der Woche zeigte die Uhr infolge des Defektes nicht an. Das war f;r Alexander jetzt nicht so schlimm, ihn erschreckte was ganz anderes. Es waren zwei Jahre seiner Wanderschaft vergangen, aber er blieb weiterhin ein Ausgesto;ener in diesem Land. Er hatte es schon ziemlich satt, sich mit einem St;ck Brot und einem Schluck Wasser zu begn;gen, die er buchst;blich Gro;m;ttern und Gro;v;tern stahl. Ihm war schon seit langem der Vorrat an Hemden ausgegangen, nicht zu erw;hnen die Unterw;sche, die einst im Koffer des vorsorglichen Deutschen war. Bei dem k;rperlich fitten Mann traten gesundheitliche Probleme auf. Aufgrund der unmenschlichen Nahrung "streikte" sehr oft sein Magen. Er hatte auch jetzt Hunger, er wollte furchtbar gern essen. Er bezweifelte nicht, dass auch der Hund vor Hunger jammert. Der traurige Ausdruck der Schnauze r;hrte Kusnezow sehr. Er konnte sich schon sein Leben ohne Kaschtanka nicht mehr vorstellen, sie war f;r ihn ein echter Freund geworden, teilte mit ihm alle Freuden und Leiden. Das vierbeinige Gesch;pf, als ob es die Gedanken des Besitzers las, jammerte noch mehr, aus den Augen des Hundes rollten Tr;nen. Der B;rtige war erstaunt, er hatte noch niemals im Leben Tr;nen weder bei den Hunden, noch bei anderen Tieren gesehen. Er dachte, dass nur Menschen, denen Gott auf dieser Erde das Recht zu leiden oder sich zu freuen gestattete, Tr;nen h;tten. Jetzt zweifelte der Nackte ;berhaupt nicht daran, dass der Hund die Tr;nen vor Mitleid oder Hoffnungslosigkeit, aber in keiner Weise vor Freude hatte. Ihm wurde unwohl und er hatte wie mit einem ihm nahen Menschen mit Tr;nen in den Augen geredet:
- Wei;t du, meine Kaschtanka, du denkst, dass ich ein Paria, ein schwacher Mensch bin... Nein, es ist bei weitem nicht so... Du solltest nicht so denken, wir werden uns nicht ergeben... Ich werde dich nicht im Stich lassen, f;r dich und f;r mich werde ich mein Leben geben... Ich bin doch auch ein Mensch und m;chte auch auf dieser Erde leben...
Der Hund reagierte auf das Gerede des nackten Mannes nicht und widersprach auch nicht. Er sah nur traurig seinen Besitzer an, der aus irgendeinem Grund die Lippen bewegte und laut weinte. Die Unterhaltung des Menschen mit dem Hund dauerte nur kurz. Kaschtanka freute sich sehr, als ihr Besitzer den Rucksack aufband und eine Kartonschachtel aus ihm heraus zog...
Das Fest an der frischen Luft war sehr kurz. Kusnezow beeilte sich, er wollte jetzt etwas machen, etwas sofort tun. Jedoch was auch und wie es machen, wusste er nicht. Seinem "Kummer" konnte auch Kaschtanka nicht abhelfen, die, wie auch er, in Ruhe die Sonne genoss. Das Nichtstun und die Hilflosigkeit bedr;ckten Alexander. Nach kurzem Nachdenken entschloss er sich, den Rucksack in die H;nde zu nehmen und entleerte ihn auf dem Boden. An Essbarem gab es noch eine Marschverpflegung, von der Munition ein volles Horn an Patronen. Kusnezow zog sich schnell an, dann nahm er die Waffe und zog den Verschluss zur;ck. Eine Patrone fiel auf die Erde. Danach entfernte der Entlaufene das Gesch;ft vom Automaten und schob die herausgefallene Patrone hinein. Nach der Befestigung des vollen Hornes mit den Patronen an den Automaten l;chelte Alexander und, aufmerksam den Hund anschauend, sagte laut:
- Nun, das ist alles, mein Kumpel... Wir haben f;r uns beide nur dreiunddrei;ig Patronen... Hab' keine Angst, ich werde dich nicht t;ten... Mein "Kalasch" hatte mich niemals im Stich gelassen und jetzt wird er es auch nicht tun...
Kaschtanka verstand wieder nicht, was ihr der Besitzer sagte. Sie verstand auch nicht, warum ein so gro;er Mensch mit Tr;nen in den Augen den Automaten, der gestern so unverst;ndlich rumpelte, k;sste...
Ins deutsche Dorf gelangten die Entlaufenen f;r «die Beute» unbemerkt und es war auch niemand da, um sie zu bemerken. Die Siedlung, die etwa ein Dutzend H;user hatte, war menschenleer. Kusnezow umging auf dem Weg seitlich ein Dorf, es befand sich zwei Dutzend Meter von der Autostra;e. Aber dieses Dorf, wie es ihm schien, war wie von Gott vergessen. Er entschied sich milit;risch zu handeln. Bevor sie das Dorf betraten, ging er zweimal darum herum. Nichts war verd;chtig, es gab hier auch keine Gesch;fte. Das attraktivste f;r die Einbrecher war ein Friseursalon. Der befand sich im Erdgescho; eines h;lzernen Geb;udes, das sich direkt am Waldrand befand. Die gro;en Schaufenster mit der Darstellung von Frauen und M;nner mit sch;nen Frisuren waren von weitem sichtbar.
Die bunte Werbung rief ein L;cheln bei Alexander hervor, er rasierte sich fast zwei Jahre nicht und seine Haare wurden auch nicht geschnitten. Der B;rtige beabsichtigte den Friseursalon zu besuchen, nicht wegen seiner zuk;nftigen Frisur, sondern er brauchte Geld. Er n;herte sich vorsichtig dem Haus und ging fast auf den Zehenspitzen zur Glast;r des Friseursalons heran. Es war niemand im Inneren, die zwei kleinen Sessel waren leer. Und das steigerte den Mut des Einbrechers...
Der siebzigj;hrige Friseur Otto G;nther hatte in diesem Tag seit dem Morgen nichts zu tun. W;nsche zu arbeiten hatte der Alte genug, aber es waren keine Kunden da. Der Grund waren aller Wahrscheinlichkeit nach «die bissigen» Preise. Und der Ort bei ihnen wurde menschenleer, obwohl w;hrend des Sozialismus f;r alle die Arbeit ausreichte. Jetzt waren andere Zeiten angebrochen. Viele Bewohner des Dorfes Zuffenhausen waren ohne Arbeit und gingen in die Stadt. Einige zogen in den Westen des Landes zu Verwandten in der Hoffnung, dass man im demokratischen Teil vor Hunger niemanden nicht verrecken lassen w;rde. Dorthin war auch Alex, der Sohn des alten G;nthers hingezogen. Der f;nfzigj;hrige Mann lebte in der Wohnung der Lebensgef;hrtin, sie arbeitete in einem Altersheim. Ihr Gehalt war nicht so hoch. Der Vater hatte erst gestern den Sohn angerufen, aber wenn er es geahnt h;tte, h;tte er lieber nicht angerufen. Jener beklagte sich schmerzhaft, dass auf ihn, mit dem Diplom des Lehrers f;r Russische Sprache, hier offenbar niemand wartete. Alles Russische hatte keinen Wert nicht nur im Westen, sondern auch hier, in den ehemaligen sozialistischen L;ndern...
Der alte G;nther lebte fast ein halbes Jahrhundert unter den Kommunisten, es gab Verschiedenes im Leben. Er sah auch die Russen, aber bis zum K;ssen und auch bis zum Alkohol ging es nicht. Damals schrieb und sprach man sehr viel ;ber sie. Und jetzt war es auch nicht weniger, sogar mehr, wenn sie das Land verlie;en. Einige der Deutschen warteten auf den Abzug der Russen sehr lange. Zum Beispiel sein Nachbar, als er erfuhr, dass "die Sowjets" weggehen, gew;hnte er sich noch st;rker ans Bier. Der ehemalige F;rster mochte "die Rote" nicht und nicht, weil sein Vater bei Stalingrad gefallen war. Den Sohn des Wehrmachtssoldaten st;rten die Machenschaften der russischen Soldaten und Offiziere, die oft das Wild mit den automatischen Gewehren jagten und sogar mit den Panzern fuhren. Der Wunsch, die Russen zu bestrafen, entstand beim F;rster ziemlich oft. Aber er verlor aus irgendeinem Grund die Sprache, als er vor sich die Soldaten-Internationalisten sah. Beim Treffen nuschelte F;rster Meyer sich etwas deutsch in den Bart und bem;hte sich, den Straft;ter einzureden, dass man die Natur nicht so unbarmherzig zerst;ren d;rfte. Allerdings endete alles liebevoll. Der F;rster und die J;ger l;chelten, dann streckten sie sich einander die H;nde entgegen. Die Milit;rs wollten den Mann in der Uniform in der Regel nicht bemerken. Nur einige von ihnen begr;;ten ihn. Es gab auch solche, die den F;rster ;berhaupt nicht "bemerkten" und "Gas" gaben. Vom m;chtigen Heulen des Panzermotors wich der H;ter der Natur zur Seite, um nicht unter die Raupen zu geraten. Der F;rster verbarg die Angst vor den Russen, sogar vor seiner Frau, nicht. Er wachte ziemlich oft in der Nacht auf und erz;hlte bis zum Morgen seiner H;lfte davon, wie ihn im Traum die Russen fingen. Ursula h;rte ihrem Mann zu und flehte zu Gott, dass er bis zur Rente ruhig arbeiten konnte. In letzter Zeit h;rte Frau Meyer schon ohne Zittern allerlei "witzigen Geschichten" des jungen Rentners an. Einmal in zwei Monaten schlie;et sich ihnen der Friseur Otto an, zu dem sie die Haare schneiden gehen. Der Friseur hatte auch selbst nicht dagegen, sich noch einmal zu bekreuzigen, damit die Russen schneller weggehen. Vor zwanzig Jahren lebte er im Dorf, dann war hierher gezogen. Nicht weit vom ehemaligen Wohnort war ein russischer ;bungsplatz, wo Tag und Nacht das Knirschen der Panzer und das Gepolter der Kanonen klangte. Die nahegelegenen D;rfer litten oft unter den ;berf;llen der Soldaten, die die G;rten und die Lauben leer r;umten. W;hrend eines Marsches fuhr einer der Panzer in den Nachbargarten hinein, die alte Besitzerin hatte vor Angst fast ein Herzinfarkt bekommen...
Die Uhrzeiger an der Wand zeigten genau drei Uhr nachmittags, als der Besitzer des Frisiersalons durch das Fenster ein sehr gro;en Mann sah, der aus irgendeinem Grund vorsichtig und ;ngstlich aus dem Wald herausgekommen war. Der B;rtige war ein Fremder, der Alte irrte sich nicht, er kannte alle Hiesigen. Dieser hatte sofort bei ihm einen Verdacht hervorgerufen. Die fl;chtige Wahrnehmung des Fremden, der in Richtung des Friseursalons kam, versetzte Otto sofort in Angst, in einen echten Schrecken. Er rannte weg vom Fenster und st;rmte in den Anbau, wo er sich umzog und a;. Dann knallte er mit Kraft die T;r zu und schloss sie ab. Der Friseur atmete erleichtert auf, er erwartete nicht, dass heute das Schloss seiner kleinen Kammer so leicht sich abschlie;en lie; und sperrte die T;r fest zu. Bis zu diesem Moment hatte sich das Schloss aus einem unbekannten Grund sehr schwer abschlie;en lassen oder hatte ;berhaupt geklemmt. Vor "der T;rfreude" setzte sich der Alte auf eine schmale Couch und erstarrte, aber dann fuhr er zusammen. Die Hoffnung darauf, dass der Fremde mit dem Bart seine Einrichtung von der Seite umgehen w;rde, schwand mit jeder Sekunde...
Kusnezow ;ffnete vorsichtig die T;r des Friseursalons und blieb pl;tzlich stehen, nicht vor Angst, sondern es war ihm, als h;tte er den Friseur oder einen Besucher gesehen. Alexander erschrak vor dem Menschen, den er unerwartet im gro;en, gegen;ber an der Wand h;ngenden Spiegel sah. Er h;tte fast auf den Abzugshaken der "Kalaschnikow" gedr;ckt, um auf ihn zu schie;en. Sein Gegner war ein gro;er, b;rtiger Mann mit langen schwarzen Haaren, die ;ber seine breiten Schultern fielen. Das Gesicht des weit nicht mehr jungen Mannes war sehr zugewachsen, irgendwo im Bart "funkelte" graue Haare. Und seine Kleidung war sehr einfach, der schwarze Sportanzug war schmutzig und zerknittert...
Zur;ck auf den "Boden" half dem B;rtigen Kaschtanka, die neben ihm stand und aufmerksam auf den Spiegel sah. Dann entbl;;te sie ihre Z;hne und st;rzte sich mit einem Quietschen nach vorne... Alexander betrachtete sich noch einmal aufmerksam im Spiegel, dann Kaschtanka und lachte laut. Dem Riesen wurde jetzt klar, dass weder er noch sein Hund sich selbst im Spiegel erkannt hatten. Je mehr der Fl;chtling sich im Spiegel betrachtete, desto mehr lachte er. Lachte durch die Tr;nen, die aus seinen Augen zwangsweise flossen und dann sofort in den dichten Haaren des Bartes verschwanden. Der "kubanische Fidel“ sah manchmal auch auf Kaschtanka, die sich immer noch nicht im Spiegel erkennen konnte und jammerte beim Anblick des schwarzwei;en Hundes.
Aber das Verhalten des Hundes lenkte den B;rtigen nicht von den irdischen Problemen ab. Er "durchgek;mmte" mit den Augen das Zimmer, es waren keine Menschen da. Und es gefiel dem Fremden. Er hob den Sessel leicht mit den H;nden an der R;ckenlehne an und schob ihn vorsichtig in die Ecke, dann lie; er sich auf den weichen Sitz herunter. Ein erhabenes Gl;cksgef;hl drang sofort in alle Teile und Poren des jungen Mannes. Er schloss seine Augen und fing an tief zu atmen. Ihm schien es, dass erst jetzt und nur in diesem Sessel die ganze Wonne des Lebens sich befand, f;r die er die Truppeneinheit verlassen hatte und so lange sie nicht fassen konnte...
Pl;tzlich ert;nte Kaschtankas Bellen, dieses Bellen verstand der Fl;chtige mit "ersten Ton". Der Hund stand, wie ein Geier neben der kleinen T;r unweit vom Spiegel und bellte laut. Alexander sprang schnell vom Sessel auf, band augenblicklich seinen Rucksack auf und zog den Automaten heraus. Dann, mit seiner Waffe im Anschlag, schlich er sich auf den Zehenspitzen zur T;r. Er hatte jetzt keine Zweifel daran, dass die T;r zum Hauswirtschaftsraum oder zum Kellergescho; f;hrte. Er schaute den Hund streng an und hob den Zeigefinger. Der Hund wurde sofort still. Der Fl;chtige, ganz zu schweigen von Kaschtanka, bezweifelte ;berhaupt nicht, dass jemand hinter der T;r war. Eine Katze oder ein anderes Tier stellte f;r sie keine Gefahr. Ein Mensch, gewiss ein Deutscher, konnte die Polizei anrufen und den Fremden melden... Die Angst um sein Leben zwang den B;rtigen, sehr schnell und entschlossen zu handeln. Ohne die Lage mit den Waffen zu ;ndernd, trat er mit dem Bein kraftvoll in die T;r. Die T;r ;ffnete sich wie eine Feder. Der bewaffnete Mann sah sofort einen mageren Alten vor sich, der auf dem Sofa sa; und erschrocken auf den zugewachsenen Fremden schaute, der gerade erst die T;r "ge;ffnet" hatte...
Otto G;nther ist in diesen Abend nicht zum Sohn gefahren, und das war nicht seine Schuld. An diesem Abend war in seinem Friseursalon wirklich ein einzigartiger Kunde, dem er zum ersten Mal im Leben eine Frisur machte. Daran, dass der sitzende Riese mit dem langen Haar und mit dem pr;chtigen Bart ein Russe aus der GSSD war, zweifelte der Alte ;berhaupt nicht. Er konnte nur den Dienstgrad des Riesen wegen seiner Zivilkleidung nicht bestimmen. Er wagte sich auch nicht zu fragen, nicht aus Bescheidenheit, sondern aus Angst. Der unerwartete Kunde schwieg seit seinem Erscheinen aus irgendeinem Grund die ganze Zeit, er gestikulierte nur. Diese Gesten verstand Otto sofort und manchmal sogar "sehr gut.“ Er schloss auf eigene Initiative die Eingangst;r des Friseursalons mit dem Schl;ssel ab, zog die Gardinen an den Fenstern zu. Aus Angst nahm er sogar den H;rer vom Telefonapparat, obwohl er sehr gut wusste, dass dieses "Wunder" schon seit langem vom Netz abgeschaltet war. Ohne Probleme bestimmte er auch die Frisur des Kunden, der im Sessel sitzend mit dem Automat in Richtung des Werbeschildes mit der Darstellung eines jungen Mannes mit einer kurzen Scheitelfrisur gezeigt hatte.
W;hrend der Arbeit des Meisters blieb das Verhalten des Russen ohne Ver;nderungen. Er hielt weiter den Finger auf dem Abzugshaken, sein Gesicht war streng und regungslos. Der Deutsche im Gegenteil, je mehr er sich vom Schreck erholte, desto sicherer arbeitete er mit der Schere und dem elektrischen Haarschneider.
Nach drei;ig Minuten war alles "fertig". Als der Fremde die sch;ne Frisur auf seinem Kopf sah, l;chelte er. Es war auch der Meister zufrieden. Er war von der "Dienstleistung" und Angst ziemlich erm;det, er setzte sich auf einen Sessel in der N;he und sah mit Bewunderung seine "Arbeit" an. Vor ihm sa; ein junger Bursche mit den richtigen Z;gen eines russischen Gesichts.
Diese Gesichter sah er im Fernsehen in den Zeiten der Regierung der Kommunisten, damals zeigte man ziemlich oft die gemeinsamen Veranstaltungen der Deutschen und der sowjetischen Soldaten. Das wurde auch jetzt nicht vergessen. Vor sechs Monaten sammelte man in ihrem Bezirk Geschenke f;r die russischen Soldaten, die ihren Dienst auf dem Territorium des vereinten Deutschlands noch fortsetzten. Einige Zeit sa;en der alte Deutsche und der junge Russe sich gegen;ber und jeder dachte an seins. Der sch;ne junge Mann mit dem Automaten, der mit einer Verachtung auf den alten Glatzkopf schaute, hatte keine Pl;ne. Sein Kopf war f;r heute und f;r morgen "leer". Er lebte in dieser Stunde, in diesem Augenblick. Jetzt sa; er nur da, und das war alles... Ihm gefiel es, in diesem bequemen Sessel zu sitzen und sich als ein Mensch zu f;hlen...
In Otto G;nthers war es im Gegenteil sehr unruhig. Ihn erschraken aus irgendeinem Grund die gro;en blauen Augen des jungen und auch sehr sch;nen Burschen. Und das Verhalten dieses Menschen mit einem eigenartigen Geruch war f;r ihn nicht vorhersehbar. Er bezweifelte ;berhaupt nicht, dass dieser ehemalige B;rtige, der vor einer halben Stunde ;ber f;nfzig Jahre alt "war", ohne jedes Bedauern auf ihn feuern k;nnte. Von diesem Gedanken wollte er weglaufen oder irgendwo sich verstecken. Er begann in seinem Kopf allerlei Pl;ne seiner Rettung auszudenken, aber sie verschwanden fast sofort, ohne logisch durchdacht zu werden. Eine Flucht war nicht nur verr;ckt, sondern auch sehr gef;hrlich.
Ein Beweis daf;r war auch der Hund, der seinem Herrchen, sitzend im Sessel und erstarrt auf einen Punkt sah, treu in die Augen schaute. Herr G;nther hatte in seinen Gedanken mehrmals auf den schmutzigen Hund geschimpft, dank dem er auch entdeckt worden war. Die Wanduhr schlug f;nf Mal. Es waren fast zwei Stunden vergangen, nachdem Otto seine Einrichtung "geschlossen" hatte. Die zwei Stunden des Einschlusses in seinem eigenen Friseurladen waren die furchtbarsten in seinem Leben. Die Hoffnungslosigkeit der Situation zwang ihn einen Ausweg zu suchen. Er begann eifrig die Lippen zu bewegen und einen Versuch zu machen, russisch zu sprechen, obwohl die Kenntnisse der russischen Sprache bei ihm auf einem "absoluten Nullpunkt" waren. Er warf sich jetzt vor, dass er sich vor zwanzig Jahre nicht die Zeit genommen hatte, in den Sprachf;hrer seines Sohnes rein zu schauen und etwas zu lesen.
Alex war damals begeistert, die russische Sprache, die Sprache seiner Freunde zu lernen. Die russische Sprache haben zu jenen Zeiten nicht nur die Bewohner des sozialistischen Deutschlands gelernt. Es lernten sie auch die Westdeutschen, f;r die es eine Sprache der Feinde war. Besonders war es in den Jahren der internationalen Spannung "modern"...
Von den Erinnerungen an die schweren Zeiten versp;rte der Alte einen heftigen Stich im Herzen. Er stand vom Sessel auf und ging in Richtung des hinteren Raumes, wo sich die Tabletten befanden. Aber den Wunsch der medizinischen Behandlung musste er sofort aufgeben. Der Russe stand blitzschnell vom Sessel auf und hielt den Automaten an seinen Kopf. Der Alte setzte sich vor Angst und weinte.
Die Tr;nen und das St;hnen des alten Deutschen r;hrten irgendwie Alexander. Er ging ein paar Schritte zur Seite und hielt das Maschinengewehr im Anschlag und begann, genau die weiteren Handlungen des Deutschen zu beobachten. Der Alte, den Schmerz in der Brust ;berwindend, st;rzte mit beschleunigtem Schritt in den hinteren Raum. In der ganzen Zeit seiner Abwesenheit wandte Kusnezow nicht die Augen von der T;r weg, eifrig diente ihrem Besitzer auch Kaschtanka. Sie sa; neben ihm und lauschte aufmerksam, was im Nebenraum geschah.
Der Deutsche kam aus dem Hinterraum nach etwa f;nf Minuten. Er war sehr froh und fl;sterte russisch:
- Sehr gut, sehr gut, Russe Iwan... Sehr gut, Russe Iwan...
Diese Worte stimmten Alexander etwas milder, in seinem Kopf tauchten sofort anst;ndige Gedanken ;ber die Deutschen auf. Die Offiziere und die Soldaten sagten fast immer nur Gutes ;ber die Ortsbewohner. Probleme schufen meistens die Russen selbst... Als der alte Deutsche das blendend sch;ne L;cheln auf dem Gesicht des Einbrechers sah, entschied er sich in einem noch gr;;eren Ausma; zu "dienen". Er n;herte sich fast auf den Zehenspitzen an Kaschtanka und begann sie zu streicheln. Der Hund reagierte auf die Ann;herung des Fremden und die Ber;hrung seiner Handfl;che aus irgendeinem Grund nicht, er blinzelte nur eifrig mit seinen Augen und starrte aufmerksam in Richtung sines Besitzers. Das seltsame Verhalten des Hundes am;sierte Alexander sehr, er begann laut zu lachen und beobachtete, was der Alte weiter mit seinem Hund machte. Otto, nachdem er sich fest ;berzeugt hatte, dass der Hund des ausger;steten Russen ihn angenommen hatte, nahm ihn vorsichtig auf den Arm und trug ihn in den hinteren Raum. Und diesmal gab Kaschtanka kein Laut von sich. Der alte Mensch und der Hund erschienen nach etwa f;nfzehn Minuten wieder. Kusnezow schrie von dem Gesehenen sogar auf. Er konnte nicht glauben, dass vor ihm sein echter vierbeiniger Freund war. "Die Bekleidung" des Hundes war trocken und sauber, seine schwarzwei;e Farbe gl;nzte sogar bei dem nicht sehr hellen elektrischen Licht des Zimmers. Die ideale Sauberkeit des Hundes besch;mte f;r einen Augenblick den Besitzer. Erst jetzt kam ihm der Gedanke, dass in der ganzen Zeit, wo er der Besitzer von Kaschtanka war, er sich nicht einmal die M;he gemacht hatte, sie gr;ndlich zu waschen. Der Hund schlich sich ohne sein Wissen ziemlich oft zu Pf;tzen oder Seen, die am Weg ihrer langen Wanderung durch die W;lder und die Felder lagen. Der Besitzer hatte auch selbst, um ehrlich zu sein, vergessen, was ein Bad oder eine Dusche war, ganz zu schweigen von der Soldatensauna. Er wusch sich in den Seen, verwendete auch die nat;rliche "Dusche", den Regenguss...
Der Deutsche f;hlte sofort die fr;hliche Stimmung des Russen, als er mit dem gr;ndlich gewaschenen Hund erschien. Er beschloss, es wieder zu verwenden, um die schlechten Gedanken im Kopf des Russen Iwan zu vertreiben. Der Friseur setzte ein Pflichtl;cheln auf, legte Kaschtanka auf einen Sessel und nahm die Schere. Seinen vierbeinigen Freund in Ordnung zu bringen hinderte Kusnezow den Deutschen nicht, er nahm sogar einige Zeit den Finger vom Abzugshaken des Automaten. Der weiche Sessel mit den Armlehnen, in dem er sa;, verleitete ihn zu Ruhe und zur Ruhe und zum Nichtstun. In dieser Gl;ckseligkeit w;rde er eine ganze Woche sitzen, oder vielleicht sogar ein Jahr. Es war ja im Sessel und auch im Friseursalon sehr gem;tlich. Sein K;rper, der sich nach der h;uslicher Gem;tlichkeit und der menschlicher Sauberkeit sehr sehnte, erholte sich.
Jedoch, je mehr Schwei;perlen auf dem Glatzkopf des alten Deutschen auftraten, desto verd;chtiger wurde f;r den Riesen das Verhalten des Alten. Die Laune in seinem Kopf verschwand schnell wieder. Er fing wieder an, dem alten Deutschen zu misstrauen, sehr gut verstehend, dass jener sich nicht ohne Grund weich zeigte. Aller Wahrscheinlichkeit nach wartete er auf jemanden oder hatte sehr Angst um sein Leben. Kusnezow schaute auf seine "Kommandeursuhr", es war schon Anfang sieben. Drei Stunden waren f;r ihn ganz unbemerkt verflogen, wie drei Minuten. Der lange Aufenthalt im Friseursalon erschreckte Alexander, er hielt wieder die Uhr ans Ohr, die lief ohne St;rungen. Der "Kommandeur", so nannte der Soldat seine Uhr, hatte ihn niemals betrogen. Er lehnte sich wieder in seinem Sessel zur;ck und beobachtete die Arbeit des Meisters. Kaschtanka benahm sich anst;ndig, sogar sehr gehorsam. Der Hund zuckte und bellte nicht, er jammerte nur etwas leise vor sich hin und warf manchmal einen Blick auf sein Herrchen. Eine fast h;usliche Idylle hatte ihre Wirkung getan. Kusnezow schloss f;r ein Moment die Augen...
Er wachte von einem unerwarteten Klopfen auf und sprang st;rmisch auf. Dann dr;ckte er sofort kr;ftig auf den Abzugshaken des Automaten, aber kein einzelner Schuss oder Feuersto; folgte. Der Fl;chtige zog vor Angst der Verschluss der "Kalasch" zur;ck und starrte hasserf;llt auf die T;r, wo es klopfte. Das Erste, woran er dachte, dass es dem Deutschen schon gelungen war, die Polizei anzurufen.
Alexander warf einen Blick zur Seite des Sessels und bewegte den Automat auch in diese Richtung... Das ruhige Verhalten des vermuteten Verr;ters z;hmte seine Angst und Phantasien. Ruhig benahm sich auch Kaschtanka, sie sa; auf dem Scho; des Alten und sah gl;cklich auf ihren gerade erst erwachten Besitzer. Die Ruhe des treuen Hundes ;bertrug sich nach paar Augenblicken auch auf Kusnezow. Von dem Gedanken, dass jemand von den m;glichen Kunden oder Liebhabern ein wenig plaudern, dem Schild, auf dem es deutsch "Geschlossen" drauf stand, nicht traute, sich entschieden hatte an der T;r des Friseursalons zu klopfen, beruhigte Alexander ganz. Er beruhigte sich und schloss dann wieder seine Augen...
Dieser Abend und diese Nacht verliefen f;r den ehemaligen sowjetischen Soldaten bestens. Er konnte sich nicht vorstellen, dass dieser kleine Friseursalon in seinem Ged;chtnis so einen unvergesslichen Eindruck hinterlassen w;rde. Er schlief im Sessel nach dem Beginn seiner "Reise" fast zehn Stunden.
In dieser Zeit kam es zu keinen au;erordentlichen Vorf;llen, es gab auch keine Quellen f;r erh;hte Gefahr. Alle im Friseursalon befanden sich auf ihren Pl;tzen. Der Erwachte konnte nicht ablassen, seinen Hund zu betrachten. W;hrend seines Schlafes hatte der Friseur Kaschtanka in einen g;ttlichen Zustand gebracht. Sie erinnerte jetzt an die Hunde, die Alexander in den Schaufenstern der Gesch;fften sah, wo man das Futter f;r Katzen und Hunde verkaufte. Der sch;ne Hund beschloss f;r einen Moment seinem Herrn zu danken. Er sprang schnell vom Sessel des Besitzers des Friseursalons herunter und setzte sich fest neben sein Herrchen. Kaschtanka setzte sich und fing an, ihm ergeben in die Augen zu schauen. Die Hundeergebenheit brachte den Riesen zum Lachen. Er k;sste das Tier leicht auf die Schnauze und stand auf, Alexander machte ein paar Schritte, um sich etwas zu bewegen. Nach ein paar Augenblicken blieb er verwundert stehen. In der Ecke des Raumes auf einem kleinen Tisch war ein anst;ndiges Essen vorbereitet. Als Otto G;nhter den erstaunten Blick des Russen bemerkte, verlie; er langsam den Sessel und trat auch langsam an seinem neuen Kunden heran.
Der Alte hatte jetzt von dem Riesen mit einer Kalaschnikow keine Angst mehr, warum er ihn nicht mehr f;rchtete, verstand er auch selbst nicht. Er schaute in die Augen des Burschen, klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter und sagte leise:
- Drushba, Freundschaft, Frieden und Freundschaft... Russe und Deutscher, du und ich...
Die russischen Worte, die vom Alten mit einer gro;en Betonung gesagt wurden, erfreuten den Riesen sehr. Er dr;ckte die magere Sch;pfung fest an sich. Der alte G;nter erstickte fast unter der Umarmung des Einbrechers. Er st;hnte nur schwer und hielt fast sich die Nase vor dem nicht menschlichen Geruch zu, der von dem sch;nen Russe kam. Dieser Geruch hatte dem festen M;nnerk;lnischwasser widerstanden, mit dem der Friseur mit gro;em Eifer die Haare des Einbrechers im eigentlichen Sinne "bearbeitet" hatte.
Nicht einmal sein Hund stank so wie sein Besitzer. Der bellte unter der Dusche ;berhaupt nicht, er knurrte nur vor Vergn;gen und zeigte etwas die Z;hne. Das Tier zu waschen f;rchtete der Alte nicht, er veranstaltete die Wasserprozeduren f;r den Hund des Sohnes ziemlich oft. Au;erdem war dieser Unbekannte unbewaffnet...
Der alte Deutsche des ehemaligen sozialistischen Deutschlands war w;hrend des Schlafes des russischen Soldaten dazugekommen, ;ber Vieles nachzudenken. Es gab keine Zweifel, der Besucher mit dem Hund war ein Fahnenfl;chtiger, ein einfacher Soldat. Fast alle Offiziere der sowjetischen Armee konnten etwas deutsch, die M;nner mit den Sternchen auf den Achselst;cken konnten mit den Ortsbewohnern in den Gesch;ften und auf der Stra;e kommunizieren. Dieser war «ohne Zunge», die Kommunikation mit ihm war nur auf Gesten beschr;nkt. Der Alte verstand Vieles von ihnen nicht und deshalb f;rchtete er sich vor einer Abrechnung.
Der Russe schlief sehr schnell und sehr unerwartet ein. Der Alte w;hnte sich fast auf im siebten Himmel, als er w;hrend des Frisierens des Hundes ein m;chtiges Schnarchen h;rte. Er bezweifelte ;berhaupt nicht, dass der unerwartete Kunde hier den Abend und die ganze Nacht durchschlafen w;rde. Herrn G;nthers erster Wunsch war der, seine nicht sehr rentable Einrichtung zu verlassen und zu entkommen, zu entkommen so schnell wie m;glich. Allerdings entschied er sich, sich nicht zu beeilen, er hatte immer noch Angst von diesem ruhigen und auch gleichzeitig strengen Russen. Er hatte ;berhaupt keine Zweifel daran, dass dieser Russe mit dem sch;nen Gesicht ohne jegliches Bedauern ein paar Sch;sse in seinen Kopf abgeben w;rde. Der alte Mann wollte nicht sterben, ungeachtet seines hohen Alters. Otto G;nther wusste sehr gut, dass alle Menschen sterblich sind. Er war in dieser Hinsicht auch keine Ausnahme. Er wollte nur in seinem hohen Alter seinem Sohn, dem Verlierer, der in seinem Leben noch nichts erreicht hatte, helfen auf die Beine zu kommen...
Der Vater und der Sohn hatten im Sozialismus kein Gl;ck, sie lebten von einem Gehalt bis zum n;chsten. Die Hoffnungen der erwachsenen M;nner auf den Kapitalismus hatten sich auch nicht erf;llt, sie blieben ohne Arbeit. Der Alte dachte sehr oft an das Schicksal seines Alex, besonders dann, wenn bei ihm das Herz schmerzte. Mit dem Beginn des Schnarchens des Riesen beschloss der intelligente und kluge Deutsche das Hundefrisieren zu beenden. Kaschtanka hatte auch nichts dagegen. Sie sprang schnell vom Sessel und lief zu ihrem Besitzer, der reagierte auf ihr leichtes Kl;ffen in keiner Weise. Als der Hund von seinem Herrchen keine Streichelantwort bekam, stellte er sein Jammern ein und lief in die Zimmerecke. Nach f;nf Minuten war auch er still. Herr G;nter hatte wieder nicht die Gelegenheit genutzt, dem Einbrecher zu entkommen. Er f;rchtete den Russen immer noch.
Er entschied sich, die Echtheit des Schlafes des Einbrechers zu ;berpr;fen. Er stand sehr vorsichtig vom Sessel auf und ging ein Paar Mal um die Schlafenden herum. Es gab keine Zweifel, sie schliefen, schliefen sehr fest. Er bekreuzigte sich, dann ;ffnete er lautlos mit dem Schl;ssel die Eingangst;r und auch lautlos verschloss er sie...
Nach wenigen Augenblicken befand er sich auf der Stra;e, sie war schon in die Dunkelheit getaucht. Der Alte sprang schnell ;ber den Weg zum Parkplatz, wo sein alter "Moskwitsch" der sowjetischen Produktion stand. Er startete schnell den Motor und fuhr los, bis zu seinem Haus waren es etwa f;nf Minuten, nicht mehr.
Nachdem der Alte die Schwelle seiner Zweizimmerwohnung im Gro;plattenhaus ;berschritten hatte, fiel er sofort ins Bett. Von der nerv;sen ;beranspannung verlie;en den Alten die Kr;fte. Es arbeitete nur sein Gehirn, dabei arbeitete es sehr intensiv. Im Laufe der letzten siebzig Jahre hatte er noch niemals solch eine ";berbelastung". Otto G;nther war sich selbst noch nicht bis zu Ende bewusst, was mit ihm gestern Abend und heute Nacht geschehen war. Er befand sich vor paar Minuten eine Haaresbreite von seinem Tod. Ob er auf dieser Erde zu leben oder nicht zu leben hatte, bestimmte der sowjetische Soldat, der sich auf der Flucht befand. Der Deutsche begann von diesen Gedanken zu weinen und ein Gebet zu Ehren des Gottes zu sprechen. Gerade er gab nicht nur dem russischen Riesen, sondern auch dem Hund, der sich als ein kluges und gehorsames Tier erwiesen hatte, einen tiefen Schlaf. Nach dem Gebet schlief der Alte ein, aber er schlief nicht lange. Der Grund daf;r war ein Alptraum. Er tr;umte von dem fl;chtigen Russe, der aus irgendeinem Grund neben einer tiefen Grube stand und in sie Blumen hineinwarf...
Von dem schrecklichen Alptraum wachte der Alte auf, sein ganzer K;rper war mit Schwei;perlen bedeckt. Sein Herz h;mmerte wie ein Presslufthammer und es war fast, als ob es aus dem Brustkorb herauszuspringen drohte. In seinen Kopf kamen der zwungerma;en furchtbare Gedanken und er entschied sich die Polizei anzurufen. Den Aufenthalt des bewaffneten sowjetischen Fahnenfl;chtigen wollte er schon im Salon melden, als er dem Fl;chtigen die Haare schnitt. Dann st;rte ihn die tierische Angst um sein Leben, jetzt in seiner Wohnung war er au;er Gefahr. Er ging zum Telefon und nahm entschlossen den H;rer ab ...
Gerade in diesem Moment klopfte es im Treppenhaus des Hauses, ;ffnete die T;r. In den zehn Jahren des Aufenthalts im f;nfst;ckigen Geb;ude war ihm der spezifische Klang bekannt und sehr klar. Nachts kam dieser L;rm in der Regel von den jungen Leuten, die auf der Suche nach Abenteuer manchmal bis zum fr;hen Morgen tobten. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands wurde die ;rtliche Jugend sehr frech, sogar unversch;mt. Davon ;berzeugte sich der Alte nicht nur nachts, sondern auch tags;ber...
Jetzt aber wurde er von dem ;blichen Klopfen und L;rm im Treppenhaus aus irgendeinem Grund unerwartet ;ngstlich, er war sehr erschrocken. Vor seinen Augen war aus irgendeinem Grund wieder der russische Soldat erschienen. Otto hatte vor Angst den H;rer blitzschnell aufgelegt. In seinen Kopf tauchten immer wieder furchtbaren Gedanken auf, die f;r ihn nicht nur unverst;ndlich, sondern auch sehr be;ngstigend waren. ;hnliches geschah mit ihm in letzter Zeit immer h;ufiger und h;ufiger. Das h;here Alter machte sich bemerkbar. Und die Realit;t f;gte ihm auch nicht irgendwelchen Optimismus hinzu. Er, trotz seiner Lebensweisheit, konnte das Geschehen im Land nicht verstehen. Die nach dem Fall der Berliner Mauer folgenden Experimente fanden keine Zufriedenheit weder im Herz noch in der Seele des Friseurs. Er war erschrocken und hatte Angst vor der Zukunft seines Alex, der weder Geld noch eine Unterkunft hatte. Der Alten erfreute auch das Leben der Landsm;nner nicht, die Menschen wurden ihm fremd. Das Dorf wimmelte von allerlei Ger;chten und Gerede ;ber Verbindungen vieler Bewohner mit dem ehemaligen Staatssicherheitsdienst. G;nther und sein Sohn pers;nlich arbeiteten niemals f;r die "Stasi", jedoch f;rchteten sich immer vor diesen Menschen.
Die M;nner erschraken nicht nur «ihre», sondern auch die Arbeiter des KGB der ehemaligen Sowjetunion. Jetzt sprach und schrieb man nur ;ber die Intrigen derjeningen. Aller Wahrscheinlichkeit nach zwang auch diesmal die tierische Angst um seinen Sohn den Alten, die Polizei ;ber den Entlaufenen nicht zu informieren. Und nicht nur das. Er hatte genug von dem Geschw;tz der Politiker ;ber das Wohl der Menschen. Dieser Russe hatte sich entschieden, das Gl;ck sich mit seinen eigenen H;nden zu erk;mpfen. Um sein Leben f;rchtete der Alte nicht, auf dieser Erde gab es f;r ihn schon nichts Besonderes mehr. Auf dieser Erde und im Jenseits betete er immer eifrig und wird zu Gott f;r seinen einzigen Sohn beten...
Die Uhr auf dem Rathaus zeigte vier Uhr morgens, als der "Moskwitsch" zur;ck zum Parkplatz rollte. Drau;en war es noch dunkel und menschenleer. Herr G;nter schaute sich um und ging in Richtung des Friseursalons. Die Gr;nde f;r seine unerwartete R;ckkehr konnte er sich selbst nicht erkl;ren. Er lie; den Gedanken zu, dass dieser m;chtige Russe seine kleine Einrichtung anz;nden k;nnte. Der alte Mann war sehr erleichtert, als er die bekannten Umrisse sah. Er beruhigte sich v;llig, nachdem er die T;r ge;ffnet hatte. Der Russe war immer noch in einem festen Schlaf versunken, nur sein Hund begann beim Erscheinen des Alten leise zu kl;ffen. Der Wunsch, den Tisch dem bewaffneten Banditen zu decken, tauchte beim Alten mehrmals auf und verschwand wieder.
Die menschliche G;te siegte schlie;lich. Ohne jedes Bedauern nahm der Friseur aus dem K;hlschrank alle Essvorr;te heraus und legte sie auf den Tisch. Seine Hand zitterte auch dann nicht, als er mit viel Kraft aus dem hinteren Raum den Koffer mit den Sachen, die schon sehr "veraltet" waren, herauszog. Er wollte schon seit Langem die Klamotten zu Alex wegbringen, aber allt;gliche Dinge hinderten ihn immer daran…
Das Fest beim Friseur dauerte bis sieben Uhr morgens. Bisher sa;en die unbekannten M;nner, der alte Deutsche und der junge Russe am Tisch und schauten einander in die Augen. Die Beide taten es ohne Angst. Kusnezow, der sich gut ausgeruht hatte und fortsetzte "zu essen", gefiel der Deutsche wirklich. Der Alte, wie es ihm schien, war auf alle F;lle hundert Prozent ein sozialistischer Mensch, ein Internationalist. Alexander ;rgerte sich in der Seele ein ;ber sich, weil er fast die ganze Zeit den Alten mit der Kalaschnikow bedrohte. Er dankte mit Tr;nen in den Augen auf Russisch dem Deutschen, dass der ihn bei der Polizei nicht verraten hatte, ihm Unterschlupf gab und ihm sogar erlaubte, sich zu duschen.
Der Alte f;hlte die herzliche W;rme des Russen, aber antwortete nichts. Er lachte nur und erlaubte sich, gelegentlich mit den H;nden seine Schulter zu ber;hren. Dem jungen Fl;chtigen, der in ein sch;nen Trainingsanzug und anst;ndigen Turnschuhe von Alex, des Sohnes des Alten, gekleidet war, gefielen manchmal die Ber;hrungen des Besitzers nicht besonders. Er bewegte seine Kiefer, um die n;chste Lebensmitteldelikatesse zu verschlucken, schaute aufmerksam auf den alten Glatzkopf und sprach manchmal russisch, manchmal deutsch:
- Gut machst du es, deutscher Genosse... Danke, danke. Danke, Genosse...
Der Deutsche, der ein wenig vom Wein ger;tet war, verstand auch ohne W;rter die Zeichen der Dankbarkeit des Riesen, der die sowjetische Garnison verlassen hatte. Er dankte oftmals in der Seele dem Verbrecher, der ihm das Leben gelassen hatte. Deshalb sah der Alte gro;z;gig dar;ber hinweg, wie der sehr eifrig dem „Brauch" der Russen entsprach.
Der starke Wein besiegte schnell die Vernunft des fl;chtigen Soldaten, der hungrig nach den menschlichen S;nden war... Die Feier unterbrach ein Klopfen an der T;r, nach ein paar Sekunden wurde es wiederholt, dann h;rte man eine Stimme. Hier zu bleiben, oder im hinteren Raum des gastfreundlichen Alten sich zu verstecken, wagte Kusnezow sich nicht. Er ging schnell zum Fenster, zog die gro;en und dicken Gardinen auseinander, dann drehte er den Fenstergriff und sprang hinaus. Kaschtanka folgte seinem Besitzer...
Ein paar Minuten sp;ter war der Entlaufene mit dem Hund schon tief im Wald. Nach einer halben Stunde schlich sich Kusnezow aus dem Wald an die andere Seite des Friseursalons heran. Neben dem H;uschen und darum herum war alles ruhig, die Aufregung Alexanders legte sich bald. Vom Dorf des Friseurs, wo es ihm gelungen war, alles f;r den Menschen Notwendige zu erledigen, war er bis zu Mittagszeit etwa zwanzig Kilometer weggelaufen. Die ganze Strecke lief er durch die W;lder und Felder, benutzte auch die Autobahnen.
Die Autofahrer und die einsamen Fu;g;nger, die sich auf dem Weg trafen, konnten in dem gro;en jungen Mann, der in einen schwarzen sportlichen Anzug gekleidet war, den Fahnenfl;chtigen der sowjetischen Armee kaum vermuten. Und das Aussehen des Reisenden war vollkommen anst;ndig, sogar sehr. Ein Beweis daf;r waren die jungen M;dchen, die beim Anblick des Burschen, der sicher den Weg entlang schritt, hin und wieder ihm hupten. Zuerst erschraken die Kl;nge der Autohupen von Autos den Fu;g;nger, dann gew;hnte er sich daran. Manchmal war er stehen geblieben und winkte darauf als Antwort mit der Hand. Die deutschen Verehrerinnen konnten nat;rlich nicht vermuten, dass dieser gro;e und sch;ne Bursche ein Verbrecher war, der aus der sowjetischen Armee desertiert war. Nur ein gesch;rftes Auge einer deutschen Polizei- oder sowjetischen Milit;rstreife k;nnte in diesem Menschen einen ehemaligen Soldaten identifizieren. Und das noch mit gro;en Schwierigkeiten.
Verschiedene "J;ger" hinter dem Fahnenfl;chtigen konnte ohne jeden Zweifel der Rucksack der sowjetischen Produktion anziehen. Den Reisenden erschraken nicht die Reste des „Luxusessens", die sich darin befanden, sondern die Waffe. Das automatische Gewehr von Kalaschnikow erschwerte die Schuld des fl;chtigen Soldaten in einem bedeutenden Grade. Er verstand es sehr gut, wie auch er die Notwendigkeit der Waffe als Schutzmittel verstand. Die verbleibenden Patronen teilte der Riese fair. Zweiunddrei;ig Patronen "schenkte" er denen, die ihn gefangen nehmen oder umbringen wollten. Die letzte Patrone, die dreiunddrei;igste, legte er f;r sich, f;r die Selbsterschie;ung zur;ck. Er schloss solcher M;glichkeit niemals aus, weder bei dem langen Aufenthalt in der Gartenlaube noch bei dem alten Friseur und sogar jetzt nicht. Er hatte nicht vor jemanden zu bedrohen, ihm drohten aber alle...
Auf dem Weg des Reisenden und seines Hundes erschien ein Fluss. Irgendwelche Schilder an seinem Ufer gab es nicht. Und es gab auch keine Notwendigkeit daf;r, die hinweisenden Schilder wurden neben den Br;cken oder vor den Orten aufgestellt. Der Fl;chtige f;rchtete auch weiterhin die Siedlungen und Menschen und deshalb vermied er sie. Vertraut und nah f;r ihn blieb nur Kaschtanka, die auch erm;det war und sofort sich hinter ihrem Besitzer ins Wasser st;rzte. Das Wasser war sehr k;hl und sauber. Als sie genug gebadet hatten, legte sich Kusnezow mit Vergn;gung ins Gras am Ufer. Das Wohlgef;hl schw;chte seine Wachsamkeit, er hatte sich entschieden, nicht den Automat aus dem Rucksack herauszuziehen. Er legte ihn unter seinen Kopf. So war es nicht nur bequemer, sondern auch sicherer...
Die Sonne neigte sich immer mehr und mehr ihrem Zenit zu. ;ber den Himmel liefen tr;gel kleine Wolken, die auf einen Moment den feurigen Himmelsk;rper bedeckten. Der junge Mann, der am Ufer des Flusses so lag, wie seine Mutter ihn geboren hatte, starrte auf das himmlische Leben und schluchzte auf. Von der mehrmonatlichen Wanderung und Dauerstress hatte er es satt. Er wollte sich auf irgendeiner Wolke befinden und in eine andere Welt eintauchen, wo niemanden und niemals irdische Probleme bel;stigten. Von den phantastischen Gedanken wurde es in seiner Seele immer unruhiger und unruhiger. Es waren mehr als zwei Jahre vergangen, aber er hatte sein Gl;ck in diesem Land immer noch nicht gefunden, war nicht einen einzigen Schritt seinem ersehntem Ziel n;her gekommen. Auf der deutschen Erde begleiteten ihn nur Misserfolge. Er schmunzelte ver;chtlich und weinte, als sein Magen angenehm r;lpste von der gestrigen "herrschaftlichen" Nahrung, die aus ger;ucherter Wurst, W;rstchen und ein Paar Tomaten bestand.
Gestern war es f;r ihn ein ;berfluss, heute und jetzt knurrte sogar in der Sonne unruhig sein Magen. Auch Kaschtanka schaute starr wie ein Mensch von Hunger in die Augen des Besitzers.
Der Fl;chtige lag am Ufer des Flusses etwa eine Stunde. Je aufmerksamer er auf die schwimmenden Wolken im Himmel sah, desto bewusster wurde ihm die Sinnlosigkeit der Suche des Gl;ckes im Himmel. Und auch sein Gehirn forderte ihn auf zu „landen" und das Gl;ck auf dem Planeten Erde zu suchen, auf der sch;tzungsweise f;nf Milliarden Menschen wohnten. Zu den Erdbewohnern z;hlte sich auch der Nackte, der Fahnenfl;chtige der sowjetischen Armee. Gerade dieses bewusste Verst;ndnis der Beteiligung an der menschlichen Welt zwang ihn entschlossener zu handeln, ohne Fehler zu handeln.
Nach langen ;berlegungen entschied er ein f;r alle Male sich "zu entwaffnen". Wenn man ihn mit einer Waffe erwischt, w;rde er viel mehr, als mit blo;en H;nden „bekommen“. Menschen in friedlicher Zeit und bei solchem Wetter zu t;ten beabsichtigte er auch nicht. Das sanfte Rauschen des Flusses, aus deren Wasser immer wieder Fische auftauchten, und das paradiesische Zwitschern im Kiefernwald r;hrte die Seele des jungen Mannes total. In die andere Welt wegzugehen, daf;r war es f;r ihn noch zu fr;h. Er stand schnell vom Boden auf und band den Rucksack auf. Ungeachtet des vertrauten Gef;hls zu der Waffe, hatte er sich entschieden, seinen neuen Entschluss nicht zu ;ndern. Er lief los und warf mit seiner ganzen Kraft die Waffe ins Wasser...
Frau Bethke bereitete sich an diesem Morgen intensiv auf ihren Weg vor. Sie wollte sich schon seit langem mit der Freundin treffen, einer ehemaligen Kommilitonin vom Institut, die sie mehrfach zu sich zu Gast einlud. Die Frauen besuchten sich w;hrend des Sozialismus ziemlich oft. Magda kam mit dem Zug zu Besuch an, sie klagte wegen ihres Herzens und deshalb wollte sie irgendwelche Abenteuer am Steuer ihres eigenen Autos vermeiden. Anna im Gegenteil mochte die Z;ge und das Bahnhofsgedr;nge nicht. Der sechzigj;hrigen Frau gefielen dazu auch die ;berf;llten Wagons der Z;ge am Wochenende nicht, weil ihr es schien, dass die ganze Welt in alle Ecken Deutschlands rollte. Nach der Vereinigung Deutschlands hatte sie nur ein paar Mal riskiert, mit einem erm;;igten Ticket zu fahren und war sehr entt;uscht.
Sie erz;hlte mit Tr;nen in den Augen der Freundin, dass in ihrem Wagen die ;ffentliche Toilette aus irgendeinem Grund nicht funktionierte. W;hrend der zweiten Fahrt st;rte die Deutsche eine junge Frau aus Afrika, die mit vier kleinen Kindern umgeben war. Die Kinder schrien ;ber den ganzen Wagen, klopften an die Fenstern und spucken herum. Von so einem Alptraum wurde der alten Frau ;bel, sie beabsichtigte sogar, an der n;chsten Haltestelle den Zug zu verlassen... Magda stimmte der Freundin nur zu, die nicht den einst angenehmen einheimischen Service vollkommen ausnutzen konnte, und sch;ttelte mit dem Kopf. Ihr Weg mit dem Auto von der Heimatstadt Vogelburg in Richtung Dresden, wo unweit ihre Freundin wohnte, begann Anna Bethke in stolzer Einsamkeit. Sie war es schon gew;hnt. Anna und Magda hatten ihre M;nner fr;h verloren.
Die zwei jungen Burschen, wie auch die zwei bezaubernde M;dchen studierten im selben Jahr. W;hrend des Studiums haben alle auch geheiratet und sogar in einem Jahr. Nach dem Abschluss der Hochschule zog das Ehepaar Aigner in dier Siedlung bei Dresden, Bethkes hatten die Verteilung in die Stadt Vogelburg bekommen. Die Freundschaft der jungen Menschen h;rte niemals auf. F;r beide Paare wurde es eine Regel, gemeinsam die Geburtstage zu feiern, jede Feier begann um zehn Uhr morgens. Zu diesem Zeitpunkt hatte Magdas Mann Viktor das Licht der Welt erblickt. Die Anderen wussten die genaue Zeit der Geburt nicht und deshalb hatten sie sich ohne jede Beleidigung an «die einheitlichen Uhrzeit» anzuschlie;en entschieden. Eine Ausnahme war nur der Geburtstag von Anna, sie war am Tag der Gr;ndung der DDR geboren. An diesem Tag tauchte das ganze Land in einen Strudel allerlei Veranstaltungen vom fr;hen Morgen an ein. Aigners konnten sich mit Bethkes erst sp;t am Abend an den festlichen Tisch setzen. Zu Annas Geburtstag gab es fast immer sch;nes Wetter.
Die Freunde hatten sich nicht nur auf die W;nde der Zweizimmerwohnung beschr;nkt. Sie waren in der Regel Stammg;ste bei Sportwettbewerben, nicht ohne Vergn;gen besuchten sie auch Restaurants. Die Teilnehmer, sowohl ;ffentlichen als auch Familienfeiern, betranken sich nicht wie Schweine und benahmen sich immer w;rdig...
Vor zehn Jahren ging Annas f;nfzigj;hriges Jubil;um von fr;h morgens „den Bach runter“. Die ganze Nacht regnete es, der Himmel war schwarz vom Unwetter. Trotzdem bereitete sich das Ehepaar Bethke auf die Feier vor. Anna hatte eine Woche vor der Feier die Freunde angerufen und sie mit dem Plan der Veranstaltungen im Tag des f;nfzigsten Geburtstages bekannt gemacht. Die Freundinnen plauderten am Telefon etwa eine Stunde, bis sie alles anl;sslich des Jubil;ums besprochen hatten.
Die Familie Aigner wachte in diesem Tag sehr fr;h auf. Viktor wollte m;glichst fr;h wegfahren, um die Lieblingsfreundin seiner Frau nicht aufzuregen. Er kannte sehr gut den labilen Charakter von Anna, deshalb reagierte er auf ihre Bitten und W;nsche immer sehr vorsichtig, schreibt sich sogar etwas auf, um es nicht zu vergessen. Die Eheleute, die in einem Betrieb arbeiteten, hatten f;r das f;nfzigj;hrige Jubil;um von Frau Bethke beim Direktor eine Erlaubnis bekommen nicht an der festlichen Demonstration teilzunehmen, die dem Jahrestag der Gr;ndung des Landes gewidmet war.
Fast die ganze Nacht vor der Abfahrt schlief Viktor schlecht, w;lzte sich herum, ging oft auf den Balkon raus zu rauchen. Auch das Wetter erfreute ihn nicht. Seit Anfang des Oktobers war es auf dem ganzen Territorium des sozialistischen Deutschlands tr;b und regnerisch. In dieser Nacht regnete es auch. Den Vorschlag des Mannes, zum Jubil;um mit dem Zug zu fahren und sich gr;ndlich zu entspannen, unterst;tzte die Frau nicht. Magda meinte, dass im "Mercedes“, von dem sie lebenslang tr;umte, es viel gem;tlicher als im ;berf;llten Wagon zu fahren w;re. Au;erdem versprach die Gro;mutter, auch die Enkelin mitzunehmen. Karin wollte schon seit langem den sch;nen Zoo in der Stadt der Freundin der Gro;mutter besuchen. Das M;dchen mochte die schw;len Z;ge auch nicht, ihr gefiel es nur, im Auto mit der Gro;mutter und dem Gro;vater zu fahren. Die Eheleute Aigner fuhren zusammen mit der Enkelin um sieben Uhr morgens los.
Sie fuhren fr;her los f;r den Fall der unvorhergesehende Umst;nde. Niemand wollte zu dem festlichen Tisch zu sp;t kommen, die Gesellschaft sollte genau f;nfzig Personen betragen. Wie auch in der Nacht regnete es. Viktor sa; auf dem Fahrersitz und hielt fest das Lenkrad. Die Gro;mutter und die Enkelin, die auf dem hinteren Sitzen sa;en, spielten eifrig Karten. Das M;dchen spielte sehr gern Karten, obwohl sie von den Eltern f;r diese Besch;ftigung oft ;rger bekam. Oma Magda im Gegenteil zeigte in dieser Sache eine gewisse Nachsicht gegen;ber der einzigen geliebten Enkelin. Das Kartenspiel hatten gerade Gro;vater und Gro;mutter ihr beigebracht, und sie spielte ;berhaupt nicht schlechter als ihre Lehrer. Besonders oft verlor Opa Viktor, der sich dar;ber tats;chlich ;rgerte und manchmal ;berhaupt in sein Zimmer ging, um die Niederlage gegen die junge, aber sehr talentierte Kartenspielerin, zu analysieren.
Das sch;ne M;dchen tr;umte sogar in der Nacht von den Karten, sie wachte auf und rief den Gro;vater an. Der schimpfte nicht auf Karinchen wegen der Gedanken an ihren n;chsten. Die Enkelin schlief nach dem Anruf sofort ein...
Der Unfall geschah etwa f;nfzig Kilometern vor der Stadt Vogelburg und wurde nicht durch den Fahrer des "Mercedes" verursacht. Viktor konnte nicht wissen, dass an der Kurve ein Junge aus dem Wald herauslaufen w;rde. Er lief nach dem Fu;ball, als ob er alles auf dieser Welt vergessen h;tte. Aigner dr;ckte fast augenblicklich und mit aller Kraft auf die Bremsen. Wegen der nassen Fahrbahn geriet das Auto ins Schleudern, danach rutschte es aufs Feld und dann ;berschlug es sich mehrmals. Die Polizei kam an der Unfallstelle nach f;nfzehn Minuten an. Die Fahrt zu ihrer Freundin endete f;r die Familie Aigner tragisch. Die Enkelin kam an der Stelle der Katastrophe um, Viktor starb im Krankenhaus nach ein paar Stunden. F;r Magda war es nach dem Willen Gottes bestimmt zu leben, sie hatte nur leichte Verletzungen.
Die Frau hatte es sogar f;r nicht n;tig gehalten, ins Krankenhaus zur Untersuchung zu gehen, ihr war es nicht danach...
Nach der Beerdigung des Mannes und der Enkelin geschahen in der verwandtschaftlichen Umgebung Aigners drastische Ver;nderungen. Die einst geliebte Mutter und Gro;mutter wurde nach dem Tod der Enkelin f;r die eigene Tochter fremd. Katerina beschuldigte am Tod ihres einzigen Kindes nur Magda, ihre eigene Mutter und sonst niemanden. Die junge Frau hatte sie nicht einmal auf den Friedhof gelassen. An einem Tag beerdigte man in dem kleinen St;dtchen bei Dresden zwei Verwandte: den Gro;vater Viktor und seine Lieblingsenkelin Karin.
Die Gro;mutter beweinte die einzige Enkelin und ihren Mann zu Hause vor der Ikone kniend. Katerina und ihr Mann zogen nach der Beerdigung ihrer Tochter nach einem Monat in eine andere Stadt um, Magda Aigner kannte ihre Adresse bis heute nicht. Bei der einsamen Witwe erlosch alles auf dieser Erde, mit Ausnahme der Freundschaft mit Anna. Diese Freundschaft wurde noch st;rker, nachdem die Freundin auch verwitwet war. Alexander Bethke starb ein Jahr nach Viktor Aigner. Der noch junge Mann hatte oft Herzprobleme. Es war m;glich, dass er noch l;nger gelebt h;tte, wenn nicht der Stress auf der Arbeit gewesen w;re. Der stellvertretende Direktor des Radiobetriebs hatte ein sehr angespanntes Verh;ltnis zu seinem Chef. Der Direktor war sehr ehrgeizig, er lie; nicht nur keine Initiative der Untergebenen zu, sondern verzieh auch ihnen keine Fehler. Die Unterbrechung der Lieferung der Produktion war f;r den Urlauber, der an den Str;nden der Tschechoslowakei sich sonnte, ein au;erordentlicher Vorfall.
Der stellvertretende Direktor hatte die Beleidigungen des Vorgesetzten nicht ertragen und ihm am Telefon auch die Meinung unfreundlich gesagt. Viktor f;hlte sich in der Nacht schlecht. Seine Frau sa; am Bett des Mannes und wollte ein Krankenwagen rufen. Der selbst war strick dagegen, er hoffte darauf, dass bei ihm alles wieder gut wird...
Hingerissen von dem Nachdenken ;ber die Vergangenheit sah Anna Bethke ganz zuf;llig am Stra;enrand einen sehr gro;en Burschen in einem Sportanzug. Sie h;tte ihn aller Wahrscheinlichkeit nach nicht bemerkt, wenn nicht ein kleiner schwarzwei;er Hund bei ihm gewesen w;re. Er lief vor seinem Herrchen und kl;ffte die an ihm vorbei rasenden Autos an. Das Verhalten des Hundes brachte die Deutsche zum Lachen und als sie etwa f;nfzig Meter den Fu;g;nger mit dem Hund ;berholt hatte, entschied sie sich zu bremsen. Anna stellte den Motor ab und stieg aus dem Auto und fing an, leichte Bewegungen zu machen. Zu ihrem Erstaunen blieb sie f;r den Fu;g;nger und seinen Hund unbemerkt, sie blickten sogar nicht in ihre Richtung. Es verletzte in gewisser Weise die Blondine, sie drehte mit Unverst;ndnis den Kopf zur Seite der Weggehenden um.
Dann bewegte sie sich entschlossen zum Auto... Nach ein paar Augenblicken h;rte sie hinter sich ein lautes Bellen. Der Hund, als ob vor ihm seine freundliche Besitzerin w;re, hetzte prompt zum Auto und sprang auch schnell auf den Beifahrersitz des alten "Hondas". Von der schnellen Hundeaktion schrie die Frau sogar auf. Sie hatte nicht erwartet, dass dieses kleine Tier so geschickt in das Wagen springen wurde und sich neben den Fahrer sitzten k;nnte, der beabsichtigte, gleich die T;r zu schlie;en und den Motor zu starten. Anna lachte von der unerwarteten Bekanntschaft laut auf und begann die vierbeinige Unbekannte z;rtlich zu streicheln. Kaschtanka bellte ein paar Mal laut und dann kuschelte sie sich an die, die sie sehr vorsichtig am Kopf zauste und freundlich lachte.
Die Hoffnungen der Besitzerin des Autos, dass der junge Herr der gepflegten Sch;nen gleich herankommt und ein Gespr;ch mit ihr f;hren w;rde, erf;llten sich nicht. Er stand in etwa f;nf Metern von dem Auto entfernt und lockte hartn;ckig seinen Hund zu sich. Der junge Mann, als ob er nicht die sympathische Blondine bemerkte, die im Wageninneren sa; und mit seinem Hund spielte und nicht nur spielte, sondern auch sehr hinrei;end lachte. Kaschtanka reagierte jetzt nicht auf die Zeichen des Besitzers, sie bemerkte sie einfach nicht. Sie lag sehr gem;tlich auf dem Sitz und spielte mit gro;em Vergn;gen mit der Frau. Das Unverst;ndnis zwischen dem Besitzer und dem Hund dauerte an.
Anna, die vom Weg erm;det war, wollte nicht aufstehen, ihre alten "Knochen" aufzuw;rmen und nicht als Erste sich bekannt zu machen. Und sie hielt das sogar unanst;ndig. In ihren jungen Jahren machten in der Regel die M;nner als Erste den Anfang der Bekanntschaft. Das erwartete sie jetzt auch vom Besitzer des sch;nen Hundes, der nicht nur schlank, sondern auch ziemlich sch;n war. Frau Bethke dachte nicht in diesen Moment an einen Br;utigam, sie wollte einfach wissen, warum sich dieser stattliche Bursche so seltsam benimmt. Das Geheimnis seines Verhaltens faszinierte irgendwie die Frau sogar. Sie warf fl;chtig einen Blick in den R;ckspiegel und war mit sich zufrieden. Sie war noch nicht so alt und auch nicht einmal h;sslich. Anna, ungeachtet ihrer sechzig Jahre, war schlank und hatte sich fit gehalten.
Nach dem Tod ihres Mannes haben drei M;nner an ihr "geklebt", sie hatte sie buchst;blich „weggefegt“. Die kluge und finanziell unabh;ngige Frau wollte sich nicht an die binden, die arm oder dumm waren. Und nicht nur das ... Udo hatte nach der einmonatigen Bekanntschaft ihr Vertrauen als Mann verloren. Der Philosoph fand sich in allen weltweiten Problemen gut zurecht, aber erwies sich als impotent. Der Zweite, Anna konnte jetzt sich nicht einmal an seinen Namen, ganz zu schweigen vom Familiennamen erinnern, zeigte sich als ein gro;er Spa;verderber. Der Kavalier, w;hrend er bei ihr im Bett lag, "schnatterte" in der ersten Nacht die ganze Zeit dar;ber, dass er sich von seiner Frau, die er immer noch liebte, trennen w;rde. Er war bereit, ihr sogar zu verzeihen, dass jene ihn mit seinem Chef betrog. Der dritte Bewerber war sehr repr;sentativ, er hatte im Sozialismus einen hohen Posten. Nach der Wiedervereinigung des Landes ist Willis Karriere wie ein Kartenhaus zusammengebrochen.
Er hatte sich von den Ver;nderungen im pers;nlichen sozialen Status in die mehrt;gige Sauferei gest;rzt, auch seine Frau konnte dem Kummer ihres Mannes nicht abhelfen. Sie ertrug die Trunksucht des Ehemannes nicht und fuhr nach Bayern zu ihrem Liebhaber weg. Der noch nicht geschiedene Mann machte sich auch auf die Suche nach Frauen. Lebenslang war der Mann ein arbeitsscheuer Mensch gewesen, er konnte sich kein Spiegelei zubereiten, ganz zu schweigen, die W;sche waschen. F;r Anna waren zuerst alle Probleme des ehemaligen Beamten unbekannt, sie hatte fast sofort auf den K;der «angebissen». Und es gab was zu „anbei;en“. Der Kavalier war nicht nur elegant, sondern auch nicht arm. Er prahlte immer wieder vor ihr damit, dass er oft sich an den angesehenen Kurorten der ehemaligen sozialistischen L;nder erholte. Er hatte das Gl;ck, die Hand des wichtigsten Parteichefs der Sowjetunion zu halten. Die sch;ne und schlanke Witwe war fast in das Netz des ehemaligen Parteibeamten geraten, sie hat sich wahrscheinlich sogar verliebt.
Jedoch zu einer Beziehung ist es nicht gekommen. Das 24-Stunden-Jammern des Mannes ;ber unerf;llte Karriere im Sozialismus und die napoleonische Pl;ne im Kapitalismus st;rten immer mehr die Frau. Am Ende hatte sie ihm auf die T;r gezeigt, obwohl er sehr gut im Bett war und sogar sehr...
Von den ziemlich sentimentalen Gedanken lachte Anna auf und entschied sich immerhin, aus dem Auto auszusteigen. Der Besitzer des Hundes stand immer noch an derselben Stelle, er sagte nichts und winkte nur mit der Hand. Was die Zeichen bedeuteten und f;r wen sie bestimmt waren, konnte Frau Bethke nicht verstehen.
Sie konnte nur merken, dass ihr Erscheinen beim jungen Mann echte Angst verursacht hatte. Was bei ihm diese Angst ausgel;st hatte, konnte sie auch nicht verstehen. Die Blondine irrte sich in ihren Bef;rchtungen ;berhaupt nicht. Alexander, nachdem die Frau aus dem Wagen gestiegen war, wollte sofort weglaufen. Bis zum Wald war es etwa f;nfhundert Meter, nicht weit vom Stra;enrand befand sich ein gepfl;gtes Feld. Der Riese schaute die Frau misstrauisch an und sah ihr f;r einen Moment in ihre Augen. Schaute hinein und erstarrte. In den blauen Augen der Unbekannten gab es keine Wut oder keinen Hass ihm gegen;ber. Die aus dem Auto Ausgestiegene schaute ihm aufmerksam in die Augen und lachte sehr freundlich. Wieso sie lachte, konnte er nicht verstehen, ihm pers;nlich war es nicht nach Lachen. Eins verstand er jetzt und leugnete nicht, dass das Lachen diese Frau noch sch;ner machte.
Kusnezow bewunderte gezwungenerma;en die Person, die schon ;ber f;nfzig war.Ihr blondes Haar war lang und lag auf ihren Schultern. Alexander gefielen auch ihre gerade Nase sowie die schmalen Lippen, auf die reichlich Lippenstift aufgetragen war. Er l;chelte, als er die blendend wei;en Z;hnen der Frau sah. Anna sprach als Erste...
Daran, dass die Unbekannte ihn begr;;te, zweifelte der Fl;chtige ;berhaupt nicht. Diese beiden Worte kannte er sehr gut. Was die sympathische Frau in den dunklen Hosen und in der wei;en Bluse weiter sagte, konnte er nicht verstehen. Er starrte die Deutsche wie die „Kuh das Tor“ an und l;chelte nur ein bisschen. Die Blondine l;chelte auch, aber das Spiel des "L;chelns" dauerte nicht lange. Den ersten Kontakt fand die Deutsche, die in perfektem Russisch fragte:
- Genosse, und Sie sind ein Russe?... Habe ich recht, Genosse?...
Die russische Rede ;berraschte den Fl;chtigen nicht. Er zweifelte jetzt nicht, vor ihm stand eine Deutsche der ehemaligen DDR. Doch statt zu antworten, presste Kusnezow seine Lippen fest zusammen. In diesen Momenten geriet sein Gehirn f;r eine Weile wieder ins Stocken. Der Grund daf;r war seine n;chste Angst, die Angst vor einem m;glichen Informanten ;ber den russischen Fahnenfl;chtigen. Alexander sah auf den Wald, dann auf die Frau, danach schaute er wieder in Richtung des Waldes. Er sollte jetzt in diesen Wald laufen, der f;r ihn sein Heim und Ern;hrer geworden war. Gleichzeitig war solche Flucht f;r ihn ein Wahnsinn. Wegzulaufen vor der sch;nen Frau, die nach dem Alter seine Mutter h;tte sein k;nnen, beabsichtigte er nicht. Die Deutsche war nicht in Polizeiuniform, sie glich auch nicht einem Feind. Er stand und sah starr in die blauen Augen der fremden Mutter, in der Hoffnung, nicht nur ihre Gedanken zu lesen, sondern auch in ihre Seele hineinzuschauen...
Anna Bethke verstand nach der Frage in russischer Sprache das Verhalten des jungen Mannes ;berhaupt nicht mehr. Er stand vor ihr wie zur Beichte und weinte aus irgendeinem Grund. Er selbst bemerkte aller Wahrscheinlichkeit nach nicht die Tr;nen, die flossen seine Wangen hinunter und fielen dann auf seine Jacke. Als die Blondine die Tr;nen in den Augen des Fremden sah, war sie zuerst etwas verbl;fft. Dann zog sie aus der Hose schnell ein Taschentuch heraus und begann eifrig ihm die Tr;nen abzuwischen. Dem allem widersetzte er sich nicht, aber er sagte auch nichts. Der Gedanke der Frau, dass ihr Fremder krank oder stumm w;re, verschwand sofort, kaum der Hund zu ihm gelaufen war. Er beugte sich zum Hund und sagte leise russischt:
- Wieso hast du, meine Kaschtanka, dich entschieden mich zu verlassen... Du, verlass mich nicht... Ich brauche dich wirklich...
Der Hund dr;ckte sich nach diesen Worten noch st;rker an sein Herrchen und begann laut zu jammern. Dann rannte er schnell zu der Frau und blieb vor ihr stehen, bellte laut und wedelte mit dem Schwanz. Kaschtankas Verhalten f;hrte die bis jetzt unbekannten Menschen zu einem gegenseitigen Verst;ndnis. Kusnezow sah auf seinen Hund und lachte unter Tr;nen, mit Tr;nen in den Augen lachte auch die Deutsche. Sie sah abwechselnd mal den junge Mann, mal seinen treuen vierbeinigen Freund an. Der Reisende und sein Hund riefen bei ihr Sympathie hervor. Sie verbarg das ;berhaupt nicht und deshalb lachte und weinte sie...
Bis zu dem kleinen St;dtchen Weinbrot, wo Frau Aigner wohnte, war es noch drei;ig Kilometer. Anna beschlo; nach dem Erscheinen im Wagen der unerwarteten Passagiere sich nicht zu beeilen. Sie konnte nicht erwarten, die Ursache der nerv;sen Verwirrung des russischen Burschen herauszufinden.
Sie stellte ihm ihre verwirrende Frage sofort, sobald das Auto losgefahren war. Sie fragte in zwei Sprachen. Sie wiederholte sie noch einmal, nachdem dem Burschen auf dem Gesicht die Tr;nen getrocknet waren. Eine gescheite Antwort gab es nicht. Der Russe antwortete auf alle Fragen eindeutig: "ich" oder "Ja". Was das alles wie f;r ihn, als auch f;r sie bedeutete, verstand die Frau nicht. Wie sie auch nicht verstand, warum er sich die ganze Zeit umschaute. Kaschtanka hatte sich im Vergleich zu ihrem Besitzer viel schneller angepasst. Sie lag auf dem R;cksitz und ;ffnete manchmal tr;ge die Augen. Der Hund war wahrscheinlich sehr zufrieden mit dem, was heute auf dem Weg geschehen war. Bald beruhigte sich auch sein Besitzer. Er sa; brav da und warf nur gelegentlich einen Blick auf die gepflegten H;nde der Frau, die geschickt und leicht das Lenkrad drehten. Die Zeit verging schnell, aber keiner von den Sitzenden begann richtig ein Gespr;ch.
Alexander wollte sich nicht „verraten“ aus Angst, um nicht an die Polizei zu geraten. Er drehte noch automatisch den Kopf zur Seite weg, als die Polizeiautos die alte "Honda" ;berholten. Die langsame Fahrt der Frau ;rgerte den fl;chtigen Soldaten, manchmal wollte er aus dem Wagen herausspringen und in den Wald fl;chten. Der Augenblick des Gl;cks k;nnte f;r ihn sehr teuer werden. Daran, dass es in Dresden und in seiner Umgebung sowjetischen Truppen gibt, bezweifelte er nicht. Wie er auch keine Zweifel hatte, dass diese sehr sch;ne Blondine f;r nichts ohne Probleme ihn der sowjetischen Kommandantur oder Streife verraten wird. Vom Letzten hatte der Entlaufene eine gro;e Angst und deshalb schwieg er, wie ein Fisch. Das lange Schweigen hat die Deutsche abgebrochen. Als ob sie die Gedanken des schweigsamen Menschen erraten h;tte, beschloss sie die Taktik der Kommunikation mit ihm zu ;ndern. Sie stellte dem Russe keine Fragen mehr, das alles war vergeblich. Sie begann jetzt selbst zu sprechen, sie sprach nur russisch. In den paar Minuten ist sie dazugekommen dem schweigsamen Menschen vom bevorstehenden Besuch bei ihrer Freundin zu erz;hlen, etwas hat sie auch von ihrem Leben erz;hlt. Der Russe reagierte auch diesmal auf den Monolog der sch;nen Frau nicht, er hat nicht einmal mit dem Kopf genickt.
Erst nachdem das Auto Dresden verlie;, hatte der schweigsame Mensch sich erlaubt der Frau etwas ;ber seine Probleme zu erz;hlen. Dann begann er das Wetter zu loben, es war an diesem Tag wirklich sommerlich. Als er erfuhr, dass die Deutsche bereits in der Stadt der Freundin angekommen ist, hatte Alexander sie gebeten, neben dem Bahnhof anzuhalten. Er dachte, dass es auf dem Bahnhof leichter w;re in der vielf;ltigen Menge unterzutauchen. Anna erf;llte die Bitte des Russen bedingungslos und fuhr rasch zum Parkplatz heran. Dann hob sie vorsichtig den Hund hoch, der leise winselte und st;rker sich an sie dr;ckte. Den Vorschlag der Deutschen, ihm zu helfen ein Ticket zu kaufen, lehnte der Fl;chtige h;flich ab. Er l;chelte, wie eine aufgedrehte Puppe, und nickte st;ndig mit dem Kopf. Er verstand auch selbst nicht, was mit ihm jetzt geschah und warum sein „Topf“ die ganze Zeit zuckte.
Die letzten Momente des Abschiedes waren f;r die Deutsche komisch. Der Grund daf;r waren die unberechenbaren Handlungen des Russen. Er versuchte ihr ein Gefallen zu tun und schlo; sehr schnell die T;r ihres Wagens.
Anna schrie vom Schmerz stark auf und schaute erstaunt auf den Gentleman, der sich nichts anmerken lie;. Er hatte auch nicht den Gefallen getan ihr zum Abschied mit der Hand zu winken, als sie lachte und der Kaschtanka, die lange hinter dem Wagen lief, winkte. Die vollste Gleichg;ltigkeit des sch;nen Burschen zu ihr kr;nkte sie bis ins Innerste. Sie befand sich immer noch in Vermutungen wegen des seltsamen Verhaltens ihres neulichen Passagiers. Es war nicht nur seine Psyche seltsam, sondern auch sein Weg nach Stuttgart...
Kusnezow ging nicht auf den Bahnhof, hier konnte die Polizei oder sowjetischen Streifen sein. Er warf schnell den Rucksack hinter den R;cken und ging auf die gegen;ber vom Bahnhof Stra;e, die sich nicht weit vom Parkplatz befand. Hier war er gerade erst in dem Auto mit der Deutschen. Die Idee mindestens noch ein Blick auf den blauen "Honda" zu werfen entstand unerwartet, sie war aus der Tiefe seiner Seele erschienen.
Die Angst die bekannte Deutsche im gro;en Verkehr zu verlieren, hatte den jungen Mann gezwungen entschlossen zu handeln. Er lief sehr schnell durch noch eine andere Stra;e und blieb stehen. Dann schaute er in Richtung des Bahnhofplatzes, der Strom von Autos stoppte und stand still. Es bedeutete, dass auch die Deutsche vor einer roten Ampel noch stand. Der Riese st;rmte zu seiner Seite, Kaschtanka folgte ihm. Nach paar Sekunden sah er das bekannte Auto und schaute erzwungen auf das Kennzeichen. Diese vier Zahlen merkte er sich ohne besondere M;he. 1941 fing der zweite Weltkrieg an. Der ehemaliger Sch;ler Sanjka Kusnezow war mit der Geschichte nicht sehr befreundet, aber immerhin er wusste den Beginn dieses Krieges. Die auf eigene Art gl;ckliche Zahl freute den Riesen sehr, er lachte laut auf. Von seinem Lachen schrackt sogar Kaschtanka zur;ck. Sie sah ihren Besitzer, dem sie auch bis jetzt treu diente, schon lange nicht mehr so fr;hlich...
Anna fuhr von Ihrer Busenfreundin an einem Tag nach Hause, als sie dem seltsamen Reisenden mit dem sehr klugen Hund begegnet war. Sie war genau um ein Uhr nachmittags losgefahren. Trotz vieler Jahre Fahrpraxis fuhr sie liebter nur w;hrend des Tages. Am Tag zu fahren liebte auch ihr ruhiger Mann, der das Lenkrad seiner Ehefrau immer anvertraute. Und das nicht nur aus dem Grund, dass er nach dem Besuch angetrunken war. Dem Mann gefiel es, ein Passagier zu sein und sich umzuschauen. W;hrend der Fahrt brachte er es fertig, nicht nur die Natur zu genie;en, sondern auch einige wertvollen Hinweise seiner pers;nlichen Fahrerin, die nicht immer richtig bremste oder viel zu heftig losfuhr, zu geben.
Es ging bis zum Streit. Anna hielt den Wagen an und nahm buchst;blich den netten "Weisen" am Kragen und setzte ihn auf den Fahrerplatz. Die Konfrontation von Experten und Praktikern dauerte nicht lange. Alexander brachte wegen seinen R;ckenschmerzen das Auto zum Stehen und nach einem Kuss gab er die Z;gel dem erfahreneren Fahrer zur;ck. Es war auch so in Wirklichkeit. Bis zum „Arbeitsb;ro“ fuhr der Chef der Familie mit dem ;ffentlichen Bus, die Frau mit dem pers;nlichen Auto...
Am Tag der Abreise wie auch im Tag der Ankunft war sehr sch;nes Wetter. Anna hatte beschlossen, sich Zeit zu nehmen, es gab auch keine Notwendigkeit sich f;r irgendjemanden zu beeilen. Der Mann war verstorben, Kinder hatten sie nicht. Im ersten Jahr nach der Heirat hatte sie eine Fehlgeburt. Die ;rzte sprachen einstimmig ;ber eine m;gliche weitere Schwangerschaft. Das junge Ehepaar hoffte auch darauf.
Die Jahre gingen vor;ber, aber alles blieb ohne Ver;nderungen. Die Kinderlosigkeit ersetzte das Ehepaar mit allerlei Urlauben. Wohin sie nicht nur fuhren, was sie alles nicht nur sahen...
Die Erinnerungen an die Vergangenheit versch;nerte schnell die Zeit. Frau Bethke hatte beinahe nicht bemerkt, dass sie schon am Rande der Stadt war. Das St;dtchen der Freundin gefiel ihr nicht, hier gab es zu viele Industriegebiete und es gab kein Fluss. Ohne Wasser konnte Anna nicht leben, es war f;r sie alles und vielleicht sogar auch mehr. Es war in Weinbrot auch ausreichend Verkehr, sie kam auch jetzt nicht m;helos aus dem Stadtzentrum heraus. Am Rande der Stadt lie; der Verkehr schnell nach und sie begann wieder nachzudenken...
Nach der Ampel hatte die Fahrerin des alten "Honda" unerwartet den jungen Mann mit dem Hund am Stra;enrand gesehen.
Gerzwungenerma;en bekam sie einen Stich ins Herz, sie erinnerte sich etwas an die vorgestrigen Fahrg;ste. Ehrlich gesagt hatte der Russe in ihrer Seele und ihrem Kopf keinerlei "Erinnerungen" hinterlassen. Sie hatte es nicht einmal f;r n;tig erachtet, dar;ber ihrer Freundin zu berichten.
Kusnezow, der an der Ampel zwei N;chte und zwei Tage gewacht hatte, freute sich sehr ;ber das Erscheinen des blauen Autos. Zuerst konnte er nicht verstehen, wieso die bekannte Frau nicht bremste. Sie w;re sogar ganz vorbei gerauscht, wenn er nicht entschlossenen gehandelt h;tte. Er warf sich wie ein Riese gegen das Auto und schrie wild auf. Anna hatte fast die Gabe zu reden verloren, als sie vor sich einen unbekannten Menschen mit einem verzerrten Gesicht sah. Jener lag fast auf der Motorhaube ihres Wagens und drohte ihr mit der Faust. Das Erscheinen eines Banditen am helllichten Tag hatte die Blondine nicht erwartet.
Sie schaltete den Motor aus Angst ab und fing an zu weinen, ihre H;nde zitterten unnat;rlich. Sie lehnte sich auf den Sitz zur;ck und schloss zwangsl;ufig die Augen. Wieder zu sich zu kommen, zwang sie ein Hundeheulen, das sehr klagend war und etwas an das Weinen eines erwachsenen Kindes erinnerte. Frau Bethke ;ffnete die T;r und erstarrte. Auf ihren Scho; sprang ein schwarzwei;er Hund, sein Name war Kaschtanka...
Dank des klugen Tieres erkannte die Deutsche auch den russischen Herrn Wanja, der in Deutschland auf einer Gesch;ftsreise aus den Baltischen L;ndern war.
Das unerwartete Erscheinen des jungen Mannes mit den dicken Borsten schockierte sie wieder, er sollte heute in Stuttgart sein und in einem Hotel wohnen. Ungew;hnlich war auch sein Verhalten jetzt. Er begr;;te sie h;flich und ;ffnete tapfer die Autot;r. Dann l;chlte er breit und reichte der erstaunten Fahrerin einen gro;en Strau; Feldblumen. Diesmal weinte der Russe nicht und wich auch nicht zur Seite, sein Kopf zuckte auch nicht. Der unerwartete Besuch der alten Bekannten brachte der Blondine noch keine Lebenskraft, ihr zitterten immer noch die H;nde. Sie konnte noch lange den Motor nicht starten, fr;her lie; sich ihr "Honda" mit einer kurzen Drehung starten. Die Angst um ihr Leben verfolgte Anna auch dann, als sie auf die Autobahn gefahren war. Jetzt war es ihr nicht nach der Stra;enverkehrsordnung, zumute, die Bedrohung ihres Lebens hatte Vorrang. Der Russen Wanja war wie ausgewechselt.
Vor zwei Tagen schwieg er fast die ganze Zeit, jetzt aber war er gespr;chig. Frau Bethke warf gelegentlich ihr Blick auf die Autobahn, sie schaute immer ;ffter auf den Burschen und konnte seine Macken nicht verstehen. Der schweigsame Mensch l;chelte jetzt nicht nur nat;rlich, sondern sagte auch etwas, sprach flie;end Russisch. Was der Fahrgast jetzt sagte, interessierte die Deutsche ;berhaupt nicht. Sie l;chelte nur anst;ndig und dachte immer nach, dachte nach. Der Wunsch in der N;he einer Tankstelle oder neben einem Polizeirevier zu bremsen, verfolgte sie st;ndig. Daran, dass dieser Riese sie in irgendwelchen Bruchteile von Sekunden erw;rgen oder einfach zerrei;en w;rde, zweifelte sie schon ;berhaupt nicht mehr...
Die ziemlich sympathische Deutsche, die sogar viel ;lter war als er selbst, wollte der Fahnenfl;chtige der Sowjetischen Armee nicht t;ten. Als Alexander sich auf‘s Sitz neben dem Fahrer herabfallen lie;, entspannte er sich nach ein paar Augenblicken.
Die zwei schlaflose N;chte und Tage, in denen er neben dem Stra;enrand, in der Hoffnung wieder einmal die Bekannte zu sehen, wachte, gingen an ihm nicht spurlos vorbei. In dieser Zeit hatte er viel physische und moralische Kraft verbraucht. Das alles machte er f;r eine Sache, f;r ein Ziel, um in diesem Land zu bleiben, zu leben. Diese Deutsche, wie er glaubte, konnte ihm helfen. W;hrend seiner Fluchtzeit hatte er keine Freunde, die ihm eine helfende Hand entgegenstrecken oder ein gescheiten Rat geben k;nnten, gefunden. Ein Trost f;r den einsamen Wanderer war nur Kaschtanka, jedoch sie war ein Hund und blieb es auch. Das Tier konnte ;berall und jederzeit mit einem St;ck Brot zufrieden sein, dem Menschen Kusnezow war es zu wenig, es war sogar sehr wenig f;r ihn. Er war aus der Einheit weggelaufen, um menschlich zu leben. Er wollte sogar jetzt nicht in seine Heimat, wo das Elend und die Gesetzlosigkeit herrschten, zur;ckkehren und dort leben.
Im Zentrum Europas wollte der ehemalige Soldat der einst m;chtigen Armee anders leben und sich von einer gro;en Seite zu zeigen. Ein Fl;chtling und ein Bettler hier zu sein, hielt er unter seiner W;rde.
Alexander beschloss, seine alten Tr;ume mit Hilfe der Deutschen des ehemaligen sozialistischen Deutschlands zu verwirklichen. Diese Blondine gefiel ihm sehr, gefiel nicht nur ;u;erlich. In dieser sehr kurzen Bekanntschaft fand er in ihr etwas Unerkl;rliches, Unverst;ndliches, was ihn nicht nur wie ein Mann zur Frau, sondern auch wie ein Sohn zur Mutter zog. Was es war und warum es passierte, konnte der Fl;chtige auch selbst nicht verstehen. Es ging ihm mit dieser Frau im warmen Inneren ihres Autos sehr gut. Auch in seiner Seele f;hlte es sich sehr leicht an, sie erholte sich vn den st;ndigen Sorgen. Ihn freute es auch, dass die Blondine sehr gut russisch sprach. Das gab ihm Hoffnung auf eine bessere Zukunft…
Anna Bethke konnte aus dem Gespr;ch auf dem Weg nicht richtig verstehen, was der junge und sch;ne Mann mit den dicken Borsten von ihr wollte. Sie verstand es nicht nur dann, als er im Auto schlief, sondern auch zu Hause, als sie aufregend ihre Wohnungst;r ;ffnete. Am Abend hatte der ungebetene ein Bad genommen, sich danach die Kleidung von Annas verstorbenen Mannes, seinen Sportanzug angezogen. Den Schrank mit seiner Kleidung hatte die Witwe bisher nicht ge;ffnet, jetzt aber hatte sie es getan. Die ;ltere Deutsche und der junge Russe sa;en am Tisch bis sp;t in die Nacht. Das Gespr;ch zwischen ihnen war sehr ernst geworden, etwas davon hatte Anna bis zum fr;hen Morgen „verdaut“. Es gab etwas zum Nachdenken.
Der sympathische Passagier hatte sich in Wirklichkeit nicht als Wanja, sondern als Alexander erwiesen. Davon hatte sich die Hausherrin ;berzeugt, als der Gast ihr sein Wehrdienstausweis mit seiner Fotografie zeigte. Letztere fl;;te der Deutschen kein Vertrauen ein. Sie glaubte mit einer gro;en Anspannung «den Beweisst;cken» des Russen, dessen Gesicht mit dem es glatzk;pfigen J;ngling sehr stark abwich. Deshalb betrachtete Anna mit einer besonderen Sorgfalt jede Seite des kleinen B;chleins, auf deren Titelseite der f;nfzackige Stern dargestellt war. Seine Zugeh;rigkeit zur sowjetischen Armee erkannte die Rentnerin durch die Beweisst;cke des jungen Mannes schlie;lich an, ;bernahm mit Angst auch das Risiko. Danach begann sie etwas ganz anderes Furchtbares zu beunruhigen. Auf die Frage, was sie mit dem Fahnenfl;chtigen weiter tun sollte, fand sie keine Antwort. Die ;rtlichen Beh;rden w;rden ihr f;r das Verstecken des Russen und noch dazu eines Fahnenfl;chtigen, sie nicht ;ber den Kopf streicheln. Jetzt waren ganz andere Zeiten angebrochen. Noch nicht so lange her, in der sozialistischen Vergangenheit, waren einige hiesige Deutsche mit den Angeh;rigen der sowjetischen Familien befreundet gewesenm, es war eine Ehre und Pflicht. Aber jetzt war alles anders. Die, die einst von den Russen begeistert waren, verhielten sich ziemlich leise und verga;en nicht vor Freude, ;ber die Flucht der Besatzer zu meckern. Die ehemalige Ingenieurin f;rchtete sich, in ihrer Wohnung ein Milit;rverbrecher zu verbergen. Besonders f;rchtete sie vor ihren Nachbarn, die die Polizei ;ber den fremden Menschen informieren konnten. Sie wussten alles ;ber das Ehepaar Bethke, die Mitglieder der SED.
Einige beneidete sie, als sie durch die L;nder der sozialistischen Zusammenarbeit j;hrlich reisten. Bei diesem Gedanken gab es bei Anna einen Stich in der Brust, die Schmerzen im Herzen traten bei ihr nach dem Tod des Mannes auf. Den Wunsch, es der Polizei zu melden, entstandt sofort, einen anderen Ausweg fand sie in diesem Moment nicht. Sie stand vom Bett auf, ging vorsichtig zur T;r, lauschte. Im Nebenzimmer klang stark und ruhig ein M;nnerschnarchen. Die Frau fing wieder an zu ;berlegen. Sie verbarg von sich aus jetzt schon nicht mehr, dass in der so kurzen Zeit dieser Bub ihr aus irgendeinem Grunde n;her wurde.
Wieso dieses Gef;hl kam, verstand sie auch selbst nicht. Der Grund daf;r konnte sein, dass sie selbst keine eigenen Kinder hatte und bei ihr sich m;tterliche Gef;hle entwickelten. Der Bewohnerin des satten Landes wurde unwohl, als sie im Fernsehen das erschreckende Leben in der ehemaligen Sowjetunion sah. Keine Ausnahme waren auch die sowjetischen Truppen, die in ihrem Land stationiert waren...
Frau Bethke brachte den Entlaufenen am n;chsten Tag aus ihrer Wohnung weg. Sie fuhr ihn sp;t in der Nacht weg, um ihren Nachbarn mit ihm nicht zu begegnen. Das Erscheinen und das Verschwinden des Russens blieben unbemerkt, nicht nur f;r die Bewohner des f;nfst;ckigen Geb;udes, sondern auch f;r das ganze kleine St;dtchen. Als neuer Wohnort f;r den Fl;chtiger wurde eine gro;e Einzimmerwohnung in einem zweist;ckigen Haus. Vor dem Fall der Berliner Mauer wohnte hier Gerda, die Freundin von Anna. Die Rentnerin ging zu ihrem Sohn in den Westen des Landes.
Sie rief die Freundin hin und wieder an und teilte ihr ihre "westlichen" Eindr;cke mit. Gerda hatte nicht vor zur;ck zu kommen und stimmte ohne Probleme zu, dass Anna ein bescheidenes M;dchen in ihre "Gem;cher" einquartierte. Frau Bethke musste etwas vor ihrer Busenfreundin verheimlichen, weil die lebenslang allein lebte und deshalb M;nner nicht mochte. Die Wohnung gefiel dem Russen sehr, hier war alles, was er zum Leben brauchte. Er ging vorsichtig durch den Raum und l;chelte. Seinen Augen waren voller Tr;nen, als Frau Bethke aus dem Kofferraum des Autos eine volle Tasche mit Lebensmittel brachte und sie in den K;hlschrank legte. Dann verabschiedete sie sich herzlich von ihm und verlie; schnell die Wohnung. Kaschtanka blieb bei der Deutschen, ihr Besitzer hatte nicht dagegen. Niemand wollte noch einmal "Spuren hinterlassen“.
Den Hund musste man pflegen. Die erste Nacht schlief Alexander in dem neuen Lebensraum wie ein Toter, er schlief bis zur Mittagszeit. Der Grund daf;r war die Ruhe und das weiche Bett, in dem, wie es ihm schien, er eine ganze Ewigkeit nicht mehr geschlafen hatte. Die helle Sonne, die mit M;he durch die schwarzen Gardinen durchkam, gab ihm den lebenswichtigen Optimismus. Er f;hlte sich im ersten Tag der "zivilisierten Haft" ausgezeichnet, sogar sehr. Nach einem warmen Bad und ein paar Flaschen k;hles Bier wurde ihm ein wenig schwindlig. Der leichte Schwindel kam nicht nur vom starken Bier, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach auch vom unerwarteten Gl;ck. Dieses Gl;ck «flog auf ihn» dank der gutm;tigen Deutschen. Kusnezow gefiel sehr diese Frau mit dem wei;en Haar, er mochte auch die Art, wie sie ihn umsorgte...
Frau Bethke, wie sie es vereinbart hatten, besuchte die Wohnung des Russen an Sonntagen, kam hierher sp;t am Abend an. Beim Treffen mit dem Fl;chtigen scherzte die Frau sogar manchmal, aber zu Hause machte sie sich gro;e Sorgen, dass sie den Fahnenfl;chtigen versteckte. Anna f;rchtete sogar telefonische Anrufe, ganz zu schweigen von der Angst, die sie f;hlte beim Anblick der Polizisten. Sie wanderte oft durch die bekannten Stra;en der Heimatstadt und weinte. Sie wollte in ihrem Alter nicht irgendwelche Probleme haben. In gewisser Weise beruhigte sie die Gleichg;ltigkeit der Menschen zu einander und zum Leben selbst, die in der Stadt herrscht. Das ehemalige dynamische Leben, wie es ihr schien, w;rde es niemals mehr geben.
Die Unternehmen, deren Zahl man an den Fingern einer Hand abz;hlen k;nnte, arbeiteten nicht. Man hatte auch den Radiobetrieb geschlossen, wo vor fast vier Jahrzehnten die Eheleute Bethke ihr Erwerbsleben begannen. Sie, eine sehr gute Fachkraft, wurde arbeitslos. Die Welle der Neugestaltung, die aus dem Westen des Landes kam, verursachte bei einigen Bewohnern des Ostens Verwirrung und Irritation. Im Zentrum von Vogelburg wuchs wie auf Hefe das solide Geb;ude einer Bank. In seiner N;he enstand fast ;ber Nacht eine neue Tankstelle. Gleichzeitig verblassten die einst sch;nen H;user und wurden mit jeder Stunde sch;biger. Einige von den alten Bewohnern des verschwundenen Sozialismus, die ohne Arbeit und ohne rosige Zukunft geblieben waren, zogen sich in die Bierkneipen zur;ck. Ein Teil der Arbeitslosen verlie; die vertraute Umgebung und fuhr in die Ungewissheit. Anna freute sich sehr, als aus dem Eingang des Hauses, wo ihrer Russe wohnte, die letzte Familie ausgezog. Nach einem Monat hatte sich auch das ganze Haus geleert...
Seinen ersten Ausflug in die Stadt entschied sich Alexander Kusnezow am letzten Augustsonnabend zu machen. Er machte ihn auf eigenes Risiko und bedauerte es ;berhaupt nicht. Frau Bethke wusste nicht einmal davon. W;hrend des Spaziergangs war er sehr vorsichtig, hielt sich besonders von der Polizei und von den Milit;rs in sowjetischer Uniform fern. Woher die Letzteren kamen, war f;r den Riesen unverst;ndlich. Laut Anna waren die Russen aus Vogelburg vor drei Monaten abgezogen. Der Wunsch, durch die Stadt zu bummeln entstand auch deshalb, weil am Ende jeden Monats im ganzen Land Flohm;rkte stattfanden, die ;hnlichkeit mit den sowjetischen Basaren hatten. Der Fl;chtige wusste davon schon fr;her, er war zweimal auf einem Flohmarkt zusammen mit Farid in Dachbau. Die M;glichkeit, erneut den Markt ruhig und ohne Nerven zu besuchen, tauchte bei ihm erst jetzt auf.
Mit der Suche des Flohmarktes in der unbekannten Stadt bem;hte er sich nicht. Nicht weit vom Bahnhof entfernt, bemerkte er sofort die langen Reihen von L;den, wo, wie es ihm schien, sich alle Stadtbewohner versammelt hatten. Alexander st;rzte sich sofort ins menschliche Gedr;nge, er war hier viel sicherer. Was es nicht alles auf diesen Regalen und Tischen gab! Und erst die Vielfalt der Sprachen und Dialekte unter denen, die gehandelt hatten oder etwas kaufen wollten?! Von den menschlichen Stimmen f;rchtete sich der Fahnenfl;chtige nicht, das war das, was er wollte. Er erschrak auch vor der russischen Sprache nicht. Nach ein paar Runden auf dem Markt hatte er sich ganz beruhigt. Polizei und sowjetische Patrouillen gab es nicht...
Die Erinnerung an die Pr;senz der sowjetischen Truppen in der Stadt setzte immerhin fort auf dem Markt zu leben. Auf vielen kleinen Verkaufstischen lag allerlei Zubeh;r von Milit;runiformen. Und das war noch nicht alles. Die verd;chtigen Typen, die nicht weit von den Handelspunkten schlendernten, konnten nach Alexanders Ansicht auch etwas Ernstes anbieten. Diesen Typen n;her zu kommen z;gerte er zuerst, f;rchtete, durch sie in die H;nde der Polizei zu fallen. Erst nach ein paar Stunden des ziellosen Zeitvertreibs beschloss er, es zu riskieren. Dazu gab es, wie es ihm schien, einen geeigneten Standort und eine geeignete Person. Ein sicheres Subjekt f;r den Riesen wurde ein kleiner Bursche mit dicken schwarzen Haaren, die seine gro;en Ohren und seine Stirn bedeckten. Er sah aller Wahrscheinlichkeit wie ein Armenier oder ein Georgier aus.
Kusnezow konnte selbst nicht verstehen, wieso er diesen "Russen" gew;hlt hatte, der sich um den kleinen Tisch mit allerlei Abzeichen und den Achselst;cken der Milit;rangeh;rigen der Sowjetischen Armee st;ndig herum drehte. Ihn angezogen hatte auch das blasse M;dchen, das hinter dem Ladentisch stand. Sie warf sehr oft Blicke zu dem "des Russen" hin.
Alexander kam an den kleinen Tisch in dem Moment heran, als der " Russe" der Blondine etwas ins Ohr fl;sterte. Er schlug leicht mit der Hand auf seine Schulter und sagte leise:
- Hallo Kazo, wie geht’s?... Ich sah dich schon lange nicht...
Das weitere Verhalten "des Russen" verbl;ffte den fl;chtigen Soldat einfach. Kazo drehte sich zu ihm heftig herum, machte dann ein paar Schritte r;ckw;rts und zischte deutsch:
- Entschuldigen Sie, ich verstehe Sie nicht, Herr...
F;r einen Moment schwieg der Gespr;chspartner der Blondine, dann hob er den Kopf
hoch. Dem Menschen, der ihm auf die Schulter schlug, ging er ein bisschen h;her als bis zu seinem Nabel. Das Schweigen des Knirpses dauerte nicht lange. Er hatte wahrscheinlich auch selbst noch nicht «festgestellt», in welchem Land er lebte und begann den Fremden, ohne sich zu sch;men, erstklassig russisch zu beschimpfen. Der Riese reagierte auf die "Begr;;ung" des kraftstrotzenden Menschen, er lachte nur laut. Er hatte keine Zweifel mehr, vor ihm stand ein Landsmann, der gerade erst die milit;rische Uniform ausgezogen hatte.
Alexander irrte sich nicht in den Annahmen und den Vermutungen im Prinzip. Davon hatte er sich ;berzeugt, als Tigran ihn in eine kleine Bierkneipe einlud. Gastgeber und Besteller war "Kazo", der Riese hatte leere Taschen. In dieser Stunde erfuhr der Fl;chtige sehr Vieles vom neuen Bekannten. Vieles, wie es ihm schien, hatte Sinn, was jener sagte, aber etwas stimmte auch nicht. Kusnezow glaubte nicht daran, dass Soldat Sarkisjan aus dem Panzerregiment am helllichten Tage auf dem Markt zehn Kilometern von der Einheit entfernt handeln konnte. Die Tatsache, dass vor ihm ein gegenw;rtiger oder ehemaliger Soldat der Sowjetischen Armee stand, bezweifelte er ;berhaupt nicht. ;ber sich hatte er kein Wort gesagt...
Seinen Ausflug in die Stadt hatte Anna Bethke nicht bemerkt, er schwieg auch dar;ber. Er hielt es f;r unn;tig, noch einmal das Nervensystem der Frau zu beunruhigen. Nur wegen ihm fing sie an, die Eingangst;r fester zu zumachen und leiser durch das Zimmer zu gehen, als sie die Lebensmittel brachte. Jeder Besuch war in der Regel sehr kurz. Anna begr;;te ihn freundlich, erkundigte sich nach der Gesundheit des jungen Mannes und verlie; sofort die Zuflucht. Mehr fragte sie nicht, keine ;berfl;ssigen Fragen stellte auch der Fl;chtige...
Es war der Oktober gekommen. Tag und Nacht fiel Regen. Das herbstliche Unwetter dr;ckte stark auf den Einsiedler. Die kurzen Ausfl;ge in den N;chten durch die verlassenen Stra;en der Stadt f;gten seiner bedr;ckten Stimmung keine Freude hinzu, manchmal wollte er vor Hoffnungslosigkeit heulen. Vom dem Zeitvertreib, der aus Essen und Schlafen bestand, wurde ihm manchmal ;bel. Ihm halfen auch die B;cher nicht, die er ohne deutsche Sprachkenntnisse unm;glich lesen konnte. Den Fernseher einzuschalten hatte die Deutsche ihm aufs Allerstrengste verboten. Sie hatte wahrscheinlich die Depression des jungen Mannes verstanden und machte alles M;gliche um ihnen entgegen zu treten. Sie wollte es besser machen, aber es war schlimmer geworden. Nach einem Monat der Gefangenschaft erh;hte sie dem „Gefangenen“ die Bierration. Beim n;chsten Besuch war sie entsetzt. Der Russe hatte eine ganze Kiste Bier in einer Woche ausgetrunken und war n;chtern. Der Bursche war mit einer gro;en Ration depressiv und mit einer kleinen war er auch weiterhin depressiv. Die Deutsche experimentierte mit dem Bier nicht mehr, sie hatte einfach nicht das Geld dazu. Aus diesem Grund fing sie an, dem Russen nur eine Flasche pro Tag zu geben. Der Riese trank sie auf einmal, kaum Anna hinter sich die T;r geschlossen hatte. Sp;ter trat f;r ihn wieder die Langeweile ein, dabei eine sehr schreckliche. Er ;ffnete ziemlich oft weit das Klappfenster und streckte seinen Kopf nach drau;en hinaus. Er wollte nicht nur ein Hauch frischer Luft atmen, sondern auch f;r einen Moment die menschliche Freiheit f;hlen.
Der Gefangene ;rgerte sich oft auf seine H;terin, die strikt gegen seine Spazierg;nge durch die Stadt war. Am Tag durch die Stra;en zu schlendern, f;rchtete er manchmal auch selbst. Nachts war es noch gef;hrlicher. Ein einsamer Passant war f;r die Polizei viel verd;chtiger als ein Menschenstrom. In den schwersten Momenten fiel der Riese mit dem Gesicht nach unten aufs Bett und lie; den Tr;nen freien Lauf. Er weinte sehr eigenartig, tief im Kissen vergraben. Er hatte immer noch Angst vor Fremden und der Polizei. Ab und zu dachte er, dass er verr;ckt w;rde. Manchmal schien es ihm, dass neben der Eingangst;r ein Polizist oder jemand neben dem Fenster stand. Er stand auf und pr;fte sorgf;ltig das Schloss, dann schaute er sehr vorsichtig hinter dem Vorhang hinaus. Diese "Operationen" machte der Fl;chtige gewissenhaft mehrmals w;hrend am Tag und in der Nacht. Machte es, Tag f;r Tag, Nacht f;r Nacht...
Sehr seltsam reagierte der Einsiedler auch auf die Laute von Polizeiautos, die sehr oft an seinem Haus vorbei fuhren. Zuerst hatte er es ganz ruhig ertragen, aber nach einem Monat seiner „Gefangenschaft“ war er wie ausgewechselt. Ihm schien es, als ob in ein paar Sekunden die T;r sich ;ffnen und in Begleitung von Polizisten eine sehr zufriedene Frau Bethke hereinkommen w;rde. Von diesem schrecklichen Gedanken schob er seine dichten Vorh;nge an den Fenstern noch dichter zusammen und ging noch leiser durch das Zimmer. Die Angst um sein Leben zwang ihn manchmal bei dem wilden Heulen der Sirenen sehr entschlossen zu handeln. Der Fl;chtige rennte schnell zum Schrank, nahm dort die Boxhandschuhe heraus und zog sie an. Er trennte sich nie vom Geschenk des F;hnrichs Tschernow. Ein paar Tage nahm er die Handschuhe ;berhaupt nicht mehr von den H;nden ab, er f;rchtete einen Einmarsch der Polizei...
Die Einsamkeit in der komfortablen Wohnung war f;r den russischen Fahnenfl;chtigen schwierig, aber er hatte nie die Absicht, seine Zuflucht zu verlassen. Dieses „Gef;ngnis“ war f;r ihn viel besser als die H;tte im Garten oder das mehrmonatliche Wandern im Wald. Er vertrug sich mit diesen guten Gedanken friedlich. Sie erlaubten ihm sich zur;ckzulehnen und auf das Beste zu hoffen...
Die Zeit der Haft endete f;r den Fl;chtigen in einem bestimmten Grad Anfang Oktober. Es geschah auf Initiative von Frau Bethke, die ihn zu sich nach Hause einlud. Bis jetzt hatte sie ihn noch nie eingeladen.
Von sich aus hatte der Einsiedler Frau Bethke nicht gebeten ihn einzuladen. Er dankte ihr daf;r, dass sie ihm ein Bett und ein St;ck Brot gegeben hatte. Von ihren Lebensmitteln hatte er ein paar Kilos zugenommen und viellecht auch mehr.
Am achten Oktober unterschied sich das Wetter von vorigen Tagen ;berhaupt nicht, es regnete auch immer noch. Bis f;nf Uhr abends dr;ckte „der Gefangene“ auf die „Masse“, vom Schlaf bekam er schreckliche Kopfschmerzen. Die Ankunft der Deutschen war f;r den Russen eine v;llige ;berraschung an diesem nicht sonnt;glichen Tag. Anna betrat vorsichtig das Zimmer und machte die Nachtlampe an, ihr Sascha schlief noch. Die Zeit, um sich fertig zu machen, beschr;nkte die Gastgeberin. Kusnezow schlupfte in den Sport- anzug und nahm die Milit;rkarte mit. Er trennte sich niemals von ihr. Im Falle einer Polizeirazzia hatte er ein echtes Dokument, mit diesem Dokument erschreckten ihn auch die sowjetischen Streifen nicht. Im Falle eines unerwarteten Treffens mit "den Kontrolleuren" hatte der Fl;chtige mehrere Versionen im Kopf, die er w;hrend des Umherwanderns ausgedacht hatte. Die realsten kannte er auswendig.
In der Wohnung von Frau Bethke hatte der Russe sich gr;ndlich in Ordnung gebracht. Die Gastgeberin befand sich im anderen Zimmer, deren T;r dicht geschlossen war. Der eingeladene Gast sa; brav im weichen Ledersessel und betrachtete aufmerksam die politische Karte des vereinigten Deutschlands an der Wand. Die alten L;nder erschreckten und erfreuten ihn gleichzeitig. Ihm schien es, dass im Westen, sogar im Falle seines Ergreifens, man den sowjetischen Soldaten, der zu ihnen aus der Armee des totalit;ren Regimes entlaufen war, willkommen hei;en w;rde. Er hatte sogar nicht dagegen, in der Bundeswehr zu dienen, dort schlugen sie nicht auf die Schnauze und zwangen sie auch nicht die Toilettenbrille zu putzen...
Die Uhr an der Wand schlug sieben Mal. Die Gastgeberin kam aus dem Zimmer zu jenem Moment heraus, als der letzte Schlag erklang. Ihr Erscheinen war f;r den Gast nicht so unerwartet, wie eindrucksvoll. Er erhob sich wie verbr;ht vom Sessel und konnte einen Moment nichts sagen. Er starrte die Blondine nur aufmerksam an. Sie war in diesem Augenblick jung und sehr sch;n. Als Anna die Verwirrung und Ratlosigkeit auf dem Gesicht des Mannes bemerkte, lachte sie laut. Das schallende Lachen machte sie noch sch;ner und noch j;nger. Das Schweigen des sch;nen Riesen machte schlie;lich der Koketterie der Gastgeberin ein Ende. Sie ging entschlossen zum Gast und sagte ebenso entschlossen: " Alexander, gehen wir ins Esszimmer, dort erwartet uns ein gedeckter Tisch..."
Die Blondine fasste den Mann leicht an der Schulter und sie gingen in ein kleines Zimmer hinein, das gleichzeitig K;che und Esszimmer war. In der Zimmermitte stand ein kleiner Tisch, der schon gedeckt war. Kusnezow setzte sich langsam auf einen Stuhl und starrte erstaunt die Hausherrin an. Sie, ob nichts geschehen w;re, setzte fort zu lachen und den Russen schlau anzuschauen. Nach ein paar Augenblicken hatte sie sich beruhigt. Dann hatte sie eine Flasche Sekt genommen und schenkte zwei Weingl;ser ein. Der Russe sa; am Tisch und konnte immer noch nicht den Grund der unerwarteten Feier verstehen. Anna stand auf, schenkte ihm ein blendendes L;cheln und sagte fr;hlich in einem guten Russisch:
- Alexander, heute ist mein Ehrentag, mein Geburtstag... Er war gestern, am Tag der Gr;ndung der Deutschen Demokratischen Republik... Gestern habe ich eine Feier f;r meine Freunde und Bekannten ausgerichtet... Heute f;r uns...
Die letzten Worte sagte das Geburtstagkind mit einer unverst;ndlichen Verwirrung f;r den eben noch Gefangenen. F;r eine Weile wurde sie still, bei ihr kratzte etwas im Hals. Es bemerkte sogar Alexander, der wie erstarrt da sa; und die sehr auffallende Sch;nheit der nicht mehr ganz jungen Frau genoss. Diese unerwartete Information der Deutschen macht ihm nicht mehr Mut, ganz abgesehen von seinen oratorischen F;higkeiten. Nein, er hatte nichts gegen den Geburtstag dieser bezaubernden Person. Ihn verwunderte etwas ganz anderes. Er konnte sich nicht vorstellen, dass sie gerade an ihrem Geburtstag solch gro;z;gigen Tisch nicht nur f;r sich, sondern auch f;r den fl;chtigen Soldaten der Sowjetischen Armee vorbereitet hatte. Und das trotz der Tatsache, dass der gesamte Westen Schmutz auf diejenige goss, die ganz Europa und sogar die ganze Welt in Angst und Eroberung hielt...
Kusnezow stand schnell auf und hob entschlossen sein Glas zur Gastgeberin. Sie err;tete etwas, stie; laut mit ihm an und brachte das Glas an ihre Lippen. Der junge Gast folgte ihrem Beispiel...
Einige Zeit hielt sich das Fest der sch;nen ;lteren Frau und des gut aussehenden j;ngeren Mannes auf offiziellem Niveau. Alle Formalit;ten waren fast erledigt, nachdem Alexander einen Toast zu Ehren der gastfreundlichen Hausherrin ausgebracht hatte. Er brachte diesen Toast ohne jede Vorbereitung aus. Fr;her hatte er es in seinem Leben noch niemals gemacht. In der Schule und der Berufsschule, ganz zu schweigend von der Armee, hatte man ihm diese Weisheiten nicht beigebracht. Der Toast war kurz, aber sehr lustig. Er erz;hlte fast unver;ndert alles wieder, was einst der Nachbar Onkel Peter auf dem Geburtstag seiner Mutter gesagt hatte.
Seit dieser Zeit war sehr viel Wasser den Fluss hinunter geflossen. Die Deutsche war vom Trinkspruch zu ihren Ehren begeistert. Sie lachte laut und weinte ein wenig, als er ihr sibirische Gesundheit und kaukasisches langes Leben w;nschte. Die Eheleute Bethke bewahrten immer warme Erinnerungen an das Schwarze Meer und an jene Menschen, die dort lebten und arbeiteten...
Kusnezow schaltete nach der Feier sehr schnell ab, schaltete durch den emotionalen Stress und ;berm;;igen Alkoholkonsum ab. Das Alles f;hrte dazu, dass er nach ein paar Stunden buchst;blich auf die Fragen der Deutschen fast nicht mehr reagierte. Er erinnerte sich auch nicht, wieso er sich auf dem Sofa befand. Er wachte sp;t in der Nacht auf, nach etwa f;nf Minuten schlug die Wanduhr dreimal.
Er konnte zuerst nicht verstehen, wo er war und warum er solche furchtbare Kopfschmerzen hatte. Sein Gehirn, trotz der ";berlastungen", f;hrte ihn schrittweise in den Ablauif der Vergangenheit ein. Er erinnerte sich sofort an die Feier der Hausherrin und ihr Familienalbum. Sie zeigte ihm auch ihre Medaille f;r hervorragende Leistungen in der Arbeit bei der Entwicklung der neuen Technik im sozialistischen Deutschland...
Sich zu erinnern oder zu ;berlegen mochte der Russe nicht mehr, er wollte die Gastgeberin sehen. Er stand schnell vom Sofa auf, ging vorsichtig in die K;che und machte das Licht an. Der festliche Tisch war schon abger;umt. Er ;ffnete den K;hlschrank und holte eine Flasche Mineralwasser heraus.
Das Wasser war sehr k;hl, was f;r einige Zeit seinen Kopf erfrischte. Dann setzte sich der Riese an den Tisch und lauschte. In der Wohnung war eine absolute Stille. Der Wunsch, Anna zu sehen, erwachte wieder beim Fl;chtigen. Vorsichtig verlie; er die K;che und ging auf Zehenspitzen zur geschlossenen T;r des Zimmers, wo sie schlief. F;r eine Weile hielt er inne, als ob er sich fragte, ob es eine angemessen w;re, an der T;r einer ;lteren Dame zu klopfen, die nach den Sorgen und Besorgnissen fest schlafen sollte. Kusnezow entschloss, nicht an der T;r zu klopfen, er drehte sehr vorsichtig den Griff und ;ffnete auch sehr vorsichtig die T;r...
Zu seinem gro;en Erstaunen war im Zimmer der Gastgeberin das Licht an. Der Fl;chtige war fr;her noch nie in diesem Zimmer gewesen und deshalb betrachtete er es ein paar Augenblicke. Die Hausherrin befand sich in einer Ecke des gro;en Schlafzimmers.
Ihr Bett war zugeh;ngt mit sch;nen Vorh;ngen aus T;ll oder etwas dergleichen. In der N;he stand eine gro;e Stehlampe mit einem rosa Lampenschirm. Alexander n;herte sich sehr vorsichtig dem Bett und war baff. Anna lag im Bett nackt und bl;tterte in einem Buch. Alexander zweifelte nicht daran, dass sie ihn nicht bemerkt hatte und deshalb sich ungezwungen benahm. Er stand vor dem Vorhang, wie ein Kater, der etwas angestellt hatte, und betrachtete aufmerksam die Frau. Er "durchbrannte" diesen schlanken K;rper, der rosa und leidenschaftlich anziehend war. Von dem aufkommenden Wunsch, die Frau zu erobern, war er aufgeregt. Er zog mit Kraft den Vorhang weg und blieb sofort stehen...
Gerade in diesem Moment sp;rte die Deutsche die Anwesenheit eines Fremden im Schlafzimmer und beschloss zu reagieren. Sie hob leicht ihren Kopf f;r eine Sekunde hoch und erstarrte. Vor ihr stand ein sehr gro;er und schlanker junger Mann, der v;llig nackt war. Die Verwirrung der nackten Blondine verschwand ebenso schnell, wie es auch erschienen war. Sie legte ruhig das Buch auf den Nachttisch und schaute den Russen aufmerksam an. Die Augen der ;lteren Frau und die Augen des jungen Mannes trafen sich f;r einen Moment und verfehlten sich sofort wieder. Diese Augen sagten einander nichts und baten voneinander auch nichts. Alexander err;tete und senkte langsam den Vorhang. Dann ging er ein paar Schritte zur Seite und er wusste selbst nicht, wieso er wieder zur;ckgerissen wurde. In einem Augenblick befand er sich am Bett der Hausherrin und im selben Moment fiel er auf die Knie. Anna reagierte auf die unerwartete R;ckkehr des Gastes nicht. Sie lag im Bett und schaute irgendwie gleichg;ltig auf die Decke. Die Nackte reagierte auch weiter in keiner Weise darauf, was dieser russische Riese mit ihr machte. Kusnezow erhob sich und begann, mit K;ssen das Gesicht der Frau, ihren Hals, die Br;ste, von denen Geruch eines Parf;ms und noch etwas ihm bis jetzt Unbekanntes, aber f;r ihn sehr, sehr Anziehendes kam, zu ;bers;en. Die K;sse des jungen Mannes waren nicht geschickt, in irgendeinem Ma;e sogar kindisch. Das f;hlte Anna sofort, als der von Leidenschaft erstickende und vom Begreifen der realen M;glichkeit der Beherrschung ihres K;rpers Fl;chtige mit Kraft ihre schlanken Beine auseinander dr;ckte. Sie konnte es auch selbst nicht verstehen, wieso sie sich ihm wieder nicht widersetzte. Erst nachdem das Teil des Russen ihre H;nde durchbohrte, mit denen sie ihre Vagina bedeckte, stie; sie den Mann mit Kraft weg und begann laut zu weinen...
Der Rest der Nacht schliefen die Hausherrin und der Gast nicht. Jeder lag in seinem Zimmer und dachte an seins. Bei Kusnezow verging nach dem gescheiterten Versuch, Anna zu ergreifen, der Rausch augenblicklich. Er rief sich den Besuch in ihr Schlafzimmer immer wieder und wieder ins Ged;chtnis zur;ck und kam zu einem entt;uschenden Ergebnis. Er, als Mann, hatte sie sehr beleidigt. Das Gef;hl der Schuld riss ihn mehrmals hoch. Er stand auf und n;herte sich der T;r ihres Zimmers, stand hier und ging wieder weg. Jetzt war es ihm peinlich, dass er so gehandelt hatte, wie Abschaum, die Frau, die trotz ihrer Angst mit Risiko ihm ein Heim bei sich gegeben hatte, so behandelt hatte. Manchmal sagte sich der Mann von den gerechten Gedanken los, die tierische Leidenschaft besiegte seine Vernunft. Alexander sah wieder wie in der Realit;t, vor sich den sch;nen und zarten K;rper der Deutschen. Er kam immer mehr und mehr schon zu einem anderen, ganz rechtm;;igen Schluss.
Die nackte Blondine konnte seine sein, wenn er, wie ein Mann, mehr Beharrlichkeit und sogar Liebeskunst gezeigt h;tte. Von diesem Gedanken wurde es auf seiner Seele unwohl. Ihm war es jetzt sehr peinlich. In seinem ganzen Leben hatte er noch nie mit einer Frau geschlafen. Daran, dass auch Anna nicht seine erste Frau wurde, beschuldigte er nur sich und sonst niemanden...
Frau Bethke hatte schon vor einem Monat vor dem Geburtstag sich entschlossen, den russischen Fl;chtige auf die Feier einzuladen. Sie sah und f;hlte, dass er an der Einsamkeit sehr litt. Sie wollte, etwas Angenehmes f;r ihn tun, um seine Schwermut zu mildern. Dass ihr Sascha schon seit langem keine hausgemachten K;stlichkeiten gegessen hatte, bezweifelde sie auch ;berhaupt nicht. Anna ging extra ins russische Gesch;ft und kaufte eine Flasche Wodka und ein Buch ;ber die russische K;che. Dann kochte sie streng nach den Rezepten einen nahrhaften Borschtsch und Fleisch mit Kartoffeln. Ehrlich gesagt, hielt sie diese russischen Gerichte fehl am Platz zur Feier, aber ihre Bef;rchtungen waren sofort vergangen. Der Gast verschlang zur Freude und sogar zum auf den Neid der Gastgeberin mit gro;em Appetit sehr eifrig alles Heimische. Die K;chin interessierte sich immer wieder beim Esser f;r die Qualit;t der von ihr vorbereiteten Gerichte. Jener antwortete nichts und hob nur nach oben den Daumen. Die Deutsche lachte laut beim Anblick dieses Zeichens und f;llte ;fter das leere Glas des Gastes mit dem russischen Wodka. Sie wagte es nicht, den russischen Wodka ihren Freunden anbieten, aber nicht infolge der Gier. Einige aus ihrer Umgebung fingen an, sich vor den einst Lieblingsspirituosen, die in der Sowjetunion erzeugt waren, "zu ekeln". Und das Gespr;chsthema in der K;che und am Tisch der ehemaligen Erbauer des Sozialismus war ganz anders geworden. Immer mehr sprach man ;ber neue Autos und Auslandsreisen. Anna Bethke hatte nach dem Tod ihres Mannes kein teures Auto gekauft, sie war auch nicht auf Hawaii. Einigen ihrer Freunde und Bekannten gelang es nach dem Fall der Mauer, erfolgreich zu werden, sogar sehr. Isolde, die Nachbarin im Treppenhaus, wurde fast innerhalb eines Tages von einer "Bettlerin" zu "F;rstin“ geworden. Es gelang ihr wegen ihrer Sch;nheit. Die f;nfzigj;hrige Frau hatte, wie auch Anna, ihren Mann schon seit langem begraben. Fr;her lebte sie nur von Groschen. Aber jetzt von den Geldinvestitionen, die sie von einem alten Mann bekam, bl;hte sie auf.
Dem Besitzer einer gewinnbringenden Firma gefiel die sonnengebr;unte sch;ne Frau sehr. Der Glatzkopf bemerkte sie sofort, als sie Schulter an Schulter mit ihm im Dampfbad der Sauna sa;. Isolde verf;hrte den Mann am selben Abend. Sie harrte eine ganze Stunde auf dem Parkplatz aus, bis der alte Gaul sich gewaschen und geschwitzt hatte. Die Frau mit einem attraktiven Po und Busen beschloss, einen Schwindel vorzut;uschen, um den Nachbarn vom Dampfbad mit dem neuen Sportwagen auszunutzen. Eine Stunde sp;ter war sie bereits in seinem Luxus-Appartement. Nach dem Bett wusch sie sich sehr sorgf;ltig und putzte ihre Z;hne. Von den verfaulten Z;hnen des Million;rs, die er infolge der Gier nicht "reparieren" lie;, wurde es der sch;nen Witwe manchmal ;bel. Die Nachbarin z;hlte sich nicht zur Kategorie der langbeinigen Prostituierten und deshalb gab sie sich zufrieden mit allem, was ihr der impotente Mann auf „die Pfote“ gab. Es kam vor, dass sie auch etwas mitgehen lie;, besonders nach Feiern. Trinken und essen liebte der alte Mann sehr, als ob er es f;hlte, dass man bald zum Gott gehen musste...
Anna Bethke widerte eine solche Lebensweise der Nachbarin sehr an, sie verstand solche Frauen und M;nner nicht. Sie weinte sogar w;hrend des Schwatzens mit ihrer Freundin, als sie sich an Alexander erinnerte, der fr;h aus dem Leben gegangen war. Sie hatte nie Zweifel an der Anst;ndigkeit ihres Mannes. Jetzt hatte sie sogar das Erscheinen des nackten Russen im Schlafzimmer ohne Stress wahrgenommen. Anna lie; zu, dass jener offenbar betrunken war und sich noch nicht vollst;ndig in ihrer Wohnung zurechtfand und das war alles. Das weitere Verhalten des geladenen Gastes hatte sie entmutigt, obwohl wieder nur f;r einen Moment.
Nach dem Abgang aus ihrem Schlafzimmer des jungen Mannes hatte sie verstanden, dass sie in diesem Moment das Vergn;gen verloren hatte, das, wie es ihr schien, sie schon eine ganze Ewigkeit nicht erlebt hatte. Die sch;ne Blondine lag im Bett und dachte dar;ber nach, was geschehen war, als ob sie die leidenschaftlichen K;sse des Buben in der Realit;t f;hlte.
Ihr schien es, dass gleich sein gro;es Glied in ihre Scheide eindringen w;rde und sie in ein paar Augenblicke zusammen ins Meer der erw;nschten Leidenschaft und Liebe eintauchen w;rden. Und sie w;rde es niemals bedauern. Aus dieser Erkenntnis heraus weinte sie leise, dann sprang sie aus dem Bett und n;herte sich vorsichtig der T;r. Hinter dieser T;r war der Mann, dem sie bei weitem nicht gleichg;ltig war. Er konnte nicht schlafen, wie auch sie, daran zweifelte Frau Bethke ;berhaupt nicht. Mit Tr;nen in den Augen ber;hrte sie sanft den T;rgriff und ging wieder ins Bett...
F;r eine gewisse Zeit begann die bezaubernde Blondine von den schmachten den Gedanken geangen, verst;rkt mit dem Finger ihre Klitoris zu massieren. ;berw;ltigt von den Gef;hlen k;sste sie ihren Busen und die Schultern gleichzeitig.
In diesen Augenblick wollte sie die Brust und die Schultern von Alexander, ihrem Mann und auch dem Mann, der ganz vor kurzem sie wie eine Frau leidenschaftlich w;nschte, sehr k;ssen. Nach einer Weile beruhigte sich Anna... Die Ruhe gab ihr die n;chterne Vernunft zur;ck. Jetzt bedauerte sie die gescheiterte intime Beziehung mit dem n;chtlichen Besucher ;berhaupt nicht. Der verstorbene Mann blieb f;r sie wieder ein Ma; der moralischen Werte. Frau Bethke, ungeachtet ihrer sechzig Jahre, hielt sich nicht f;r alt, aber M;nner waren in ihrem Bett sehr selten.
Die Haltung gegen;ber dem jungen Alexander war in dieser Nacht bei ihr zweigeteilt. Er war aus irgendeinem Grund schon nicht gleichg;ltig, besonders nach seinen leidenschaftlichen K;ssen. Gleichzeitig erschreckte sie der gro;e Altersunterschied. Die Frau des ehemaligen sozialistischen Deutschlands nahm die Liebe und die Ehe anders wahr...
Die Entscheidung, die Wohnung von Frau Bethke zu verlassen, f;r immer zu verlassen, traf der Russe am sp;ten Morgen nach den qualvollen ;berlegungen. Er blickte immer wieder auf die T;r ihres Zimmers, in dem sie schlief. Der lange Aufenthalt der Frau im Bett ;rgerte ihn. Er stand mehrfach auf und n;herte sich der T;r, in der Absicht sie zu ;ffnen und in Annas Schlafzimmer hineinzugehen. Die Wut verflog sofort, als er an die vergangene Wanderschaft zu denken begann. Die Sonnenstrahlen drangen immer st;rker durch die Gardinen. Die Uhr schlug acht Uhr morgens. Die Hausherrin kam immer noch nicht aus dem Schlafzimmer heraus.
Kusnezow stand auf, brachte sich nach der Toilette in Ordnung, dann kleidete er sich an. Eine weitere Stunde verging. Die Gastgeberin war aus irgendeinem Grund immer noch nicht herausgekommen. Jetzt hatte der Gast keine Zweifel mehr an der Richtigkeit seiner Entscheidung. Er war ihr gleichg;ltig. Die sehr anst;ndige Frau w;rde ihm den n;chtlichen Besuch niemals verzeihen. Er ging entschlossen zum B;cherregal und zog ein Heft heraus. Dann riss er ein Blatt heraus und schrieb darauf mit einem roten Stift: "Ich gehe, ich gehe f;r immer weg. Danke f;r alles. Kusnezow». Danach ging der Riese in die K;che und legte den Zettel auf den Tisch, an dem er mit Anna vor ein paar Stunden zusammen gegessen und ihren Geburtstag gefeiert hatten. Alexander erinnerte sich an den russischen Brauch und setzte sich auf einen Stuhl, dann ging er schnell nach drau;en und schaute starr auf die Fenster der gastfreundlichen Deutschen. Hinter den Gardinen schaute niemand heraus...
Bis zum Markt ging der Fl;chtige zu Fu;. Er ging sehr langsam, lie; sich alles noch einmal durch den Kopf gehen, was in der vorigen Nacht geschehen war. Je n;her er zum Markt kam, desto weniger Schmerz blieb in seinem Herz und in seiner Seele zur;ck. Der Gehende war sich bewusst, dass diese ;ltere Deutsche nicht nur niemals seine Frau, sondern auch nicht seine Freundin sein w;rde. Er dankte ihr sogar jetzt, es selbst nicht verstehend, in der Seele daf;r, dass sie ihm im Bett nicht nachgegeben hatte. Er wollte nicht mehr, als dass Anna in seinem Ged;chtnis eine sehr anst;ndige Frau, eine Mutter bliebe, die ihrem fehlgeleiteten Sohn die helfende Hand ausstreckte. Ein Sohn war seiner Mutter nicht nachtragend...
Das kleine Bahnhofsgeb;ude tauchte unerwartet auf. Ein Merkmal des Werktages war das fehlen von Flohm;rkten, was dem Fl;chtigen keinen Optimismus verlieh.
W;hrend des Bummels um den Bahnhof stie; er auf niemanden und auf nichts „Russisches“. Tigran war auch nicht da, er war wie vom Erdboden verschluckt. Die Angst, wieder einsam und allein in dieser Stadt zu bleiben, hatte den Riesen blitzschnell erfasst, er setzte sich auf ein B;nkchen vor dem Bahnhof und schloss die Augen. Nach etwa f;nf Minuten stie; ihn jemand vorsichtig in die Schulter. Alexander ;ffnete die Augen. Vor ihm stand ein unrasierter junger Mann mit einer ausgestreckten Hand. In der anderen Hand hielt er einen gro;en Becher mit Bier. Er sagte nichts, starrte nur den Sitzenden aufmerksam an. Der Russe sagte auch nichts. Erst nach ein paar Momenten hatte er «begriffen» und mit den H;nden auf die Taschen seines Sportanzugs geklopft. Geld hatte er in der Tat nicht. Der Obdachlose verstand ohne Worte das Zeichen und setzte sich neben ihn auf das B;nkchen.
Der Gedanke, die Bierkneipe zu besuchen, wo einst das Gespr;ch mit dem Landsmann stattgefunden hatte, kam dem Riesen sofort, kaum dass er neben sich den Geruch des Bieres, der vom bettelarmen Nachbarn kam, sp;rte. Die Kneipe war fast leer. Hinter der Theke stand ein kleinw;chsiger Mann mit einem pr;chtigen Schnurrbart und sprach am Handy. Er sprach nicht deutsch und auch nicht russisch. Kusnezow ging n;her zur Theke heran, seiner Person gegen;ber herrschte volle Gleichg;ltigkeit. Er machte eine unabh;ngige Physiognomie, sprang sofort aus dem Raum heraus und lachte. Es gab keine Zweifel bei ihm, in der Kneipe arbeiteten Landsleute vom Soldaten Sarkisjan. Der Riese entschied sich, auf Tigran zu warten, bis zum bitteren Ende zu warten.
W;hrend des ziellosen Gehens durch die Stadt war der Kopf des Fl;chtigen voll von beunruhigten Gedanken. Wieder blieb er allein mit seinem Schicksal.
Nicht einmal Kaschtanka war bei ihm, die er am meisten auf dieser Welt liebte. Das Mitleid zum Lieblingswesen m;nzte er immer mehr und mehr auf sich selbst "um". Genau um zw;lf Uhr kam er wieder in die Bierkneipe. Der Schnurrb;rtige war nicht da, an seiner Stelle stand hinter der Theke ein junges M;dchen. Sie bediente an jenem Tag den kleinen Tisch, an dem die zwei ehemaligen Soldaten sa;en. Alexander n;herte sich ihr vorsichtig und fragte sie ganz leise:
- Sagen Sie, und wann wird Tigran erscheinen? Arbeitet er heute?
Das M;dchen schaute dem Besucher aufmerksam in die Augen und fl;sterte misstrauisch:
- Er sagte mir gestern von Ihnen nichts... Er kommt erst um f;nf Uhr Abends...
Sarkisjan kam genau um f;nf. Alexander hatte den ehemaligen Panzersoldaten in Zivilkleidung schon von weitem bemerkt, jener marschierte langsam vom Parkplatz in Richtung der Kneipe. Kusnezow beschloss, sich nicht zu beeilen, dem Landsmann unter die Augen zu kommen.
Er betrat die Bierkneipe erst nach zehn Minuten. Tigran hatte er sofort bemerkt, der sa; ganz in der Ecke, sa; nicht allein. Neben ihm am kleinen Tisch sa;en noch vier junge M;nner. Alexander hatte die Wichtigkeit der Person des ehemaligen Kollegen nach der WGT sofort erkannt. Es sprach nur der Panzersoldat, der Rest h;rte ihm aufmerksam zu und stimmte ihm auch zu. Kusnezow sah das bekannte M;dchen, begr;;te sie und ging schnell nach drau;en. Er beschloss abzuwarten. «Kazo» war sehr besch;ftigt und f;hrte ein gesch;ftliches Gespr;ch. Nach etwa drei;ig Minuten ging der Riese wieder in die Kneipe rein, in der Ecke am kleinen Tisch war schon niemand mehr. Bald kam aus dem Hinterzimmer Tigran. Die M;nner sch;ttelten fest einander die H;nde und gingen nach drau;en.
Die Frage des Fl;chtigen ;ber eine Besch;ftigung ;berraschte den jungen Armenier nicht. Auf das lebenswichtige Problem des «Lands-Freundes», so nannten sich ab jetzt die ehemaligen Soldaten, hatte Tigran sehr ruhig reagiert. Er hob den Kopf hoch, um das Gesicht des Riesen zu sehen, und sagte ganz ernst:
- Wei;t du Freund, ich werde dir helfen, ich werde dir ohne Probleme helfen... Du wei;t sehr gut, dass ich hier kein Verwalter und auch kein sowjetischer Verk;ufer bin... Dich zu bestehlen oder zu betr;gen, ganz zu schweigen von den lokalen Deutschen, kann ich auf keine Weise... Ich werde dir eine Arbeit geben, dabei eine Schwarzarbeit. Hier arbeiten viele „schwarz“... Selbst viele Reiche arbeiten und stehlen hier auch „schwarz“... Alle wollen Geld...
Nach den philosophischen ;berlegungen senkte der ehemalige Panzersoldat den Kopf nach unten, dann hob er ihn wieder nach oben und setzte ruhig fort:
- Was diese Arbeit bedeutet, wirst du mein Freund, sp;ter erfahren... Aber jetzt habe ich an dich eine sehr gro;e Bitte, ;ber unser Gespr;ch den Mund zu halten, du, mein Freund, hast mich verstanden....
Auf die nachdr;ckliche Bitte des ehemaligen K;mpfers der Sowjetischen Armee antwortete Alexander nichts. Er umarmte seinen Retter fest und dr;ckte ihm heftig die Hand. Der Arbeitgeber kam am n;chsten Tag fr;hmorgens, um seinen Landsmann abzuholen, die Uhr auf dem Geb;ude des Bahnhofs zeigte genau f;nf. Drau;en konnte man bereits die K;lte des nahenden Herbstes sp;ren. Die vergangene Nacht verbrachte der Fahnenfl;chtige der Sowjetischen Armee in einem kleinen Wald, der sich zwei Kilometer vom Bahnhof befand. Diese Nacht war ungew;hnlich kalt und regnerisch. Er war ganz durchgefroren, die ganze Zeit mal gehustet, mal geniest. Ihn qu;lte ihn auch der Hunger, die vorherige Feier war nicht lange im Magen erhalten geblieben. Anstelle des weichen Sofas und der warmen Decke schlief der Fl;chtige auf einem Haufen trockener ;sten, als Decke diente ihm der dunkle und kalte Himmel...
Tigran war ein Gl;cksfall f;r Alexander. Davon hatte er sich sofort ;berzeugt, kaum dass das Auto zur kleinen zweigeschossigen Villa herangefahren war, die von einer Reihe jungen Tannen umgeben war. Dann warteten die Landsm;nner auf das Erscheinen des Besitzers. Etwa zwanzig Minuten sp;ter fuhr langsam ein neuer "Mercedes" des Chefs aus der Garage heraus und jagte schnell ;ber die Autobahn. Tigrans alter "Opel“ kam kaum hinterher. Auf dem Weg ;bersch;ttete Sarkisjan den Neuen im wahrsten Sinne des Wortes mit allerlei Instruktionen. Der Riese war mit allem einverstanden und stimmte allem zu. Er verstand sehr gut, dass dank seines Gehorsames und der Sanftmut er zum ersten Mal in diesem Land Geld verdienen konnte, sein Geld.
Vom frischgebackenen Sklaven waren es nur drei Dinge erforderlich: gewissenhaft zu arbeiten, allen zu gehorchen und zu schweigen. Ihm wurde es auch untersagt, in irgendwelche Kontakte mit der Leitung zu treten. Tigran warnte ihn, dass der neue Deutsche der ehemaligen DDR m;chte seine H;nde wegen allerhand Unstimmigkeiten nicht schmutzig machen wollte. Der Kollege ;bernahm die Organisation der Arbeit und ihre Bezahlung.
Erst am sp;ten Abend beendete der ehemalige Soldat des Motorschie;regiments den ersten Arbeitstag auf dem Territorium des Vereinigten Deutschlands. Von der schweren k;rperlichen Arbeit schmerzte f;rchterlich sein R;cken, seine H;nde zitterten und etwas summte im Kopf. Das Letzte war auf seinen Hunger zur;ckzuf;hren, der Magen war v;llig leer. Beim Fl;chtigen entstand w;hrend der Arbeitszeit mehrfach der Wunsch etwas aus sich "rauszupressen", aber "die Natur" musste man bremsen.
Er bremste sie infolge des Arbeitsprozesses, er arbeitete auf dem Dach eines F;nfgeschosses, eine ehemalige sowjetische Kaserne. Er riss, zusammen mit seinem Mitarbeiter, auch ein Russe, die alten Dachziegel ab und stapelte sie auf die Erde. Das kleine gr;ne WC-H;uschen befand sich auf einer fahrbaren Karre, nicht weit vom Geb;ude. Gleich zu Beginn der Arbeit hatte der Neuling es fertiggebracht, zwei Ausfl;ge auf die Toilette, auch nicht umsonst, zu machen. Der n;chste Besuch war misslungen. Ein ;ltere Deutsche, aller Wahrscheinlichkeit nach ein Verwandter des Chefs, sah w;tend den Riesen an und schrie laut auf Russisch:
- Du, der Neue, wieso arbeitest du nicht? Wer wird deine Schei;e bezahlen? Arbeite, arbeite, Genosse...
Auf die strenge Bemerkung des Deutschen des ehemaligen sozialistischen Deutschlands sagte der B;rger der ehemaligen m;chtigen Union nichts. Er l;chelte nur und st;rzte sich schnell auf das Dach. In dieser Nacht schlief der Fahnenfl;chtige der Sowjetischen Armee sehr fest, wie nie zuvor in seinem Leben. Er schlief auf dem Heuboden beim deutschen Landwirt und von diesem Alltagsleben war er zufrieden, sogar sehr gl;cklich. Tigran hatte f;r seinen Landsmann nicht nur Arbeit gefunden, sondern auch f;r seine Erholung gesorgt. F;r die ;bernachtung und einen Liter Milch mit Brot pro Tag schwitzte der Fl;chtige auf dem Bauernhof samstags. Der Deutsche wusste schon, womit er den starken Russen besch;ftigen konnte...
Die erste Arbeitswoche auf dem deutschen Boden verflog bei Alexander sehr schnell. Bei jeder Arbeitsstunde und an jedem Arbeitstag drehte er sich wie ein Kreisel. Es drehte sich auch das ganze "schwarze" Team, etwa ein Dutzend M;nner. W;hrend dieser Zeit gelang es dem gro;en Mann nicht, etwas aus dem Privatleben der Mitarbeiter zu erfahren. Mehr als die H;lfte von ihnen redete in ihrer eigenen Sprache, unverst;ndlich f;r ihn. Unter ihnen waren auch zwei Russen, aber aus irgendeinem Grund unterhielten sie sich mit dem Neuen nicht. Die Russen hielten auch zwischen sich keine Freundschaft, sie warfen sich nur hin und wieder paar W;rter einander zu, und das waren meistens Schimpfw;rter. Die Versuche des Fl;chtigen, die Landsleute zu begr;;en, scheiterten sofort. Keiner von ihnen reagierte auf seine Begr;;ung. Die Eigenarten jener und anderer Kollegen unterdr;ckten bald bei ihm den Wunsch, mit irgendjemandem zu kommunizieren. Er behielt alles f;r sich, wie alle andere auch. Er schloss unter den Schwarzarbeitern auch die Anwesenheit eines Informanten nicht aus und deshalb wurde das Schweigespiel auch f;r ihn Alltag.
Genau nach einer Woche kam Tigran, er erschien in der Nacht. Der Riese schlief zu dieser Zeit auf einem Klappbett im Stall, neben den K;hen. Den n;chtlichen "Service" des Riesen brachte Sarkisjan zum Lachen und er sagte:
- Also, du hast es ja gut, Sanek... Du hast alles hier bei dir, das Bett und die Milch, sogar das Fleisch... Mach dir keine Sorgen, ich erinnere mich jetzt an so etwas nur noch bei einem Glas Bier“...
Das Gespr;ch der interessierten Freunde dauerte nur kurz. Der kleine Chef beeilte sich irgendwohin. In dieser Nacht bekam der Fl;chtige seinen ersten Lohn, nicht nur auf dem Gebiet des vereinigten Deutschlands, sondern auch in seinem Leben. Er bekam genau hundert D-Mark. Er nahm den Schein und schaute erstaut den Kollegen an. Der reagierte darauf gelassen:
- Mein Landsmann... Du wei;t noch nicht, was der Kapitalismus ist. Nimm es nicht ;bel... Ich m;chte doch auch leben, wie auch alle andere... ;berall und f;r alles muss man bezahlen...
Zum Abschied dr;ckte Tigran fest die Hand seines M;ndels und warnte ihn sehr nachdr;cklich:
- Sanek! Pr;ge dir Folgendes ein... Wenn dich die ;rtlichen Beh;rden oder die Polizei erwischen, dann kennen wir uns nicht und haben uns noch nie gesehen. Unser gro;er Chef kennt dich auch nicht und hatte dich noch nie gesehen. Auch die, die neben dir arbeiten, hatten dich nie gesehen. Du siehst selbst, dass auf unserem Objekt die Arbeit sehr schwer ist und schlecht bezahlt wird. Hierher kommen nur ein paar Idioten zum Arbeiten... Ehrlich gesagt habe ich Angst um dich, deshalb frage ich nicht nach deinen Dokumenten...
Es verging noch eine Arbeitswoche. Der Riese bekam zehn D-Mark mehr, nach einer weiteren Woche noch einmal. Im November wartete auf den Hilfsarbeiter schon ein anderes Objekt. Er schrubbte nachts den Lagerraum f;r die technische Produktion. Dann kam der Gem;selager, sp;ter die Farm... Der leidenschaftliche Tr;umer von einem wolkenlosen Leben auf dem deutschen Boden hatte sich f;r die «Schwarzarbeit» sehr qualifiziert. Sie arbeiteten im Osten des Landes, weil ihr gro;er Chef die Fremde f;rchtete. Die schwere Arbeit verbrauchte nicht nur seine K;rperkr;fte, sondern verringerte auch in einem gewissen Ma;e die Anstrengung des Nervensystems des fl;chtigen Soldaten. In seiner Freizeit fiel er ziemlich oft in eine Depression, seine Einsamkeit bet;ubte er mit Bier oder Wodka. Er soff in der Regel in der Nacht vom Samstag zum Sonntag. Der Vollrausch, dachte er, erm;glichte nicht nur seinem K;rper, sondern auch seiner Seele, sich zu erholen. Nach seinem heimlichen Verlassen der Wohnung der gastfreundlichen Frau Bethke hatte der Russe Tag und Nacht ein schlechtes Gewissen. Er war schon ;ber zwanzig, aber er wurde immer noch kein Mann. Jetzt war es ihm wieder nicht nach Frauen. Er beanspruchte deutsche Frauen nicht, russische Frauen gab es hier nicht. Und f;r die Suche nach dieser oder jener hatte er keine Zeit.
Der Chef behandelte "die Schwarzarbeiter" wie Sklaven, die unter der strengen Aufsicht seiner Verwandten arbeiteten. Kranke existierten f;r den geizigen Vorgesetzten nicht, er war mit Unangenehmen und Alkoholikern gnadenlos. Davon ;berzeugte sich der Riese mehrfach...
Vor dem Silvester fand der Deutsche ein "sattes" Objekt. Rentabel war er nur f;r ihn, "die Schwarze" bekamen immer nur Kleingeld. Wer wieviel f;r seine Arbeit bekommt, interessierte den Neuen schon am ersten Tag seiner T;tigkeit. Seine Versuche es herauszufinden, scheiterten immer wieder. Alle schwiegen, als ob sie Wasser im Mund h;tten. Es schwieg auch Nikolaj, ein Aussiedler, der in sein Team einen Monat vor Silvester kam. Alexander mochte ihn sofort, es hat ihm nicht nur seine Physiognomie, sondern auch seine handwerkliche Geschicklichkeit gefallen. Er konnte immer und ;berall alles machen. Daran, dass der „russische“ Deutsche auf der «Schwarzarbeit» kein Neuling ist, zweifelte der Riese ;berhaupt nicht. Koljka war w;hrend der Anwesenheit allerlei Vorgesetzten flei;ig, ohne sie - zog er den "Dudelsack". Mit den Kollegen ging er sehr trocken um, sogar ohne Lust. ;ber sich erz;hlte er nichts und niemandem. Er unterschied sich von den anderen dadurch, dass er immer nach Alkohol roch. Der Riese wandte zuerst seine Nase von ihm ab, aber sp;ter hatte er sich gew;hnt daran. Der Fl;chtige selbst kam zu Arbeit immer n;chtern. Die Zwangsarbeit war f;r ihn nicht nur die Quelle der Existenz, sondern gab auch Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Die enge Bekanntschaft des Fahnenfl;chtigen mit dem ehemaligen Landsmann begann drei Stunden vor Einbruch des Neuen Jahres, aus der Arbeit heraus. Die zwei letzten Dezembertage arbeiteten die f;nf "Schwarzen" bei einer alten Deutschen auf dem Bau einer Garage. Die alte Frau, trotz der Bedeutung der religi;sen Feiertage, bat den Chef unter Tr;nen, den lange dauernden Bau im alten Jahr noch zu beenden. Zwei Russen und drei Polen arbeiteten gewissenhaft, das Objekt leitete der Chef h;chstpers;nlich. Nachmittags stand der neue "Honda" der Besitzerin der dreigeschossigen Villa in der neuen Garage. Vor Freude tanzte die Deutsche beinahe. Bald hatten sie und der Chef sich ins Haus zur;ckgezogen. Die Arbeiter setzten sich auf eine Bank in der N;he vom Eingang in die Villa. Keiner von ihnen bezweifelte die Gro;z;gigkeit der gl;cklichen Million;rin vor Silvester. Der Chef versprach, ausnahmsweise den Lohn an Ort und Stelle auszuzahlen.
Die Zeit ging. Der Chef kam nicht mit dem Geld. Die Arbeiter fingen an nerv;s zu werden, einige zogen an ihren Zigaretten. Es verging noch eine halbe Stunde. Pl;tzlich fuhr Tigran vor der Villa vor und st;rzte sich mit Volldampf ins Haus. Von dort kam er nach etwa zehn Minuten heraus und eilte sofort zu seinem Team. Es war unm;glich ihn zu erkennen, sein Gesicht war schwarz, seine H;nde zitterten. Stotternd schrie er besorgt russisch:
- Also, International, lauf zu Besichtigung, jetzt wird der Chef abrechnen... Seine Schnauze sieht schlimmer als bei einem Affen aus... Ich habe ihn so schon seit Langem nicht mehr gesehen...
Ein paar Minuten sp;ter stand die internationale Gruppe zwei Metern von der Garage entfernt, jeder schielte auf die Eingangst;r der Villa. Niemand kam aus ihr heraus. Der Vorarbeiter konnte es nicht ertragen und ging ins Haus. Er kam w;tender denn je zur;ck. Alexanders Herz schlug unruhig, auf der Stirn trat Schwei; aus. Er sp;rte, dass etwas nicht in Ordnung war und irrte sich auch nicht darin. Kaum schloss sich die T;r des Haupteingangs hinter Tigran, ging er zu erstklassigen russischen Fl;chen ;ber, die aller Wahrscheinlichkeit im Besitz der reichen Alten nach Ende des Zweiten Weltkriegs zum ersten Mal erklangen. Diese Fl;che verstanden auch die Polen, von den Russen ganz zu schweigen. Nachdem der Armenier den Vorrat seiner Fl;che verbraucht hatte, erkl;rte er die Gr;nde f;r all das, was passiert war. W;hrend der Arbeiten war aus dem Keller der Deutschen einen ganzer Kasten eines teuren Weines nach zehnj;hrigem Aufbewahren verschwunden. Die Alte wollte mit dem Wein ihre Verwandten anl;sslich des Kaufs eines neuen Autos und des Baus der neuen Garage verw;hnen. Jetzt beschuldigte sie die Bauarbeiter f;r dessen Verschwinden, der Chef widersetzte sich dem vehement. Er redete eine ganze Stunde auf die Alte ein, um die Ehrlichkeit seiner Sklaven und das Ansehen seiner Firma zu beweisen. Ihm tat es Leid seinen "Gewinn" zu verlieren, den "Schwarzarbeiter" einen Bonus zu gew;hren, beabsichtigte er schon nicht mehr.
Herr Ottke, der ehemalige Inhaber von einem kleinen Laden in sozialistischem Deutschland, ahnte von einem kl;glichen Ausgang des Treffens, beschloss, sich nicht schmutzig mit dem «International» Team zu machen und rief den Vorarbeiter an. Der junge Armenier passte dem Deutschen trotz der Tatsache, dass er ziemlich schlecht deutsch sprach. Die L;cken kompensierte der Chef selbst, der einst Russisch in der Schule hatte. Tigran war f;r ihn der Hauptlieferant der kostenlosen Arbeitskraft. Der Vorarbeiter forderte auch nicht zu viel Geld f;r sich selbst...
Der Streit zwischen dem Vorgesetzten und der Alten dauerte an. Drau;en brach die D;mmerung ein. Die Alte hatte sich entschieden alles zu verwenden, um die „Schwarzarbeiter“ im vollsten Sinne des Wortes abzuzocken. Sarkisjan kehrte immer wieder ins Haus der Besitzerin zur;ck und argumentierte manchmal bis zur Heiserkeit gegen;ber dem Chef und der Deutschen ;ber eine Nichtbeteiligung seiner M;ndel an der Wein;beltat. Die Frau weigerte sich die Dieben zu bezahlen, niemand von den Besch;ftigten z;hlte sich zu diesen. Alle zusammen und jeder Einzelnen waren emp;rt ;ber die Verleumdung durch die schizophrene Alte. Niemand ging weg und fuhr ab, alle warteten auf das Geld. Man wei; nicht, wie lange es sich noch hingezogen h;tte, wenn nicht die Lebenserfahrung und die Fassungsgabe des Vorarbeiters w;ren. Er lie; die Untergebenen aufstellen und roch an jedem sorgf;ltig. Als Verletzer der Arbeitsdisziplin erwies sich Nikola, der erst vor kurzem der alten deutsche Hure gedroht hatte, ihr die Schnauze f;r die Verleumdung seiner Mitmenschen zu polieren. Der Aussiedler fing nicht an, dem Vorarbeiter und den Kollegen etwas zu beweisen, er st;rzte sofort in die Villa.
Alle warteten mit Spannung auf den Ausgang, jener war von etwa zwanzig Minuten hineingegabgen. "Der Schwarzarbeiter" kam aus dem Haus rot, wie ein Krebs, heraus, aber er kam freudig heraus. Zu seinen Mitmenschen ging er nicht, er setzte sich in den Wagen und fuhr in unbekannte Richtung. Bald erschien auch der Chef pers;nlich. Alexander hatte sich in seinen Berechnungen stark geirrt, er bekam nur die H;lfte. Laut Tigran musste man den L;wenanteil des erwarteten Geldes f;r die Begleichung des materiellen Schadens zur;ckgeben.
Bis zum Einbruch des neuen Jahres blieben paar Stunden. Kusnezow, sehr m;de und w;tend, schleppte sich entlang der Autobahn. Den letzten Linienbus hatte er verpasst Bis zum Dorf, wo er im Stall wohntre, waren es etwa siebzig Kilometer. Die Hoffnung, ein vorbeifahrendes Auto zu stoppen, verlor er mit jeder Minute immer mehr, keiner von den Fahrern zeigte Interesse f;r den gro;en Mann. In der N;he einer Kurve beschloss der Reisende sich auszuruhen. Nicht weit vom Stra;enrand sah er ein kleinen Tisch und ein paar B;nkchen, eine Art Lager f;r Autofahrer. Hier parkte auch ein Auto mit leuchtenden Standlichtern. Irgendwelches Interesse f;r den Wagen zeigte der Riese nicht. Es wurde immer k;lter. Dann fing ein Nieselregen mit Schnee pl;tzlich an. Die Arbeitskleidung des Fl;chtigen wurde sofort nass. Er stand von der Bank auf und begann, um sie herum zu laufen, und w;rmte sich dabei ein wenig auf. Bevor er sich auf den Weg machte, ging er in ein W;ldchen, um seinem Bed;rfnis nachzukommen. Danach beschloss er zum Auto zu gehen, die Hoffnung mit jemandem mitzufahren, hatte er immer noch nicht ganz aufgegeben. Er ging zum Auto und vor Freude schrie er beinahe auf. Der alte graue "Mers" geh;rte dem Aussiedler Nikolaj. Die Zweifel verschwanden, kaum dass er die T;r ;ffnete. Auf das Erscheinen des Bekannten reagierte der Fahrer nicht. Er schlief, dabei schlief sehr fest.
Alexander schaute auf die Uhr, sie zeigten zwanzig vor zehn abends. Er hatte sofort den Wunsch, auf das neue Jahr anzusto;en, Gesellschaft darin konnte ihm sein Kollege leisten. Kusnezow begann, den Fahrer zu wecken, den musste man nicht lange sch;tteln. Der Aussiedler reagierte sehr ruhig auf das Erscheinen "des Schwarzarbeiters". Ins Dorf zu fahren und im Stall zu feiern hatte er abgelehnt. Sein Gegenangebot, zu ihm zu fahren und echt gut zu feiern, nahm Alexander gern an. Unterwegs redeten die jungen M;nner viel. Das Schlafen im Auto erkl;rte der Fahrer so, dass er sich vom Stress ein wenig erholen wollte, den ihm die alte Deutsche aufgedr;ngt hatte. Er hatte auch vor der Polizei Angst, die die Liebhaber von Alkohol grausam bestrafte.
Nikolaj Genscher lebte im Dorf Suten, das sich bei dem kleinen St;dtchen befand, wo die jungen M;nner gerade „schwarz“ gearbeitet hatten. Nach der Ankunft begannen sie sofort, sich den Schmutz und Schwei;geruch abzuwaschen. Besonders bem;hte sich Alexander, der unter der Dusche vor Vergn;gen wild schrie. Er, in den Bademantel des Hausherrn gekleidet, fing an, nach dem Duschen die Gem;cher des jungen Aussiedlers anzuschauen. Sie waren k;niglich im Vergleich zu seinem H;uschen in Neidjonowka, mit ihnen konnte auch die Wohnung von Frau Bethke nicht konkurrieren. Nikolaj wohnte in einem gro;en Haus im Erdgescho;, im zweiten Stock lebten seine Eltern. Dem Gast gefielen nicht nur die moderne M;bel, sondern auch die gro;e Toilette.
Die Silvesterfeier bei dem Freund war wunderbar. Sie sprachen sehr oft Toaste aus unter Ber;cksichtigung der Zeitzonen des ganzen Planeten. Sie tranken Champagner, Wodka und Wein der reichen Deutschen. Der Riese hatte ziemlich dunkle Vorstellung von Weinen, aber trank ziemlich viel... Die Saufparty dauerte bis zum sp;ten Morgen, die "Schwarzfreunde" hatten sich bis zum Anschlag betrunken und vollgestopft. Der Gast war mehr mit dem Essen besch;ftigt, der Hausherr mehr mit Alkohol. Als Zeremonienmeister am Tisch war Nikolaj. Sein Freund schwieg aus irgendeinem Grund immer. Trotz des herzlichen Empfangs blieb Genscher f;r den fl;chtigen Soldaten ein ziemlich geheimnisvolles Wesen. Ein Grund des Misstrauens zu ihm war sein Diebstahl bei der Alten, wegen dem jeder "Schwarzarbeiter" ein paar Dutzende D-Mark verloren hatte. Der Riese brauchte dieses Geld dringend. Jetzt hatte er etwa Tausend D-Mark, hier bedeutete so viel Geld nichts. Je l;nger die Freunde am Tisch sa;en, desto mehr erfuhr der Gast vom Leben des jungen Hausherres der sch;nen Wohnung... Die Familie Genschers kam in die historische Heimat der Vorfahren ein Jahr nach dem Fall der Mauer, sie fuhr hierher mit gro;en Hoffnungen auf eine bessere Zukunft. Im ;bergangslager bekamen die Aussiedler Geld und nicht wenig, der Jubel hatte keine Grenze. In Kasachstan hatten sie so viel Geld im ganzen Leben nicht in den H;nden gehalten. Nach einem halben Jahr hatten sie sich eingerichtet und eingelebt. Nikolaj und seine Frau Valentina bekamen Arbeit, Tochter Oksana und Sohn Wowka gingen zur Schule. Der reichliche und gl;ckliche Anfang ihrer Kinder und Enkel freute auch die Eltern des j;ngeren Genschers. Die Alten erhielten in Deutschland eine anst;ndige Rente. Schon nach einem halben Jahr beschlossen sie auf dem Familienrat, einen Kredit aufzunehmen und ein Haus f;r zwei Eigent;mer zu kaufen, entschieden und machten es. Den Kredit bekamen sie ohne Probleme, ohne Probleme kauften sie auch ein Haus. Die Eltern gaben ihre Rente, um den Kredit zur;ckzuzahlen, der Sohn mit der Ehefrau zahlten die Lebensunterhaltskosten.
Es blieb Geld auch f;r anderes. Junior Genscher und seine Frau hatten es geschafft, in zwei Jahren f;nf L;nder der Welt zu besuchen, und in der gleichen Zeit kauften sie zwei Autos. Nikolaj hatte den Wagen nur f;rs Prestige n;tig, er arbeitete einen Katzensprung von seinem Haus entfernt. Das eiserne Pferd seiner Ehefrau zu kaufen, zwang sie die Notwendigkeit. Valentina arbeitete drei;ig Kilometern von Suten entfernt. Aus diesem Grund kochte der junge Mann sehr oft selbst, bereitete das Essen zur Freude seiner Eltern und seiner geliebten Frau. In der sch;nen Villa f;r zwei Familien herrschten Frieden, Ruhe und Gl;ck...
Ein Jahr sp;ter suchte die gro;e Familie ein Ungl;ck heim, das die Frau Nikolajs, die Russin Valentina, verursacht hatte. In der historischen Heimat der Vorfahren des Mannes traf sie ihre erste Liebe Wladimir. Mit ihm studierte sie einst an der Landwirtschafthochschule. Die jungen Leute fuhren zusammen durchs Land, bauten zusammen Viehzuchtkomplexe auf und ihre freie Zeit verbrachten sie auch zusammen. Einmal waren sie im Freien in den Ozean der Liebe eingetaucht... Zum vergangenen neuen Jahr war Valentina nicht an den allgemeinen Festtagtisch der Familie Genschers gekommen, obwohl sie versprach, da zu sein. Sie war mit den Kindern schon seit einer Woche bei ihrer Freundin in M;nchen. Ihr Mann fand keine Ruhe. Er rief ihre Freundin fast jede Stunde an, niemand nahm den H;rer ab. Es verging ein Tag, auch der zweite Tag verging und es verging eine Woche... Er rief wieder und wieder an, das Telefon war still. Vor Hoffnungslosigkeit betrank sich der unerm;dliche Arbeiter und der sorgsame Mann stark, betrank sich bis zum geht nicht mehr. Die Eltern riefen einen Krankenwagen. Valentina erschien im Hause Genschers nie wieder. Viel sp;ter drangen durch Bekannte zu Koljka Ger;chte, aller Wahrscheinlichkeit nach waren es wahre Ger;chte.
Seine geliebte Frau hatte schon seit Langem eine Aff;re mit einem ehemaligen Kommilitonen, der f;nf Jahre fr;her hierher angekommen war. Der j;ngere Genscher konnte bis jetzt nicht verstehen, wieso ihn diese russische Bestie verlassen hatte...
Der Alkohol veranlasste den Gastgeber immer mehr und mehr zu einem offenen Gespr;ch. Er a; sehr wenig, aber trank immer mehr. Der Gast hatte Angst davor, dass sein Freund ;berhaupt "verbrennen" konnte, er stellte sein Glas ziemlich oft zur Seitet. Nikolaj ;rgerte dar;ber sich nicht, er stand ruhig vom Tisch auf und ging zum K;hlschrank. Nach einer Weile brachte er eine neue Flasche, setzte sich an den Tisch und ;ffnete sie. Der Fl;chtige war machtlos, etwas mit dem Mann zu machen. Bevor Sie zu Bett gingen, bot der Hausherr dem Riesen an, noch eine letzte auszutrinken. Er schaute mit betrunkenen Augen den Gast an und sagte mit einem Seufzer:
- Du wei;t, Sanek, sogar nicht, woran mein Gl;ck, unser menschliches Gl;ck liegt... Ich dachte, dass ich jetzt hier alles habe... Und in meiner Heimat Seliwanowka lebte ich auch ohne Probleme... In unserem Tobol gab es Fische unheimlich viel, die konnte man mit den Slips fangen...
F;r eine Weile wurde der Betrunkene still. Dann setzte er mit Tr;nen in den Augen fort:
- Ich sa;, Br;derchen, nicht in Moskau... Ich drehte mein ganzes Leben das Lenkrad und stahl etwas... Weil die Kommunisten auch selbst stahlen, erlaubten sie es auch den einfachen Sterblichen... Und hier ist f;r mich das Ende, hier wird sogar die Luft verkauft...
Der betrunkene Gast reagierte schon nicht mehr auf die traurigen Gespr;che des Gastgebers. Er schaute nur sehr aufmerksam sein Gesicht an und weinte. Der Kopf des Aussiedlers verschwand vor seinem Blick aus irgendeinem Grund und danach verdoppelte er sich... Der erste Tag des eingetretenen Jahres unterschied sich f;r die Zugewanderter aus ehemaliger Sowjetunion wenig vom vorherigen. Nachdem sie wach waren, setzten sie sich wieder an den Tisch, dann gingen sie wieder schlafen.
Erst am dritten Tag hatten die Freunde ein menschliches Aussehen angenommen, aber noch nicht vollst;ndig.
Der ;ltere Genscher bemerkte seinen betrunkenen Sohn und seinen neuen Kumpel sofort, als er den Hof betrat. Das alte Paar feierte das Neujahr im benachbarten Dorf bei den alten Bekannten, auch Aussiedlern. Die Eheleute f;hlten sofort, dass etwas in ihrem Haus nicht stimmt. Als erste „brauste“ der Mann auf. Der ehemalige Geografielehrer vermied gro;e Menschen, sie schienen ihm dumm und nicht anst;ndig zu sein. Der Mitbesitzer der Villa sprang wie ein Geier zum Fremden und schrie mit Speichel auf den Lippen:
- Junger Mann, ist dir nicht peinlich, in meinem Haus zu saufen? Oder hast du keine Familie? Du solltest in Russland sitzen und faulenzen... Ich werde jetzt die Polizei alarmieren, sie wird dich sofort mitnehmen...
Das Erscheinen des alten Menschen im Hof seines Freundes traf den betrunkenen Riesen genauso so unerwartet, wie auch seine beleidigende Bemerkung. In seiner Heimat Neidjonowka h;tte er mit diesem Alten anders gesprochen, er hatte auch jetzt nicht dagegen, seine F;uste zu gebrauchen... Jedoch wirkte die Erw;hnung der Polizei auf den Fl;chtigen schnell und ern;chternd. In diesem Land war nicht nur kein Sp;taussiedler, sondern sogar auch ein Milit;rfahnenfl;chtiger aus der ehemaligen westlichen Gruppe. Nach ;hnlichen Parias konnte jeder Hoffnund kl;ffen. Kusnezow widersprach dem Mann nicht und verlie; schnell den Hof. Das Dorf war wie ausgestorben, nichts und niemand bewegten sich. Nur an den Fenstern einiger H;user hingen Festbeleuchtungen. Sein zielloses Taumeln ;ber die Stra;en dauerte nicht lange. Der Wunsch nach W;rme und h;uslicher Gem;tlichkeit zwangen ihn wieder, ins Haus der Genschers zu gehen. Die T;r im Hof wie auch in der Wohnung war nicht abgeschlossen.
Der j;ngere Genscher war schon ;ber den Vorfall informiert. Als der Riese dazugekommen war und scheu die T;r ;ffnete, sprang er schnell hinter dem Tisch hervor, umarmte den zitternden Neuank;mmling und schrie laut:
- Hei, Sanek, nimm dir das alles nicht an. Mein Vorfahre erzog mich oft und bei mir lief alles, wie das Wasser von der Gans herunter. Lass uns lieber einen Wodka mit russischen Gurken und Pilzen zu uns nehmen... Ich mag Pilze sehr...
Nach solch einer Einladung wurde der Gast mutig und wunderte sich selbst ;ber seine Frechheit. Die wieder erscheinende M;glichkeit, umsonst zu trinken und zu fressen, beschloss er nicht zu verpassen. Nach wenigen Augenblicken sa; Alexander, der neun Jahre j;nger als der gastfreundliche Hausherr war, am Tisch. Die Freunde entspannten sich bis sp;t in die Nacht, entspannten sich gr;ndlich, so wie es nur russische Menschen machen konnten...
Mit den ;lteren Genschers fand der Fl;chtige am n;chsten Tag eine gemeinsame Sprache. Die Eltern seines Freundes, Onkel Wanja und Tante Marta, erwiesen sich in Wirklichkeit nicht als solche Spa;verderber. Er war sich seiner Schuld bewusst und ging von selbst zu ihnen und entschuldigte sich aufrichtig. Sie nahnen seine Entschuldigung auch verst;ndnisvoll an und luden den betrunkenen Kerl zu Tisch ein. Sofort begann ein Gespr;ch. Die Alten ;ffneten als erste ihre Seelen und teilten ihm ihren Schmerz mit. Sie klagten einstimmig ;ber den nichtsnutzigen Sohn, den man wegen Trunksucht aus der Lackfabrik entlassen hatte. Die Familie bekam sofort Probleme mit dem Kredit. Die Eltern flehten zum Gott, dass er ihrem Sohn eine anst;ndige Frau schicke.
Auch der Freund des j;ngeren Genscher teilte den Alten etwas mit. Als sie erfahren hatten, dass ein junger Mann hierher aus der Ukraine gekommen war, um etwas zu verdienen, boten Iwan und Marta in einstimmig dem Waisen an, beim Sohn zu wohnen.
Er konnte bis zum Ende des Visums, fast ein halbes Jahr, bleiben. Die Aussiedler interessierten weder Ausl;ndepass noch andere Dokumente des neuen Bekannten. Sie glaubten diesem Jungen, er war f;r sie wie ein Verwandter, ein sowjetischer Mensch. In der Ersten Nacht des rechtm;;igen Aufenthaltes im Haus des Genschers schlief der Riese lange nicht. Er w;lzte sich die ganze Zeit herum, die s;;en Gedanken verschwanden nicht aus seinem Kopf. In seine Seele konnte auch f;r ein halbes Jahr eine einfache menschliche Ruhe einziehen. Am Morgen teilte Koljka dem Touristen, bei dem nach einer Woche alles wie am Schn;rchen lief, ein Zimmer zu.
Der Aussiedler und der Fl;chtige spannten sich richtig in die Arbeit, arbeiteten an Tigrans Auftr;gen. F;r die schwere k;rperliche Arbeit bekamen sie nicht viel. Ausf;lle und freie Tage gab es bei ihnen fast nicht. So eine Arbeitsorganisation der Arbeit gefiel dem Touristen vollkommen, Nikolaj fluchte manchmal ;ber den Mobbing des Deutschen. Er unternahm selbst ziemlich oft Versuche, einen festen Arbeitsplatz zu finden, um ein paar Mark mehr zu verdienen. «Die Arbeitstr;nen» eines Fahrers, Schlossers, Klempners und Maurers nutzten nichts, weil er diese Berufe noch in ehemaliger Sowjetunion erlernt hatte. Keine Ruhe gab ihm auch das Arbeitsamt, das fast jede Woche ihm einige Unterlage schickte oder anrief. Die Arbeit, die von den Beamten angeboten wurde, machte den jungen Mann nicht gl;cklich. Er wollte nicht die Kippen auf den Stra;en aufsammeln oder in irgendwelchem Lager ;pfel sortieren. Der Deutsche aus Kasachstan ;rgerte sich sehr, wenn ihm, dem Spezialisten, man wesentlich weniger zahlte, als denen die deutsche Ausbildung hatten und viel schlechter arbeiteten. Der junge "Ukrainer" hatte ganz andere Probleme. Diplome und Berufsabschlusse wie sein Freund hatte er nicht. Und alles, was er einst in der Fachschule gelernt hatte, hatte er ganz vergessen. Alexander war bei allen Arbeiten immer nur ein Hilfsarbeiter. Um Ziegel zu schleppen oder mit der Schaufel Gruben zu graben, war ein gro;er Verstand und gro;en F;higkeit nicht erforderlich. Wegen seines Kopfes und seiner H;nde war er nicht beleidigt, wie er auch nicht das gesetzlich h;here Einkommen seines Freundes ;bel nahm. Zugleich beneidete er ihn sehr. Nikolaj hatte eine sch;ne Wohnung und konnte legal in diesem Land leben und arbeiten. Zuverl;ssige Zuflucht f;r ihn waren auch seine Eltern. Je l;nger der Riese mit dem Kollegen wohnte und kommunizierte, desto mehr ;berzeugte er sich von seiner Anst;ndigkeit. Er bezweifelte schon ;berhaupt nicht mehr, dass der Aussiedler nicht lange allein bleiben wird und eine Freundin f;rs Leben finden w;rde. Abends lachten die M;nner sehr oft ;ber die Anzeigen, die in der russischsprachigen Zeitung "Semljaki" ver;ffentlicht wurden. Die Zahl der Frauen, die sich nach den M;nnern sehnten, ;bertraf manchmal das Vielfache der Zahl derer, die Vertreterinnen des schwachen Geschlechtes suchten. Der j;ngere Genscher rief in der Regel die Br;ute nur am Wochenende und "unter dem Gas» an. Jene baten noch einmal anzurufen, einige verabredeten sich f;r ein Treffen. Am Morgen verga; der Frauensucher es schon. Den Wunsch, eine Freundin f;rs Leben zu finden entstand auch bei dem Fl;chtigen, entstand mehrfach. Jedoch unternahm er daf;r nichts, versuchte es nicht einmal. In diesem Land war er ein Gesetzloser. Seine Geheimnisse und Probleme und auch seine Tr;ume teilte er, wie auch fr;her, niemals und niemandem mit. Alles bewahrte er streng geh;tet, jedoch er irrte sich...
In einem Sonntag beschlossen die Freunde, einen Saunabesuch zu machen. Nikolaj bewunderte oft die «nackte» Welt ihrer Besucher. Der Tourist aus der Ukraine brannte auch vom Wunsch, sich das anzusehen und gr;ndlich aufzuw;rmen und durchzuschwitzen. Er eroberte sich allm;hlich das paradiesische Leben des Landes und wollte die Freude der Menschen immer mehr und mehr auskosten. Die Sauna befand sich in der Kreisstadt, das Eintrittsticket kostete ziemlich viel. Als Saunaf;hrer war der j;ngere Genscher, der ununterbrochen plapperte dem Freund ;ber die Wunder der finnischen Sauna und lobte den Aufgiesser, der so geschickt den Schwei; "heraustreiben" konnte. Alexander benahm sich unter den nackten Frauen und M;nnern zuerst sehr scheu, sp;ter verschwand allm;hlich die Peinlichkeit, mit jeder Minute mehr. Er verlie; immer ;fter und ;fter seinen Freund, der die ganze Zeit im Schwitzbad sa;, und spazierte selbst wie ein Gockel durch die ger;umige Halle. Der ehemalige Bewohner des Dorfes Neidjonowka, den Gott mit einem Gesicht und einer Figur belohnt hatte, die man in der menschlichen Welt Sch;nheit nennt, trat mehrmals an den gro;en Spiegel heran und bewunderte sich erzwungen. Das Gottesgeschenk bewirkt beim Nackten nicht nur Mut, sondern auch Frechheit. Von der Empfindung der ;bermenschlichen Demokratie und des ;berflusses von Frauen wurde er in einigen Momenten unruhig. Er warf sich auf eine Liege, schloss die Augen und tauchte sofort in philosophische ;berlegungen. Er hatte keine Zweifel. Das Bild der ehemaligen sowjetischen Supermacht verblasste vor all dem, was ihr ehemaliger B;rger, der fl;chtige Soldat, jetzt sah und f;hlte. Sein gesunder K;rper, wie es ihm schien, wurde vor der lange Angst, Dem;tigung und Qualen, die er in der ganze Zeit erleben musste, ein f;r alle Mal gereinigt. Freudetr;nen flossen gezwungenerma;en aus den Augen des Riesen, er wollte eine ganze Ewigkeit gl;cklich sein...
Nach einer Weile fiel er wieder auf die s;ndhafte Erde herab und ;ffnete die Augen. Um ihn herum war alles auch paradiesisch. Die nackten Frauen vor seinen Augen w;rmten, wie mit Absicht, seine "M;nnerlust“ auf. Unter den Vertreterinnen des sch;nen Geschlechts fand er sehr viele nach seinem Geschmack. Um "die Kampflage" seines Penis zu vermeiden, schob der Riese das Handtuch tiefer unter den Bauch und band es mit ganzer Kraft zu. In «gebundenem» Zustand lag er ziemlich lange, bis sich alles in ihm beruhigt hatte. Dann erhob er sich von der Liege und lief zum Dampfbad. Seine Besucher unterschiedlichen Alters, Geschlechts und der Hautfarbe gefielen dem Touristen immer mehr und mehr. Er zweifelte ;berhaupt nicht daran, dass unter ihnen es keine Fahnenfl;chtigen der Sowjetischen Armee gab. Es erfreute und erschreckte ihn gleichzeitig.
Die Freunde kamen zum Parkplatz erst am Abend. Nikolaj startete den Motor und rollte auf die Stra;e. Nach etwa hundert Meter erschien vor ihm pl;tzlich ein Polizeiauto, die blinkende Leuchtanzeige bat ihn anzuhalten. Er trat mit einem verwunderten Gesicht schnell auf die Bremsen. Er konnte immer noch nicht den Grund des erzwungenen Anhaltens verstehen. Den ganzen Tag hatte er in seinem Mund keinen Tropfen Alkohol, besonders nicht vor dem Saunabesuch. Ein Polizist n;herte sich dem Auto und verlangte seinen F;hrerschein. Genscher setzte ein Pflichtl;cheln auf und reichte h;flich die Dokumente. Der Offizier ;berpr;fte sorgf;ltig den F;hrerschein und schaute aufmerksam den Fahrer hinter dem Steuer an. Dann bat er ihn aus dem Auto auszusteigen.
Danach entfernten sich die zwei M;nner zum Wagen mit den Blinkern. Wor;ber sie gesprochen hatten wusste der Fl;chtige nicht. W;hrend des Aufenthaltes im Haus des Genschers hatte er sich ;berzeugt, dass sie alle sehr gut deutsch sprachen. Die tats;chliche Kenntnis der Sprache konnte der Tourist aus offensichtlichem Grund nicht beurteilen.
Nikolaj kehrte zehn Minuten sp;ter zur;ck. Alexander bemerkte sofort, dass sein Freund aufgeregt war. Der j;ngere Genscher schwieg den ganzen Weg nach Hause, es schwieg auch der Fl;chtige. Er gingen ihm dutzende Varianten durch den Kopf, die die Stimmung des Aussiedlers h;tten verderben k;nnen. Morgens und in der Sauna war es bei ihm «alles OK». Koljka erf;llte die Pflichten des Saunaf;hrers ausgezeichnet, manchmal scherzte er sogar, wenn er um sich die nackten sch;nen Frauen sah. Jetzt aber sah er aus, als ob jemand ihn am Kopf mit etwas Schwerem getroffen hatte.
Koljka ";ffnete" sich erst am sp;ten Abend, nachdem er sich ein „Einlauf“ erlaubte, ein volles Glas Wodka getrunken hatte. Der Mieter reagierte eindeutig auf die sch;dliche Gewohnheit des Hausherrn. Er machte sofort ein ernstes Gesicht und r;umte "das Gef;;" vom Tisch ab, was "das Ende der Sauferei“ bedeutete. Fr;her tat er es auch ohne jegliche Probleme. Er hatte den Alten sein Wort gegeben, ihren Sohn auf den richtigen Weg zu bringen. Der j;ngere Genscher wusste das sehr gut. Diesmal war er bereit, in das Gesicht dessen zu schlagen, wer beabsichtigte ihm das Trinken zu verbieten. Er packte pl;tzlich den gro;en Mann an der Hand und sagte hasserf;llt:
- Du, unverst;ndlicher Riese... Danke dem Gott, dass heute dich die Polizei nicht gefasst hattee. Sie suchten ein verschwundenes Auto, meine Nummer unterschied sich vom dessen Kennzeichen nur in der letzten Zahl... Und das erschreckte mich nicht, mein Pass und der Wagen sind in Ordnung.... Der hochrangige Polizist wollte deine Dokumente ;berpr;fen, es ist noch gut gegangen, weil ihn jemand ;bers Funkger;t angerufen hatte... F;r dich konnte mit einem Schlag das Ende kommen, mich h;tten sie auch nicht verschont...
Der Gesichtsausdruck und die Informationen Nikolajs haben wie ein Pfeil das Herz und die Seele des Mieters durchbohrt. Er setzte sich auf einen Stuhl, griff mit seiner Hand am Rand des Tisches und ist erstarrt, wie ein Kinderschreck. Es schwieg auch der Hausherr, der aus irgendeinem Grund gleichg;ltig an die Decke sah, als ob dort ihm jemand ein Rezept f;r die Rettung des fl;chtigen Soldaten schrieb. Das lange Schweigen der lebendigen Quelle der Schuld brachte schlie;lich den j;ngeren Genscher aus der Fassung. Er stand schnell auf und goss sich ein Glas Wodka ein, fast maschinell hatte er aus der Dose eine gro;e Gurke herausgezogen. Dann schloss er die Augen und kippte den Inhalt des Glases sich in den Mund...
Kusnezow sah mit den Tr;nen in den Augen seinen Freund an, er erkannte ihn jetzt nicht. Nach ein paar Augenblicken hat sich der Mund des Alkoholikers ge;ffnet und dass, was er sagte, „t;tete“ den Riesen auf dem Platz:
- Du, Sch;tze Kusnezow Alexander Nikolajewitsch... Wieso bet;ubst du mein Gehirn? Ich wei; doch, wer du bist und wer du warst erst vor drei Jahren... Deine erfundenen Geschichten kannst du an die Ohren meinen Alten h;ngen, sie sind sehr zutrauliche Menschen... Ich habe dich noch im vorigen Jahr durchschaut... Bei den Touristen zitterten beim Anblick der Polizeiwagen die H;nde nicht. Und du, so gro; und stark, pisst immer in die Hosen, es bedeutet, dass du viel S;nden geschaffen hast...
Die letzte Bosheit des Hausherrn machte den Riesen w;tend. Er hat ohne lange nachzudenken den niedrigen und mageren Mann mit der ganzen Kraft ins Kinn geschlagen. Der Schlag hat sich sehr m;chtig und sehr heftig ergeben. Der ehemalige Boxer bezweifelte nicht, dass von diesem Schlag sein Ern;hrer und Retter ein paar Wochen sich erholen w;rde, nicht weniger. Er selbst f;hlte immer noch den Schlag des Hauptmannes Makarows.
In dieser Nacht schlief der Mieter nicht, ihm war es nicht nach schlafen. Sein Gewissen nagt an ihm, er bedauerte sehr, dass er so widerlich zu seinem Freund war. Koljka hat f;r ihn sehr viel gemacht. Er verurteilte jetzt ihn schon ;berhaupt nicht daf;r, dass er seine Nase in die Dokumente des Mieters gesteckt hat. Der Riese h;tte auch selbst so gehandelt. Der weitere Aufenthalt des Touristen im Haus h;ngte jetzt von dem ab, der ohne Bewegung im Bett lag. Aus Angst um das Leben seines Freundes und seine Zukunft betrat er mehrmals Nikolajs Zimmer und tastete seinen Puls ab. Alles war normal.
Der Hausherr ist fr;hmorgens aufgewacht und war etwas verwundert, als er vor sich die finstere "Fratze" des Touristen sah. Genscher Junior warf ein Blick auf den Leidenden, stand vom Bett auf und fing an heftig mit den H;nden den linken Wangenknochen zu reiben. Dann sagte er mit Sarkasmus:
- So „z;chte“ diese russischen Schweine, du wirst sie doch niemals zufriedenstellen... Du Gr;nschnabel verstehst noch nicht, in welche Schwierigkeiten du meine Alten bringst... Sie erlitten sehr viel Kummer unter dem sowjetischen Regime, und hier ist f;r sie auch kein Honig...
Nach einigem Nachdenken murmelte er wieder sich unter die Nase:
- ;brigens, ich bin auch ein Mensch und will leben, aber nicht so, wie du... Ich, zum Beispiel, m;chte in meine Heimat nach Kasachstan fahren und sich eine Braut mitbringen... Wegen dir, Scheintouristen, m;chte ich nicht bei den Beh;rden in den Computer kommen... Mir ist es genug, dass man uns f;nf Jahre pr;fte um hierher zu kommen und noch mit dem Maulkorb zu starten...
Der Scheintouriste antwortete auf den belehrenden Monolog des Hausherrn nichts, er stand und schwieg. Nikolaj „weichte“ nur gegen Abend auf und jenes nach der Entschuldigung des nicht stattfindenden Meisters der Division im Boxen. Nach der Vers;hnung sind die M;nner in den Wald spazieren gegangen. W;hrend des langen Spaziergangs hat der Fl;chtige nicht nur die frische Luft geatmet, sondern ist auch dazugekommen etwas sich hinter die Ohren zu „schreiben“. Sein Gehirn saugte eifrig alles auf, was sein Freund sagte. Koljka warf ziemlich oft sein Kopf zur;ck und richtete sein Blick auf die Physiognomie des Beleidigers. In den Augen des Riesen herrschten Trauer und Hoffnungslosigkeit. Es bedeutete f;r ihn, dass sein Mieter wieder heuchelt. In der ganzen Zeit des Spaziergangs bekam der Riese vom ;lteren Genossen keine lebenswichtigen Belehrungen, gaben sie ihm auch die Alten Genschers nicht. Sie bemerkten fast sofort die Ver;nderung der Beziehungen zwischen ihrem Sohn und dem sch;nen Burschen aus der Ukraine. Die Versuche der ;lteren Menschen etwas ;ber das Geschehen herauszufinden scheiterten.
Der Sohn schwieg und lachte geheimnisvoll. Der Tourist beruhigte ernst Onkel Ivan und Tante Marta, und versicherte ihnen, dass nichts passiert sei. Bald haben sich die Alten endg;ltig beruhigt, weiter ging tats;chlich alles gut. Die Freunde bem;hten sich ;ber das Treffen mit der Polizei niemals mehr zu sprechen. Wenn es mal bis zu Streitigkeit kam, so wischten sie ihre schmutzige W;sche nicht in der ;ffentlichkeit. Sie f;rchteten die schwache Gesundheit der Alten zu verschlimmern. Besonders kr;nkelte die Mutter von Nikolaj, die drei Operationen hinter sich hatte.
F;r die politische und lebenswichtige Aufkl;rung empfahl der j;ngeren Genscher seinem Freund den Aussiedler Friedrich zu besuchen, der bei seinen Landsleuten ;fter zu Besuch war. Alexander hat er empfohlen ;ber seine "Biografie" den Mund zu halten.
Friedrich Schmidt war in der historischen Heimat der Vorfahren fast ein Ureinwohner, er kam noch in den fr;hen siebziger Jahren hierher. Zurzeit wohnte er in einer sozialen Wohnung zusammen mit seiner Frau. Sie waren immer und ;berall zusammen, wie die Nadel mit dem Faden. Das Erwerbsleben hatten sie in Sibirien begonnen, unterrichteten Mathematik an der gleichen Universit;t. Sie hatten keine Kinder, es legte einen bestimmten Abdruck auf ihr Leben ab, vielleicht auch nicht. Au;erhalb den W;nden des Institutes unterschieden sich die Interessen der Eheleute, und dabei sehr stark. Der parteilose Chef der Familie stie; sich in seiner freien Zeit in die Politik, seine H;lfte lief ;ber die Feldern und W;ldern auf der Suche nach den vielf;ltigen Schmetterlingen. Jeder von ihnen glaubte, dass nur seine Leidenschaft wichtig und notwendig sei, die Begeisterung des Anderen wurde nicht ber;cksichtigt. Die Hobbys f;hrten nicht selten zu den famili;ren Streiten. Die einander liebenden Menschen verlie;en auf eine Weile das allgemeine Sofa und gingen in verschiedene Ecken der Ein-Zimmer-Wohnung zu schlafen. Die Launen der zwei Klugen brachten sie gleichzeitig auch zusammen. Der Ort der Ann;herung war die kleine K;che, wo jeder mit seinen Hobbys besch;ftigt war. Der Mathematiker las sehr aufmerksam seine Zeitungen und Zeitschriften, die Mathematikerin betrachtete mit gro;em Interesse den n;chsten Unbekannten von den Schmetterlingen. Stammgast in der K;che war der Mann, und es war kein Zufall. Das Hobby der Frau war sehr kurz, nur w;hrend des Urlaubes. Im Winter flogen in Sibirien keine Schmetterlinge. Die Politik f;r den gelehrten Mann blieb in jeder Jahreszeit, Tag und Nacht. Besonders viel «durchzuarbeiten» hatte Friedrich nach den Parteitagen und Plenums des ZK der KPdSU, das Licht in der K;che brannte manchmal bis zum Morgen. Die Erprobung der Einheit der Parteipolitik und der Naturwissenschaft verwirklichte der Kurator auf den Studenten seiner Gruppe. Er sammelte seine M;ndel in der Regel im Studentenwohnheim. Die Studenten ertragen seine "Schrulligkeit" standhaft, in Mathematik hatten sie ein Staatsexamen. Die Hochschulbeh;rden lobten einstimmig den jungen Assistenten, dann den Kandidaten der Wissenschaft, sp;ter den Dozenten f;r die Ergebenheit den Ideen der Partei. Allerdings solche "Ma;stabe" passten ihm nicht.
Eines Tages kam er in den Parteivorstand der Universit;t und bot seine Dienste an. Als Best;tigung seiner «Kompetenz» brachte Friedrich Iwanowitsch ein dickes Heft, in dem die Materialien der Parteiverordnungen sehr gewissenhaft zusammengefasst waren. Nach dem ersten Besuch in der wichtigsten und weisen Parteiorganisation hat der Parteilose den ersten Parteiauftrag bekommen, er wurde als Helfer des Leiters der Gruppe f;r politische Arbeit ernannt. Bis zur Abreise in die historische Heimat seiner Vorfahren f;hrte er diese Arbeit unter den j;ngeren wissenschaftlichen und ingenieurtechnischen Mitarbeiter durch. Er unterrichtete sie sehr gewissenhaft, sogar zu sehr. Die Zuh;rer der Gruppe beim Anblick "des roten" Deutschen zogen sich manchmal zur;ck. Die Gelehrsamkeit und umwerfende Grunds;tzlichkeit des Helfers kostete dem Leiter der Gruppe seinen Posten. Der alte Professor, Doktor der historischen Wissenschaften wartete buchst;blich und im ;bertragenen Sinn auf die Rente, auf dem Lehrstuhl st;rte ihn niemand. Man hat ihn nicht nur wegen seinem Alter in Ruhe gelassen, sondern auch wegen seiner Wichtigkeit. Der alte Mann mit einem kleinen Rand von grauen Haaren auf den gro;en kahlen Stellen war eine echte Koryph;e der Geschichtswissenschaft und nicht nur in der Stadt mit vielen tausenden Einwohnern, sondern auch weit au;erhalb ihrer Grenzen. Alles und jeder im Institut wusste ;ber seine zahllosen Ehren;mter und "Mitgliedschaften". Wusste davon auch der Helfer des Leiters, der fast ein Jahr im Schatten des Professors ging. Sp;ter beschloss er sich „zu zeigen“ und es gelang ihm. W;hrend einer heftigen Debatte in den Seminaren haben die Zuh;rer der Gruppe den einfachen Angestellten bevorzugt. Danach ging Friedrich Iwanowitsch als Sieger nicht nur durch "das Plattenbau aus den 60-er Jahren", sondern auch durch die ganze Stadt. Die Ehefrau lachte ;ber ihren Klugen, der immer noch die Sinnlosigkeit des Parteigeschw;tzes nicht verstehen konnte...
In Deutschland hat sich Herr Schmidt beruhigt, hat sich endg;ltig beruhigt. Der Grund daf;r war nicht die Entfernung von Moskau oder Sibirien. Das Leben selbst befreite ihn von dem Schleier vor den Augen. Er hat verstanden, dass das vielj;hrige Geschw;tz der sowjetischen Parteinomenklatur alles in allem nur eine Fiktion und Profanation war. Entfernte sich von ihrem Hobby auch die Dozentin Natalja Iwanowna. Auf den ;u;erst gepflegten Feldern Schmetterlinge zu fangen wurde f;r sie unpassend, und das Alter war schon nicht das gleiche. Die Alten vermissten auch die sibirischen Weiten nicht, ganz zu schweigen vom Wunsch in der gro;en Schlange f;r ein St;ck stinkendes Fleisch zu stehen. ;ber das Leben in der ehemaligen Sowjetunion waren sie ;berhaupt nicht schlechter informiert, als diejenigen, die dort lebten. Die moderne Technik schafft echtes Wunder. Die historische Heimat beleidigte die ;lteren Leute nicht. Sie haben eine anst;ndige Rente und eine sch;ne Wohnung und im ;berfluss freie Zeit. Sie haben auch den bevorstehenden Tod nicht vergessen...
;ber das Erscheinen des hohen und sch;nen Waisen aus der Ukraine erfuhr das Ehepaar Schmidt von Genschers. Diese und andere begr;;ten den Wunsch des Jungen etwas zu verdienen, um f;r sich was zu kaufen. Die Auswanderer waren aufrichtig aufgeregt, als sie ;ber das Elend der ehemaligen Landsleute in dieser oder jener Republik der ehemaligen Sowjetunion erfuhren. Zur Ankunft des jungen Gastes sind die Kandidaten der Physik-mathematischen Wissenschaften sogar dazugekommen etwas f;r ihn zu tun.
Sie besuchten Frau Stoffner, die im deutschen Roten Kreuz arbeitete. Sie unterschied sich durch eine besondere Anst;ndigkeit, sie nahm sich zu Herzen alles Elend und Leid der Menschen unabh;ngig vom Alter und Kontinenten. Viele Einwohner wussten ihre dienstliche und private Telefonnummer. Sie riefen zu jeder Zeit sie an und boten Kleidung und Schuhe an. Die Deutsche hat die Bestellung von den Bekannten Aussiedler gern angenommen, niemand bezweifelte ;ber die Notwendigkeit der besten Kleidung f;r den Waisen.
;ber den Besuch seines Freundes teilte Nikolaj den Schmidts am fr;hen Morgen mit. Das Treffen wurde f;r den Abend geplant. Die Alten, ob zu ihnen einen n;chste Verwandte kam, waren fast den ganzen Tag mit den angenehmen Vorbereitungen besch;ftigt. Die Hausherrin backte russische Piroshki mit Kohl, die bei ihr besonders gelungen. Der Hausherr benahm sich viel ruhiger. Der gro;e K;hlschrank war bis zum Rande mit Lebensmitteln aus f;nf L;ndern der Welt, einschlie;lich Russland aufgef;llt.
In einem ziemlich ger;umigen Bar stand ein Dutzend Arten von Alkohol. Er hat auch sein Hobby nicht vergessen, er beabsichtigte diesmal den Gast gr;ndlich «auszufragen». Friedrich Iwanowitsch wusste sehr gut, dass alle Massenmedien haupts;chlich l;gen, der Tourist konnte ihm die Wahrheit erz;hlen. Der ehemalige Anh;nger der kommunistischen Utopie kritzelte auf ein St;ck Papier einen kurzen Plan. In Erwartung einer hitzigen Debatte tanzte der alte Mathematiker buchst;blich durch die ger;umige Wohnung, wie er vor einem halben Jahrhundert vor Freude tanzte, als er die raumsparenden Wohnung im "Plattenbau aus den 60-er Jahren" bekommen hat.
Die G;ste sind genau um sechs Uhr abends eingetroffen. Genscher Junior brachte nach dem russischen Brauch f;r die Gastgeber eine Flasche russischen Wodka mit. Die Alten betrachteten von allen Seiten den Waisen aus der Ukraine, er war auch wirklich nicht schlecht. Zu ihrem Erstaunen war er anst;ndig gekleidet, seine Kleider waren alle deutsch. Die Migranten w;hrend Ihres Aufenthaltes in Deutschland haben gelernt etwas zu unterscheiden, und es sind ganz andere Zeiten schon eingetreten.
In der ehemaligen Sowjetunion sparten die zwei junger Mathematiker ziemlich oft f;r irgendwelches Defizit an ihren Mund. Friedrich schob ein halbes Jahr das Geld beiseite, um sich eine elegante Pelzm;tze zu kaufen. Das junge Talent brannte von der Scham, als einige schlechte Sch;ler zum Haupteingang der Universit;t mit neuen "Ladas" heranfuhren oder in der Gastst;tte f;r ganze zwei Rubeln speisten.
Die Hoffnungen der ;lteren Leute auf das lebendige Tr;gers der frischen Information ;ber die ehemalige Sowjetunion haben sich nicht erf;llt. Der Junge antwortete auf die gestellten Fragen aus irgendeinem Grund sehr trocken, einige blieben ;berhaupt ohne Antwort. Er schwieg auch ;ber die sch;ne Stadt Kiew, woher er gerade erst gekommen war. Als Vermittler in "den schwierigen" Fragen und Antworten zwischen den Gelehrten und dem Studenten war Nikolaj, er wechselte das Gespr;chsthema immer wieder. Schlie;lich ist alles auf seinen Platz ger;ckt. Die Junge ;berlie;en das Gespr;ch den Alten, genauer dem Alten. Friedrich Iwanowitsch hat die Z;gel in seine H;nde genommen und redete fast zwei Stunden dar;ber, was in seinem "Gehirnlager" es gab.
Mit dem Besuch des alten Gelehrten blieb der fl;chtige Soldat zufrieden. Ihm schien es, dass selbst das Schicksal, der Gott beabsichtigten ihm im weiteren Leben zu helfen. Er "verdaute" langsam alles, was er von den Familien Genschers und Schmidt erfahren hatte. Jetzt erschien vor ihm ein ziemlich deutliches Bild der politischen Ersch;tterungen, die w;hrend seinen Dienstes und Flucht geschehen waren. Er „bl;tterte" mit gro;en Vergn;gen die Seiten der Geschichte der Westgruppe der Truppen durch...
Januar 1991 der Beginn des geplanten Abzugs der sowjetischen Truppen aus dem vereinten Deutschland. Im M;rz wird Motorsch;tzendivision Nr. 207 aus der Stadt Stendal herausgef;hrt... Im Sommer verlassen die sowjetischen Truppen die deutschen St;dte Neuruppin, Halle, Merseburg... Im folgenden Jahr verlie;en sie Jena, Ries, Zerbst, Dresden... In April 1993 fand der feierliche Abschied der Einheiten aus Schwerin statt... Am 31. August 1994 verlassen Deutschland die Soldaten und Offiziere der 6. abgesonderten motorisierten Brigade, die Teilnehmer des letzten feierlichen Marsches im Treptow Park...
Der ehemalige Soldat dankte dem alten skrupul;sen Wissenschaftler, dass jener so gewissenhaft die Ausschnitte aus den russischen Zeitungen und Zeitschriften ;ber den Abzug der sowjetischen Truppen aufbewahrt hatte. Je mehr Alexander beim Licht der Tischlampe die Bl;tter des Zeitungspapiers im ger;umigen Wohnzimmer der neuen Bekannten las, desto st;rker wurde sein Herz zusammengepresst. Er erinnerte sich einen Moment an den intelligenten und ehrlichen Hauptmann Makarow, an seine Kompanie. Der Riese war stolz auf seine Kollegen, die einen angemessenen Beitrag an die Verwirklichung der weltweit gr;;ten Operation, den Umzug der Truppen aus dem Westen nach Osten, geleistet haben.
Von Januar 1991 bis August 1994 waren aus Deutschland nach Russland und in die andere GUS-Staaten 6 Armeen im Bestande von 22 Divisionen und 49 Brigaden, 42 abgesonderter Regimente, insgesamt 546200 Menschen zur;ckgezogen. Es wurden auch 123629 Einheiten der Technik und Ausr;stung herausgef;hrt. Es wurden 2 Millionen 750 Tausend 530 Tonnen materiellen Mittel exportiert...
An diesem Abend waren beim Fahnenfl;chtigen der ehemaligen Sowjetischen Armee ziemlich oft die Augen feucht. Um den emotionalen Stress von den Sitzenden zu verbergen, ging er ins Bad und lie; den Tr;nen freien Lauf. Er weinte sehr leise, weinte nicht wegen der Kr;nkung f;r das vielj;hrige und sinnlose herumwandern. Nein, es war bei weitem nicht so. Der Soldat, der in einem Moment in Nirgendwo verschwundene m;chtige Armee, weinte vor Freude, dass es ihm erlaubt wurde in GSSD, WGT zu dienen. Die Geschichte der Menschheit wusste noch nie solche einzigartige nach dem Bestand, der Vorausbestimmung und dem Niveau des Professionalismus Gruppierung der Truppen im Ausland.
Der Rest der Nacht, der nach dem Besuch zu Schmidts blieb, haben der Fahnenfl;chtige der ehemalige WGT und der Sergeant des ehemaligen Transkaukasischen Milit;rbezirkes einfach durchgesoffen und gefeiert. Das alles machten die jungen M;nner prima. Alexander Kusnezow erz;hlte gen;sslich seinem Freund ;ber seine mutige Tat, als er aus dem brennenden Haus ein f;nfj;hriges deutsches M;dchen gerettet hat. F;r diese Heldentat bekam der Gardist vom Armeebefehlshaber eine Namensuhr und ein Urlaub nach Hause. Sergeant Genscher rettete den Zugf;hrer w;hrend den taktischen ;bungen...
Das Ehepaar Schmidts zeigte immer mehr und mehr Sympathie dem Touristen aus der Ukraine. Der fast seine ganze freie Zeit in ihrer Wohnung abh;ngte. Der ;lterer Mann und der junge Bursche blieben in ihr nicht lange sitzen, nach der herzhaften Mahlzeit der Gastgeberin fl;chtigen sie sofort auf die Stra;e. Der Alte mochte sehr Spazierg;nge, allm;hlich gew;hnte sich auch der Gast an sie. Ihm gefiel es auch, durch den ziemlich gro;en Park zu wandern. Das lebendige St;ck der Natur duftete vom Geruch der Vielzahl von Blumen. Zuerst setzten sich die M;nner gern nach der reichlichen Mahlzeit auf die sauberen B;nkchen und tauchten in ihre ;berlegungen. Das Schweigen dauerte kurz, als erste begann das Gespr;ch der zwei Meter Riese. Nach dem ersten Treffen mit den alten Mathematikern beschloss er radikal die Taktik des Verhaltens zu ;ndern. Um ihn aus dem schweigsamen Menschen in den relativen Schw;tzer zu verwandeln trug die herzliche G;te der alten Aussiedlers bei, und nicht nur sie. Bei ihm ist ein grosses Interesse ;ber das Leben des vereinigten Deutschlands, und der ganzen Welt entstanden.
Die Angst, f;r das milit;rische Verbrechen bestraft zu werden, ging immer mehr und mehr in den Hintergrund, er hielt sich selbst schon nicht als ein Verbrecher. Die Sowjetunion war zusammengebrochen, es gab auch keine Sowjetische Armee mehr. Er lebte schon das f;nfte Jahr im vereinigten Deutschland...
Die politische Naivit;t und das Fehlen der Elementarkenntnisse des jungen Mannes aus der Ukraine zog immer mehr und mehr die Familie Schmidt an ihn. Der Junge interessierte sich legitim f;r die Politik und scheute sich vom ;berfluss der Lebensmittel, Autos und anderen Sachen. Sie konnten sich auch selbst vor zwanzig Jahren, als sie aus dem Land des totalit;ren Regimes angekommen waren, nicht satt essen. Sie wanderten von morgens bis abends durch die L;den, tasteten alles ab, kosteten mit der Zunge. Es gab auch was f;r kaufen. Es verging keine Woche, dass auf ihr Konto nicht Geld kam. Die lokalen Deutschen waren sehr unterst;tzend zu denen, die die stalinistischen Lagern ;berlebte und die nicht menschlichen Qualen ertrugen. Nach einem Jahr sind die Vertriebenen in die Sowjetunion gefahren, besuchten auch f;r einige Zeit ihr Heimatdorf an der Wolga. 1941 wurde von hier aus der kleiner Friedrich mit seinen Eltern in Viehwaggons verladen und nach Sibirien umgesiedelt. Die deutschen Touristen besuchten auch die sibirische Stadt, in der ihre Arbeitsbiografie begann. Sie konnten immer noch nicht glauben, dass ganz vor kurzem die Mehrheit der Einwohner und Kollegen sie, als Abtr;nnigen und Verr;ter, mit Schande auf ihre historische Heimat hinausgebeten haben. Das Ehepaar hat die Beleidigungen vergessen. Ein Teil ihrer Ersparnisse schenkten sie der gro;en Familie der Putzfrau im Institut, anderen Teil gaben sie dem Haus der Invaliden. Das Geld gaben sie pers;nlich in die H;nde. F;rchteten davor, dass die Vorgesetzten es sich in die Tasche stecken k;nnten.
Die Zeit ging. Friedrich Iwanowitsch "f;tterte" immer mehr und mehr Saschenjka mit verschiedenen Informationen. Ziemlich oft gingen sie in die Gesch;ften. Etwas im Verhalten des Touristen erregte beim leidenschaftlichen Analytiker Verdacht. Der Junge interessierte sich wenig f;r die billigen Klamotten aus dem Roten Kreuz, er ging auch zur Disko nicht. Weckten Misstrauen bei dem alten Mann auch seine Fragen. Aus irgendeinem Grund fast alle von ihnen betrafen das Leben der ehemaligen WGT und diejenigen, die aus den Einheiten und Unterabteilungen entlaufen sind.
Aus diesen Feststellungen, die sich selbst anboten, wurde dem Mathematiker manchmal nicht wohl. Der Tourist aus der Ukraine erschien vor ihm f;r einige Zeit in der Gestalt eines KGB-Offiziers oder eines Spions. Herr Schmidt beabsichtigte die beunruhigten Gedanken mit seiner Frau zu teilen, aber ;berlegte sich es anders. Nataschenjka klagte in letzter Zeit immer mehr und mehr ;ber ihre Gesundheit. Als geeignete Figur f;r die ";berpr;fung" seines Verdachts hielt der Aussiedler den j;ngeren Genscher, jener verstand den Mund zu halten. Zurzeit besuchte er die Schmidts fast nicht. Kolenjka fuhr immer mit dem Vater ins Krankenhaus zur Mutter, sie beunruhigte das Herz.
Jedoch nach dem n;chsten Treffen mit dem Studenten beruhigte sich Friedrich Iwanowitsch wieder. Er hielt ihn schon nicht mehr f;r einen Spion, sie waren jetzt auch niemandem n;tig. Die ehemalige Nomenklatur des ehemaligen sowjetischen Landes hat schon seit langem alle denkbaren und undenkbaren Geheimnisse dem Westen herausgegeben.
Und warum sollte er, ein alter Mann, in dem jungen Mann einen Klassenfeind suchen? In seinem Privatleben gab es sehr vieles ;hnliches. Jetzt ist die Zeit gekommen gut zu leben, ohne Probleme zu leben. Mit diesen wohltuenden Gedanken begleitete der ;ltere Mann den Gast und ging zum Bett, mit ihnen wachte er auch auf...
Der ;hnliche Seelenzustand war auch beim Studenten. "Der Fischfang" auf die Informationen beim alten Deutschen versagte nicht, der teilte ihm alles mit, was er wusste. Er benachrichtigte sehr gewissenhaft, als w;re er im Begriff in die andere Welt zu gehen. In dem hat sich der Riese w;hrend des Besuches des russischen Restaurants ;berzeugt. Das Restaurant befand sich nicht weit vom Haus Schmids und deshalb besuchten sie es ziemlich oft. "Die russische Seele", so hie; die Gastst;tte, verband sie in irgendeinem Ma; mit dem Land, wo sie geboren wurden und ihre besten Jahre lebten. Den Mathematikern gefiel nicht nur seinen Namen, sondern auch alles, was innerhalb des Restaurants gab. Gefielen ihnen auch die Besitzer, die junge Aussiedler waren.
In den Tagen der gro;en sowjetischen Feiertage reichten die Pl;tze drin nicht aus, «die Russen» kamen aus der ganzen Nachbarschaft an. W;hrend den Feiertagen erschienen die Schmidts dort nicht, sie mochten die Arbeitstage. Zu dieser Zeit war es im Restaurant um vieles ruhiger und gem;tlicher.
Als Herr Schmidt Saschenjka in den Restaurant eingeladen hatte, wollte er nicht nur einfach mit ihm ein wenig plaudern, sondern auch beabsichtigte ihm etwas von seiner Reise nach Russland zu erz;hlen. Er war dort mit seiner Ehefrau im vorigen Sommer. Jetzt haben sie beschlossen dorthin niemals mehr zu fahren. Der schwere Weg und das Alter lie;en ;ber sich sp;ren. Der Tourist freute sich sehr ;ber den Vorschlag des Lehrers. Begeistert war er auch davon, was er im Restaurant sah. Darin war es alles Russisches, aber vieles war f;r ihn auch unbekannt und fremd. F;hrer war Friedrich Iwanowitsch, der den Gast sofort zu seinen kleinen Lieblingstisch f;hrte. Als Kusnezow sich auf ein Stuhl, der etwas einem Klotz aus der Kiefer ;hnlich sah, setzte, fing er an den Raum zu betrachten. Er war von der Erfindungsgabe des russischen Besitzers erstaunt.
Das ganze M;bel war aus Birke oder Kiefer. Auf jedem kleinen Tisch standen russischen Samoware, rein russisch war auch das Geschirr. Herr Schmidt hat sich seine russische Lieblingsmaultaschen-„Peljmeni“ bestellt, Alexander „verst;rkte“ seine Bestellung mit der Erbsensuppe. Ihm schien es, dass er sie schon eine ganze Ewigkeit nicht a;. In alkoholischen Getr;nken gab es kein Meinungsunterschied. Die M;nner bestellten eine Flasche russischen Wodka f;r beide.
Nach dem ersten Glas Wodka tauchte der alte Wissenschaftler erneut in die philosophischen ;berlegungen. Diesmal war der Riese von seinen Offenbarungen fassungslos. Er glaubte es nicht, dass der Rentner irgendwelche Probleme in diesem satten Land haben konnte. Alarmierte ihn auch die Form der Pr;sentation dieser Offenbarungen.
- Du, mein lieber Mann - begann Schmidt, - denkst wahrscheinlich, dass wir mit meiner Alten keine Probleme haben... Habe ich Recht, mein Saschenjka? Du meinst auch, dass in diesem Land alle gl;cklich sind?
Nach der schwierigen Frage hat er schlau in die Augen den Gespr;chspartner geschaut, jener schwieg. Schwieg, wie ein Fisch. Sein Schweigen hat den Alten ;berhaupt nicht
entmutigt. Er hat wieder fortgesetzt, setzte ohne jede Falle fort:
- Ich werde dir sofort sagen, dass du dich irrst, dabei dich sehr stark irrst, auf alle hundert Prozent... Ich habe hier im Prinzip alles, aber meine Seele blieb dort, in der ehemaligen Sowjetunion. Sie blieb im rauen und kalten Sibirien, wo ich mein ganzes bewusstes Leben gelebt habe. Auf dieser Erde ist mein Vater umgekommen, er ist aus der Arbeitsarmee nicht zur;ckgekehrt... Dort ist auch meine Mutter begraben, und haben die ewige Ruhe auch meine zwei Br;der gefunden...
F;r einige Zeit wurde der Deutsche wieder still und schaute seinen Gespr;chspartner aufmerksam an. Kusnezow sagte nichts, er schwieg und r;hrte eifrig mit dem L;ffel im Teller mit der Suppe. Er konnte immer noch nicht verstehen, was verursachte die Offenbarungen dieses alten Mannes. In der ganzen Zeit ihrer Bekanntschaft beschwerte sich aus den Eheleuten Schmidts ;ber ihr Leben niemand. Jetzt aber ist es bei dem Alten irgendwie „ausgebrochen“. Alexander starrte ihn an und schaute nicht weg, wollte sein Unverst;ndnis nicht zugeben. Er reagierte auch auf die Tr;nen des Aussiedlers nicht. Alexander schaute aufmerksam in die Augen des erfolgreichen und intelligenten Menschen und bezweifelte jetzt schon ;berhaupt nicht mehr an seinen neuen Schlussfolgerungen.
Vor ihm sa; ein Mensch mit einem sehr komplizierten Schicksal, unverst;ndlich und geheimnisvoll f;r seine Umgebung, unverst;ndlich auch f;r den fl;chtigen Soldaten. Die Fragen und Probleme, die er mit seinem lebenswichtigen Idol besprechen wollte, sind erzwungen in den Hintergrund zur;ckgetreten, sind auf eine unbestimmte Zeit zur;ckgetreten. Erst nach dem zweiten Glas des russischen Wodkas ist Herr Schmidt ein wenig lustiger geworden, seine Tr;nen sind auch getrocknet. Um den Faden der vorigen Gedanken nicht zu verlieren, hatte er den M;ndel lustig gefragt:
- Saschenjka, du denkst, dass ich das, was ich gerade sagte vergessen habe...? Nat;rlich nicht, ich halte mich auch jetzt f;r den gro;en Lobatschewski... Mein alter Computer gibt nicht auf... Ich bin wieder bereit zu den ;berlegungen nach dem russischen Wodka und den russischen Maultaschen...
Als Best;tigung der Liebe zu den Letzten, warf er ausgelassen ein Paar Maultaschen in den Mund. Alexander hatte zu diesem Moment den Teller mit der Suppe geleert. Der Kindereifer, der beim Gespr;chspartner erschien, machte ihm Mut. Er hat den Teller zur Seite geschoben und fragte wie beil;ufig:
- Friedrich Iwanowitsch! Sie meinen, dass die Menschen hier schlecht leben? Ich wei; doch sehr gut und sehe es auch, dass sie gut leben. Sie haben fast alles, keiner von den Deutschen isst nur trockenes Brot...
Die Frage, des bis jetzt schweigenden Studenten, brachte den ehemaligen Lehrer der Hochschule zum Lachen. Er lachte laut. Er lachte herzlich, zeigte nicht seine Z;hne, wie es viele Ortsbewohner machten. Nach dem Lachen antwortete der Lehrer dem jungen Mann nichts. Er hat nur lustig ihm zugezwinkert und mit seinem Glas mit Alexanders Glas angesto;en. Die M;nner haben fast gleichzeitig den Inhalt der Kristallgl;ser in den Mund reingesch;ttet. Der Alkohol gab Herr Schmidt ein neuen Impuls zum Nachdenken. Er hat schlau, wie ein alter Fuchs, Alexander angeschaut und sagte mit einem L;cheln:
- Also, mein lieber Freund, du bist ja einer... Es ist sofort sichtbar, dass du ein praktischer Mensch bist, genauer gesagt materieller... Ich, ungeachtet meines Alters, dachte irgendwie wenig dar;ber nach... Mir gefallen sogar manchmal solche Menschen, wie du...
Weiter erkl;rte er nichts. Er hat wieder schlau gel;chelt, und w;nschend mit dem jungen Mann gr;ndlich zu diskutieren, stellte eine Frage nach der anderen Frage:
- Saschenjka! Du denkst wahrscheinlich, dass das S;ttigungsgef;hl des Menschen, der sogar in einem goldenen K;fig lebt, das Wichtigste ist? Der gr;;te Fehler und der gr;;te irrtum, junger Mann! Es ist noch bei weitem nicht alles, auf alle hundert Prozente noch nicht alles... Ich bestreite nicht, dass ich ein alter Sack und alter Kopf bleibe, aus deren die sozialistischen Gedanken herausfallen...
Nach seiner Argumentation lachte der Wissenschaftler. Sein Lachen provozierte in irgendeiner Weise seinen jungen Gespr;chspartner, der niemals Philosophie studierte. Jetzt hatte er keine Zweifel, dass der Anh;nger von Lobatschewski sich irrte. Er stand vom Klotz auf, hob den Arm nach oben, wie es Lenin auf dem Panzerwagen Mals machte. Seine Haltung und Ausdruck seines Gesichts haben dem alten Mathematiker sehr gefallen.
Er lachte hinrei;end, als er sich an eine Episode aus einst sehr popul;ren Filmen ;ber die Revolution erinnerte. Als Herr Schmidt gleichzeitig den triumphierenden Blick des jungen Mannes sah, war er f;r eine Weile ;berrascht und sagte leise:
- Also, Saschenjka! Du ziehst mich wieder in die Sph;re der politischen Intrige ein. Ehrlich gesagt, mochte ich die politische Bildung nicht immer, vor allem am Ende dieses Jahrhunderts ... Ende dieses Jahrhunderts... Obwohl ich mich auch jetzt an einige Gedanken aus den kommunistischen Klassikern erinnere... Vieles ist verschwunden, vieles r;hrt auch noch bis heute die Seele... Es ist schade darum, dass, die die diesen Ideen so eifrig deuteten, heute sie und auch das gro;e Land verraten haben, zerschnitten auf lebendigem Leibe...
F;r eine Weile nahmen "die Theoretiker" eine Auszeit und schwiegen. Der fl;chtige Soldat hatte beschlossen die Pause voll ausnutzen, sein Kopf hatte f;r einen Moment „abgeschaltet“. Er konnte nichts auf die Begr;ndung des alten Mannes antworten. Sein Gehirn, wie es ihm schien, bekam St;rungen. Er konnte nicht verstehen, wann seine grauen Zellen ihn betrogen. Jetzt oder dann, als er aus der Einheit fl;chtete und durch die W;lder schlenderte. Die Angst f;r seine Handlungen und gleichzeitig, die erscheinende Hoffnungslosigkeit f;r die Zukunft, wurden seiner Seele und dem K;rper ;bergeben. Alexander begann sofort zu schwitzen, ihm zitterten die Knie, er schloss f;r eine Weile die Augen. Pl;tzlich klang die Stimme seines Gespr;chspartners:
- F;r mich, mein Saschenjka, ist ein Staubkorn vom Grab der Eltern sehr viel mehr wert als ein "Mercedes" ... Die Heimat war und bleibt die Luft f;r meine Seele. Ein Mensch ohne Seele - ein Vogel ohne Fl;gel. Gerade durch die Seele unterscheiden wir uns von den Tieren. Manchmal heuchelt unsere Seele besonders, wenn die Sattheit ;ber den Rand kommt. Aus diesem Grund werden Kriege gef;hrt, unterschiedliche schmutzige Dinge gemacht...
Zum kleinen Tisch kam die Kellnerin. Die sympathische Blondine beugte sich zum alten Mann und fragte mit einem L;cheln:
- Friedrich Iwanowitsch, sind Sie mit allem bei uns zufrieden?
Dann drehte sie sich zu Alexander um und wiederholte mit einem bezaubernden L;cheln die Frage:
- Junger Mann, sind Sie auch, wie Ihr Gro;vater, mit allem zufrieden? Oder sollte man f;r Sie Musik auflegen?
Kusnezow wurde vom unerwarteten Erscheinen des jungen M;dchens und von ihrer unerwarteten Frage etwas verwirrt, sein Gesicht wurde rot. Er, bem;hte sich seine Verlegenheit nicht zu zeigen, stand auf und sagte der jungen Person:
- Ja seien Sie so gut f;r uns nur sch;-;-ne mu-si-ik...
Weiter wurde er stumm und schaute schuldbewusst mal auf seinen Begleiter, mal auf die junge Frau. Aus der nerv;sen Erstarrung hat ihn die gleiche Kellnerin herausgef;hrt. Sie, als w;re nichts geschehen, sagte mit einem L;cheln deutsch:
- Herr Schmidt, das russische Lied ist nur f;r Sie...
Danach hob sie stolz den Kopf und hat sich entfernt. Nach ein paar Minuten floss durch den kleinen Saal das Lied ;ber das orenburgische Daunenschaal. Das Lied ist dem Alten sofort durch die Seele gegangen, er beugte sich nach unten, und seine Augen wurden feucht. Die Musik und W;rter des Liedes ber;hrten auch Alexander. Vor seinen Augen sind die Gestalten seinen Eltern erschienen, seine Mutter himmelte diese Melodie an. Sanjka hat damals, in der noch nicht so fernen Zeit, das Lied nicht ber;hrt. Hier aber, in einigen Tausenden Kilometer von Neidjonowka, erreichten die W;rter und die Musik des Liedes sein Herz. Seine Augen wurden feucht, als er sich wieder an die Bestellung seiner Mutter erinnerte. Sie bat oft ihr Sonnenschein die Platte mit ihrem Lieblingslied in der Kreisstadt zu kaufen. Der nichtsnutzigen Sanetschka hat es nicht gemacht... Jetzt aber h;rte er, wie verzaubert, mit gro;er Aufmerksamkeit das geliebte Lied der gestorbenen Eltern. Die Mutter und der Vater, die in eine andere Welt gegangen sind, ruhten auf einen Friedhof, ruhten in der Heimaterde. Ihr nichtsnutziger Sohn sa; im fremden Restaurant mit dem russischen Namen und weinte, weinte nach dieser Erde...
Um ;berhaupt nicht in Tr;nen auszubrechen von den zustr;menden Erinnerungen, st;rmte der Fl;chtige schnell auf die Veranda heraus. Dann ging er zu der gr;nen Wiese, auf der die Jungen faul Fu;ball spielten. Er kehrte nach f;nfzehn Minuten an den kleinen Tisch zur;ck, in der Halle f;hrte man zu dieser Zeit sein Auftrag aus. Es klang ein Liebeslied eines Burschen zur jungen Blondine, Alexander war es jetzt nicht nach Frauen. Der Gedanke, dass er auf dieser Erde weder Eltern, noch nahen Menschen hat, nagte mit furchtbarer Kraft seine Seele. Seinen Zustand verstand auch der alte Schmidt sehr gut. Er schwieg und wartete geduldig auf den Moment, als sich sein Saschenjka beruhigen wird. Der alte Mann war w;tend auch auf sich selbst. Seine ;berlegungen ;ber das Leben verletzte ernst die Seele des Waisen, um den nicht er allein sich sorgte. Er bemerkte, dass die sympathische Kellnerin oft an ihrem kleinen Tisch vorbeiging und aus irgendeinem Grund mit Besorgnis den einsamen Alten anschaute. Sie ist sogar dazugekommen sich bei ihm zu interessieren ;ber den Grund der Abwesenheit seines jungen und sch;nen Enkels. Der Gro;vater antwortete ihr nichts, er l;chelte nur geheimnisvoll...
Den Vorschlag des deutschen "Gro;vaters" auf die Gesundheit des ukrainischen "Enkel" zu trinken, hat Kusnezow mit einem L;cheln auf den Lippen angenommen. Nach dem n;chsten Glas des Wodkas redeten die M;nner. Auch Alexander hat diesmal beschlossen sich zu ;ffnen, aber wieder nur bis zu einer gewissen Grenze. Er hat die reine Wahrheit ;ber sein Leben in Neidjonowka erz;hlt, Alexander hat auch nichts ;ber seine Eltern verheimlicht. Friedrich Iwanowitsch h;rte dem unerwarteten Monolog seines Enkels aufmerksam zu und bem;hte sich ihn nicht zu unterbrechen. Es erfreute den jungen Erz;hler manchmal und manchmal war es be;ngstigend f;r ihn. Er bezweifelte aus irgendeinem Grund, dass dieser grauhaarige Mann ihm glauben wird, wieder glauben wird. Die schwierige und gleichzeitig sorglose Kindheit des Sibiriers hat der Alte mit einer gro;en Anteilnahme wahrgenommen. Seine Kindheit war auch bei weitem kein Honig, er musste viel mehr Unheil schlucken, als dieser bartlose J;ngling. Der Lehrer war auch auf der Seite von Saschenjka, der sich entschieden hat zu kommen um was zu verdienen. Obwohl er auch ein Waise ist, soll er, wie auch alle Menschen auf dieser Erde, essen und sich anst;ndig kleiden. W;hrend seines Monologes ist dem Deutsche pl;tzlich ein Gedanke ;ber die Adoption als Kind des jungen Burschen in den Kopf gekommen. Herr Schmidt erschrak von der B;rokratie in diesem satten Land nicht. Das Ehepaar hatte keine Kinder und an diesem "Mangel" litten sie sehr. Dieses Gef;hl hat sich hier gesteigert, als bei ihnen einen gewissen Wohlstand und Ruhe eingetreten sind. Das ;ltere Paar spazierte ziemlich oft durch den Park und sah die kleinen Kinder, die ihre Enkel oder Urenkel sein konnten. Dieser sch;ne Junge wurde f;r den alten Mann in der sehr kurze Zeit ein naher Mensch. Friedrich wollte jetzt seine Hand ber;hren und ihm, wie seinem Sohn, etwas Warmherziges sagen, was er noch niemals und niemandem in seinen siebzig Jahren sagte.
Die m;chtige Hand von Saschenjka war so nah, man musste nur ein bisschen die Hand oder die Lippen bewegen. Die Seele des alten Deutschen war ganz auf der Seite des sch;nen Burschen, jedoch aus irgendeinem Grund war seine Vernunft dagegen. Je mehr und aufmerksamer er in die blauen Augen des Erz;hlers schaute, desto beunruhigter schlug sein Herz. Er hatte keine Zweifel, dass er etwas nicht ausredet, etwas verheimlicht. Der Wunsch, alles auf seinen Platz zu stellen, hat gesiegt. Friedrich Iwanowitsch, sagte ruhig wie beil;ufig:
- Saschenjka! Wie sieht es bei dir auf dem materiellen Gebiet aus? Suchst du einen billigen ausl;ndischen Wagen? Habt ihr mit Nikolai wahrscheinlich schon seit langem etwas im Auge? Es bleibt nur sich in Auto zu setzen und durch ein Paar Grenzen zu rennen...
Das war eine Fangfrage, daran zweifelte niemand aus den Sitzenden. Kusnezow war von der Frage ;berrascht, er brauchte ein paar Augenblicke um zu sich zu kommen. Er hat mit beiden H;nden seine Stirn zusammengepresst, als wollte er sein Gehirn vom alkoholischen Nebel zu befreien, dann hat er sein Kopf heftig hoch gehoben und schaute den Lehrer an. Jener erstarrte, wie einer Sphinx, und schaute aufmerksam ihm in die Augen. Die physischen und seelischen Kr;fte haben wieder auf irgendwelchen Augenblick den fl;chtigen Soldaten verlassen. Er wusste sehr genau, dass der Alte auf die Wahrheit von ihm und nur auf die Wahrheit wartete. Keine L;ge passte jetzt hierher. Das Leben zwang den Fahnenfl;chtigen eine Pr;fung auf die menschliche Anst;ndigkeit abzulegen, ihm stand es bevor zum ersten Mal in seinem Leben zu machen.
Sein Gespr;chspartner machte es in seinem Leben mehrfach. Seine letzte „Pr;fung“ legte er in der erweiterten Sitzung des wissenschaftlichen Rates ab. Den ehrw;rdigen Wissenschaftler "peitschte" man schonungslos, „peitschte“ man als ein schuldigen Sch;ler, nur daf;r, dass er sich entschieden hat in die historische Heimat auszureisen, und dadurch die Idealen des Sozialismus jenes Landes, das f;r sein Lernen eine Menge Geld investierte, verraten hat... Besonders eifrig griff ihn der Rektor des Institutes an, der in der ganzen Gegend als ein Frauenheld und Schurke bekannt war...
"Der Kampf" der Generationen dauerte nicht lange. Der Blick, des nicht mehr jungen Mannes, dr;ckte wie ein Felsen auf den fl;chtigen Soldaten. Er starrte in das runzelige Gesicht des buckeligen Wesens, der in seinem Leben immer eine herausragende Pers;nlichkeit war, und kam zur eindeutigen Schlussfolgerung. Der Alte wird ihm in diesem Moment sogar einen kleinen Bruchteil der L;ge nicht verzeihen. Er hat ihn schon seit Langem durchgeschaut, ihm blieb es nur die Ergebnisse und Hypothesen zu ;berpr;fen. Alexander senkte niedrig sein Kopf, hat die Z;hne zusammengepresst und mit einem Seufzer gesagt:
- Friedrich Iwanowitsch! Sie sind f;r mich heute eine Art des Fegefeuers vor dem Ged;chtnis an meine Eltern und meinen Urgro;vater, der in Deutschland umgekommen ist....
Diesmal hat eine echte Beichte des fl;chtigen Soldaten stattgefunden. Sein n;chster Monolog war klein, aber ziemlich deutlich. Er freute sich auch selbst dar;ber, dass er von sich die schwere Last, die er all die Jahre trug, gest;rzt hat. Fr;her ;ffnete er sich vor niemandem, aller Wahrscheinlichkeit nach weil er keine ihm nahestehenden Menschen hatte. Kaschtanka diente f;r ihn nur als Ersatz f;r ein Freund, aber auf die Leiden der menschlichen Seele reagierte sie nicht so, wie ein Mensch. Sie sah den weinenden Besitzer nur an und bellte hin und wieder. Nach einer Weile blieb er wieder mit seinen Gedanken und Sorgen allein. Er fand auch keine wirkliche Unterst;tzung seitens von Nastja...
Herr Schmidt h;rte dem n;chsten Monolog von Saschenjka mit einer gro;en Aufmerksamkeit zu. Die erste Beichte im Leben des jungen Mannes zu unterbrechen hielt er f;r eine L;sterung. Die Seele des Fahnenfl;chtigen der Sowjetischen Armee weinte und reinigte sich. Nach dem Monolog hat er den Kopf gehoben und den Alten angeschaut, der zum ersten Mal im Leben ihm einen nahen Mensch wurde. Der Bereuende wartete mit Tr;nen in den Augen auf eine Reaktion von ihm, auf eine beliebige Reaktion. Friedrich Iwanowitsch blieb still und zeichnete sehr ruhig mit einer Gabel irgendwelche komplizierte Figuren auf dem Boden des leeren Tellers von den Maultaschen. Seine Zeichnungen zu ordnen beabsichtigte der S;nder nicht, ihm war nicht dazu. Das Schweigen des bejahrten Mannes bedr;ckte ihn sehr, er fing schon an der Anst;ndigkeit des Deutschen zu zweifeln. Er wollte schon wieder aufspringen und in den Wald weglaufen oder in der Menschenmenge zerstreut werden. Von der Aufregung schwitze er und begann sich umzusehen. Hinter ihm, dem Fahnenfl;chtigen, wie es ihm schien, jagte wieder die ganze Welt nach. Zur Zahl «des Verfolgers» geh;rte auch dieser kleinen alten Mann, der so geschickt in seine Seele hinein gedrungen ist und ihm den Kopf verdreht hat... Herr Schmidt, als ob er die Bef;rchtungen seines Gespr;chspartners verstand, hat ihm noch einmal aufmerksam in die Augen geschaut. Dann ist er langsam aufgestanden und hat ihn fest umarmt. Die M;nner waren den Tr;nen nahe und haben schnell das Restaurant verlassen. Die helle Sonne, die aus ihrem H;hepunkt schon ging, setzte weiterhin gro;z;gig fort ihre Strahlen den Menschen zu schenken, die durch die sauberen und gepflegten Stra;en des alten deutschen Dorfes huschten. Die Passanten, trotz aller Probleme des Lebens, waren zueinander h;flich und umg;nglich. Die Autofahrer folgten auch dem Beispiel der Menschen in der H;flichkeit. Ein riesiger Bursche, der unter dem Arm einen niedrigen grauhaarigen Mann h;lt, drehte sein Gesicht immer wieder zur Sonne.
Seine Seele jubelte, sie jubelte nicht nur ;ber die Ordnung und das friedliche Leben auf diesem St;ckchen Erde. Alexander verstand erst jetzt die Bedeutung von allem, was er ganz vor kurzem im russischen Restaurant getan hat. Die Beichte gab ihm den Anlass f;r eine realistische Einsch;tzung dessen, was mit ihm passiert war und jetzt geschah. Als Richter in der schwierigsten Zeit seines Lebens wurde ein Deutscher aus der ehemaligen Sowjetunion. Kusnezow warf immer wieder ein Blick auf den Alten, aber jener setzte fort zu schweigen. Seine Gedanken zu erraten konnte er nicht. Der Lehrer hat kein Wort bis zum Park gesagt.
Erst nachdem er sich auf ein B;nkchen unter einer Kiefer bequem gesetzt hat, redete er wieder philosophisch:
- Ja, Alexander Nikolajewitsch... Sie haben eine sehr schwierige Lage. Ehrlich gesagt, bist du nicht zu beneiden... Ich m;chte dir gleich eindeutig sagen, dass deine Situation niemand l;sen kann. Dir in deinen Angelegenheiten und S;nden wird weder der Gott, noch der Herrscher helfen, und ich auch nicht... Nur du allein, und nur du kannst diesen Ausgang herausfinden... Ich sagte dir schon heute, wenn deine Seele und das Herz in Takt gleichzeitig sind, dann wirst du alles hinkriegen, was du geplant hast. Wenn in diesem B;ndel eine St;rung ist, so wird der Mensch niemals Ruhe auf dieser Erde finden... Hier wird keine Philosophie helfen... Es ist meine feste ;berzeugung...
Die n;chsten philosophischen ;berlegungen des Alten haben in irgendeinem Ma; den Beichteten entmutigt. Er schaute mit Erstaunen auf seinen Lebenslehrer. Er erwartete eine ganz andere Antwort, eine solche Wendung der Ereignisse gefiel ihm eindeutig nicht. Der siebzigj;hrige Mann hat ihm nichts konkreten um die Realisierung seines Geplanten, f;r das er in den W;ldern nicht nur ein Tag verbracht hat, vorgeschlagen...
Das ganz ruhige Verhalten des Deutschen irritierte ihn immer mehr und mehr. Um nicht auszurasten und unh;flich zu ihm werden, hatte er die Z;hne fest zusammengepresst und setzte fort auf den Alten zu starren. Jener setzte nach einer kurzen ;berlegung wieder fort:
- Ein Mensch, der nur nach Anweisungen lebt, ist noch kein Mensch. Er ist ein Roboter nicht mehr. Mich unterrichtet man nach dem einheitlichen Programm, und nicht nur mich... Und was ist daraus geworden? Das Ganze System ist zusammengebrochen... Ich denke, dass jeder zum Gl;ck nur seinen Weg gehen soll. F;r einige, je komplizierter und kurvenreicher diese Strecke ist, desto gl;cklicher sind sie. Den Weg f;r sich w;hlt der, wer ihn beabsichtigt zu gehen... Ich w;nsche dir, mein Sohn, viel Erfolg bei der Erreichung des pers;nlichen Gipfels. Nur dann wirst du gl;cklich sein. Sogar die ganze menschliche Welt wird dir irgendwelche Rezepte nicht geben, diese sind einfach nicht vorhanden...
Der ununterbrochene "Wortlauf" hat den schweigsamen Menschen aus der Fassung gebracht, schlie;lich zischte er durch die Z;hne:
- Friedrich Iwanowitsch! Ich h;rte bis jetzt Ihnen mit einer gro;en Ungeduld zu. Eins m;chte ich sagen, dass Ihre Ideen und Gedanken mich jetzt nicht w;rmen und auch nicht satt machen. Ich bin hier ein hilfloser Sklave. Stellen Sie sich auf meinen Platz oder sogar auf den Platz ihres Sohnes... H;tten sie ihrem Sohn wirklich nicht geholfen?
Die nerv;se Anregung und die Frage des S;nders haben beim Deutschen irgendwelche Erbitterung nicht herbeigerufen. Er hat nur gel;chelt und den Finger an die Lippen gehalten. Dieses Zeichen bat den jungen Mann einige Zeit ruhig zu sitzen und zu schweigen. Alexander hat dem Vorschlag des Lehrers zugestimmt. Er wollte sich auch von den weisen Gedanken erholen und begann ohne jede Interesse zur Seite zu schauen. Diesmal dauerte das Schweigen ziemlich lange, bis zu Hause. Nur bevor Herr Schmidt das Tor seines Zaunes ;ffnete, hat er ihm die Hand zugestreckt und mit einem L;cheln gesagt:
- Saschenjka, ich habe heute verstanden, dass du auch wirklich dein Schicksal in die Hand nehmen willst. Du bist noch sehr jung und es wird dir gelingen... Vergiss meine R;te nicht... Ich sa; an der Sonne und bin zu einigen Gedanken gekommen... Sie erinnern etwas an die mathematischen Schemen. Meine feste ;berzeugung, als des mathematischen Alten, besteht darin, dass f;r das Gl;ck allen und jeden von uns sollte unsere Gesellschaft ohne drei Sachen bleiben. Erstes - ohne Macht; zweites - ohne Geld; und drittes - ohne des ;ltesten Berufes...
Nach dem Abschied von dem Alten hat Alexander sich wieder entschieden zu bummeln, die philosophischen ;berlegungen des alten Mathematikers gingen aus seinem Kopf nicht heraus. Er ist fr;her niemals im Leben in die h;chsten Materien eingedrungen, ihm war alles egal. Zu der Macht wollte er nicht, und mit diesem M;ll sich den Kopf vollstopfen m;chte er auch niemals. In Neidjonowka hat man den Verwalter Iwan Lopuschkin, den Hauptvorgesetzten des Dorfes, verschieden genannt. Jemand nannte ihn Iwanuschka der Narren, jemand nannte ihn eine Klette. F;r den Riesen war er sowohl das eine, als auch das andere. In der Armee hielt sich die Macht mit der Faust, das hat er sofort erkannt und gef;hlt, als er in die soldatische Uniform schl;pfte. Gener;le sah der Soldat sehr selten, und sie waren ihm auch egal. F;r ihn reichten sein Kommandeur und die „Alten“ aus...
Geld gab es bei den Vorfahren des Riesen niemals, leere Tasche hatte auch er jetzt. Die Geschichte kennte der fl;chtige Soldat sehr schwach und deshalb konnte er etwas ;ber den ;ltesten Beruf nicht sagen...
Das Dorf begann in die n;chtliche D;mmerung einzutauchen, als Kusnezow in die Wohnung des j;ngeren Genscher reingegangen war. Jener lag schon im Bett und las ein Buch. Als der Hausherr die bedr;ckende Art des Kommenden bemerkte, hat er ihn sofort gefragt:
- Wieso bist du heute so traurig, hat etwas nicht geklappt? Friedrich Iwanowitsch rief vor ein paar Stunden an und hat etwas von Ihrem Besuch des Restaurants erz;hlt. Der Alte sagte nichts t;dlichen voraus...
Die M;nner schliefen in dieser Nacht nicht. Alexander ;ffnete sich dieses Mal seinem Freund, aber nicht ganz. Dem alten Schmidt vertraute er mehr, als ihm. Die Reaktion des Aussiedlers auf die Beichte des S;nders unterschied sich sehr von der Reaktion des ehemaligen Lehrers. Sie war im bedeutenden Grade optimistischer, was eine bessere Stimmung der unterdr;ckten Riese brachte. Nikolai, der schon ein wenig getrunken hat, um sich "aufzuw;rmen“, fegte sofort einige Argumenten des alten Schmidt zur Seite weg. Er schnalzte geschickt mit dem Finger auf die Nase des Freundes und hat lustig gesagt:
- Ach, Sanek, unsere Verwandten... Sie lebten immer nach den sogenannten menschlichen Prinzipien... Und was ergab sich bei ihnen? Ja nichts, als einige das Bretzel bekamen, bekammen immer das Loch (die Luft) von ihm... Pers;nlich beschuldige ich dich nicht, dass du ein sch;nes Leben haben willst. Alle wollen es, sogar die Afrikaner... Ich war in Paris, dort in etwa zehn Metern vom Eifelturm hatte ein Afrikaner mit einem wei;en Weib im gr;nen Gras ein Geschlechtsverkehr vor Augen den Passanten der ganzen Welt... Wir sind auch Menschen. Du bist doch auch ein Mensch, und unterscheidest dich nicht von denen, die bei uns stehlen und uns betr;gen und wie Schweine fressen...
Nach diesen Worten hat er den fl;chtigen Soldaten aufmerksam angeschaut, jener schwieg aus irgendeinem Grunde. Das Schweigen hat ihn nicht aufgehalten, er hat dem Riesen lustig gezwinkert und gedehnt vorgesungen:
- Und wer m;-o-o-chtet kein-ein sch;-o-o-nes Leben, sa-a-ag mi-ir mei-ein Freund, sa-a-ag mi-ir mei-ein Freund...
Nach dem st;rmte Nikolaj zum K;hlschrank, aus dem er eine Flasche Wodka und ein Kochtopf mit der russischen kalten Kwasssuppe "Okroschka" herausgezogen hat... Die Freunde sind sp;t am Morgen eingeschlafen und sind nur zum Mittagessen aufgewacht. Vom Alexander war der gestrige Schreck wie mit der Hand weggefegt.
Er hat ;ber die philosophischen ;berlegungen von Friedrich Iwanowitsch und die praktischen R;te des Freundes nachgedacht und ist zum Schluss gekommen, dass sein Leben in der unweiten Zukunft nicht sehr schlecht werden kann. Noch einen gr;;eren Optimismus haben ihm die n;chtlichen Informationen des jungen Hausherrn gegeben, der vom realen Landleben und au;erhalb dessen Grenzen viel mehr, als der Mathematiker mit der philosophischen Neigung, wusste. Alexander, wie es ihm schien, hat sich in dieser Nacht selbst ;berboten. W;hrend der Feier klopfte er, wie ein stolzer Sperling, nach jedem ausgetrunkenen Glas, sich auf die Brust mit der m;chtigen Faust und wiederholte dabei eine und dieselbe Frage:
- Koljan, und wieso sind wir schlechter als andere, wieso schlechter? Ich will doch auch gut leben, ein Weib und eine anst;ndige Karre haben. Ich werde auch alles haben... Habe ich Recht?
Der Freund konnte auf seine ;berlegungen schon nicht mehr reagieren. Stattdessen ist er geschickt auf den Tisch gesprungen und fing an zu tanzen. Er wechselte plump auf dem Tisch den Platz und es war unverst;ndlich warum er sich mit der Faust auf den Kopf klopfte und mit der Hand die intime Stelle streichelte. Solches Verhalten brachte den halbbetrunkenen Alexander zum Lachen, der, wie auch sein Freund, ein Glas nach dem anderen mit russischer Wodka gern leerte und die russische kalte Kwasssuppe schl;rfte.
Die Spirituosen pressten immer mehr und mehr Informationen aus der "Melone" des Aussiedlers aus. Alexander ist sogar ein wenig n;chtern geworden, als er ;ber die fl;chtigen Soldaten erfahren hat, die vor einigen Jahren aus "der Schei;armee“ weggelaufen waren. "Die betrunkene" Information des Freundes hat seine Lebenskraft augenblicklich erh;ht und seine Angst vor der Strafe f;r das Vollzogene verkleinert. Es zeigte sich, dass in Deutschland bis heute Hunderte Entlaufenen aus WGT schlendern. ;ber sie spricht man
im Fernsehen und wird in den Zeitungen geschrieben. Die M;glichkeit ;ber die ehemaligen Landsleute zu l;stern haben auch einige russischsprachige Zeitungen nicht verpasst. In seinem Ged;chtnis hat sich eine Episode, die ihm Nikolai erz;hlte, von genauso einem Mitmenschen wie er, der die ;hnliche Lebensweise f;hrte, „gefestigt". Der Fahnenfl;chtige wohnte ganze f;nf Jahre im Auto, um den Deutschen oder den Russen nicht in die Klauen zu geraten. Aus seinem Kopf hat sich auch ein Fakt ;ber ein junges M;dchen, das in der Sowjetischen Armee diente, nicht gel;scht, die f;r das gl;ckliche Leben sich entschieden hat einen lokalen Deutschen, einen Invaliden, zu heiraten. Das Leben ohne Papiere war f;r die Fl;chtige eine echte H;lle, und der Kr;ppel hat sich als ein Schuft und ein Monster erwiesen. Er erledigte ziemlich oft speziell sein Gesch;ft im Bett, um die sch;ne Br;nette zwingen die Schei;e zu putzen. Sie ertrug das alles, schweigend hatte sie auch die sexuelle Lust des erzwungenen Mitbewohners ertragen. Von diesen Tatsachen hat sich Alexander entschieden noch etwas beim Erz;hler zu fragen, aber jener wollte keine Kommentare nochmals zu ;u;ern. Er hat nur erstaunt seinen Freund angeschaut und gesagt, dass er diese und anderen Klatsche f;r so viel verkauft, f;r wieviel er sie bei den Burschen in der Disko gekauft hat...
Nachdem der j;ngeren Genscher, w;hrend einer Sauferei dem Mieter ;ber Hunderte fl;chtige Soldaten der ehemaligen Sowjetischen Armee erz;hlte, verging eine Woche. In dieser Zeit haben die Freunde nicht nur ein Plan der gemeinsamen Handlungen ausgearbeitet, sondern auch etwas f;r die Einf;hrung des Riesen ins reale Leben des Landes gemacht. Durch seine Bekannten hat Nikolai erfahren, dass im benachbarten St;dtchen Liberos es feste «Schwarzarbeit» gibt. Der Besitzer der Disko brauchte nicht nur eine Arbeitskraft, sondern auch ein m;chtigen Burschen, der Ordnung unter der Jugend richten k;nnte. Alexander hat sich den Namen des St;dtchens schnell gemerkt, sowie auch des Chefs der Disko. Das erste Treffen des T;rstehers und des Besitzers hat im kleinen Anh;nger stattgefunden. Viele Deutsche nutzten diese Anh;nger w;hrend Ausfl;gen in die Natur. Vermittler im gesch;ftlichen Treffen war Nikolai, er war auch der Dolmetscher. Alexander war mit dem Ergebnis des Treffens zufrieden. Der Chef pers;nlich rief bei ihm ein gro;es Vertrauen nicht herbei, die Ursache daf;r war nicht nur die schlaue Physiognomie des bejahrten Mannes, sondern auch sein Hund. Der kleine Hund nieste st;ndig und reagierte aus irgendeinem Grund auf den Neuen bissig. Er hatte ;berhaupt keine Angst vor ihm. Eine Arbeitsstelle hat er gesetzlich und ohne Vermittler, den man auf die Pfote geben musste, bekommen. Deshalb h;rte er mit einer gro;en Aufmerksamkeit auf dem Weg nach Hause Nikolaj zu, der ihm von den Besonderheiten des Arbeitsmarktes in der historischen Heimat der Vorfahren erz;hlte. Alexander, der immer noch keine Erfahrung in dieser Sache hatte, verwunderte vieles. Er konnte immer noch nicht verstehen, warum der Deutsche ihm ;ber sein Gehalt nichts gesagt hat. Der Fahrer hat seine Bef;rchtungen ganz ruhig wahrgenommen. Er hat nach seiner Gewohnheit mit der Zunge geschnalzt und auf philosophische Weise gesagt:
- Du, Gr;nschnabel, in diesem Land bist du einfach ein Sklave, ein ungelernter Arbeiter... Die Beh;rden nennen es anders... Deshalb dar;ber zu fragen, wie viel dieser fette Deutsche mit seinem halbtoten Hund dir in deine Tasche legen wird, ist noch zu fr;h, sogar sehr fr;h...
Die Nacht vor dem Antritt an "die schwarze" Arbeit war f;r Kusnezow die k;rzeste und nicht weil, es Sommer war. Er war wieder in ernsthafte Gedanken eingetaucht. Er hat sich entschlossen das gastfreundliche Haus des Aussiedlers zu verlassen. Beim Fl;chtigen wurde es in der Kehle trocken, als er sich f;r einen Augenblick vorgestellt hat, dass er niemals mehr die Familien Genschers und Schmidts sehen wird.
Besonders hat er sich zu dem Friedrich Iwanowitsch angezogen gef;hlt, der, wie es ihm schien, etwas an seinen gefallenen Urgro;vater ihn erinnerte. Der Urenkel hat bis jetzt auch nichts f;r die Suche des Grabes des Vorfahren gemacht. Nikolaj hat die Entscheidung des Freundes ;ber das Weggehen ziemlich klug und richtig gefunden. Er hat den gro;en Burschen fest umarmt und mit Tr;nen in den Augen gesagt:
- Du, Landsmann, vergib mir f;r alles, was falsch war... Ich glaube, du musst weiter gehen... Gehe sehr vorsichtig, die Beh;rden m;gen es nicht, wenn jemand die Linie des Gesetzes ;bertritt...
Alexander reagierte auf die Warnungen des Freundes nicht schadensfroh. Er verstand sehr gut, dass er mit seiner Anwesenheit t;glich die Menschen gef;hrdet, die ihm nicht nur das Obdach gew;hrt haben, sondern auch viel mehr... F;r seinen Aufenthalt hat der j;ngeren Genscher kein Geld genommen. Er hat mit Kraft die Hand des Riesen zur;ckgeschoben, der versuchte das Geld in seine Tasche zu stecken, und hat ganz ernst gesagt:
- Sanek, bewahre diese Kopeken... Sie werden dir noch sehr n;tzlich sein... Deutschland ist ein teures Land, hier geschieht ohne Geld nichts... Merke es dir f;r immer....
Alexander wollte von seiner Absicht nicht zur;cktreten, er setzte fort mit der Hand in die Tasche des Freundes hineinzudr;ngen und redete ebenso ernst:
- Obwohl ich bettelarm bin, m;chte ich deine G;te nicht ausnutzen... Bald werde ich Millionen verdienen und dann werden wir mit dir feiern, wie die Reiche...
Nach dieser Schlussfolgerung hat er laut aufgelacht, es hat auch Genscher gelacht. Die jungen M;nner lachten nicht davon, dass sie einst wirklich Millionen verdienen k;nnen. Sie wussten sehr gut, dass sie in diesem Land niemals reich werden. Hier ist alles bereits erobert und verteilt. Die lebenswichtige Situation wusste jeder von ihnen im Voraus, wussten es auch viele andere... Der j;ngere Genscher, als ob er beabsichtigte ein Strich unter dem Ergebnis der unerf;llbaren Phantasien zumachen, hat mit einem sp;ttischen L;cheln durch die Z;hne gezischt:
- Sanek, ich strebe ;brigens nicht zu den gro;en Reicht;mern... Ich m;chte nicht Millionen haben und jede Stunde vor Angst vom Klo nicht herunterkommen. Mir w;rde es ;bel vom Geruch der Schei;e mit den Spuren des Betrugs und der Gewalt ganzer Generationen... Ich bezweifle auch nicht, dass die Satten einst „ihres Verdientes“ bekommen werden...
Dann hat er schadenfroh gelacht und f;hrte mit der Hand ;ber den Hals seines Freundes. Von dem unangenehmen Gef;hl ist jener etwas zusammengefahren und hat einen sauren Ausdruck gemacht.
Der fl;chtige Soldat mit dem umfangreichen Rucksack hinter den Schultern hat das gastfreundliche Haus des Aussiedlers fr;h am Morgen verlassen, die Gastgeber schliefen noch. In der linken Tasche seiner Hosen lagen genau zweitausend Mark. Noch zweihundert Mark befanden sich in seiner rechten Tasche, das Geld f;r den Aufenthalt hat Genscher doch nicht genommen. Dieses ganze Kapital hat der ehemalige Mieter w;hrend der Zeit, nachdem er das Milit;rst;dtchen in Dachbau verlassen hat, angespart...
Kapitel vier. Beigeschmack des Gl;cks.
Der erste Arbeitstag des russischen T;rstehers lief schief. Grund war das Fehlen der deutschen Sprache. Am Anfang machte der Inhaber der Diskothek, Herr Fischer, einen Rundgang durch die Objekte. Alexander musste au;er seiner Hauptarbeit, am Eingang stehen und auf Ordnung achten, noch nicht nur den riesengro;en Saal, wo etwa 500 tanzende Menschen Platz hatten, sondern auch weit ;ber deren Grenzen hinaus putzen.
Der Arbeitsaufwand entmutigte den jungen Mann in keiner Weise. Beim Erhalten von wichtigen Anweisungen richtete Alexander immer wieder seinen Blick auf den rothaarigen Chef. Der Deutsche sah in den Augen des russischen J;nglings Anzeichen der Ergebenheit und deshalb phantasierte er immer mehr und mehr. Er hatte keine Zweifel, dass dieser russische Dummkopf alles auf den Kopf f;r einen stinkenden Pfennig stellen w;rde. Der wollte wirklich sehr arbeiten. Das Geld in seinen Taschen verdampfte wie das Wasser unter der gl;henden Sonne.
Von der ersten Stunde seines Aufenthaltes an in den Objekten bemerkte der Riese, dass der lange Deutsche irgendwie f;r ihn keine Sympathie empfand. Der Alte sah seinen Arbeiter offensichtlich gleichg;ltig an, er suchte das M;tzchen seines kleinen H;ndchens. Es winselte wegen der Hitze langweilig. Die Unaufmerksamkeit gegen;ber seiner Person war ihm egal, er brauchte nur Geld. Er schaute immer die ganze Zeit ergeben dem Chef auf den Mund oder auf seine mageren H;nde, mit denen er ziemlich oft w;hrend der Anweisungen gestikuliert hatte. Kusnezow hatte den Inhalt der Anweisungen praktisch nicht verstanden, er hatte nur die ganze Zeit seinen Mund bis zu den Ohren ge;ffnet und gel;chelt. Sein blendendes L;cheln hatte dem Deutschen manchmal imponiert. Herr Fischer rieb sich mit gro;er Zufriedenheit seine H;nde, in seine Objekte waren nur Ausl;nder gekommen. Auch der russische Dummkopf hatte sich gefunden...
Nach einer Stunde Arbeit floss dem neuen „Sklaven“ der Schwei; wie in Str;men. Im Inneren des Zeltes und rundherum war so viel Schmutz, so viel wie es nie w;hrend seines ganzen Aufenthaltes im Klub in Neidjonowka gegeben hatte. Mit der D;mmerung kamen Z;ge von Jugendlichen zur Diskothek. Der Ordnungsh;ter, in schwarzem Anzug und wei;em Hemd mit einer gepunkteten Krawatte, unterschied sich sehr dadurch von denen, die zum Tanzen gekommen waren. Die Mehrheit, die gekommen waren, waren nachl;ssig gekleidet gewesen. Einige von ihnen erinnerten Alexander an den Penner „Onkel“ Wanja, der am Abend im Rayonzentrum „Isumrudnoje“ herumspazierte. Der neue T;rsteher hatte bei Beginn der Diskothek praktisch nichts gemacht. Er stand nur am Eingang mit einer verantwortlichen Physiognomie und schaute, schaute nur. Viele junge Leute versuchten, mit dem sch;nen Ordnungsh;ter ins Gespr;ch zu kommen, aber alles war nutzlos. Er antwortete nicht und blinzelte mit Eifer mit den Augen und mit solchem Eifer zeigte er auch mit der Hand in Richtung der Kasse und des Saales, woher laute Musik ert;nte. Der Tanz dauerte bis zum fr;hen Morgen. In dieser ganzen Zeit entfernte sich der T;rsteher nur ein paar Mal von seiner Arbeit und nur f;r nat;rliche Notwendigkeiten. Erst nachdem, als im Saal etwa zehn leidenschaftliche T;nzer geblieben waren, lockerte er sein Schauen. Er ging ohne besondere Eile um die Zelte herum spazieren. Pl;tzlich ert;nte von der Ferne ein lauter Pfiff.
Kusnezow schaute sich ungewollt um und sah auf dem Parkplatz einige Jungs. Sie standen neben einem Auto und stritten sich ;ber irgendwas. Er entschloss sich, auf all das nicht zu reagieren, aber pl;tzlich wiederholte sich der Pfiff. Er drehte sich wieder um, einer von den Jungs winkte hoffnungslos in seine Richtung.
Der T;rsteher ging ohne Lust zu den Jungs hin, es waren sechs Personen. Er bemerkte auch zwei M;dchen, die in einem neuen „Opel“ sa;en. Zum Herangekommenen sprang gleich ein Junge von kleinem Wuchs, der stark nach Alkohol roch. Der „Kurze“ gestikulierte lebhaft mit den H;nden und sprach irgendwas laut in deutscher Sprache. Kusnezow reagierte ;berhaupt nicht auf Aufforderungen oder Hinweise des versp;teten T;nzers. Er reagierte auch nicht auf die H;ndchen des Deutschen, die, wie es ihm vorgekommen war, sich gleich an seinem Hals oder Gesicht festklammerten. Das Gegen;berstehen dauerte nicht lange. Der junge Deutsche, am wahrscheinlichsten „Die Autorit;t“ der kleinen Gruppe, war letzten Endes total w;tend geworden. Auf seine Schimpfw;rter reagierte der Gro;e in keiner Weise. Der Alkohol hatte dem „Krirze“ Kr;fte f;r den weiteren Dialog mit dem T;rsteher verliehen, den er vor dem ;ffnen der Diskothek gesehen hatte. Daniel hatte schon damals verstanden, dass der Inhaber f;r den Abend eine neue Marionette gefunden hatte, die immer Ausl;nder gewesen waren. Aber dieses „Subjekt“ unterschied sich auffallend von vorherigen wei;en und schwarzen, jungen und alten. Der heutiger T;rsteher war sehr gro; von Wuchs und anst;ndig gekleidet und auch keine Missgestalt.
Die Sch;nheit und Sanftmut des besonderen Ausl;nders hatten den betrunkenen sehr ge;rgert und er hatte beschlossen sich zu „entladen“. Er zog seine Jeans noch weiter herunter und ging entschlossen auf den schweigenden „Riesen“ zu. An seinem Erfolg zweifelte er nicht, wie er auch nicht zweifelte, dass er nach dem Sieg Sex mit der sch;nen Angela haben w;rde, die im Auto sa;. Er machte paar Schritte vorw;rts, der „Stille“ reagierte nicht. Er reagiert auch dann nicht, als er dem „Riesen“ Zigarettenrauch ins Gesicht pustete…
Alexander stand und schaute mit Staunen auf das zweibeinige Wesen, das offenbar ;bertrieben hatte. In seiner Neidjonowka h;tte er ihm schon l;ngst die Z;hne ausgeschlagen.
Auch jetzt hielt sich der weggelaufene Soldat zur;ck. Er hatte sich f;r immer Genscher Juniors ;u;erung gemerkt, dass die Deutschen w;hrend der Arbeit nicht aus Vergn;gen l;cheln, sondern wegen der Angst sie zu verlieren.
Das hatte er jetzt genau verstanden und deshalb ertrug er weiter das Affenverhalten des J;nglings. Er blickte nur von dem „Kurzen“ auf seine „Mits;ufer“ und dann auf die M;dchen, die im „Opel“ sa;en. Alle “wieherten“ sie wie satte Pferde. Der „Kurze“ war ganz au;er sich. Er zeigte dreist mit dem Finger auf die Schulter des „Gro;en“ und z;hlte alle Nationalit;ten auf, die er kannte. Der gro;e Junge, wie der Deutsche feststellte, war kein T;rke und auch nicht aus Jugoslawien… Erst nachdem er das Wort „Russe, Schweine“ ausgesprochen hatte, gab es eine Reaktion vom T;rsteher und dazu eine sehr schnelle. Pl;tzlich befand sich der „Kurze“ in der breiten Hose in der Luft und „landete“ auf dem roten „Opel“. Alexander setzte mit ganzer Kraft das „zweibeinige Wesen“ hin, setzte es so stark hin, dass es einen bet;ubenden Knall oder Knirschen gab. Die jungen Deutschen schlossen aufgrund des unerwarteten Ausgangs, wie auf Befehl, ihre M;nder und h;rten auf zu wiehern. Pl;tzlich h;rte das Lachen auch im Auto auf. Die „Autorit;t“, die noch nicht ganz zu sich gekommen war, sa; bedr;ckt auf seinem Auto und schaute ;ngstlich in das w;tende Gesicht vom „Iwan“. An der Nationalit;t des russischen B;ren hatte er keinen Zweifel gehabt. Kusnezow war auch wirklich einem Tier ;hnlich, das man lange nicht gef;ttert und dann statt eines sch;nen fetten Fleischst;ckes einen abgenagten Knochen gegeben hatte. Jetzt hatte er sogar vor einer besoffenen Menge keine Angst, er war bereit, jeden zu ersticken, der sich traute ihn zu beleidigen. Dieser Missgeburt hatte er erlaubt, ihn zu beleidigen nur wegen der Angst, seine Arbeit zu verlieren… Das Entgegentreten des Russen der besoffenen Menge ging ziemlich schnell zu Ende. Alexander traute sich nicht, weiter seine F;uste zu gebrauchen, dar;ber hinaus hatten die Jungs Angst vor seiner Kraft bekommen. Ein gem;;iger Waffenstillstand hatte begonnen. Kusnezow beschloss, ihn zu nutzen und ging zu einem kleinen Tisch unweit vom Eingang in die Diskothek. Am Tischchen sa; er f;nf Minuten und knirschte immer mit den Z;hnen. Angst, als solche, hatte er keine gehabt. Im Falle eines ;berfalls von Jugendlichen hatte er vorgehabt, das Tischchen zu benutzen, dass er ohne Bedauern auf den K;pfen der Besoffenen zerschlagen h;tte. Zu seinem Gl;ck musste er das nicht machen. Nach einer Weile raste der rote „Opel“ mit einer verr;ckten Geschwindigkeit vom Platz und verschwand in der Dunkelheit, bald folgte ihm noch ein Auto…
In dieser Nacht hatte der T;rsteher wegen schlechter Laune nicht geschlafen. Er war sich sicher, dass morgen Herr Fischer Bescheid ;ber das Geschehen wissen w;rde. Wie er auch nicht gezweifelt hatte, dass bei der n;chsten Diskothek die Deutschen ihn nicht in Ruhe lassen w;rden. Das Gesetz der Menge galt auch hier, nicht nur in seiner Neidjonowka. Am Morgen weckte man den Neuen sehr fr;h. Die herbeigelaufene Deutsche, die nicht schlecht russisch konnte, ;berbrachte ihm die Bitte seines Chefs. Er sollte Wache am Haus der Mutter des Chefs stehen. Im Haus der Mutter sollte eine Firma die Wasserz;hler auswechseln. Einige von den Hinweisen hatte er verstanden, andere nicht. Er konnte nicht verstehen, warum er den Eingang von irgendwelchen Firmen bewachen sollte. Noch einmal bei der Frau nachzufragen, traute er sich nicht. Sein Chef mochte diejenigen nicht, die seine Anordnungen nicht gleich verstanden. Er konnte auch nicht ausschlie;en, dass die h;bsche Hausfrau nicht die Geliebte des Chefs ist und ihm alles sagen k;nnte. Letzten Endes kam Kusnezow zu einem eindeutigen Schluss. Er sollte die Handwerker in Empfang nehmen und in den dritten Stock, wo die alte Frau, Herrn Fischers Mutter wohnte, begleiten. Nach dem zustimmenden Nicken des neuen T;rstehers l;chelte die Deutsche und verschwand pl;tzlich. Sie war zufrieden, dass der Russe die Hinweise von Frau Emma Fischer verstanden hatte. Die Alte war in Sorge um ihr H;ndchen Kati, die die Handwerker h;tten wecken k;nnen. Deshalb hatte sie sich entschlossen, eine Wache aufzustellen, die sollte sehr vorsichtig klopfen, wenn die Handwerker kamen. Die Alte wie auch ihr Hund hatten au;er Nachtruhe noch tags;ber zwei Stunden „Staatsruhe“. Von 13:00 bis 15:00 Uhr herrschte in den Wohnh;usern des Landes Ruhe. In dieser Zeit stand alles still, besonders in diesen H;usern und Eing;ngen, wo Rentner wohnten. Sie verwendeten den „Zusatz“ hundert Prozent f;r den Schlaf. Die Ruhest;rer waren f;r viele Nachbarn richtige Feinde geworden. Frau Fischer hatte wegen sich keine Sorgen, im Laufe von neunzig Jahren lagen ihr Schlaf und Appetit in der Norm. Sie hatte nur Angst um ihre vierbeinige Freundin, die an diesem Morgen schlecht gefressen hatte. Der Hund hatte Bauchweh. „Kati“ hatte einige Mal Stuhl auf der gr;nen Wiese, auf der die ausgelassenen Knaben Fu;ball spielten. Kinder mochte die Alte nicht. Das H;ndchen Kati hatte sie sehr lieb, das hatte auch Angst vor diesen Knaben… Alexander ging zum Haus der Mutter seines Chefs drei;ig Minuten vor der angegebenen Zeit und hat gleich begonnen, gewissenhaft zu wachen. W;hrend des Hin- und Herlaufens h;rte er nicht auf, ;ber die Konsequenzen der gestrigen Schl;gerei nachzudenken. Am Vormittag hatte der Chef ihn nicht zu sich gerufen, es beruhigte ihn, aber machte ihn auch aufmerksam. Er schoss immer wieder mit den Augen die Passanten „an“ mit der Hoffnung, seinen Chef zu sehen und ihm seine Unschuld zu erkl;ren.
Der Handwerker der Firma kam p;nktlich um 13 Uhr. Alexander reagierte gleich auf den kleinen Bus, auf dessen Seiten verschiedene R;hren darauf gezeichnet waren. Aus dem Bus war ein junger Mann ausgestiegen und sicheren Schrittes in Richtung des Hauses gegangen, wo in der Hitze Kusnezow „weidete“. Die Wache ist mit seiner ganzen Geschwindigkeit dem Handwerker entgegengeeilt und hat ihn sehr laut in deutscher Sprache begr;;t. Der Deutsche, der in seinen H;nden eine Mappe und einen kleinen Koffer hatte, nuschelte etwas und ging in einer unabh;ngigen Art weiter zum Eingang, wo Frau Fischer wohnte. Alexander, der bereit war, seine Aufgaben flei;ig und gewissenhaft zu erledigen, ;berholte ihn und dr;ckte mit voller Kraft auf den Klingelknopf gegen;ber des Familiennamens seines Chefs. Um sicher zu gehen, dr;ckte er noch einmal, dann noch einmal… Nachdem sich die Eingangst;r ge;ffnet hatte, lief er rasch, wie auf Fl;geln, nach oben, um als Erster an der ersehnten T;r zu sein…
Die Visite bei der Mutter seines Chefs war die erste und die letzte in seinem Leben. Er hatte noch nicht die Wohnungst;r ge;ffnet, als vor ihm die alte Physiognomie der Mutter von Herr Fischer erschien. Dem Aussehen nach war die Alte hundert Jahre alt, nicht weniger. Als sie vor sich den gro;en Menschen sah, verwandelte sie sich pl;tzlich. Die Kinnbacken zitterten, die ;uglein brannten vor Hass, ihr Blick hatte die Physiognomie des Stehenden verschlungen. In diesem Moment hatte sie einer Toten ;hnlich gesehen. Alexander erstarrte vor Angst einen Moment. Er hatte immer noch nicht den Grund des seltsamen Verhaltens des ;lteren Wesens verstanden, dass auf seinen Armen einen kleines, mageres Hundchen mit gro;en h;ngenden Ohren hielt. Das Tier winselt faul und dr;ckte seinen kleinen Kopf an die magere Br;ste der Frau, die hin und wieder einen w;tenden Blick auf den Arbeiter ihres Sohnes warf, dann hat sie ihren grauen Kopf geneigt und k;sste z;rtlich das Tierchen auf die Nase. Aus den Augen der Alten flossen Tr;nen…
Unbekannt, was sp;ter passiert w;re, wenn hinter dem R;cken des Riesen nicht der Firmenmitarbeiter erschien, der froh l;chelte und entschlossen in die Wohnung ging. Vor ihm ver;nderte sich die Alte pl;tzlich. Sie gab ihm die Hand und bl;hte mit einem breiten L;cheln auf. Von dem „;berfluss“ an Z;hnen bei der Alten prallte Kusnezow ungewollt zur;ck. In diesem Moment schloss sich die T;r vor seiner Nase. Der Firmenmitarbeiter kam nach 10 Minuten heraus, der Riese hatte die ganze Zeit die T;r bewacht. Er wollte seine Arbeit bis zu Ende f;hren, wenn er auch nicht verstanden hatte, warum die Alte ihm gegen;ber so „gleichg;ltig“ und zum Firmenmitarbeiter so h;flich war. Der Klempner schaute den stattlichen Sch;nling an, der gehorsam auf dem Treppenabsatz stand, und sagte im perfekten Russisch:
„Nun, was, Russe… Ich sehe, dass du die ersten Schritte in diesem Land machst… Warum hattest du die Alte so ge;rgert? Und auch das Tier war mit dir unzufrieden…“
Alexander begann sich zu rechtfertigen:
„Ach, was habe ich und der Hund damit zu tun? Ich… ich… habe alles richtig gemacht…“
Der Firmenmitarbeiter ging die Treppe runter, Kusnezow folgte ihm.
Noch bevor er die Bust;r aufschloss, sagte der Fahrer:
„Du, Sch;nling, dich kann man gleich an der russischen Fresse erkennen… Ich, mein Landsmann, habe hier schon an die Zwanzig mitgemacht. Meine Fresse ist schon zugewachsen genau wie auch bei der Alten, die aus der Tschechoslowakei gekommen ist.“ Danach lie; der Deutsche aus der ehemaligen Sowjetunion den Motor an und verschwand hinter dem Haus. Alexander stand noch lange neben dem Parkplatz und dachte ;ber die Worte seines ehemaligen Landsmannes nach, den die Alte so h;flich begr;;t hatte. Wegzugehen, ohne sich von der Mutter des Chefs zu verabschieden, war er nicht bereit. Er wollte diese Frau wieder sehen und wollte sich einfach fixieren lassen, um beim Treffen mit dem Sohn in irgendeinem Ma;e sich f;r den gestrigen Vorfall zu entschuldigen. Den heutigen hatte er ;berhaupt nicht verstanden. Diesmal beschloss er, nicht auf die Klingel unten beim Eingang zu dr;cken, sondern einfach durch die offene T;r reinzugehen, durch die gerade zwei M;dchen gegangen waren. In k;rzester Zeit war er an der T;r und klopfte sehr vorsichtig an. Als die Frau des Hauses den verst;ndnislosen Russen vor sich sah, nahm sie pl;tzlich tierische Gestalt an und mit Speichel auf den Lippen begann wild zu schreien:
„Raus, raus, raus…“
Bis zur Dunkelheit lief Alexander in der Stadt herum. Sein Kopf dr;hnte ihm von der nervlichen Anspannung, bei ihm ging alles schief. Er rief sich das gestern Abend und heute Geschehene bis ins kleinste Detail ins Ged;chtnis zur;ck. Die Schlussfolgerung war nicht zufriedenstellend. Der Chef w;rde nie die nervliche Ersch;tterung seiner Mutter entschuldigen. Die Mutter hatte Angst gehabt, dass der Klempner mit seinem Klingeln die Ruhe ihres lieben Hundchens Kati st;ren k;nnte und deshalb hatte sie sich entschlossen, den Russen als Wache hinzustellen. Die gute Absicht der Deutschen hatte der Russe erst jetzt verstanden, aber es war zu sp;t. Die Auseinandersetzung mit den Jugendlichen, im Vergleich zu diesem Vorkommnis, stand an zweiter Stelle. Den Wunsch, alles hinzuschmei;en und auch seinen Chef, verfolgte immer mehr und mehr Alexander. Er ging entschlossen in Richtung seiner bewohnbaren Unterkunft. Das Licht im Wagen, der neben dem Zelt stand, anzuschalten, traute er sich nicht. Tastend ;ffnete er die Schrankt;r, nahm danach drei W;rstchen und drei Br;tchen raus. Dieses Tagesessen hatte ihm der Hausherr f;r seine Arbeit festgelegt. Die Verpflegung f;r den Neuen war sehr d;rftig, zu sparen am eigenen Leib hatte ihn das Leben gezwungen. Er hatte beim Deutschen jetzt die Probezeit gehabt. Die Dauer der Probezeit wie auch sein Gehalt f;r den T;rsteher war ein Geheimnis „unter sieben Siegel“. W;hrend seiner ;berlegungen merkte er nicht, wie er auf einmal alle seine Essensvorr;te ohne Trinken aufgegessen hatte. Der Beschluss, von dem Inhaber der Diskothek wegzugehen, war f;r diesen halbhungrigen Russen eindeutig. An den reichen Deutschen hatte er keine Frage mehr gehabt...
Auf den Bahnsteig eines kleinen Bahnhofes war es menschenleer und still, was den Weggelaufenen sehr verwunderte. Auf dem Bahnsteig und im Bahnhof von Isumrudnoje waren immer Tag und Nacht Menschen. Hier war er ganz alleine. Mit Rucksack spazierte er fast zwei Stunden ziellos rund um den Bahnhof herum und in den anliegenden Stra;en und traf niemanden. Vom Nichtstun und von der Ziellosigkeit ging es im ganz schlecht, irgendwelche L;sungen und neue Gedanken gab es im Kopf auch nicht. Kusnezow beschloss, sein Spaziergang zu verl;ngern. Neben der Tankstelle, die sich ganz am Ende des St;dtchens befand, hatte seine Aufmerksamkeit eine nicht gro;e Karte der Stadt und der Umgebung geweckt. Der ;stliche Teil der Karte gefiel dem Riesen mehr, dort gab es mehr W;lder, gab es auch einen See. Das wilde Leben in der j;ngsten Vergangenheit hatte ihn wieder gelockt und nicht nur wegen der frischen Luft. Der weggelaufene Soldat und Milit;rverbrecher, als den er sich immer betrachtete, hoffte, im Wald Nahrung und Schutz zu finden…
Zum Wald, der nicht weit weg vom See war, wo Alexander vor;bergehend bleiben wollte, erreicht er erst nach l;ngerer Zeit und mit Vorsicht. Mit der letzten S-Bahn fuhr er zu der kleinen Station „Kinderblumen“, weiter ging er zu Fu;. Unterwegs gelangte er in ein Dorf, aber traute sich nicht dort zu ;bernachten. Die Siedlung war nicht besonders gro;, alle H;user sah man wie „auf der Handfl;che“. Angst hatte er auch vor der Jugend, die neben dem Kulturhaus l;rmte. Der Reisende wollte keine Zwischenf;lle und ging mit sicherem Schritt in Richtung See. Nach zehn Minuten erblickte er den Wald und beschleunigt seinen Gang. Als er den Waldrand erreichte, blieb er pl;tzlich stehen. Der Nachthimmel, der bisher dunkel war, wurde auf einmal hell und rosarot vom Blitz, ein lautes Donnern war zu h;ren. Kurz darauf kamen gewaltige Wasserstr;me auf die Erde herunter, der Wald rauschte vom starken Wind und st;hnte sogar. W;hrend des Ansturms der Naturkr;fte lie; sich Alexander auf den Boden herunter und weinte bitter, in diesem Riesenwald hatte er Angst, hineinzugehen. So eine Angst hatte er schon lange nicht mehr gehabt, der Wald war immer sein Freund und eine sichere Unterkunft gewesen. Der starke Windsto; und die gewaltigen Wasserstr;me, die auf Mensch und Wald runtergekommen waren, waren schnell vorbei. Statt des vorher rosaroten Himmels gab es eine gro;e Decke von dunkelblauen Wolken. Ringsum war Stille eingetreten. Der Eremit lag ganz nass und m;de im Gras und hatte Angst sich zu bewegen, jetzt hatte er vor allem und vor allen Angst. Nach einer gewissen Zeit schlief er ein, schlief wie ein Toter, als w;re diese Nacht f;r ihn die letzte auf der Erde…
Er wachte fr;h am Morgen auf. Auf der Erde herrschte immer noch Dunkelheit. Die Angst ging f;r eine Weile bei dem erwachten Menschen weg und er rannte in die vor ihm aufbrechende Dunkelheit. Je weiter er in den Wald rannte, desto ;ngsticher wurde er. Vor Angst blickte er sich nach allen Seiten um. Es kam ihm vor, als versteckte sich irgendwer im Gras oder im Busch. Angst jagten ihm auch die hohen Kiefern, ie auf ihn fallen und zerdr;cken wollten. Er bewegte immer schneller und schneller seine F;;e und H;nde, um die Angst zu vertreiben. Dann wurde er langsamer und blieb stehen. Nach einer kurzen Pause lief er wieder weiter. Aber die Kr;fte schwanden ihm immer mehr und mehr. Neben einer gro;en Kiefer lie; er sich aufgrund der M;digkeit auf die F;;e herunter und begann tastend altes Gras f;r ein Bett zu ziehen. Nach kurzer Zeit schlief er ein… Die helle Morgensonne holte den weggelaufenen Soldaten ins Leben zur;ck. Das Naturlicht hatte ihn nicht nur geweckt, sondern auch erschreckt. Als er die Augen ;ffnete, konnte er erst gar nicht richtig zu sich kommen. Er dachte, dass jemand ihm mit der Taschenlampe in die Augen leuchtete. Kusnezow sprang auf und griff genau so schnell mit beiden H;nden hinter den Kopf in der Hoffnung, dort eine Maschinenpistole zu finden. Eine Waffe hatte er neben sich nicht gehabt, es gab auch nicht Kaschtanka. Nach f;nf Minuten war er wieder ganz zu sich gekommen… Als ihm bewusst geworden war, dass er heute wie auch gestern ein Verbrecher blieb, brachte diese Tatsache ihn zur Verzweiflung. Er lie; sich langsam auf den R;cken hinunter und schaute durch Tr;nen auf die Sonne. Hoffnungslosigkeit und Apathie zum Leben herrschten in seiner Seele fast bis zum Mittag. Unklar, wie lange bei ihm so ein Zustand gedauert h;tte, wenn er auf seinem Weg nicht eine kleine H;tte gefunden h;tte, wie sie J;ger ziemlich oft als Hinterhalt gegen Enten oder Tiere bauten. Der Fl;chtling entschloss sich hier zu bleiben. Bis zum Mittag hatte er schon eine neue Bleibe, die war fast nicht schlechter als die, die ihm Fischer zur Verf;gung gestellt hatte. Alexander freute sich auch ;ber den See, der sich dreihundert Meter von der H;tte befand. Er hatte auch schon die Umgebung durchforscht, gro;en Verkehr gab es nicht in der N;he. Eine bestimmte Gefahr war vom Anfang an das deutsche Dorf, dass sich f;nf Kilometer vom See entfernt befand. Diese Siedlung mit schwer auszusprechendem und unverst;ndlichem Namen umkreiste er zwei Mal, um wichtige Objekte zu finden. Die Polizei und andere gef;hrliche Subjekte hatte er nicht ausgemacht. Sowjetische Milit;robjekte in dieser Gegend zu suchen, w;re nach seiner Meinung ein Unsinn. Zum Abend hatte er sich v;llig beruhigt. Und nicht ohne Grund. Eine Bleibe hat er gehabt, voll war auch sein Magen. Der Einzelg;nger hatte gut im Gesch;ft des Dorfes eingekauft. Delikatesse hat er nicht gekauft, Geld gespart. Er wollte jetzt mehr auf Gewerbe (Fischfang u. a.) setzen. Der See war nicht nur sehr sch;n, sondern auch reich an Fisch. Er hatte Gl;ck. Im Busch, der zehn Meter vom Wasser weg war, hatte er eine selbstgemachte Angel mit zwei Haken gefunden. W;rmer zu beschaffen war leicht. Hier hat er auch eine verru;te Kasserolle gefunden. Daran, dass dies alles einem Landsmann geh;rte, zweifelte der ehemaliger Soldat nicht. Wegen dieses Fundes sprang er vor Freude fast hoch. Nach l;ngerem Putzen mit Sand und Grass war das Geschirr fast wie neu. W;hrend der Arbeit bedankte er sich in der Seele bei den sowjetischen Soldaten und Offizieren, die ihre freie Zeit in der Natur verbracht hatten und frische Fische schmausten. Ohne Fische blieb er auch nicht. Er hatte es geschafft, bevor er zum Schlafen ging, am neuen Platz einige nicht gro;e Fischchen zu fangen, deren Namen er nicht kannte. Der Junge hatte in Sibirien selten gefischt und schrieb alle gefangenen Fische den Karauschen zu. Das Fischhandwerk hatte er auch nicht vollst;ndig bei F;hnrich Tschernow erlernt. Diese Nacht schlief der Fl;chtling ruhig. Er hatte zum ersten Mal in seinem Leben vor dem Schlafengehen gebetet, sein eigenes Gebet. Den Inhalt irgendeines Gebetes kannte er nicht, den hatte ihn niemand gelehrt. Die Lehrer in der Schule hatten alle einstimmig behauptet, dass es einen Gott nicht gibt. Alle Sch;ler stimmten dem zu, er bildete auch keine Ausnahme. Petjka Sorokin, der Tischnachbar, glaubte an Gott und musste daf;r ziemlich oft b;;en. Er war zwei Jahre ;lter als Sanjka und hatte oft geweint, wenn er zum jungen Riesen spielen kam. Es verging keine Woche, dass Petjkas Eltern nicht in der Schule bei Direktor oder Dorfverwaltung eingeladen wurden. Sie wurden ;berall beschimpft, dass ihr Sohn nicht nach sowjetischer Art lebt. Die ;lteren Sorokins tranken keinen Selbstgebrannten, sie hatten auch keinen Fernseher. Der junge Sorokin war kein Oktjabrjonok und auch kein Pionier, lernte trotzdem gut. Sanjkas Eltern hatten nie in den Gott geglaubt und deswegen waren sie misstrauisch gegen;ber den gl;ubigen Siedlern. Sanjkas Mutter begann an Gott zu glauben erst dann, als Nikolaj, ihr Mann, verschwunden war. Sie ging zu den Nachbarn und nahm eine kleine Ikone. Sie stellte die Ikone in die vordere Ecke, danach faltete sie ein kleines Blatt Papier auseinander und begann das Gebet zu lesen. Der Sohn hatte es zuf;llig verfolgt und Tr;nen auf dem Gesicht der Mutter gesehen. Er hatte in dieser Zeit keinen gro;en Wert auf Tr;nen und Gebete gelegt. Er hatte sich mehr auf die Miliz verlassen, die versprochen hatte, den Vater zu finden. Zeit verging, der Vater war immer noch nicht da. Die Gleichg;ltigkeit zum Gebet verfl;chtigt sich beim jungen Mann immer mehr und mehr … Den Wunsch, vor dem Schlafengehen zu beten, wurde am st;rksten durch Erinnerungen an seine Kindheit und an seinen Geburtstag hervorgerufen. Die Mutter hatte oft erz;hlt, wie ihr Sanjka auf die Welt gekommen war. Der Junge wurde im Herbst, Ende September, damals war ein hei;er Tag, geboren. Bei der Entbindung war die Mutter der Nachbarin Darja Sorokina dabei. Die Alte Akulina hat dabei gebetet und den Gott gebeten, dass Kusnezows Kind gesund, gro; und sch;n aufwachsen sollte. Die Eltern dankten oft der Hebamme f;r die Gebete: der Sohn wuchs nicht nur jeden Tag, sondern jede Stunde. Sanjka war mit f;nfzehn Jahren der Allergr;;te in Neidjonowka, auch in Bezug auf Sch;nheit war er nicht zu kurz gekommen.
Aber sein Kopf „lahmte“ etwas. Das hatten alle D;rfler zugegeben, einiges hatte er auch selbst zugegeben. Am meisten litten die Eltern unter seinen Absonderlichkeiten, f;r die er immer ein leibliches und teures Kind war. Zum Geburtstag kauften sie immer dasselbe Geschenk - gezuckerte Kondensmilch.
Die Dosen mit dem blauen Aufkleber standen auf den Regalen zu allen Zeiten und bei allen Verwaltern. Sanjka hatte immer darauf gewartet und sich ;ber sein ;bliches Geschenk gefreut. Die Mutter kaufte an diesem Tag immer zwei Dosen gezuckerte Kondensmilch. Das Geburtstagkind nahm mit einem L;cheln gleich beide Dosen, danach „wog“ er sie mit H;nden. Die „leichtere“ nahm er f;r sich, die „schwerere“ gab er den Eltern. Der Inhalt des Geschenkes war blitzschnell alle. Der Junge bohrte mit einem scharfen Pfriem in den Dosendeckel einige L;cher und saugte gleich die Milch aus. Die Eltern hoben einen Teil vom Geschenk des Sohnes bis zum Abendessen auf, damit er auch am Abend seinen Lieblingsschmaus hatte.
Die Erinnerungen an die Eltern riefen in dieser Nacht beim Fl;chtling auch eine gute Geste zu Gott hervor. Mit seiner Hilfe hatte sich wieder ein Hoffnungsf;nkchen f;r die Zukunft angez;ndet…
Aus seiner „Wohnung“ kam Kusnezow erst am Mittag heraus, kam nur im Slip heraus und ging vorsichtig in Richtung See. Am Ufer gab es zwei Br;ckchen, von ihnen konnte man nicht nur ins Wasser springen, sondern sich auch darauf sonnen. Vor dem Badengehen durchforstete der Fl;chtling die Umgebung gr;ndlich. Die Angst vor der deutschen Polizei und Milit;rstreife zwang ihn, das immer und ;berall zu machen. Um den See herum gab es keine Gefahrenquellen. Nur in der Seemitte bemerkte er einen Menschen, der ruhig auf einer aufblasbaren Matratze lag und genau so ruhig mit den H;nden im Wasser planschte. Alexander wollte abwarten und nichts riskieren. Er setzte sich runter und versteckte sich im dichten Gras, das um den See herum wuchs. Nur an den Br;ckchen war das Gras akkurat gem;ht. Der im Versteck Sitzende wusste selber nicht warum er den, der auf dem Schwimmmittel auf der Badematratze sich sonnte, beobachten wollte. Er kroch sehr vorsichtig nach Milit;rart in Richtung des in der N;he liegenden Br;ckchens. Er war sich sicher, dass der Schwimmer oder die Schwimmerin letztendlich hier heranschwimmen w;rden. Das andere Br;ckchen, das sich auf der anderen Seite des Sees befand, schloss der Fl;chtling aus irgendeinem Grund aus. In seinen Vermutungen lag er nicht falsch. Nach zwanzig Minuten n;hert sich das Schwimmmittel, auf dem ein Mensch lag, dem Ufer. Kusnezow, der sich hinter dem Busch versteckte, schaute angespannt den an, der ruhig, der wie auch vorher, auf dem Bauch lag und langsam mit den H;nden ruderte. Erst danach, als das Mittel am Br;ckchen anlegte, hatte der Riese keine Zweifel mehr. Auf der aufblasbaren Matratze befand sich ein M;dchen. Schon f;nfzig Meter vom Ufer aus konnte er ihre langen schwarzen Haare sehen, die von ihrem Kopf herunter hingen, und ihre Lockenspitzen strichen manchmal das Wasser. Das M;dchen stand schnell von der Matratze auf und betrat leicht das Br;ckchen. Vom Gesehenen schrie Alexander fast. Sie war nackt. Die Sonnenstrahlen spielten auf ihrem braungebrannten und sehr schlanken K;rper. Die Unbekannte schritt fest mit ihren schlanken Beinen auf dem Holzbelag, beim Gehen wippten ihre straffe Br;ste leicht … Beim unerwarteten Erscheinen dieses sch;nen M;dchens wollte Kusnezow Atem holen und bewegte leicht den Fu;. Pl;tzlich gab es ein Knirschen, unter seinem Fu; brach ein trockener Ast oder etwas Anderes. In diesem Moment blieb die Nackte stehen und war verbl;fft… Zehn Meter von ihr weg sa; im Busch ein unbekannter Mann, vor Angst schrie sie laut auf und warf sich schnell ins Wasser. Alexander stand auf und erstarrte f;r einen Moment. Er konnte immer noch nicht verstehen, warum die nackte Schwimmerin wieder sich in den See geworfen hatte. Nach einer Zeit h;rte er einen schrillen Schrei, das war ein Hilferuf. Kusnezow war sich sicher, er sprang aus seinem Versteck hervor und rannte weiter zum Br;ckchen. Zwanzig Meter vom Ufer weg sah er das M;dchen, das wirklich am Ertrinken war. Die Arme schlug stark mit den H;nden ins Wasser und schaffte um sich herum eine gro;e Spritzfont;ne. Sie hat ab und an f;rchterlich um Hilfe geschrien. Der Riese dachte nicht lange nach, machte einen Anlauf und stie; sich mit allen Kr;ften vom Br;ckchen ab. Zehn Meter war er im Wasser gelaufen, bis das Wasser ihm bis zum Hals reichte. Einen Augenblick blieb er stehen, blieb stehen in dem Bewusstsein, dass er selbst nicht so richtig schwimmen konnte. In Neidjonowka gab es keinen Fluss, in seiner Kompanie hatte er nur zwei Mal Schwimmunterricht. Der Sch;tze hatte zweimal Ungen;gend bekommen, ungeachtet dessen, dass der Zugskommandeur ihn mit einem dicken Kn;ppel angetrieben hatte. Das Schwimmen des starken Sibiriers hatte bei den Zuschauern in Milit;runiform nur ein Gel;chter hervorgerufen. Der Untergeordnete des Hauptmanns Makarow konnte ohne Problem Wasser schlucken, wenn da nicht seine Gr;;e gewesen w;re…
Jetzt hatte er keine Zeit dar;ber nachzudenken. Auch ihm hatte der Tod gedroht. Er, als h;tte er ihn geahnt, entschloss sich zu handeln, zu handeln, um sein Leben zu retten und das Leben derer, die aus Angst vor dem Unbekannten sich ins Wasser geworfen hatte. Alexander w;hlte mit gro;er M;he das Wasser um sich herum mit H;nden auf und zuckte gleichzeitig mit den F;;en. Nach einigen Augenblicken sp;rte er, dass sein starker K;rper sich etwas vorw;rts bewegt hatte. Das hatte ihm Vertrauen in seine Kr;fte gegeben, dass er das M;dchen retten konnte, das immer noch schrecklich schrie. Ihr Kopf verschwand mal und tauchte dann wieder auf. Bald schwamm er zu ihr heran und schrie laut in russischer Sprache:
„Fass mich am Hals an, nur schneller… Schneller… Kusnezow konnte nichts mehr sagen, ihn selbst zog es unter das Wasser. Aus Angst, unter dem Wasser beerdigt zu werden, schlug er verzweifelt ins Wasser. Es half ihm nicht, sein Kopf tauchte ab und zu unter Wasser. Die Angst vor dem heranr;ckenden Tod forderte den jungen Mann wieder auf, ruhig und vern;nftig zu handeln. Dazu hatte noch in der Kindheit Jurka Basargin, sein Mitsch;ler, ein richtiger K;nig eines nicht gro;en Brunnens, aufgerufen. Der hatte immer und ;berall Abenteuer im Wasser gesucht. Es war ein vernachl;ssigter alter Brunnen, der sich im Nachbardorf befand. Der Junge sprang in dieses Loch ohne jegliche Sicherung. Sanjka Kusnezow, der Allergr;;te aus seiner Klasse hatte Angst vor dem Wasser gehabt… Die Ertrinkende hielt sich schnell mit einer Hand am M;nnerhals fest, mit der anderen Hand hatte sie begonnen, langsam zu rudern. Alexander, als w;ren zu ihm nach dem Willen Gottes die Kraft und Ruhe zur;ckgekehrt, folgte dem Beispiel des M;dchens. Die jungen Leute kamen erst zu sich, als sie am Ufer angekommen waren. Kamen an und lie;en sich gleich auf die Erde fallen. Sie lagen auf dem Boden, eine Handl;nge entfernt und atmeten schwer. Niemand von beiden wollte die Auge ;ffnen und nicht nur, weil die Sonne hell schien. Der Junge und das M;dchen lie;en in ihren K;pfen all die schreckliche Revue passieren, was mit ihnen vor einigen Minuten h;tte passieren k;nnen. Und das Allerschrecklichste f;r die Menschen hie; Tod. Kusnezow, der am Ufer zwei Meter weg vom Wasser lag, hatte noch nicht vollst;ndig die Bedeutung seiner edlen Tat begriffen. Er konnte immer noch nicht glauben, dass er lebte und wie fr;her atmen und denken konnte. Der Gedanke dar;ber, dass er und keiner Anderer, der Grund der Handlungen der Unbekannten war, die sie fast zum unsinnigen Tod brachte, zwang ihn, die Augen zu ;ffnen und das M;dchen anzuschauen. Er ;ffnete seine Augen halb und hob vorsichtig den Kopf und senkte ihn gleich wieder. Die Unbekannte lag neben ihm mit geschlossenen Augen und weinte leise. Aus den Augen flossen Tr;nen…
Die hellen Sonnenstrahlen machten sich immer st;rker bemerkbar. Kusnezow dachte schon an niemanden und an nichts mehr. Sein gesunder und starker K;rper hatte sich erholt, erholt hatte sich auch seine Seele. Er erhob ungewollt seinen Kopf und staunte. Das junge M;dchen mit den langen schwarzen Haaren lag weiter ruhig, als ob um sie herum niemand gewesen w;re. Sie hatte nur etwas ihre schlanken Beine unter sich geschlungen, als wollte sie ihre Nacktheit verstecken.
Kusnezow wurde etwas mutiger und erhob sich wieder vorsichtig. Er hatte in seinem Leben noch nie so nah einen nackten Frauenk;rper gesehen. Das ruhige Verhalten der jungen Dame brachte immer mehr und mehr seine sexuellen Gef;hle in Wallung... Er richtete immer mehr und mehr seinen aufmerksamen Blick auf ihr Gesicht. Es war sch;n, mager und etwas l;nglich. Er konnte nur ihre Augen nicht sehen, sie waren fest geschlossen. Um sich etwas abzuk;hlen und seine Anst;ndigkeit zu zeigen, legte er sich auf den R;cken. Nach f;nf Minuten erhob er sich wieder. Er hatte keine Zweifel, seine sch;ne Nachbarin schlief. W;hrend des Schlafens schluchzte sie leise auf und manchmal seufzte sie schwer. F;r Alexander sah es so aus, dass es ihr schlecht ging und er kam schnell wieder auf die Beine. Er stand so schnell auf, dass bei ihm irgendwas knirschte und zwar im linken Fu;. Er hatte erst jetzt verstanden, dass sein Organismus als Anfangsschwimmer unter diesen extremen Bedienungen eine sehr schwere Belastung ertragen musste. Aber ihm war es jetzt nicht nach Wehwehchen. Der Mann mit der kr;ftigen Figur und den au;ergew;hnlichen Kr;ften betrachtete aufmerksam den nackten K;rper des schlafenden M;dchens. Er schaute ihn sehr ruhig an und bewunderte ihn. Der K;rper war wirklich sehr jung und sehr zart. Er hatte sogar bemerkt, dass die, die er gerettet und sein eigenes Leben riskiert hatte, sehr auf sich achtete. Die N;gel auf ihren sch;nen Fingern waren akkurat geschnitten und rot lackiert. Er hatte sein Blick auf ihr Gesicht gerichtet, dann nach unten, noch weiter nach unten… Sein Blick blieb auf der Scheide stehen, die mit schwarzen lockigen Haaren…umgegeben war. Weiter das alles anzuschauen, konnte er nicht mehr. Er lie; sich augenblicklich auf den Sand herunter und spreizte mit L;wenkr;ften die schlanken Beine des M;dchens auseinander. Fast gleichzeitig schob er sein Glied in die Scheide hinein und dr;ckte leidenschaftlich seine Lippen auf die Lippen der Unbekannten…
Erst nachdem sich am Himmel Wolken bildeten und es anfing zu nieseln, liefen die jungen nackten Leute in den Unterschlupf des Fl;chtlings. In der ganzen Zeit, als sie sich geliebt und unter der Sonne gelegen hatten, sagt keiner von ihnen ein Wort. Jetzt lachten sie und schauten sich ohne Scham gegenseitig an. Kusnezow konnte nicht verstehen, warum die nackte Sch;nheit lachte. Sein Gesicht wurde rosa, als das M;dchen einen leidenschaftlichen Blick auf ihn richtete, die seine erste Liebe ihn seinem Leben wurde. Gegen Abend jagte ein starker Wind die schwarzen Wolken auseinander und das Wetter wurde sch;n.
Die Unbekannte kam aus dem Versteck heraus und ging zu einem Baum am Ufer des Sees, wo in einer gro;en Tasche ihre Kleider lagen. Alexander begleitete die Deutsche nicht, er schaute nur sehns;chtig seiner ersten Liebe nach. Von dieser Feststellung wurde es ihm in der Seele leicht. In dem fast Vierteljahrhundert, das er auf der Erde lebte, war er noch nie so gl;cklich wie heute gewesen. Die Freudengef;hle fegten wie ein starker Wirbel oder Orkan in einem Augenblick alle seine Probleme und Sorgen weg. Er lie; sich schnell in sein selbstgebautes Bett fallen und ist sofort eingeschlafen. An diesem Abend verga; er das Beten…
Erika Kr;ger kehrte in die „Wohnung" zu ihrem Retter erst nach drei Tagen zur;ck, wenn auch sie fr;her hatte kommen wollen. Den Wunsch, wieder in den Armen des jungen und sch;nen Russen zu liegen, hatte sie am selben Abend, als sie duschte und den Morgenmantel anzog. Sie ging oft zum Kleiderschrank mit dem Ziel, sich die sch;nsten Kleider herauszusuchen. Ging zu ihm, ;ffnete den Schrank und machte ihn wieder zu. Sie war sich so lange unsicher, bis sich die dunkle Decke der Sommernacht auf das kleine Dorf heruntergelassen hatte. Sie k;nnte dem Russen auch in der Nacht eine Visite machen, wenn es nicht die dunklen Wolken und den feinen Regen gegeben h;tte.
Den lange anhaltenden Regen mochte Erika nicht. In der Regel hatte sie an diesen Tagen in der Schule nichts gemacht, so auch im Werk, wo sie das K;chengeschirr mit der Glasur abdeckte. Viel Geld hatte sie nie gehabt, materiell konnten ihr auch ihre Eltern nicht helfen. An ihre Mutter konnte sie sich nicht erinnern, sie starb ein Jahr nach ihrer Geburt. Bald hatte der Vater eine andere Frau ins Haus gebracht, aber mit ihr war kein Leben. Die erwachsen werdende Tochter hatte ihn nie danach gefragt, warum er allein lebte. Er starb einen Monat vor dem Fall der Mauer. Der Ingenieur hatte mit gro;er Energie den Sozialismus auf deutschem Boden mit aufgebaut, auch mit solcher Energie ihn 1989 zerst;rt. Als noch relativ junger Mann starb er nach dem dritten Schlaganfall. Er starb an dem Tag, als Erika achtzehn wurde. Die Tochter ging statt des Vaters auf die menschenvollen Stra;en. Sie klopfte mit Tr;nen in den Augen und bis zu Schmerzen mit ihren kleinen F;usten an die verhasste Mauer und trank in dieser unvergesslichen Nacht das Bier dieses Landes, das sie vor kurzem noch gelehrt wurde, nicht zu lieben und im Gegenteil sogar zu hassen… Die Euphorie des satten Kapitalismus verschwand bei der jungen Arbeiterin schnell. Nach einem halben Jahr hatte das kleine Werk geschlossen, sie blieb ohne Arbeit. Aber an diesem Abend gab es im Kopf der sch;nen Br;netten viel mehr frohe als tr;be Gedanken. Die Quelle ihrer Freude war der junge Mann, den sie ganz zuf;llig am See getroffen hatte. Er hatte sie sehr erschreckt und gleichzeitig vorm Tod gerettet und nicht nur das. Erika, die in einem weichen Bett lag, hatte f;r einen Moment diese Welt „verlassen" und war wieder im Meer leidenschaftlicher K;sse und Liebe, die ihr der unbekannte Mensch gegeben hatte. Sie hatte, als sie heute am Ufer unter der brennenden Sonne lag, nicht gemerkt, wie sich ihre Augen geschlossen hatten, wegen der Angst und M;digkeit, als sie um Hilfe gerufen und mit den H;nden ins Wasser geschlagen und gew;nscht hatte, um Ufer zu sein. Ihr Retter war gerade der, der unverst;ndlicherweise hinter einem Busch sa;. Je mehr sie ;ber ihn nachdachte, desto sicherer war sie sich in ihrer Vermutung. Der, der ihr als Erster die helfende Hand reichte, war ein russischer Junge. Davon war sie gleich ;berzeugt, als er ihr etwas am See laut zu schrie. Worum der starke Mann gebeten und was geschrien hatte, konnte Erika damals nicht verstehen. Die Angst beherrschte ihre Seele und ihr Herz. Jetzt hatte sie ruhig dar;ber nachgedacht, warum der Russe sich an dem See befand. Aus dem Kreisgebiet Zunden waren die sowjetischen Milit;rs vor fast zwei Jahren weggegangen. In den Jahren ihres Aufenthaltes hatte sie einiges ;ber die Gewohnheiten der Russen erfahren. Vor nicht so langer Zeit waren sie in der Regel an den See in gro;er Gesellschaft oder auch zu zweit gekommen. Sie hatten sich selten allein erholt oder getrunken. Vieles aus dem Leben der sowjetischen Armee hatte sie auch vom Vater erfahren. Hans Kr;ger hatte bei der Bahn gearbeitet und war mit dem Transport russischer Technik und Personals zu Milit;r;bungen besch;ftigt. Er hatte seine Tochter in den russischen Laden mitgenommen. Erika liebte russische Waffeln, dem Vater gefiel der russische Wodka… Alexander wartete ungeduldig auf Erika und ging ziemlich oft am See herum. W;hrend der Zeit ihrer Abwesenheit war er zwei Mal im in der N;he liegenden Dorf Springer. Er dachte, dass sie gerade hier wohnen k;nnte. Das sch;ne M;dchen mit den langen schwarzen Haaren hatte er auf der Stra;e nicht getroffen. Sie war auch nicht in dem kleinen Laden, wo es sowohl Lebensmittel als auch andere Waren gab. Die erste Nacht nach der Heldentat und seiner erster Liebe mit dem sch;nen M;dchen war f;r ihn sehr ruhig und sogar ein wenig g;ttlich. Die folgenden N;chte waren f;r den Fl;chtling ein richtiger Albtraum. Er hatte sich st;ndig herumgew;lzt und konnte nicht schlafen, das Bett wurde f;r ihn auf einmal hart. Aus diesem Grund verlie; er sehr oft sein Versteck und zupfte Gras und sammelte es. Danach legte er es gleichm;;ig auf dem Holzboden auseinander. Es verging noch keine Stunde, als er sich schon wieder anfing zu drehen. Unbekannt woher, gab es auf einmal irgendwelche K;fer, die auf seinem K;rper krabbelten. Der Riese kratzte sich deswegen oft, so sehr, dass unter seinen N;geln Blut- und Hautreste blieben. Um das Jucken irgendwie zu lindern, lief er zum See und sprang ins Wasser. Das Wasser war warm und gleichzeitig erfrischend. Die Deutsche, wie es Alexander vorgekommen war, war eine ganze Ewigkeit abwesend, kam zum See nach drei Tagen. Sie kam um f;nf Uhr abends. Er fischte zu dieser Zeit, fischte mit gro;er Lust. Je ;fter er die Angel warf, desto mehr machte sein Gehirn einige Feststellungen. Am Abend biss der Fisch mehr an und das freute ihn. Am Ufer lagen schon vier Karauschen, ziemlich gro;e. Erika Kr;ger kam mit Herzklopfen zu dem bekannten Wald und See. Sie schloss nicht aus, dass die Spur ihres Retters schon lange verschwunden war. Und alle ihre drei schlaflosen N;chte w;ren f;r sie nur unn;tige Aufregungen gewesen. Sie trat vorsichtig aus dem Wald heraus und sah den See aufmerksam herum an. Ihr Herz begann freudig zu schlagen, als sie die bekannte Gestalt des gro;en Mannes sah. Er hatte sich im dichten Gras versteckt und hatte die Angel im Blick. Eine fremde Person h;tte den Fischer nicht bemerkt, auf seinem Kopf sa; ein Kr;nzchen aus Birkenzweige. Der „Robinson" brachte Erika zum Lachen und sie wollte mit unterdr;cktem Lachen unbemerkt zur Angelstelle des Mannes, der ihr richtige Liebe geschenkt hatte. Bei diesem Gedanken erinnerte sie sich an Peter, mit dem sie ihr „Erstes Mal“ hatte erleben wollte. Sie war gleich in der ersten Nacht entt;uscht. Der Arbeitskollege war bald au;er Atem, wie ein Hase. Sie schickte am n;chsten Abend den Pechvogel weg, er hat auch selbst seine „S;nde“ verstanden und bel;stigte sie nie wieder. Der taktische Trick, den Russen zu foppen und erschrecken, gelang der Deutschen nicht. Alexander hatte an diesem Tag den Platz zum Fischen besonders sorgf;ltig ausgesucht, der Grund daf;r war das hei;e Wetter. Er war sich sicher, dass bei so einer Hitze viele Leute zum Baden und sonnen kommen w;rden. Er hatte Recht. Schon am fr;hen Morgen ert;nte und erschallte im Wald und am See herum der L;rm von Autos und Motorr;dern. Die Besucher des sch;nen und stillen Sees waren meistens junge Leute. Viele von ihnen schrien laut, einige veranstalteten lustige Konzerte auf dem Wasser. Die Anwesenheit der Leute ;rgert Kusnezow, er war seit dem Morgen in Angst und Schrecken. Er hatte sogar seine Laubh;tte verlassen und seinen Rucksack im Wald versteckt. Es konnte sein, dass ein P;rchen beschloss, sich in die Laubh;tte zur;ck zu ziehen. Die Angst verfolgte ihn und zwang ihn, sehr vorsichtig zu sein. Er hatte wieder, wie auch vorher, alles M;gliche und Unm;gliche getan, um seine Spuren zu verwischen oder die M;glichkeit f;r ein erfolgreiches Weglaufen vorzubereiten. Eine Stunde vor dem Fischen, w;hrend des erzwungenen Spazierganges im Wald, fand er zwei runde wei;e mit rotem Rand Schilder, auf denen ein Bild von einem Soldat war und in russischer Sprache stand: „Stehen bleiben! Hier wird geschossen!“ Kusnezow freut sich ;ber diesen Fund. Nach einigen Minuten hatte er nicht weit von der Laubh;tte, am Anfang des Weges zu ihr, diese Warnschilder mit gro;er Freude aufgestellt. Er war sich sicher, dass die heimischen Deutschen Angst h;tten, in seine H;tte zu gehen, wenn sie die bekannten W;rter in russischer Sprache sahen. Erst nach diesem Schutz entschloss sich der Fl;chtling, fischen zu gehen. An der Sicherheit seiner Unterkunft hatte er fast keine Zweifel. Erika wusste gewiss nichts ;ber die Eigenheiten und Probleme ihres Jungen und schlich leise kichernd wie eine Katze vorsichtig zum Angelplatz. Nach zwei Metern blieb sie stehen und war verbl;fft. Im Gestr;pp weder ihr Retter noch seine Angel. Einen Augenblick war sie entt;uscht, hatte sogar Sehnsucht nach dem bekommen, der sie vor drei Tagen aus dem Wasser gezogen hatte. Sie drehte langsam ihren Kopf zur Seite und befand sich pl;tzlich in den starken Armen des Russen, der seit kurzem ihr Herz und ihre Seele besa;.
Er nahm sie auf die Arme und k;sste leidenschaftlich ihre Lippen. Und alles Andere war f;r sie wie unter einem g;ttlichen Schleier. Wohin der russische Riese sie trug, wusste sie nicht. Sie presste sich nur st;rker und n;her an seine m;chtige Brust. Sogar der Geruch des m;nnlichen K;rpers, eine Mischung von Fisch und Gras, st;rte sie nicht. Nach einiger Zeit waren sie tief im Wald. Sie hatte gemerkt und auch gef;hlt, mit welcher Vorsicht dieser starke und sehr sch;ne Riese sie auf die Erde legte und ihre Beine auseinander bog. Die sch;ne Deutsche mit den langen schwarzen Haaren leistete ;berhaupt keinen Widerstand gegen die tierische Kraft und die m;nnliche Z;rtlichkeit des Russen …
Diesen Abend und diese Nacht verbrachte Erika Kr;ger in der H;tte des russischen Soldaten. F;r sie war nicht nur der Abend wundersch;n, sondern auch diese Nacht. Wundersch;n waren auch die gewesen, die sich in der H;tte befanden. Alexander sa; auf dem Stuhl, der ab und zu knarrte, und hielt auf seinen Knien das nackte M;dchen. Er war auch selbst nackt. Das junge P;rchen von sch;nen Naturgesch;pfen verstand auch selbst nicht, warum es so eine Form „der Kleidung“ ausgesucht hatte. „Modemacherin“ war wahrscheinlich Erika, die gern auf der Badematratze nackt schwamm, und ihren Slip unter den Bauch legte. An diesem Tag war ihr nicht nach einem Slip. Der Unbekannte hatte sie aus dem Wasser ganz nackt herausgezogen und in diesem Zustand ans Ufer gelegt. Wie damals hatten der gro;e Junge und das schlanke M;dchen auch jetzt keine Angst vor ihrer Nacktheit. Im Gegenteil, sie wollten sie leidenschaftlich, brauchten sie sogar, wie Reisende, die nicht nur ersch;pft von einer mehrt;gigen Reise waren, sondern auch vor Durst starben, was viel schlimmer als der Tod war. Die Nacktheit der sch;nen Menschen, die sich vom ersten Augenblick an verliebt hatten, diente als Elixier der Leidenschaft, die sie wie im „Sumpf“ versinken lie;. F;r eine Zeit befreiten sie sich von dem Sumpf und gaben sich der Z;rtlichkeit hin, danach tauchten sie wieder in die Welt der bisher unbekannten Gef;hlen und Seligkeit. Die jungen Leute begriffen, dass sie in dieser Welt erst die ersten Schritte machten. Je l;nger sie es machten, desto weniger glaubten sie verschiedenen B;chern, Ansichten und Meinungen, mit denen irgendeiner sich bem;ht hatte, L;cken des sexuellen Stumpfsinnes zu f;llen. F;r diese Deutsche und diesen Russen existierte kein Sexalphabet. Ma; f;r alles war ihr Liebe, ihre Liebe auf den ersten Blick. An den Tisch setzten sich die jungen Leute erst in der Nacht, der Mondschein herrschte schon lange ;ber dem stillen See. Alexander freute sich sehr, dass Erika eine Flasche Kognak und etwa zehn gegrillte W;rstchen mitgebracht hatte. Sie k;sste ihn auf die Wange und bedankte sich bei ihrem Retter in gebrochenem Russisch:
„Danke dir, mein russischer Freund daf;r, dass ich am Ufer heraus kroch… Dank dir lebe ich… Noch mal Danke…“
Der ungew;hnliche Inhalt des Trinkspruches und der starke Akzent bei den russischen W;rtern machten den Riesen sehr fr;hlich. Er lachte laut und dr;ckte die nackte Sch;nheit an sich, sagte danach auch in russischer Sprache:
„Ich bin sehr froh, dass ich so ein sch;nes Fischchen wie dich gerettet habe …
Er k;sste das M;dchen auf den Mund. Nach dem Kognak schaute Kusnezow aufmerksam auf die Deutsche und seufzte schwer. Er bezweifelte, dass sie den Inhalt seines Trinkspruches verstanden hatte, seine Andeutung. Sie konnte wahrscheinlich noch nicht verstehen, wer sie jetzt f;r den Fl;chtling war, der ohne Heimat geblieben war und einige Jahre als Eremit in der Fremde lebte…
Die Wahrheit ;ber sich zu erz;hlen, traute sich Alexander Kusnezow nicht, nicht an diesem Abend, auch noch nicht nach einer Woche. Seine folgende Version hatte die Deutsche gleich geglaubt. Seine verlogene Geschichte hatte er ihr w;hrend des n;chsten Besuches aufgetischt. Erika h;rte mit gro;em Interesse den Aussiedler an, dessen Frau und Tochter nach Russland fuhrten, und er sich auf eigenen Wunsch erholte. Die Information des Jungen machte die Br;nette sehr traurig, so, als h;tte man sie ausgetauscht. Am folgenden Abend kam sie nicht zum See, sie hatte die ganze Nacht im Bett durchgeweint. Die ganze Welt war nicht mehr lieb. Die Besuche beim Retter wurden immer seltener. Mit der Zeit wurden sie immer k;rzer und k;rzer. Die Liebe des jungen M;dchens zum Deutschen aus Russland wurde mit jedem Tag geringer. In der H;tte und w;hrend des Spazierganges im Wald weinte Erika nicht. Um nicht anzufangen zu weinen, schaute sie oft zur Seite oder wechselte das Gespr;chsthema. Sie hatte auch sein merkw;rdiges Verhalten bemerkt, dass er oft schwieg oder unpassend sprach. Aber alle seine Eigent;mlichkeiten hatte sie auf ihre Kappe genommen. Mit der russischen Sprache hatte sie in der Schule immer Probleme. Die nervliche Entlastung f;r die sch;ne Deutsche begann erst zu Hause. Sie, als w;re sie von irgendwem oder durch etwas erschrocken worden, schloss die Wohnung ab und zog die Vorh;nge an den Fenstern zu. Sie schaltete auch den Fernseher nicht an, obwohl sie fr;her Tag und Nacht Fernsehen schaute. Sie dachte, dass die Dunkelheit ihr hilft, f;r immer den russischen Jungen zu vergessen, der ihr die erste Liebe und Z;rtlichkeit geschenkt hatte. Die Selbstverleugnung vor der Au;enwelt sch;tzte sie nicht vor dem Wichtigsten. Erika wusste in ihrer Seele und ihrem Herzen, dass sie ohne den sch;nen Riesen nicht mehr auf dieser Welt leben wollte. Vor diesen schrecklichen Gedanken hatte sie Angst und deshalb unternahm sie alles, um sie aus dem Kopf herauszubekommen. Aber es gelang ihr nur f;r einen kurzen Moment. Nach dem n;chsten Besuch des Sees hatte die Ungl;ckliche sich das Wort gegeben, dass sie ab morgen die T;rschwelle der H;tte nicht mehr ;berschreiten w;rde. Auch das Leben selbst nahm Korrektive im Verh;ltnis zwischen der Deutschen und dem Russen vor. Die einheimischen Beamten hatten Erika in einer Woche Fortbildungskurse zur B;rosekret;rin versprochen. Erika musste das Angebot annehmen, sonst konnte man ihr Lebensunterhalt streichen…
Alexander konnte nach seiner L;ge, dass er ein Aussiedler aus Russland ist, gleich auffallende Ver;nderungen im Verhalten der Deutschen bemerken. Seine erste Liebe erlosch mit jedem Besuch bei ihm immer mehr, das war f;r ihn sehr furchtbar. Er sah und f;hlte, dass sich dieses sch;ne M;dchen nur wegen ihm Sorgen machte und litt. Er hatte keine Zweifel, dass die Gef;hle des M;dchens ihm gegen;ber aufrichtig waren. Das freute ihn sehr, auch er selbst war bis ;ber beide Ohren in das schlanke M;dchen verliebt. Der Einsiedler wusste nicht, was er unternehmen sollte, als Erika unter verschiedenen Vorw;nden strebte, m;glichst schnell seine H;tte zu verlassen oder den Spaziergang zu beenden. Sie ging in der Regel, ohne ihm einen Kuss zu geben. Alexander kompensierte oft ihren „Mangel“. Erika nahm diesen Kuss als ein unbedeutendes Ereignis auf und ging mit einem gleichg;ltigen Blick auf den geliebten Riesen schnell weg. Das Desinteresse des geliebten M;dchens gegen;ber seiner Person ;rgerte sehr den russischen Fl;chtling. Nach ihrem Weggehen konnte er sich lange nicht beruhigen, machte sich Sorgen. Er ging mal in den Wald, dann wieder lag er lange im Bett und schaute auf einen Punkt an der Decke. Irgendwelche kluge Gedanken gab es nicht im Wald und auch nicht im Bett. Es war auch unsinnig, das Fahrrad neu zu erfinden. Er m;sste nur ehrlich seine Biographie erz;hlen, besonders,dass er das Milit;r verlassen hatte. Danach h;tte man ruhig auf die Reaktion des jungen M;dchens warten sollen, das, wie er meinte, sogar gro;e Sorgen um ihn hatte. Seine versp;tete Information konnte zum Allerschlimmsten f;hren. Die Gef;hle des M;dchens zu ihm verloschen mit jedem Tag, vielleicht auch mit jeder Stunde. Nach dem n;chsten Weggehen der Deutsche nahm er sich vor, beim n;chsten Besuch unbedingt die Wahrheit zu sagen. Sie kam und ging wieder, alles blieb bei Altem. Die Wahrheit sagte Kusnezow auch dann nicht, als er entgegen seiner Angst und des Risikos mit Erika in das Dorf Springer ging, wo sie wohnte. Sie machten in aller Ruhe einen Spaziergang durch die Hauptstra;e, die ganz im Gr;n versunken war, und dann gingen sie in einen Laden hinein. Beim Herausgehen aus dem Laden saen sie eine Gruppe von jungen Leuten, die laut lachten und mit offenem Interesse den gro;en Junge anstarrten, der neben dem sch;nen M;dchen ging und schwieg. Als Erika sah, dass einer von den Jungs in ihre Richtung kam, fasste sie Alexander schnell an die Hand und ging mit beschleunigtem Schritt in Richtung eines kleinen Parks. Dabei fl;stert sie aufregt leise:
„Wieder l;uft mir die Schei;e ;ber den Weg… Ich bin derer ;berdr;ssig…“
;ber wen sie sprach, fragt der Russe sie nicht. Ihm war es unangenehm, es zu tun. Er hoffte, dass sie selber in der Lage war, mit den einheimischen Jungen zurechtzukommen. Er wollte auch nicht unter die „hei;e“ Hand von Erika kommen, bei der heute fast nichts geklappt hatte. An diesem Tag hatte sie fast immer geschwiegen und ;ber irgendetwas nachgedacht. Mit Tr;nen in den Augen hatte sie sich von ihrem Freund verabschiedet. F;r einen Augenblick hatte sich Alexanders Seele ge;ffnet und er hatte fest ihre Hand genommen, danach z;rtlich und geheimnisvoll gesagt:
„Erika komm morgen Abend… Ich will dir etwas Wichtiges, sehr Wichtiges erz;hlen… Dieses Wichtige musst auch du wissen, weil wir so nicht weiterleben k;nnen…“
Wegen dieses sehr Wichtigen ihres lieben Freundes hatte Erika die ganze Nacht nicht geschlafen. Sie suchte in ihrem Kopf die Geheimnisse des morgigen Treffens, aber fand nicht Wichtiges f;r sich. Diese Nacht war f;r sie die anstrengendste und l;ngste, nachdem sie sich so richtig in den Deutschen aus Russland verliebt hatte…
Alexander Kusnezow ging nach zw;lf in der Nacht schlafen, die Nacht war heute au;ergew;hnlich warm und eigenartig. Er, angezogen in Sportanzug und Sportschuhe, hatte noch sehr lange durch das Fenster in der H;tte den Mond beobachtet. Dem Riesen war es vorgekommen, als ob er ihm zublinzelte, als f;nde er die morgige Beichte gut. Mit diesen Gef;hlen schlief er ein. Er h;tte wahrscheinlich bis Mittag gepennt, wenn ihn nicht ein schreckliches Knirschen oder L;rm geweckt h;tte. Was es war, konnte der Schlafende anfangs nicht verstehen. Er ;ffnete die Augen und war verdutzt. ;ber ihm war nur noch der Himmel… Der entstandene Gedanke verbl;ffte den Fl;chtling, seine H;tte hatte irgendeiner angegriffen. Und nicht nur angegriffen, sondern auch noch angez;ndet. Kleine Flammenzungen hatten die H;tte von allen Seiten „geschleckt“ und wurden immer st;rker. Kusnezow spannte sich wie eine Feder f;r einen Augenblick und sprang schnell heraus. In wenigen Augenblicken war er au;erhalb der H;tte und in diesem Moment bekam er etwas Schweres auf den Kopf. Er lie; sich langsam auf den Boden runter, seine dichten schwarzen Haare wurden aus irgendeinem Grund feucht. Trotz des Schmerzes erhob sich Alexander, danach lie; er sich wieder auf die Knie herunter. Die Angst um sein Leben zwang den starken Organismus zu k;mpfen. Auf taumelnden Beinen rannte er in die Dichte des Waldes. Nach zwanzig Metern schaute er sich um. Es gab keine Zweifel, ihn verfolgte jemand. Wegen der Dunkelheit konnte er die Gesichter derer nicht sehen, die sich entschlossen hatten, mit ihm brutal fertig zu werden. Je schneller er lief, desto mehr verlie;en ihn die Kr;fte. Er sp;rte schon den starken Atem der lebendigen „Unsichtbaren“, sie kamen immer n;her und n;her an ihn heran. Pl;tzlich tauchten vor ihm zwei Figuren auf. Alexander haute mit allen Kr;ften einen Unsichtbaren mit seinem K;rper um, den anderen brachte er mit seiner Faust zu Boden und lief wieder weiter. Hinten h;rte er Schreie und Gest;hne. Nach einer gewissen Zeit, hatte es f;r den Fl;chtling den Anschein, dass die Verfolger zur;ckblieben. Aber er hatte sich schwer get;uscht. Auf dem Weg aus der Dichte des Waldes erschien wieder irgendeiner. Er entschloss sich jetzt, zielgerichtet zu gehen und ging selber dem Unsichtbaren entgegen. Als er bei ihm war, schlug er mit ganzer Kraft dem Verfolger in den Bauch. Gleich gab er einen schrecklichen Schrei ab. In diesem Moment ber;hrte etwas Scharfes den R;cken des Soldaten und hielt sich f;r einige Zeit auf seinem Oberschenkel auf. Erst als er auf den Weg, der zu Erikas Dorf f;hrte, herausgelaufen war, sp;rte er, dass ihn die Kr;fte verlie;en. Als h;tte ihn irgendwer verhext, lie; er sich langsam auf den Boden herunter…
Erika Kr;ger hat sich f;r das wichtige Treffen lange angezogen, aber sich einfach gekleidet. Als sie sich vor dem Spiegel bewunderte, war sie sich sicher, dass das hellblaue Shirt mit den sehr kurzen schwarzen Shorts ihrem Bekannten sehr gefallen w;rde. Auch sie gefiel sich jetzt selbst, wie noch nie vorher. Die dichten langen Haare, die sie mit einem wei;en Band zusammenband, und der lange Pferdeschwanz standen ihr sehr gut. Sie warf hin und wieder den Pferdeschwanz von einer Schulter auf die andere her;ber und lachte vor Freude. Einen Moment lang bewunderte sie auch ihre schlanken Beine, die ;ber den Sommer gr;ndlich braungebrannt waren und eine Schokoladenfarbe hatten. Etwas Essbares hatte sie dieses Mal nicht mitgenommen. Sie hatte geplant, mit dem Linienbus, der nicht weit vom See vorbeifuhr, am Abend mit dem Freund ins Nachbardorf ins Restaurant zu fahren. Das Restaurant war sehr klein, aber gefiel ihr. Sie war mit dem Vater noch zu sozialistischen Zeiten ziemlich oft dort gewesen. Hans Kr;ger hatte nie seine Regel gebrochen, er hatte immer seine Pr;mien f;r ein gutes Essen und Trinken ausgegeben. Erika hatte immer mit gro;em Appetit Schnitzel mit Salat gegessen und ;ber ihren Vater gelacht wie er halbbetrunken eine junge Kellnerin f;r sein verdientes Geld betrunken machte…
Etwas Wichtiges aus dem Mund des geliebten Aussiedlers an diesem Abend zu h;ren war nicht gegeben. Aus irgendeinem Grund hatte er sie nicht an der Weggabelung abgeholt, wie er es auch fr;her gerne gemacht hatte. Er war auch nicht an seinem Angelplatz. Diese dem russischen Gentleman ungem;;e Art beunruhigte die Frau Kr;ger sehr. Sie ging mit Tr;nen in den Augen zu seiner H;tte. Ihr wurde es fast schlecht, als sie schon von Weitem die halbverbrannten Reste der H;tte sah. Den Gestank des Brandes und Rauches roch man bereits am Ufer, als ein starker Wind ihr ;ber das Gras und B;sche blies. Das, was sie jetzt sah, l;ste bei ihr einen Schock aus. Sie lie; sich langsam auf den Boden herunter und weinte. Dieser Platz, wo sie vor noch kurzem sa;en und sich liebten, war eine richtige Brandst;tte. Die H;tte war weg. An ihre Existenz erinnerten nur die vier Metallpfosten, auf denen das Dach der H;tte festgemacht war. Das Feuer hatte fast alles herum vernichtet, sogar bis zu den zwei kleinen Birken hin, auf ihnen hatte der sch;ne Aussiedler noch gestern seine Karauschen getrocknet. Emp;rung und Hass gegen;ber dem russischen Mann flammten pl;tzlich in der Seele der Weinenden auf. Sie hatte keine Zweifel mehr, dass der russische B;r sie einfach benutzt, ihre Liebesgef;hle gesch;ndet hatte. Erika hatte sich zum ersten Mal in ihrem Leben in einen Mann verliebt, der jung und sch;n war und einen russischen Namen trug. Er war jetzt von ihr weggelaufen und hatte sich entschlossen, alle Spuren zu verwischen. Deswegen war es f;r sie kr;nkend und bitter. Sie ging zu Fu; nach Hause und weinte die ganze Zeit. Sie beschloss, f;r immer mit dem Menschen fertig zu sein und ihn auch f;r immer aus ihrem Kopf zu verbannen. Sie wollte auch nie wieder mit den M;nnern etwas anfangen. Das junge M;dchen hatte nicht vor, von ihrem Schwur zur;ckzutreten…
Den Morgen erlebte Alexander Kusnezow zehn Kilometer von dem Dorf Springer entfernt, wo er vor kurzem mit Erika im Laden war. Die Wunde, die einer von den Verfolgern ihm mit dem Messer zugef;gt hatte, war nicht gro;, aber tief. Zum Gl;ck war der Knochen des Oberschenkels nicht verletzt, ihm macht das starke Bluten Sorgen. Er sp;rte schon den Blutverlust, ihm war es schwindelig. Er ruhte sich oft aus, ruhte aus und bewegte sich wieder in unbekannte Richtung. Der Fl;chtling wusste genau, je weiter er von der vertraut gewordenen Gegend wegging, desto sicherer w;rde es f;r ihn. Er verwandelte sich wieder in ein verfolgtes und schutzloses Tierchen, den Alle und Alles verfolgten, Tag und Nacht verfolgten. Fr;her hatte er vor der Polizei und Milit;rstreife Angst, jetzt hatte er vor den jungen Leuten Angst. Daran, dass sie ihn in der Nacht verfolgten, hatte er keine Zweifel. ;ltere und Alte konnten ihn nicht mit so einer Geschwindigkeit verfolgen. Je weiter er sich von der H;tte entfernte, desto mehr dachte er nach, wer den Abschaum auf seine Spur gef;hrt hatte. Schuld am Geschehenen hatte er nicht, er hatte nie Spuren hinterlassen. Die Vorsicht, multipliziert einige Mal mit Angst, hatte ihn gezwungen, immer auf der Hut sein. In seinen ;berlegungen blieb er immer ;fter und ;fter beim geliebten M;dchen stehen. Er schloss nicht aus, dass sie ihren Freundinnen etwas gesagt hatte. Einen Teil der Schuld sah er bei sich. Er hatte sich nicht bem;ht, Erika an die Vorsichtsma;nahmen w;hrend ihres Wald- und Seebesuches zu erinnern. Schreckliche Gedanken ;ber den Verrat der Deutschen r;ckte der Russe nach hinten. Er konnte sich nicht vorstellen, dass das sch;ne M;dchen absichtlich die Polizei oder irgendwelchen Abschaum auf seine Spur gelenkt h;tte. Er rief sich ziemlich oft Erikas Gestalt, ihre leidenschaftliche Liebe ins Ged;chtnis zur;ck. Er sch;mte sich, dass er das M;dchen verd;chtigte. Sie war das Teuerste, was er auf dieser Welt hatte…
Otto Schr;der, Erikas Mitsch;ler, war au;er sich, als er im Laden seine Freundin mit einem sch;nen sehr gro;en jungen Mann sah. Er hatte seit der Kindheit Wege zu seiner Nachbarin gesucht, die ihn immer auf Abstand hielt. Dieser „Liebhaber“ war ihm unbekannt. Seine Wut wurde noch st;rker wegen des seltsamen Verhaltens des M;dchens. Sie, als bemerkte sie nicht ihren jungen Mitbewohner, hatte demonstrativ die Hand des Riesen genommen und ihn in Richtung Park gezogen. Otto war sich sicher, dass er bei Weitem keine Konkurrenz f;r den war, der so behutsam die Hand des M;dchens hielt. Er hatte sie zum ersten Mal mit einem Kavalier gesehen. Die Nachbarin ging aus irgendeinem Grund den Jungs aus dem Weg. Er machte nach der Schule alles M;gliche und Unm;gliche, um mit ihr eine Romanze zu beginnen. Sie bemerkte Umwerben des Verliebten nicht, wie sie auch die Anderen nicht bemerkte. In der letzten Zeit ist sie an den Abenden irgendwohin verschwunden. Das hatten fast alle im Dorf mitbekommen. Sie war nicht zu Hause, nicht zum Tanz, als w;re sie vom Erdboden verschwunden. Erikas Erscheinen, dazu noch mit so einem Sch;nling, versch;rfte die Flamme des Hasses und Neides ihrem Auserw;hlten gegen;ber. Otto, der klein von Wuchs war und ziemlich mollig, hatte beschlossen, sich an dem M;dchen zu r;chen, so richtig sich zu r;chen, dass sie sich das ganze Leben daran erinnern w;rde… An diesem Abend beschlossen Otto und seine vier Freunde, die Scheiben in der Wohnung der jungen und sch;nen Stolzen nicht zu zerschlagen.
Alle von ihnen waren sich sicher, dass sie sich jetzt in den Armen des langen Vollidioten befand. Alle ergingen sich nur in Vermutungen, wo diese Treffen stattfanden. Die Freunde h;tten vielleicht noch lange ;ber den Platz des Aufenthaltes der Verliebten diskutiert, wenn nicht G;nther, Ottos bester Freund gewesen w;re. Er sah das P;rchen vor einigen Tagen am Ufer des Sees. Die jungen Leute hatten sich gr;ndlich mit Alkohol eingedeckt, sp;t in der Nacht waren sie in den alten sowjetischen „Moskwitsch“ gestiegen und zum See gefahren. Die Verliebten hatten sie am See nicht entdeckt und deshalb durchsuchten sie gr;ndlich den Wald. Dabei stie;en sie auf die H;tte …
Erst am zweiten Tag, nachdem Alexander Kusnezow seine H;tte verlassen musste, entschloss er sich auszuruhen. Er h;tte sich auch weiter in unbekannte Richtung bewegen k;nnen, wenn sich nicht seine Wunde bemerkt gemacht h;tte. Das Blut floss immer noch, sogar trotz des Verbandes, den er aus seinem Unterhemd machte. Der Verwundete schlie; die M;glichkeit aus, sich ans Krankenhaus zu wenden, er hatte auch nicht vor, sich an die Menschen zuwenden, um Hilfe zu bitten. Jeder Deutsche w;rde beim Anblick des blutigen Menschen die Polizei rufen. Die Kr;fte schwanden von Stunde zu Stunde, bemerkbar machte sich auch der Hunger. Erst sp;t in der Nacht, als in der Gegend alles ruhig wurde, n;herte sich der Fl;chtling einem Wohnort. Er kroch unbemerkt zu einem kleinen H;uschen am Rande des Dorfes und sah eine gr;ne Tonne, in dem die Bewohner Lebensmittelreste sammelten. Er ging stark mit dem rechten Bein hinkend zur Tonne und ;ffnete sie vorsichtig. Die Tonne war voll und das freute ihn sehr. Er nahm zwei Plastikbeutel und verschwand unbemerkt in der Dunkelheit. Die Beute war nicht reich. In einem Beutel gab es zwei Pfannkuchen und ein halbes Glas saure Sahne. Der andere Beutel war mit Kartoffelschalen und Damenbinden gef;llt… Nach einer Stunde nahm Kusnezow am anderen Ende des Dorfes eine warme Decke und zwei Bettt;cher von der W;scheleine herunter. In dieser Nacht beruhigte sich seine Wunde etwas.
Am Morgen, als die ersten Sonnenstrahlen auf die aufgewachte Erde herunter kamen, begann der Fl;chtling gr;ndlich mit der Selbstbehandlung. Das st;ndige Gehen hatte dem Heilen der Wunde geschadet. Er f;rchtete auch die Menschen, die ihn bemerken und die Polizei benachrichtigten konnten. Deshalb entschloss er sich, am Tag zu verstecken und in der Nacht weiterzugehen. Weil er keine Medikamente oder Salben hatte, legte er auf die Wunde verschiedene Bl;tter aus dem Wald. Welche Gr;ser oder Bl;tter es waren, ob sie ihm helfen w;rden oder nicht, wusste er selbst nicht. Das Leben zwang ihn dazu. Die wundert;tige Kraft der Natur hatte er nie verneint. Er erinnerte sich an Oma Jelisaveta Jaschina, die eine richtige Naturheilerin war. Alle Einwohner von Neidjonowka suchten bei ihr Hilfe. Sie hatte auch Alexanders Vater geholfen. Mit ihrer Hilfe konnte er f;r immer seine Bauchschmerzen vergessen.
An diese Oma wandte sich auch Alexander, als bei einer Streiterei der Nachbar Mischka mit einem Stock seine Hand sehr verletzte. Die ;rzte des Kreiskrankenhauses wollten ihm die stark geschwollene Hand amputieren. Die Eltern des Ungl;ckskindes rannten mit Tr;nen in den Augen zu Jelisaweta. Nach einem Monat war die Hand des Sch;lers geheilt. Die Siebzigj;hrige nutzte statt Messer Aufg;sse aus Gr;sern und Gebete. Den Inhalt des Gebetes verstand der Junge nicht. Die Frau betete ganz leise. Er war sich sicher, dass Oma Lisa Gott gebeten hatte, den b;sen Geist des jungen Pioniers zu verjagen.
Es verging noch eine weitere Nacht. In dieser Zeit lie; der Fl;chtling etwa zwanzig Kilometer, nicht weniger, hinter sich. Eine Orientierung unterwegs hielt er nicht f;r notwendig, er sah darin keinen Sinn. Er ging einfach so, ging auf Gut Gl;ck. In seiner Seele und Herz herrschten wieder K;lte und Leere. Anderen Menschen glaubte er nicht, f;r ihn waren sie nichtsnutzige Wesen. Er empfand auch keine Liebesleidenschaft mehr zu Erika. Jetzt war er wieder ein Mensch ohne einen bestimmten Wohnort und ohne Staatsangeh;rigkeit. Penner und Gott in einer Gestalt. Die eingebrochene Einsamkeit hatte ihn v;llig ausgelaugt. Tags;ber sa; er im Wald oder versteckte sich in den Sonnenblumenreihen. Er legte sich auf den Boden, legte die Decke unter den Kopf und schlief gleich ein. Ihn weckten in der Regel die Sirenen von Krankenwagen oder schreckliche Tr;ume, die ihn fast immer begleiteten. Auch Hunger und Durst setzten ihm zu. In der dritten Nacht unternahm der Fl;chtling einen erneuten Gang nach Lebensmittel. Diesmal war die Tonne f;r Lebensmittelreste leer, was ihn sehr ;rgerte. Aus Entt;uschung schmiss er die Tonne um. Pl;tzlich wurde alles rundherum dunkel und es donnerte. Es fing zu regnen an, so stark, dass sein Sportanzug sofort nass wurde. In den abgetragenen Sportschuhen blubberte das Wasser, die Wunde fing zu schmerzen an. Kusnezow schaute aufmerksam in die Dunkelheit hinein in der Hoffnung, irgendwas f;r sich zu finden, wo man sich unterstellen konnte. In Wirtschaftsgeb;ude und H;user wollte er nicht hinein gehen, er hatte Angst entdeckt zu werden. Auf einmal sah er nicht weit vor sich einen Zaun. Im Zentrum eines Platzes oder einer Haltestelle leuchtete eine gro;e Laterne, die an einem hohen Pfosten hing. Er lauerte eine Zeit. Rundherum war n;chtliche Stille, die hin und wieder durch den Donner unterbrochen wurde.
Er blickte sich nach allen Seiten um und ging langsam zur Lichtquelle…
Nach f;nf Minuten sa; er schon auf der Bank unter dem Schirm eines kleinen Ziegelturms und schaute sich aufmerksam die gegen;ber aufgestellten Gr;berkreuze an. Er hatte jetzt vor ihnen keine Angst, wenn er auch in der Kindheit nie allein auf den Friedhof gegangen war. Er hatte immer gedacht, dass die toten Einwohner ihn einfach bei;en oder zu sich nehmen k;nnten. In dieser Nacht verschwand die langj;hrige Angst irgendwohin. Am wahrscheinlichsten deshalb, weil es fremde Tote waren, die er nie kannte und nicht kennen wollte… Der Gedanke, dass auf diesem Friedhof auch sowjetische Menschen beerdigt seien k;nnten, kam Alexander ganz zuf;llig. Seine Gleichg;ltigkeit gegen;ber den ewig liegenden Deutschen h;tte sicher weiter bestanden, wenn nicht die schreckliche K;lte gewesen w;re. Er fror nicht nur wegen des kalten Regens, sondern auch wegen des Sitzens. Er stand lustlos auf und ging l;ssig ;ber den ziemlich gro;en Friedhof. Nach einigen Minuten donnerte es nicht mehr, nur in der Ferne im Horizont sah man noch Blitze. Es war eine richtige Totenstille eingetreten, sogar der Nieselregen konnte sie nicht st;ren. Aber auf Alles das reagierte der Mensch nicht, der ziellos zwischen den Kreuzen umher wanderte. Ganz in der Ecke des Friedhofes gab es ein kleines Denkmal. Im Unterschied zu allen anderen, kleinen und gro;en, hatte das Denkmal einen f;nfzackigen Stern. F;r einen Augenblick schlug sein Herz unruhig, er beschleunigte seinen Gang und war gleich an einem Grab. Dar;ber, dass hier sowjetische Menschen beerdigt waren, hatte der Fl;chtling keine Zweifel. Er kauerte sich hin und las aufmerksam die Namen der gefallenen Offiziere und Soldaten. Alle Inschriften waren in russischer Sprache geschrieben. In der Mitte der Metallplatte hatte er gesehen und leise gelesen:
„Kusnezow, Iwan Pantelejewitsch. 25.09.1910 - 05.05.1945JJ.“ Der junge Mann lie; sich vor ;berraschung auf den Boden herunter, er bekam keine Luft mehr. Seine Kr;fte hatten ihn f;r einen Moment verlassen. Er glaubte immer noch nicht, dass er so unverhofft das Grab des Urgro;vaters gefunden hatte. Er erinnerte sich an den Traum mit der Mutter und weinte. Alexander zweifelte jetzt an der Prophezeihung des gestorbenen M;tterchens nicht mehr, die im Namen Gottes ihren einzigen Sohn gebeten hatte, durch das Leben tapfer und entschlossen zu gehen. Er streichelte z;rtlich mit der Hand mal die kalten Buchstaben, mal den gro;en Stern und schluchzte stark. Sein Weinen in dieser Stille klang wie ein beunruhigendes Sturml;uten, das immer die Menschen in schweren Zeiten versammelte. Der Urenkel des gefallenen Soldaten hatte keine Angst vor dem Sturml;uten und auch nicht vor seinem Weinen. Durch dieses Weinen reinigte sich seine Seele, die Seele des Gerechten und des S;nders. Manchmal wandte er durch den Schleier des Nebels, der ihm die Augen bedeckte, wieder seinen Blick auf die russischen Namen. Alle zw;lf sowjetischen Offizieren und Soldaten waren drei Tage vor dem gro;en Sieg gefallen. Unter den Gefallenen war auch sein Urgro;vater, ein B;rger der Sowjetunion, ein einfacher Soldat der sowjetischen Armee, die die Welt von der braunen Pest des Faschismus gerettet hatten. F;r einige Zeit st;rzte sich der Urenkel des gefallenen Siegers in ;berlegungen. Er stand auf den Knien vor dem Denkmal der Gefallenen und schimpfte ;ber sich, weil er den Stammbaum seiner Vorfahren nicht kannte. Als Sanjka Sch;ler und auch ein erwachsener Junge war, war er ein Faulenzer. Er hatte sich nie f;r das Leben seiner Gro;v;ter oder Gro;m;tter interessiert. Seine Mutter hatte mal gesagt, dass sein Uropa in Deutschland gefallen war. Wo er beerdigt war, wusste sie auch nicht. Antonida hatte immer das Gedenken an den Uropa ihres Sohnes und an alle Gefallenen hoch gehalten und weitergegeben. Familie Kusnezow ging zusammen mit ihrem Sohn zum Denkmal des Sowjetischen Soldaten, das am Klubhaus stand. An diesem Feiertag waren die Blumen immer ausverkauft. Ein wenig wusste der Fl;chtling auch ;ber seinen Opa. Er wohnte in Neidjonowka und war ein guter Stallknecht. Er kam ganz zuf;llig und eigentlich sogar sinnlos ums Leben. Der Mann hatte das Dach des Kornspeichers repariert und st;rzte ab. Das Dach war nicht sehr hoch, aber der Opa fiel ungl;cklich herunter und verletzte sich schwer. Nach einem Jahr starb er. Die Erziehung des einzigen Sohnes Nikolaj, Alexanders Vaters, lag bei der Frau des Verstorbenen. Die Gro;mutter lebte auch nicht lange. Nikolaj Kusnezow wurde mit achtzehn eine Vollwaise… Die Uhr auf dem Rathaus schlug drei Uhr in der Nacht. Die Uhrschl;ge unterbrachen f;r einige Zeit seine ;berlegungen. Von der frischen, sogar etwas kalten Luft fr;stelte es ihn. Einen Lauf auf den Wegen zu machen, um sich gr;ndlich zu erw;rmen, verhinderte die wieder blutende Wunde. Er setzte sich auf die Bank und machte einen Verband. Der Schmerz verringerte sich und es blutete nicht mehr. Das f;hrte beim Fl;chtling zu einer Verbesserung der Laune und er ging wieder in Richtung des ihm teuren Grabes. Er schaute durchdringend den bekannten Namen an und l;chelte. Er merkte erst jetzt, dass sein Uropa und er, sein Urenkel, am selben Tag geboren waren. Diese zuf;llige oder verh;ngnisvolle ;bereinstimmung gab ihm neue Impulse f;r ;berlegungen. Jetzt hatte er keine Zweifel mehr, dass es wirklich sein Vorfahre war. Dazu erinnerte er sich noch an den Vatersnamen des Urgro;vaters. Die Mutter hatte ihn ihm mal genannt. Der Name Pantelej war f;r den Jungen etwas schwierig gewesen auszusprechen. Er hatte sich an ihn erinnert, als vor ihm die Gestalt des Mannes Pantelej Wintenko, des einzigen Fahrers im Dorf, erschien. Er war ein erstklassiger Fahrer, er war in der Lage, auf jedem Weg und bei jedem Wetter den Auftrag des Verwalters erf;llen. Im Kopf des Riesen erschien er ;fter nicht als Fahrer, sondern sogar als Himmels- und sogar heiliger Mensch. Pantelejs Heiligkeit best;tigte die Praxis. Eines Tages lud er seine Freunde ein, um auf sein neues Auto anzusto;en. Das Sowchosauto „SIL“ war wirklich sch;n. Die M;nner fuhren zur Baugrube, die mit Wasser gef;llt war, dort badeten sie und feierten. Auf einmal ;nderte sich das Wetter, ein schreckliches Unwetter brach herein. Der Blitz zerhackte den Himmel. Es passierte etwas Schreckliches. W;hrend des Feierns schlug ein Blitz in die drei Freunde ein. Zwei waren auf der Stelle tot. Der kahlk;pfige Pantelej kam mit dem Schrecken davon…
Je l;nger der Urenkel vor dem Grab des gefallenen Urgro;vaters sa;, desto mehr hasste er sich. Hasste sich daf;r, dass er so sorglos mehr als zwei Jahrzehnte auf dieser Erde lebte. Er lebte nicht so wie die meisten Menschen, sogar nicht so wie seine Landm;nner und Mitsch;ler. Das Ged;chtnis ;ber die heldenhafte Heldentat der Offiziere und Soldaten, die in diesem Grab lagen, zerriss fast seine Seele. Er begriff immer mehr und mehr seine Feigheit. Nur wegen seiner Feigheit konnte er sich immer noch nicht in diesem Land einleben. Von all diesen Gedanken verfiel er in Hysterie und weinte laut. „Die Unterhaltung“ des Lebenden und zwischen dem in der anderen Welt, dauerte ziemlich lange. Wor;ber sie mit einander gesprochen hatten, wusste und h;rte keiner. Das wusste einzig und allein Gott, der nach seinem Willen das Schicksal des Uropas und seines Urenkels bestimmte. Alexander gab erst jetzt in seiner Beichte vor seinem Vorfahren ehrlich zu, dass der Rotarmist Iwan Kusnezow in seinen f;nfunddrei;ig Jahren viel mehr gemacht hatte als er, der Deserteur der WGT. Er war nicht nur wie Abschaum und ein Feigling weggelaufen, sondern hatte au;erdem noch dieses Land verraten, f;r das Millionen Menschen ihr Leben geopfert hatten… Die Uhr schlug f;nf Mal. Pl;tzlich wehte ein starker Wind. Er war so stark, dass es dem Riesen, der an der Ecke des Friedhofes sa;, vorkam, dass er die alleinstehende Kiefer neben dem Grab der sowjetischen Soldaten mit den Wurzeln rausrei;en w;rde. Augenblicklich wurde der Himmel schwarz und es blitzte. Es gab ein bet;ubendes Donnern, von dem dem Einzelg;nger der Atem stockte. Manchmal erschien es ihm, als w;rde der da oben sich ;rgern und beschlie;en ihn zu bestrafen. Vor der pl;tzlichen Angst vor Gott und vor seiner Seele erschrak er und fasste mit der Hand an den Granit des Grabes. In diesem Moment flog etwas Leuchtendes und Unbekanntes an seinem Ohr vorbei in Richtung der alleinstehenden Kiefer und unmittelbar danach h;rte man das bet;ubende Donnern…
Der n;chtliche Besucher des Friedhofes erwachte nach zwanzig Minuten und konnte seinen Zustand nicht verstehen. Er bewegte langsam die H;nde, danach ;ffnete er die Augen. Der Himmel ;ber ihm war sauber, ohne Wolken. Die Uhr schlug sechs Mal, die Schl;ge brachten ihn ins Leben zur;ck. Er erhob sich langsam und schaute in die Richtung des alleinstehenden Baumes, einer von seinen Zweigen war v;llig abgebrannt. Irgendwo hatten kleine „Feuerzungen“ den starken Baumstamm geleckt, mit der Hoffnung, die Kiefer abzubrennen. Von dem Anblick lief ;ber seinen R;cken eine G;nsehaut. Er schaute sich nach hinten um und stand still. Aus der Tiefe des Brudergrabes kam Rauch heraus… Vor Angst lief er weg…
Erst nachdem er sich im Wald befand, begann er etwas zu verstehen. Der Physiklehrer hatte den Sch;lern von Kugelblitzen erz;hlt, die nicht nur Vieles in Brand setzten, sondern auch einen Mensch t;ten konnten. Diese Erscheinung, die an dem Brudergrab passierte, war f;r Alexander nicht anderes als die Himmelsstrafe des Uropas f;r die Tat, die sein Urenkel beging. Daran hatte er keine Zweifel…
Erika Kr;ger hatte die ganze Woche schlechte Laune. Der Grund war der Verrat des Russen, der sie von Anfang an belogen hatte. Um das alles zu vergessen, beschloss sie zur Disko zu gehen, um sich Luft zu machen. Viele Jungs wollten mit dem jungen und sch;nen M;dchen tanzen, sie wies auch niemanden ab. Otto Schr;der kam am sp;ten Abend in die Disko. Erika war zu dieser Zeit schon m;de und entschloss sich auszuruhen. Sie ging an die Luft und gleich tauchte vor ihr die bekannte Gestalt ihres Mitsch;lers auf, der betrunken war und sich ungeniert benahm. Er trat zu ihr heran und zog sie mit Kraft an sich, danach versuchte er sie k;ssen. Erika beschloss, den aufdringlichen Kavalier von sich wegzusto;en. Sie stie; ihn so kr;ftig weg, dass der auf dem Boden landete. Ringsherum lachte man, es lachte auch die ehemalige Mimose. Sie sah mit nicht verborgener Freude den Besiegten an. Er war ihr jetzt besonders ekelhaft. „Der Kurze“ stand langsam vom Boden auf und zischte mit Bosheit durch die Z;hne:
„Du, pass auf… Ich habe deinen Langen bestraft… Bald bestrafe ich auch dich…“
Nach diesen Worten lachte er so unnat;rlich und ging in den Raum, woher laute Musik und Lachen der Tanzenden drang. Die Worte und Drohungen des Mitsch;lers durchdrangen wie ein Blitz das Herz und die Seele der jungen Deutschen. Sie eilte nach Hause. Diese Nacht konnte sie lange nicht einschlafen. Sie dachte ;ber den russischen Junge nach, der ihre Liebe geworden war. Alles Schlechte, was in ihr nach dem Feuer entstanden war, verschwand augenblicklich. Jetzt hatte sie nur noch dar;ber nachgedacht, wann dieser Aussiedler wieder kommen w;rde, der f;r sie allerz;rtlichste und teuerste Mensch. Er gefiel ihr nicht nur sein ;u;eres, sondern auch als richtiger Mann. W;hrend der kurzen Treffen mit ihm hatte sie sich wie hinter einer Steinwand gef;hlt. Aber die Wellen von freundlichen Erinnerungen und den folgenden Hoffnungen verfl;chtigten sich bei ihr immer mehr und mehr, als sie sich als Frau an der Seite des Russen sah. Sie wollte nicht, dass ihr zuk;nftiger Mann untreu war. Sie wollte, dass er f;r ihr ganzes Leben der einzige Mann war. Die Einwohnerin des Vereinigten Deutschlands stand immer noch unter dem Einfluss der sozialistischen Moral und sozialistischen Lebensweise. Der Vater hatte ihr beigebracht, immer die Sitten und die Ordnungen des Landes zu achten und zu befolgen. Im Leben der ehemaligen Gesellschaft, fand sie, als Mitglied der Freier Deutschen Jugend, f;r sich vieles N;tzliches und Notwendiges. Sie unterschied sich auch bis zum heutigen Tag stark von ihren Gleichaltrigen, die mit vollen H;nden die Fr;chte der gekommenen Demokratie „a;en“. Etwas von ihr und dem Alten fand sie auch bei dem russischen Alexander, der sich anst;ndig benahm. Sie hatte auch bemerkt, dass er nicht mit Geld um sich warf. Das Letztere hatte sie nicht den Vorz;gen oder Nachteilen des Geliebten zugeschrieben. Bei ihr selbst, als Arbeitslose und Vollwaise, war die Geldb;rse auch leer. Ihre Geldb;rse leerten auch verschiedene wirtschaftliche Ver;nderungen. Mit jedem Monat stiegen die Preise f;r Ware und Dienstleistungen …
Der Sonntagmorgen nahm f;r die sch;ne Erika einen guten Anfang. Das Wetter war wie auf Bestellung. Die Uhr zeigte zehn Uhr morgens, aber die Sonne „arbeitete“ schon voll. Sie hatte sich in Ordnung gebracht und ging auf die Stra;e. ;berall waren keine Menschen, viele lagen noch in den Betten. Das Fehlen von Menschen freute sie, sie spazierte ohne Eile durch die bekannten Stra;en. Danach ging sie zum Dorfrand und langsam in Richtung See, wo sie sich vor einer Woche unter seltsamen Umst;nden von dem Russen verabschiedet hatte. Den Wunsch, ein n;chstes Mal den See zu besuchen, hatte sie nicht. Sie wusste genau, dass der verheiratete Mann kaum noch an den See kam. Au;erdem musste Alexanders Familie vor zwei Tage zur;ckkehrt sein.
Pl;tzlich rauschte an ihr ein Auto vorbei und gleichzeitig ert;nte das Knarren der Bremsen. Auf den schwarzen Mercedes hatte sie ihre Aufmerksamkeit nicht gewandt. Ihre Freunde hatten nicht so viel in den Taschen, um ein teures Auto zu kaufen. Aus dem Auto sprang ein junger Mann und kam ihr entgegen. Als er bei ihr war, fragte er auf gebrochenem Deutsch nach dem Weg. Erika antwortete lustlos auf die gestellte Frage des Unbekannten. Sie hatte keine Zweifel, dass der Afrikaner nicht schlechter als sie den Weg kannte. Er wollte nur ein zuf;lliges M;dchen f;r einen langen Weg oder Abenteuer. In ihren Vermutungen lag sie richtig. Nach einiger Zeit fragte er nicht mehr nach dem Weg. Im Gegenteil - er bot ihr seinen Fahrdienst f;r ein so sch;nes M;dchen zu jedem beliebigen Punkt Europas an. Die aufdringlichen Angebote des Fahrers lehnte Erika h;flich ab. Danach ging sie Richtung des Dorfes…
Der Gedanke dar;ber, dass bei Alexander vielleicht an diesem Sonntag der Wunsch entsteht, am See zu angeln, kam der Laufenden beim Anblick des Linienbusses, der die Haltestelle anfuhr. Ohne lange nachzudenken sprang sie schnell in den Bus und im n;chsten Augenblick kam ihr ein schrecklicher Gedanke in den Kopf. Sie wollte nicht glauben, dass Otto und seine Zechbr;der ihren geliebten Russen t;ten k;nnten… Zum Platz des Brandes, wo fr;her die H;tte stand, ging sie zuletzt. Hier erinnerte nichts mehr an die leidenschaftlichen N;chte, die sie mit dem Russen verbracht hatte. Mit schweren Gedanken stand Erika neben der ehemaligen Behausung, Tr;nen w;rgten sie. Unerwartet h;rte sie hinter sich eine Stimme, die sie aus Millionen von Stimmen erkannt h;tte:
„Erika, Erika… Ich bin hier, komm her und hilf mir…“
Anf;nglich war die junge Person verzweifelt. Ihr schien es, dass dies keine irdische Stimme war, aber sie geh;rte ihrem Geliebten. Daran zweifelte sie nicht. Nach einiger Zeit h;rte sie wieder die ihr bekannte Stimme, diesmal reagierte sie und drehte sich um. Danach machte sie ein paar Schritte zur Kiefer und blieb stehen. Sie machte noch einen Schritt und stockte. Weiter zu gehen hatte, sie keine Kraft mehr. Neben dem Baum lag bis zu den Herzschmerzen ihr bekannter Mensch, ein naher und gleichzeitig ein fremder.
Im liegenden Mann konnte sie f;r einige Zeit nicht ihren Liebsten erkennen, der fr;her sch;n und stattlich, stark und z;rtlich war. Dieser, der um Hilfe bat, erschreckte sie durch sein Aussehen.
Erika schaute ;ngstlich den nicht starken Menschen an. Seine Haare waren zottelig, oben am Kopf sah man eine breite Schramme von irgendeinem Schlag. Der Mann r;chelte schwer und winkte mit der Hand das M;dchen zu sich, das vor Angst stillstand. Sie stand immer noch best;rzt da. Die unverst;ndliche Angst und die unerst;ndliche Entfremdung zu einem richtigen Penner, deren Zahl im Dorf von Tag zu Tag wuchs, gaben ihr keine Kraft, um sich weiter zu bewegen. Auch das Gesicht des Mannes fl;sste ihr Angst ein, es war hohlwangig und blass. Der Bart und die Borsten auf den eingefallenen Wangen machten ihn ;lter. Auch die Kleidung des Liegenden wirkte auf Erika absto;end. Sein Sportanzug war an vielen Stellen zerrissen, an den Knien waren gro;e L;cher, durch die gro;e blutende Hautabsch;rfungen sichtbar waren… Ihr war es unm;glich, den blutenden Unbekannten weiter anzuschauen. Sie schrie auf und machte einige Schritte vorw;rts. Danach blieb sie stehen und lie; sich wieder rasch nach vorn rei;en, lie; sich auf die Knie herunter und schrie aus vollem Halse auf…
Die blauen Augen des Mannes kannte sie sehr gut, sie geh;rten dem, den sie zum ersten Mal in ihren Leben liebte, richtig liebte. Nicht nur liebte, sondern ihm auch ihre ganze Liebe restlos schenkte. Je l;nger die sch;ne Frau in die Augen des Penners schaute, desto mehr verfl;chtigten sich ihre Zweifel, dass es ihr Retter und Geliebter war. Kniend sprach sie leise vor sich hin:
„Sanja, Saschenjka, du bist wieder bei mir… Ich habe so lange auf dich gewartet und mir Sorgen gemacht… Du, mein lieber…“
W;hrend ihres Fl;sterns wischte Erika hin und wieder die Tr;nen von ihren Augen. Sie wischte auch mit ihren z;rtlichen H;nden die Tr;nen von den Augen und den eingefallenen Wangen ihres geliebten Russen, den sie einige Minuten lang nicht erkannt hatte. Alexander wie auch seine Freundin genierte sich wegen der Tr;nen nicht. Er hatte sie wahrscheinlich auch gar nicht bemerkt. Die Tr;nen waren f;r ihn ein Ventil f;r das ganze Erlebte. Mit Tr;nen in den Augen kehrte er wieder hierher zur;ck, als er verstanden hatte, dass es ihm ohne seine geliebte Deutsche nicht m;glich sein w;rde, auf dieser Erde zu leben. Erst nachdem Erika ihn endg;ltig erkannt und sich beruhigt hatte, umarmte sie ihn leidenschaftlich und k;sste ihn fest. Er erwiderte ihre K;sse. F;r einen Augenblick ;ffneten sich ihre Lippen. Das M;dchen beugte ihren Kopf nach unten und erschrak. Der untere Teil des rechten Schenkels war ganz blutig, der einst wei;e Verband war rot und schmutzig. Sie ber;hrte mit zitternden H;nden die Wunde und verlor fast das Bewusstsein. Durch die dicke Schicht des Verbandes drang pl;tzlich Blut heraus…
Erika zog schnell ihr Handy aus der Jeanstasche heraus und begann die Rufnummer des Krankenwagens zu w;hlen. Aber sie konnte nur ein paar Zahlen w;hlen, als sie Alexanders sehr schwache, aber gleichzeitig herrische Stimme h;rte:
„Ruf nicht an, ich bitte dich sehr“, bat er. „Ruf nicht an, Erika…“
Sie lie; f;r einen Augenblick das Telefon ruhen und blickt mit Erstaunen auf den Liegenden. Sein j;mmerliches Aussehen und seine Tr;nen hatten sie aufmerken lassen. Sie konnte immer noch nicht verstehen, warum er keine professionelle medizinische Hilfe wollte. Das Unverst;ndnis, sogar der Stumpfsinn des Russen hatten sie sehr w;tend gemacht. Die Angst davor, dass er wegen des Blutverlustes sein Bein oder sogar sein Leben verlieren k;nnte, zwangen sie, wieder entschlossen zu handeln. Sie dr;ckte wieder die Tasten des Handys… In diesem Moment sprang Kusnezow, den unmenschlichen Schmerz im Bein ;berwindend, schnell auf und schlug das Telefon der Frau mit der Faust aus den H;nden. Vom unerwarteten Schlag schrie sie laut auf und fiel auf den Boden. Nach wenigen Augenblicken befand sie sich in einer festen Umarmung des B;rtigen. Er k;sste ihr ganzes Gesicht und bat mit Tr;nen in den Augen nachdr;cklich:
„Erika! Mach es nicht, ich erkl;re dir sp;ter alles… Mach es nicht, meine Liebe…“
Besiegt verstand sie immer noch nicht das seltsame Verhalten ihres Siegers, schaute mit Staunen in seine blauen Augen und fl;sterte leise:
„Ich verstehe dich nicht… Ich verstehe dich immer noch nicht… Sascha, ich verstehe nicht…“
Die erste Nacht nach der unverst;ndlichen und geheimnisvollen Trennung verbrachten der Fl;chtling der WGT Kusnezow und die arbeitslose Deutsche Kr;ger im Wald nicht weit vom See. Bevor sie zusammen ein Bett aus weichen Kieferzweigen errichtet hatten, schaffte es Erika, nach Hause zu fahren, um alles Notwendige f;r die Behandlung zu holen. Sie brachte auch etwas an Lebensmitteln. Alexander hatte nicht erwartete, dass sich seine Liebste als eine echte Zauberin der Medizin erweisen w;rde, obwohl sie niemals Medizin studiert hatte. Sie desinfizierte die Wunde sorgf;ltig mit Spiritus, dann legte sie einen sterilen Verband an. Nicht schlechter behandelte sie auch die Dutzenden Sch;rfwunden, die fast an allen Stellen des K;rpers des Riesen zu finden waren.
Gegen Abend sa;en die jungen Leute bequem eingerichtet sich friedlich gegen;ber auf dem Bruchholz und a;en. Erika ;berwachte sehr streng, dass ihr Geliebter es mit mit dem Essen nicht ;bertrieb. Als Alexander sich ein wenig gest;rkt hatte, beschloss er sich „zu ;ffnen", ein R;ckzug hatte es keinen Sinn mehr. Seinen Zustand verstand auch Erika, die ziemlich oft in seine blauen Augen sah und angespannt auf etwas wartete. Das sehr Wichtige, das der Russe ihr noch vor einer Woche zu sagen versprach, verband sie mit seinem seltsamen Verhalten heute. Sie konnte es auch jetzt immer noch nicht verstehen, warum er Angst vor ;rzten hatte. ;berhaupt entt;uschte sie das weitere Verhalten ihres B;rtigen. Statt einer ernsthaften Erkl;rung begann der Russe sich wie ein kleines Kind zu benehmen. Nach der Mahlzeit klopfte er sich fr;hlich auf den Bauch, nuschelte etwas und begann zu erz;hlen, wie er in der Kindheit auf einem eisernen Ofen die Sonnenblumenkerne r;stete. Dann ging er zu den Schulgeschichten ;ber. Die aufgeregte Erika verstand aus dem Monolog des Geliebten nicht alles. Jedoch von den lebendigen Geschichten und den gleichen Gesten Alexanders wurde sie in das Gespr;ch miteinbezogen. Sie fragte mehrmals nach, wenn sie den Grund des hinrei;enden Lachens des Partners nicht verstehen konnte. Jener konnte aus irgendeinem Grund ihr nicht wirklich die Bedeutung des russischen Wortes „Bekloppter“ aus dem l;ndlichen Jargon erkl;ren. Welche W;rter hatte ihr Geliebter im Kopf nicht nur „herausgesucht", nur um dieses Wort ins Deutsche zu ;bersetzen.
Es half ihr auch seine Erkl;rung dar;ber nicht, dass es „Bekloppte" in seinem Neidjnowka von Tag zu Tag immer mehr und mehr gab. Schlie;lich griff der Lehrer der russischen Sprache zu den Gesten. Er lie; sich auf die Knie herunter, schlug sanft mit der Hand auf seinen Kopf und rief dreimal laut:
„Ich bin bekloppt, du bist bekloppt, sie sind bekloppt...“
Von dem Zirkus des Lieblingslehrers lachte die Nichtverstehende laut und begann, wie auch er, mit der Faust sich auf den Kopf zu klopfen und mit gro;em Eifer zu schreien:
„Ich bin bekloppt... Ich bin kaputt, es ist kaputt, du bist kaputt... Ich bin beklo-oppt...“
Von diesem Moment an erschien im Wortschatz der beiden Verliebten ein neuer Ausdruck „Herr Kaputt". Es gefiel Alexander sehr...
Nach der komischen Erz;hlung ;ber seine Kindheit bat der Russe Erika um den See spazieren zu gehen, jene lehnte nicht ab. Mit diesem Spaziergang wollte er ihr beweisen, dass er sich wesentlich besser f;hlte. Es war auch in Wirklichkeit so. Die Wunde machte sich nur beim schnellen Gehen bemerkbar. Erika beruhigte sich bald auch wirklich. Sie umarmte den Riesen am R;cken und fragte ihn ;ber Sibirien und ;berhaupt ;ber die Sowjetunion aus. Kusnezow antwortete auf einige Fragen sehr kurz, auf andere gab er l;ngere Erkl;rungen. ;ber das, was in der ehemaligen Sowjetunion geschah, wusste er selbst nichts. Deshalb „wich“ er ziemlich oft aus. Ihm war es jetzt nicht nach Politik und auch nicht nach den B;ren auf Tschuktschenhalbinsel. Er bereitete sich auf die Beichte vor seinem Lieblingsm;dchen vor... Die erste Nacht nach der unerwarteten Trennung war f;r die jungen Leute in irgendeiner Weise besonders. Der B;rger der ehemaligen Sowjetunion Alexander Nikolajewitsch Kusnezow, er auch der Fahnenfl;chtige der WGT, ;ffnete ganz seine Seele der geliebten Deutschen. Nur eins verheimlichte er vor ihr. Den Besuch des Massengrabs, in dem sein Urgro;vater ruhte, lie; er hinter den sieben Siegeln, behielt er f;r sich. Er hielt sich im Vergleich zum Helden f;r eine einfache Nichtigkeit...
Erika, im Unterschied zu seiner vorhergehenden Erz;hlung ;ber die Bewohner von Neidjonowka, mischte sich jetzt in die Beichte des russischen Burschen nicht ein. Sie mischte sich nicht ein, trotz der Tatsache, dass sie einige W;rter, sogar S;tze nicht verstand. Nochmals zu fragen traute sie sich auch nicht. Sie schaute nur sehr aufmerksam in die Augen ihres Freundes und schwieg. Selbst in der Dunkelheit, die immer mehr und mehr und nicht nur seine Augen, sondern auch sein Gesicht verbarg, f;hlte sie die seelische Verwirrung des geliebten Menschen. Sie wollte manchmal selbst auf ihre Schultern, in ihr Herz und in ihre Seele einen Bruchteil des Leidens nehmen, das auf die Schultern des fl;chtigen Soldaten dr;ckte. Um ihn irgendwie zu unterst;tzen, dr;ckte sie immer wieder seine kr;ftige Hand...
Kusnezow stand nach fast einer Stunde der Beichte schnell vom „Bett" auf und ging zum See. Erika blieb alleine sitzen. Sie verstand sehr gut, dass ihm es jetzt sehr schwer zu Mute war. Schwer nicht nur wegen der vielj;hrigen k;rperlichen M;digkeit, sondern auch wegen des ganzen Erlebten. Gleichzeitig bedauerte sie ihn nicht nur, sondern war auch stolz auf ihn. Der Russe hatte seinen Mut zusammengenommen und schlie;lich seine Seele ge;ffnet, die die ganze Zeit blutete und jammerte... Die Einsamkeit von der Au;enwelt brauchte jetzt nicht nur der fl;chtige Russe, sondern auch sie. Sie, wie auch er, wie auch alle Menschen, w;nschten sich gestern und heute Gl;ck, einfaches menschliches Gl;ck. Daf;r zerbrach sie vor ganz kurzem mit ihren F;usten die Berliner Mauer, die den Menschen nicht erm;glicht hatte, gl;cklich zu sein. Gestern und jetzt stellte sie sich das Leben ohne diesen russischen Burschen, der die Grenze des Gesetzes der totalit;ren Gesellschaft ;bertreten hatte, nicht vor.
Er wie auch sie wollte und will ein gl;cklicher Mensch sein. Bei diesen Gedanken weinte das M;dchen unerwartet. Sie verstand es erst jetzt in diesem Wald und in dieser Nacht, dass das menschliche Gl;ck nicht bei einem einsamen Mensch sein konnte, es konnte nur gemeinsam mit einem geliebten Menschen sein.
Alexander kehrte zu seiner Freundin nach einer halben Stunde zur;ck. Er kehrte gereift und befl;gelt zur;ck. Alexander sa; auf einer kleinen Br;cke neben dem See und beschloss, seine Zukunft mit der schwarzhaarigen Deutschen zu vereinen. Gerade sie konnte jetzt sein weiteres Schicksal bestimmen. F;r den Fl;chtigen gab es nur zwei Wege aus der entstandenen Situation. Wenn die Deutsche ihn richtig verstehen und seine lebenswichtigen Entscheidungen unterst;tzen w;rde, bliebe er in diesem Land. Andernfalls w;rde er sofort dorthin zur;ckgehen, wo er geboren und aufgewachsen war. Es hatte auch noch Geld f;r dorthin, in der Tasche befand sich seine Milit;rkarte mit dem roten Umschlag.
;ber die R;ckkehr des geliebten B;rtigen hatte sich Erika sehr gefreut. Sie verstand sehr gut, dass nur sie und niemand anderer auf dieser Erde in diesen Moment sein Schicksal bestimmte. Mit ihm zusammen zu sein oder ohne ihn, hatte sie nicht erst jetzt entschieden. Sie hatte es schon fr;her bestimmt, als sie sich zum ersten Mal am See begegneten. Nach dem Gest;ndnis des Mannes hatten sich ihre Gef;hle der Liebe und der Zuneigung zu dem russischen Riesen hundertfach vermehrt. Sie freute sich auch dar;ber, dass es nur erfundene Geschichten ;ber Familie und Kinder waren. Erika erschraken jetzt auch die bevorstehenden Schwierigkeiten nicht, die morgen oder nach einer Woche entstehen k;nnten. Das Leben im Land wurde von Tag zu Tag «schwerer». Anstelle der versprochenen Demokratie und Milch mit Honig, die die Politiker des Vereinigten Deutschlands versprachen, bekam sie und wie sie Hunderttausende das Loch von der Brezel... Zu zweit konnte man diese Schwierigkeiten viel einfacher und leichter ;berwinden...
Der Russe setzte sich vorsichtig aufs Bett und schwieg. Erika ging sicher zu ihm und k;sste ihn fest. Dann sagte sie mit Tr;nen in den Augen:
„Du, mein Lieblingsm;rtyrer... Ich werde immer nur auf deiner Seite sein... Ich m;chte nicht, dass unser Leben irgendwelche Politiker oder Milit;rs bestimmen... Niemand und niemals wird unsere Liebe zerst;ren... Bist du damit einverstanden, mein Liebster?“
Es kam keine Antwort, aber das st;rte die junge Frau ;berhaupt nicht. Die starken und zarten H;nde des Mannes zogen sie schon aus... Nach ein paar Augenblicken befand sie sich schon im Strudel der Leidenschaft und Z;rtlichkeit. Sie freute sich auch sehr ;ber die zarten Worte des geliebten Menschen:
„Danke dir, meine Liebste... Der Gott und meine Mutter haben unsere Bitten erh;rt... Sie wiesen uns auf den rechten Weg, den Weg des Gl;cks und der Liebe... Ich liebe dich meine Erika…“
Fr;hmorgens kam das junge Paar mit dem Linienbus in Springer an. Fast zwei Wochen steckte Alexander seine Nase auf die Stra;e nicht heraus, behandelte flei;ig sein Bein. Er machte alles M;gliche, damit die Wunde schnell verheilte. Die Verliebten beabsichtigten nach Spanien zu reisen, um dort sich zu erholen und zu sonnen. Kusnezow hatte wegen seiner Krankheit stark gelitten, aber er war auch sehr gl;cklich ;ber die gesch;ftliche Aktivit;t seiner Geliebten. Ihr gelang es, in den Zeitungen eine private Ferienwohnung an der Mittelmeerk;ste in der sch;nen Region von Spanien - Lloret de Mar zu finden. Tausend D-Mark f;r ein Paar und Erholung f;r zwei Wochen erschienen ihnen wie ein Geschenk des Himmels. Sie kamen auch fast umsonst zum Meer, der Sohn des Freundes von Erikas gestorbenen Vaters, nahm sie mit dem Auto mit.
Peter war nicht nur von der eleganten Limousine fasziniert, sondern auch von der Blondine, die das moderne Wunder der Technik hatte. Karin, die in M;nchen wohnte, fand auf eine Zeitungsanzeige einen Freund f;r den Sommer. Bis jetzt bedauerten die jungen Leute es ;berhaupt nicht. Die Tochter reicher Eltern und der Sohn arbeitsloser wissenschaftlicher Mitarbeiter quartierten sich in einem komfortablen Hotel ein. Alexander und Erika gingen in die private Wohnung.
Die Einzimmerwohnung befand sich im dritten Stock eines kleinen Hauses, das sich einem gro;en Markt anschloss. Die N;he des Marktes mit vielen Verk;ufern und K;ufern erschrak die jungen Leute nicht, sie beabsichtigten, die ganze Zeit zu baden und sich zu sonnen. Die Hausherrin unbekannter Nationalit;t nahm die russischsprachigen Mieter sehr willkommen auf. In ihren siebzig Jahren hatte sie allerlei m;gliche Tricks und Streiche der vielsprachigen Kunden ertragen m;ssen, aber das Geld brauchte sie auch. In dem halben Jahrhundert der Arbeit mit Urlaubern hatte sie nie Pech. Sie kam immer mit den lokalen Beh;rden und der Polizei aus. Ihre Mieter kamen an und fuhren ab auch ohne Probleme. Und dieses junge Paar aus Deutschland verursachte bei ihr keine Probleme. Die Alte sah aufmerksam den Reisepass der sch;nen Frau Kr;ger an und l;chelte nachsichtig, als ihr junger Freund aus irgendeinem Grund seinen Pass nicht finden konnte. Vollkommen m;glich, dass die Besitzerin der bescheidenen Villa versucht h;tte, ;ber den Russen zu meckern, wenn ihm seine clevere Freundin nicht geholfen h;tte. Sie zog aus der Tasche den Geldbeutel heraus und bot im perfekten Deutsch der Hausherrin das Geld f;r die ganze Zeit des Aufenthaltes an. Die Alte steckte mit einem L;cheln das Geld in einen kleinen Safe. Zu den Deutschen hatte sie mehr Vertrauen als zu den Russen. Sie schloss auch nicht aus, dass dieses P;rchen, wie auch viele ihre Kunden, ihre Wohnappartements fr;her verlie;en. Dieses gegenseitige Einvernehmen brachte ihr gute Eink;nfte. Sie l;chelte wieder und zeigte mit der Hand auf die Treppe. Alexander, vielleicht vor Angst oder vom unerwarteten guten Ausgang mit dem Pass, err;tete stark und eilte nach oben. Die neuen Mieter warfen den Koffer unter das Bett und eilten sofort zum Meer. Es war nur f;nf Minuten zu Fu; entfernt. Das Meer war m;rchenhaft sch;n. Die helle Sonne, als ob sie die Neuank;mmlinge begr;;te, gl;nzte fr;hlich auf der breiten Oberfl;che des Wassers, die weit ;ber den Horizont hinaus ging. Alexander war zum ersten Mal im Leben am Meer und sprang eine Weile vor Freude in der N;he des Wassers, er f;llte mit Eifer seine Lunge mit der heilsamen Meeresluft. Dann beschloss er, trotz seiner Angst und auf Risiko selbst;ndig ein paar Meter zu schwimmen. Er bewegte sich entschlossen vorw;rts, das Wasser ging ihm bis zum Hals. Danach bewegte er stark, wie besessen, seine Arme und Beine. Nach ein paar Sekunden hatte das Meerwasser den Neuling irgendwie gehoben und er schwamm schon ohne jede Angst zwei dutzende Meter durch. Seinem Beispiel folgte auch Erika. Als die Verliebten genug gebadet und sich am Strand gesonnt hatten, gingen sie in ein kleines Restaurant, das sich fast am Wasser befand. Kusnezow zog nicht die Einrichtung, sondern sein russischer Namen des Restaurants an. Das „Samowar" hatte nur wenige Besucher, von den etwa zehn kleinen Tischen waren nur zwei besetzt. Alexander bat seine Freundin galant zu Tisch und gab eine Bestellung auf. Erika interessierte das Men; und alles andere ;berhaupt nicht. Sie sa; brav am kleinen Tisch und beobachtete mit einem L;cheln ihren Freund, der sich perfekt in Russisch mit dem jungen Kellner Anton unterhielt. Sie teilte auch gen;sslich mit ihrem Freund den russischen Wodka und die sibirischen Maultaschen. Nach dem Restaurant schlenderte das junge P;rchen durch die sauberen Stra;en der Kleinstadt. An diesen Abend gefielen ihnen nicht nur ihre Stra;en und die eleganten Hotels, sondern auch die Menschen von allen Ecken des Planeten Erde. Den ersten Tag im sonnigen Spanien beendeten sie auf einem Markt, wo der Russe f;r Erika ein bescheidenes Souvenir kaufte. Die Halskette aus Bernstein gefiel ihr sehr und sie k;sste sanft den Gentleman auf die Wange. Der gl;ckliche Kusnezow nahm leicht das M;dchen in seine Arme und setzte sie sich auf die Schultern. Auf seinen starken Schultern hatte sie die T;r ihrer Wohnung erreicht. Das Bett der Hausherrin war f;r die Verliebte an diesem Abend sehr gem;tlich und intim...
Das sonnige Land mit dem herrlichen Meer zog die Deutsche und den Russen immer mehr und mehr an. Sie entdeckten fast jede Stunde f;r sich hier etwas Neues und Unbekanntes. Ein Beweis daf;r war Barcelona. Die zwei Touristen, die hierher mit einem Bus in einer kleinen Gruppe ankamen, besuchten fast alle ber;hmten Sehensw;rdigkeiten der Stadt. Besonders eifrig nahm Alexander alles und jedes. Erika fotografierte ihn in der N;he des Denkmals von Columbus und neben dem legend;ren kubanischen Revolution;r Ernesto Tschegewary im Museum der Wachsfiguren. F;r eine Weile verga; der Russe sogar die Anwesenheit des sch;nen M;dchens, jene nahm es ihm nicht ;bel. Sie verstand sehr gut, dass seine Heimat Neidjonowka in der Anzahl der Sehensw;rdigkeiten ihrem Dorf Springer unterlegen war, ganz zu schweigen von dem sch;nen Barcelona.
Zu Ende der ersten Woche waren die Touristen aus Deutschland ganz sch;n braun gebrannt. Auch hier stach Alexander hervor. Erika ;rgerte sich in diesem Zusammenhang manchmal sehr, sie ;rgerte sich nicht, weil ihr Freund faulenzte und stundenlang unter den brennenden Sonnenstrahlen lag. Der Grund war ein ganz anderer. Sie beunruhigten die Sch;nheit und der kr;ftige K;rperbau des einfachen Burschen aus dem fernen sibirischen Dorf, nach dem sich junge M;dchen immer wieder umschauten. Und nicht nur sie... Erika wurde einmal w;hrend des Spaziergangs fast unh;flich zu einer alten Frau, die wie auch sie, auf einem B;nkchen unter der Zypresse Alexander gegen;ber sa;. Er sa; in Badehosen mit geschlossenen Augen und dachte ;ber etwas nach, keine Aufmerksamkeit dem menschlichen Strom zuwendend. Die bezaubernde Br;nette hatte die ziemlich starke Neugierde der Alten ihrem Freund gegen;ber sofort bemerkt. Sie nahm sogar ihre Sonnenbrille ab, um ihren schmachtenden Blick abzufangen. Die Alte starrte weiter. Erika, wie elektrisiert, stand schnell auf und begann um die Bank, auf der die Unbekannte sa;, zu kreisen. Wieder Null Emotionen und keine Bewegungen. Um die Freche von den schlechten Gedanken ;ber ihren Geliebten sicher abzulenken, eilte sie schnell weg. Ihr folgte sofort auch der verwunderte Riese. Er konnte immer noch nicht verstehen, welche Fliege in der Sonne seine Geliebte gebissen hatte. Nach einer Weile konnte Erika nicht widerstehen und drehte ihren Kopf nach hinten. Die Neugierige mit der Hand an der Stirn blickte weiter starr in die Richtung des sich entfernenden P;rchens. Der vorletzte Tag des Aufenthaltes am Ufer des Mittelmeeres brachte Alexander Kusnezow eine echte ;berraschung, die mit seinem Dienst verbunden war. An diesem Tag beschlossen die Verliebten, nirgendwohin mehr zu fahren. Sie hatten schon genug Eindr;cke. In der verbleibenden Zeit hatten sie vor, sich einfach zu entspannen und k;rperliche Energie zu tanken. Erika brauchte Kraft f;r die Jobsuche, auch der Riese hatte sich neue Hoffnungen gemacht. Er hoffte immer noch eine Besch;ftigung zu finden, er wollte nicht auf der Tasche der Deutschen liegen. Es gab auch noch einen weiteren Grund. Ihr ziemlich bescheidenes Leben am Meer fing allm;hlich an sie zu st;ren. Wegen Geldmangels gingen sie immer mehr und mehr zu „Wasser- und Sonnenprozeduren“ ;ber. Die sch;nen „Tafeln Schokolade" wandten wie auf Befehl die Gesichter von Restaurants ab, von denen ein angenehmer Duft von k;stlichen Gerichten kam.
Drei Tage vor der Abreise waren sie gezwungen, auf grausamste "Di;t" ;berzugehen. Sie kauften pro Tag f;r jeden eine Flasche Milch und zwei Br;tchen. F;r mehr hatten sie kein Geld.
Die Uhr zeigte elf, als sie an den Strand kamen. Alexander tauchte sofort ins Wasser und danach streckte er sich sofort auf dem Sand aus. Erika mochte sehr das Meerwasser und badete weiter. Der Riese schloss seine Augen, manchmal tr;umte er, manchmal dachte er nach. Etwa zehn Meter von sich entfernt h;rte er die russische Sprache, die hier keine Seltenheit war. F;r einen Moment lauschte er. Ein unbekannter Mann bat irgendeine Allotschka ihn zu k;ssen, jene lachte fr;hlich und sagte immer wieder:
„Also, du, mein Ern;hrer, wenn ich dich k;sse, wirst du dann mich auf dem Schiff auf den Meeresgrund bringen, Fische anzuschauen...“
Der Ern;hrer schwieg eine Weile, dann sagte er laut:
„Nun, diese Frauen, gib ihnen immer alles f;r etwas und f;r jemanden... Ob ich dir noch nicht alles gegeben h;tte...“
Die Stimme des Mannes schien ihm f;r ein Moment sehr bekannt, aber er beschloss, den Kopf nicht zu heben. Er war sich zu hundert Prozent sicher, dass es hier von ihm weder Verwandte noch Freunde gibt. Er rollte sich auf den Bauch und schloss die Augen. Die scheinende Sonne bewirkte immer mehr st;rker, dass er einschlief...
Es ist nicht bekannt, wie lange Alexander geschlafen h;tte, wenn Erika nicht mit der feuchten Handfl;che ;ber seinen Wipfel sanft gestreichelt h;tte. Dann schnalzte sie mit dem Finger an seinem Ohr und sagte fr;hlich auf Deutsch:
„Herr Kaputt! Du wirst so auch den ganzen Tag verschlafen, und mir nichts lassen...“
Kusnezow reagierte auf den Schnalzer des M;dchens und auf ihre Stimme nicht. Er murmelte etwas vor sich hin und „quetschte“ sein K;rper noch mehr ins farbige Badetuch hinein. Wegen des hei;en Sandes, wie ein gl;hender Ofen, konnte er nicht wirklich einschlafen. Nicht weit von ihm h;rte er wieder die russische Sprache. Die klangvolle und melodische Stimme der unbekannten Alla zog f;r einen Moment seine Aufmerksamkeit wieder an. Und nicht nur das. Die Frau, als ob sie jemand kitzelte, sagte laut:
„Nun, mein Sarsenbajtschik, gehen wir zum Hotel... Ich will auf dem spanischen Strand nicht nur gebraten sein, sondern ich m;chte auch etwas... Nat;rlich, mein Geliebter, nicht hier vor Augen dieser Menge...“ Der sexuelle Vorschlag irgendeiner Allotschka an einen unbekannten Mann machte den Riesen sehr neugierig. Sogar die etwas bekannte Stimme des unsichtbaren Sarsenbajtschik interessierte ihn jetzt nicht, jener war ihm egal. Ihn interessierte das ;u;ere des M;dchens, das, wie er vermutete, sehr h;bsch sein musste. Alexander hob langsam sein Kopf und nach ein paar halbnackten K;rpern sah er die, die gerade erst angedeutet hatte, ein Bett mit irgendeinem Sarsenbajtschik zu teilen. In seinen Vermutungen irrte sich der Neugierige ;berhaupt nicht. Allotschka war in der Tat eine Sch;nheit. Besonders auff;llig waren ihre flauschigen Haare. Die wei;en Haare trotz ihrer Nachl;ssigkeit, die durch das Liegen auf dem Sand verursacht war, waren pr;chtig. Alexander war es erst jetzt aufgefallen, dass nicht nur er, sondern auch die nebenan liegenden M;nner dieses schlanke und braune russische M;dchen immer wieder mit den Augen verschlangen. Ihm fiel sofort der bekannte Name ein, der fast allen unverheirateten Frauen der ehemaligen Sowjetunion verliehen wurde. Er hatte keinen Zweifel daran, dass das Wort "Hure" nicht vergessen wird, auch von denen nicht, die sich aus irgendwelchen Gr;nden au;erhalb des einst gro;en Landes befanden. Die M;nner aller Altersgruppen und Hautfarben aus der ganzen Welt mit dicken Geldbeuteln kauften buchst;blich die russischen Sch;nheiten auf... Mit diesen Gedanken beruhigte sich der neugierige Philosoph auch. Er drehte sich auf die Seite und k;sste sanft Erika, die unter den Sonnenstrahlen einschlief, auf die Wange...
Nach ein paar Minuten kehrte die Neugier gegen;ber der Landsfrau bei Alexander wieder. Er hob den Kopf. Der Mann und die Blondine sa;en mit dem R;cken zu ihm. Er stand langsam auf, dann zog er seine Badehosen richtig und ging zum Wasser. Auf dem Weg zum Wasser blieb er stehen und schaute von der Seite auf den unbekannten Sarsenbajtschik, der das Gesicht der sch;nen Frau w;rtlich ableckte. Von der Seite sah es aus, ob dieser graue Mann mit asiatischen Gesichtsz;gen und dieses sch;ne M;dchen, die einander leidenschaftlich k;ssten, nach wenigen Augenblicken zum Schafott gehen w;rden, wo man ihnen die K;pfe abhieb. Der Asiat bemerkte als Erster die starre Neugier des gro;en Mannes in der schwarzen Badehose. Er ignorierte kurz seine junge Vergn;gung und zischte ver;chtlich russisch durch die Z;hne:
„Al-lja, Allotschka... Und was m;chte dieses zweibeinige Glied von uns? Wieso starrt er uns so an, ob ich ihm etwas schulde...“
Nach diesen Worten drehte er sich zu der Blondine um und befand sich wieder in ihrer Umarmung. Kusnezow hielt es nicht aus und grunzte laut. Die Aufdringlichkeit des gro;en Fremden brachte den verliebten Asiaten ganz aus der Fassung. Er sprang wie von der Tarantel gestochen auf und zischte wieder w;tend:
„Was willst du, nicht russische Schnauze? Hast du es vom Leben satt oder m;chtest was auf die Schnauze kriegen?“
Die Wut und der Zorn des kleinen Zwerges st;rten den k;rperlich fitten Touristen aus Deutschland ;berhaupt nicht, er blieb ruhig, sogar sehr ruhig. Er lachte nur fr;hlich und grinste aus irgendeinem Grund ausgelassen. Solch ungew;hnliches Verhalten des Riesen verursachte beim Asiaten die n;chste Hassflut. Der Knirps beugte sich nach unten und holte stark aus, hoffend beim Fremden die Z;hne zu treffen. Und in diesem Augenblick f;hlte er einen starken Schmerz in seinem linken Arm. Alexander wich dem Schlag sehr geschickt aus und drehte fast blitzschnell den Arm seines Gegners hinter seinem R;cken um. Der Angreifer schrie vom furchtbaren Schmerz stark auf und sank langsam auf die Knie. Sofort lief Allotschka hinten zu Kusnezow herbei und fing an, im flie;enden Russisch an seine Adresse solche Fl;che loszulassen, dass einige von den Russen, die im Sand nebenan und einen Kilometer weg lagen, nicht ohne Vergn;gen anfingen, sich nach der Quelle der Muttersprache umzuschauen.
Es ist nicht bekannt, wie das Spiel mit Worten und Muskeln ausgegangen w;re, wenn Alexander sich nicht in den Sand neben dem Knirps h;tte fallen lassen und nicht laut aufgeschrien:
„Nun, Farid, du erkennst mich gar nicht... Und also, komm, erkenn mal deinen Landsmann und Kollege...“
Der Kasache erholte sich etwas vom toten Griff des starken Riesen und begann mit offenbarem Unverst;ndnis und Misstrauen den Beleidiger anzusehen. Nach ein paar Augenblicken sprang er schnell auf und schrie:
„Du, Kusnez.... Sofort f;hlte man deine Pferdest;rke... Also, du bist es, mein Landsfreund...“
Mit diesen Worten sackte er wieder auf die Knie und warf sich mit aller Kraft auf den K;rper des Riesen, der etwas vor sich hin murmelte. Die Freunde verwandelten sich in einem Augenblick in einen lebendigen einheitlichen Ball aus zwei M;nnerk;rpern, die noch ziemlich lange in dem hei;en Sand rollten und einander mit den F;usten schlugen. Bald hatten sie von der reinen M;nnerbesch;ftigung genug und gingen, verfolgt von den Blicken der geweckten wie auch erschrockenen Passanten, friedlich zum Wasser, um sich in Ordnung zu bringen.
Nach einer Weile bildete sich am Ufer des Mittelmeeres eine kleine Gruppe von Touristen, die aus zwei M;nnern und zwei Frauen bestand. Farid und Alexander schauten sich immer noch weiter aufmerksam an. Manchmal klopften sie eifrig einander auf die Schultern, manchmal auf den Kopf. Die Frauen benahmen sich viel ruhiger. Allotschka gewann sofort nach dem Bekanntmachen eine interessante Freundin aus dem reichen Deutschland, die dazu auch nicht schlecht russisch sprach. Die Blondine war auch Erika sympathisch. Sie mochte sehr ihre Direktheit und Klarheit in der Kommunikation.
Alexander erkannte mit gro;en Schwierigkeiten in dem alten grauhaarigen Mann den ehemaligen Soldaten der Sowjetischen Armee Ischakow. Farid, der noch keine drei;ig war, sah viel ;lter aus. Sein grauer Kopf zeigte, dass nach dem Abschied am Kontrollpunkt das Leben des Landsmannes des Riesen kein Zuckerschlecken war. Der Vorschlag, das Treffen zu feiern, kam von Farid, der Regimentskamerad unterst;tzte ihn gern. Die Freunde gingen zum Hotel „Rosamar". Das f;nfgeschossige Hotel, das sich einige Dutzend Meter vom Meer befand, hob sich unter den ;brigen Geb;uden hell hervor. Auf den fragenden Blick seines ehemaligen Kameraden dar;ber, was mit den Frauen machen sollte, schaute Ischakow mit einem L;cheln zu deren Seite und sang lustig eine Strophe aus einem bekannten Lied: „Zuerst vor allen Dingen Flugzeuge. Aber die M;dchen? Die M;dchen sp;ter“.
Die Frauen bemerkten das Verschwinden ihrer M;nner und winkten ihnen fr;hlich mit den H;nden hinterher. Das bedeutete, dass jedes Paar den heutigen Abend auf eigene Faust verbrachte.
Das Hotel begeisterte Alexander nicht nur durch sein Aussehen, sondern auch durch seine innere Pracht. Pr;chtig waren auch Farids Appartements, die aus drei Zimmern bestanden. Kusnezow ging etwa zehn Minuten durch die Wohnappartements des Freundes mit den Rechten eines Gastes, bis jener sich duschte. Besonders begeistert war er vom gro;en Schlafzimmer mit einem sehr breiten Bett, auf das ohne jeden Zweifel, die Zenitabteilung mit dem Kompaniechef zusammen passen w;rde. Ihm gefiel auch der kleine Eichentisch neben dem Bett, auf dem eine gro;e Vase mit sch;nen Rosen stand. Im riesigen K;hlschrank des Freundes befand sich eine Unmenge von Wein, Wodka und Bier. Der Luxus des Zimmers, in dem sich Farid mit Allotschka erholte, unterschied sich auffallend, sogar sehr auffallend, von jenem Zimmer, wo die zwei jungen Leute wohnten, die aus dem reichen und wohlhabenden Deutschland kamen. Ischakow hatte sich geduscht und kam ins Zimmer. Sein Freund sa; j;mmerlich auf dem weichen Ledersessel und dachte ;ber etwas nach. Als er es merkte, fragte er ihn sehr ernst:
„Nun, Sanek, wieso l;sst du den Kopf h;ngen? Wir haben uns so viele Jahre nicht gesehen und wieso bist du traurig... F;r solch eine sauere Fratze gibt es heute keinen Grund... Ich werde jetzt ;berlegen, wie ich meinen Regimentskameraden und Freund besser bewirte, und du lauf ins Bad und wasche dein Bauch...“
Eine Stunde sp;ter verlie;en die Freunde das elegante Zimmer und gingen nach unten, wo sich das Restaurant befand. Hier war auch alles sehr sch;n. Den Gast ergriff besonders die Sch;nheit der gl;nzenden W;nde und der Spiegeldecke. Die M;nner setzten sich an einen kleinen Tisch in der Ecke, sofort kam ein Kellner. Farid gab die Bestellung auf. Nach dem ersten Glas russischen Wodkas redeten die ehemaligen Kameraden. Das erste Wort bei allem f;hrte Farid. Kusnezow antwortete nur hin und wieder auf die Fragen des Armeegenossen und das sehr kurz. Er ;nderte auch diesmal seine eisernen Regel nicht: die Nase nicht hinauszustecken und den Mund zu halten. Und er hatte auch nichts zum Prahlen. Im Laufe der Jahre seiner Einsiedelei im vereinigten Deutschland hatte er, der Fahnenfl;chtige, noch nichts f;r die Realisierung seines erw;nschten Traumes unternommen. Und in Spanien war er ganz zuf;llig. Zwei Wochen w;rmte er seinen Bauch nicht ohne Erikas Hilfe.
Die Verschlossenheit des ehemaligen Regimentskameraden ;rgerte Ischakow ;berhaupt nicht. Der Boxer war ein schweigsamer und stiller Mensch auch in der Armee gewesen. Farid hatte sich nach dem zweiten Glas ganz erregt. Er wollte unbedingt seinem besten Freund alles erz;hlen, was er im Laufe der Jahre erlebt hatte. Alexander beobachtete sehr aufmerksam seinen Landsmann, der mal wie aus dem Maschinengewehr plapperte, mal mit den F;usten auf den Tisch klopfte. Manchmal schien es ihm, dass er mit der Faust den riesigen Kopf des Kellners, der ihren Tisch bediente, gleich treffen w;rde. Der schwarzh;utige Junge verstand, dass der kleine Asiat mit dem grauen Kopf ein ziemlich reicher Besucher war und wollte ihn deshalb gr;ndlich verw;hnen. Er machte es ausgezeichnet.
Er gelang ihm rechtzeitig, sein Glas mit den Spirituosen nachzuf;llen, eifrig wischte er auch mit dem Mopp den Fu;boden von dem auf, was aus dem Mund des betrunkenen Erz;hlers „flog". Es vergingen keine f;nf Minuten, dass der Afrikaner an dem kleinen Tisch, wo man sehr laut redete und sehr laut fluchte, nicht vorbeiging. Die russische Sprache verstand der Diener nicht, aber das hinderte ihn nicht, gut „zu verdienen“. Nach etwa einer Stunde war Farid gr;ndlich voll und beschloss, sich ein wenig zu entleeren. Der Kellner verstand sofort den Wunsch des Kunden. Er griff ihn geschickt unter den Arm und begleitete ihn vorsichtig bis zur Toilettenkabine. Nach etwa zehn Minuten landete der Freund des Riesen nicht ohne die Hilfe des gleichen Afrikaners vorsichtig auf der kleinen Ledercouch. Der Diener verneigte sich sehr nett und nickte sogar dreimal tief seinen Kopf, als der neue Kasache mit einem L;cheln ihm eine Banknote im Wert von hundert Dollar gab. Kusnezow bemerkte sofort die Kaufmannsgeste des Freundes. Er l;chelte und sagte leise:
„Landsfreund!... Ich sehe, dass du wieder die Munition unserer ber;hmten Gruppe der Truppen in Deutschland verkaufst... Farid, bist du schon ein General oder hast du jetzt andere Kan;le?“
Ischakow schaute mit einiger Mi;gunst auf den, der ihm jetzt die Frage gestellt hatte. Eine gewisse Zeit schwieg er. Aller Wahrscheinlichkeit nach verdaute er in seinem Kopf die Frage des Freundes. Er sah heute oft in die ziemlich traurigen Augen des einst emporsteigenden Armeeboxers und Kameraden. Er verstand immer noch nicht den seelischen Zustand Alexanders, der wesentlich weniger Alkohol als er trank. Er verstand seine Falle, grinste sauer und sagte:
„Nun, du Boxer, bist du vom Mond gefallen? Ich schmei;e mit diesem Geld und Dollars um mich, weil ich sie jetzt habe... Und f;r morgen habe ich auch schon vorgesorgt...“
Ischakow schwieg wieder eine Weile. Auch Kusnezow schwieg, der nicht erwarten konnte, die Quellen des gro;en Kapitals des Freundes, der in der Armee nichts Hervorragendes darstellte, zu erfahren. Der neue Kasache z;gerte offenbar mit der Antwort. Eine ;hnliche Reaktion hatte der Riese erwartet. Nur wenige der reichsten M;nner wagten sich, ;ber die Herkunft ihrer Profite zu sprechen. Auf dem Gesicht des Kasachen leuchtete f;r eine Weile ein L;cheln und er trank ein Glas Wodka beil;ufig aus. Dann stocherte er mit der Gabel auf dem Teller und warf auch beil;ufig ein paar Scheiben Lachs in den Mund. Alexander beobachtete mit gro;er Aufmerksamkeit seine Handlungen. Er zweifelte schon ;berhaupt nicht mehr daran, dass Farid seine Karten aufdecken w;rde. Seine Seele jubelte sogar etwas, als sein Freund das n;chste Glas Wodka austrank und durch die Z;hne redete:
„Nach der Armee war mein Le-ben wie eine schwar-ze Wolke... Bei uns in der Stadt eigneten sich die ehemaligen Partei-, Sowjet- und Komsomolarbeiter alles und jedes an. Ich lebte und arbeitete in diesen H;uschen nicht. Ehrlich gesagt, mein Landsfreund... Ich begann von Null... Bis zu der Eins mit vielen Nullen musste ich ziemlich lange gehen... Zuerst fuhr ich nach Moskau, um Klamotten zu besorgen. Mein Einkommen war nicht dick, gab alles den Weibern ab... Damals war ich sehr hungrig auf die Weiber und sie hatten auch kein Geld. Ich gl;nzte doch vor Sch;nheit weder damals noch jetzt...“
Die Gedanken des neuen Kasachen ;ber die Frauen und M;nnersch;nheit brachten den Gespr;chspartner zum Lachen. Er wollte auf die M;nner und auf die Frauen trinken. Farid erwiderte seinen Toast gern. Eine geraume Zeit besch;ftigten sich die Freunde mit dem Essen. Alexander konnte aus irgendeinem Grund immer noch nicht richtig erkennen, was f;r Delikatessen er a; und wer sie bestellte. Das l;chelnde Gesicht des jungen Afrikaners n;herte sich ihm manchmal, manchmal verschwand es irgendwohin. Nach dem Toast auf das starke und schwache Geschlecht schaltete Farid sein „Kleinhirn" voll ein. Er, wie man es nur konnte, zog mit Kraft seinen Freund an sein Gesicht und sagte mit einem Seufzer:
„Du, Bursche, denke nicht, dass ich mit den Klamotten eine Menge Geld machte... Ich habe dieses Geld sehr lange gesucht... Ich kaufte Vieh in meinem Kreis, dann ein wenig weiter weg. Mit einem Partner lernte ich zu stehlen, Sibirien ist doch gro;... Die gr;nen Scheine brachten mich auch zu weiblichen Freuden... Diese Schlampen lie;en mich fr;her auf einen Kanonenschuss nicht heran, aber jetzt konnte ich w;hlen... Heute am;siere ich mich mit Allotschka, vor einem Monat war es Maschenjka... Die Sekret;rinnen w;hle ich selbst, ich w;hle sie unter einer Bedingung... Sie sind ohne irgendeine Widerrede einverstanden gewesen...“
Die Auswahl der Frauen nach "dem sexuellen" Prinzip am;sierte den halbbetrunkenen Alexander. Er sah den quasselnden Eroberer der weiblichen Herzen freundlich an und sagte ausgelassen:
„Nun, du, mein Landsfreund, du bist ein Prachtkerl... Ich sehe, dass du sehr vieles in diesem Leben erreicht hast... Ich muss zugeben, dass ich dich ein bisschen sogar beneide, besonders um deine Allotschka...“
Der rein menschliche Neid des Freundes verwirrte Farid ;berhaupt nicht. Die Erw;hnung Allotschkas, seiner jetzigen Geliebten, goss ihm noch mehr ;l ins Feuer. Er war in diesen Moment bereit, seinem Freund alle denkbaren und undenkbaren Geheimnisse anzuvertrauen. Ihn bestach auch der Neid des Freundes zu seinem Erfolg. Farid weinte vor Freude. Dann grunzte er mit offensichtlichem Eifer und schnatterte:
„Du, mein ;lterer Bruder deines j;ngeren Asiaten... Ich werde dir unbedingt heute eine weibliche ;berraschung machen... Ich schw;re dir, ich gebe dir das Wort des ehemaligen Kameraden...“
Auf die Eidesversicherungen seines Freundes reagierte der Riese nicht. Er sah nur sehr aufmerksam in das dunkle Gesicht seines Freundes und lachte aus irgendeinem Grund. Wieso er jetzt lachte, ;ber wen oder wor;ber, verstand er auch selbst vern;nftigerweise nicht. Eins wusste er sehr deutlich. Sein Lachen war von erheblicher Bitterkeit und Bedauern ;ber seine Vergangenheit und von noch einem gr;;eren Teil Angst um seine Zukunft.
Die jungen M;nner kamen ins Hotelzimmer um Mitternacht. Alexander mit den Rechten eines relativen N;chternen zog mit gro;er Sorgfalt seinen Freund aus und legte ihn auf das breite Bett. Allotschka war nicht im Bett. Der Gast ging ins Nebenzimmer auf das Sofa und schlief sofort ein. Man weckte ihn genau um vier Uhr in der Fr;h. Er ;ffnete ungern die Augen und sah vor sich ein junges M;dchen mit einem roten Umhang auf den Schultern.
Nach ein paar Augenblicken sank der Umhang schnell auf den Fu;boden und vor ihm stand eine nackte Frau. Der Duft ihres Parf;ms berauschte ihn und er streckte der Blondine seine H;nde entgegen...
Nach der n;chtlichen Saufparty kamen die Freunde erst am sp;ten Morgen endg;ltig zu sich. Zu dieser Zeit war f;r sie schon das Fr;hst;ck vorbereitet. Alexander versp;tete sich offensichtlich zu Tisch. Er sa; in einer ger;umigen Badewanne und dachte ;ber den n;chtlichen Besuch der sch;nen Blondine nach. Daran, dass sie eine Russin war, hatte er keine Zweifel. Wie er auch nicht zweifelte, dass der n;chtliche Schmetterling nicht Alla gewesen war. Er schrubbte eifrig mit dem Schwamm seinen m;chtigen K;rper und bedauerte in irgendeinem Ma;, dass er Erika betrogen hatte. Sie hatte sehr vieles N;tzliche f;r ihn getan und nicht nur f;r einen Menschen, sondern auch f;r einen Milit;rverbrecher. Er beabsichtigte, auch weiter mit ihr zu leben.
Farid bemerkte sofort das grimmige Gesicht seines Freundes und beschloss deshalb, ihn ein bisschen aufzumuntern. Er lud ihn mit einem L;cheln zu Tisch und sagte ausgelassen:
„Nun, wie geht es dir, mein Freund? Ich war ganz allein in der Nacht und du hast mit der Blondine, wie ich sehe, sehr viel geleistet. Aber deine Schnauze ist aus irgendeinem Grund tr;b, als ob du irgendwo auf ;bung warst oder eine Schubkarre mit Ziegeln schlepptest...“
Kusnezow antwortete auf die sarkastische Bemerkung des Freundes nichts. Er nahm nur ein gro;es Glas russischen Wodka und trank es in einem Zug aus... Nach einer Stunde sa;en die M;nner an einem kleinen Tisch am Strand und schl;rften tr;ge das k;hle Bier.
Das Essen und das Bier bestellte Farid. Alexander sah mit einiger Best;rzung auf den ehemaligen Regimentskameraden, als der bei dieser oder jener Bestellung immer l;chelte. Er l;chelte auch bei der Abrechnung. Der neue Kasache warf tats;chlich mit Geld um sich, solches Geld hatte der Tourist aus Deutschland nicht, hatte es niemals gehabt. In der Ges;;tasche der Sporthose hatte er einen einzigen Schein im Wert von zwanzig D-Mark. Er hatte vor, dieses Geld, w;hrend des Treffens mit seinem Landsmann auszugeben. Je mehr der fl;chtige Soldat sich mit dem ehemaligen Armeekollegen unterhielt, desto d;sterer wurde es in seiner Seele. Farid hatte nicht nur eine Menge Geld, sondern war auch ;ber alle Ereignisse sowohl in Kasachstan als auch in Spanien informiert. Er hatte immer wieder sein Handy in den H;nden und f;hrte mit jemandem Gespr;che, manchmal in russischer, manchmal in kasachischer Sprache. Kusnezow sah neidisch auf seinen Freund, der besch;ftigt war und vielleicht spielte er dem „Deutschen" nur einfach was vor. Alexander ;berh;rte die gesch;ftlichen und privaten Gespr;che des neuen Kasachen, sie interessierten ihn nicht. Er sa; im Sand und starrte auf das Meer hinaus. Die riesige Wassermasse, die mit dem Horizont verschmolz, riefen in ihm Gedanken ;ber die Vergangenheit und Zukunft hervor. Er grinste lustig, als er sich an den Geographieunterricht erinnerte, in dem seine Lieblingslehrerin Galina Iwanowna dem faulen und dummen Riesen eine dicke Zwei gegeben hatte. Sanjka erz;hlte nicht nur gar nichts ;ber das Mittelmeer, sondern konnte es auch auf der Landkarte nicht finden. Er starrte nur mit leerem Blick auf die Frau und l;chelte aus irgendeinem Grund...
Die Freunde lagen am Strand bis zur Mittagszeit. Keiner von ihnen wollte zum Mittagessen gehen, beide waren satt. Um die Frauen machten sie sich auch keine Sorgen. Farid rief am Morgen, als er sich noch im Bett befand, seine Allotschka an. Die Freundinnen hatten die Nacht fr;hlich und sorglos verbracht. Sie fuhren mit dem Reisebus und bewunderten die Nachtlandschaft. Alla benachrichtigte den Chef, dass sie im Falle von Langeweile unbedingt zur;ckkommen w;rden. Als Alexander von der guten Stimmung der Frauen erfuhr, beruhigte er sich. Seine Seele beruhigte sich allm;hlich auch nach der „S;nde". F;r sich stellte er fest, dass die n;chtliche Blondine nicht nur nett, sondern auch sehr leidenschaftlich war. Die Hitze nahm immer mehr und mehr zu. Die Freunde hatten genug gebadet und sich gesonnt, sie beschlossen spazieren zu gehen. Der Spaziergang durch das bergige Gebiet war f;r sie n;tzlich und notwendig. Die k;hle Brise erfrischte angenehm ihre K;pfe und trug zu neuen Gespr;chen bei. Wie auch zuvor war Farid der F;hrer. Er litt wahrscheinlich sogar unter dem Strom der neuen Ideen und machte ;fter Unterbrechungen. Er setzte sich mal auf die kleinen B;nkchen, die an dicke Kl;tze erinnerten, mal setzte er sich auf die erhitzten Bergbl;cke. Das Interesse f;r das gesch;ftliche Geschw;tz des Freundes verschwand bei Alexander immer mehr und mehr. Er ging immer mehr in sich. Je mehr Farid seine Erfolge in der Wirtschaft lobte, desto st;rker entstand beim bettelarmen Russen der Wunsch, in seine Heimat nach Sibirien zu fahren und dort ein eigenes Gesch;ft zu organisieren. Am eigenen Erfolg hatte er keine Zweifel. Auf einem der Berggipfel beschlossen die Freunde, eine Rauchpause zu machen und sich gr;ndlich zu erholen. Farid setzte sich auf einen Stein, dann zog er ein P;ckchen Zigaretten heraus und zog stark den Rauch in sich ein. Alexander verzichtete auf das Rauchen. Bei solch einer Hitze war ihm schon von der reichlichen Nahrung und dem Bier ;bel. F;r Ischakow waren die reichliche Tafel und Rauchtabak eine allt;gliche Norm. Die tiefen Z;ge der teuren Zigaretten f;gten ihm Kr;fte bei und er ging wieder zu den wichtigen Lebensgedanken ;ber. Er hatte wieder einmal gen;sslich den Zigarettenrauch eingesogen, dann schaute er auf den d;steren Freund und sagte mit einem Seufzer:
„Ach, Kusnez, wenn wir zusammen fr;her gewusst h;tten, welchen Unterschied zwischen dem Geschw;tz unseres politischen Offizier und dem wirklichen Leben es gab, so g;be es viel weniger Brennholz... Ich bin zu meinen Verwandten mit dem Milit;rkoffer und Album gekommen... Bei ihnen war es auch leer, das magere Gehalt hatte man jahrelang nicht ausgezahlt... Die Lage bei deinem Freund war faul, sehr faul... Manchmal wollte ich sogar ein F;hnrich werden, sie hungerten niemals in der Armee...“
Danach zog er sich das wei;e T-Shirt und die Shorts herunter. Als er nur noch die Badehosen anhatte, streckte er sich auf der Steinliege aus. Nach ein paar Minuten schnarchte er. Der Riese wollte nicht sich sonnen oder schlafen, er sa; neben seinem Freund und schwieg. Die gl;hende Sonne w;rmte weiterhin ordentlich. Alexander wollte f;r einen Moment wieder nach unten heruntersteigen und ins Wasser eintauchen. Auf seinen Vorschlag, zum Strand zur;ckzugehen und zu baden, reagierte Farid nicht. Er lag mit verschr;nkten H;nden hinter dem Kopf und geschlossenen Augen und atmete ruhig weiter. Nach einer Weile zog sich sein Freund auch aus und legte sich auf die Liege. Kusnezow schloss die Augen, aber der Schlaf kam nicht. Nachdenken wollte er auch nicht, in seiner Seele und in seinem Kopf war es leer.
Nach einer Weile zog ihn jemand stark. Er ;ffnete ungern die Augen. Vor ihm sa; Farid, der mit den H;nden die verbrannte Haut von dem Bauch eifrig abriss. Solche Besch;ftigung brachte Alexander zum Lachen. Und er fragte, wie zur Entschuldigung f;r seine Taktlosigkeit, mit sp;ttischem L;cheln seinen Freund:
„Farid, hast du f;r mich was Neues w;hrend deines Schlafes vorbereitet? Ich h;re dir aufmerksam zu...“
Der Kasache l;chelte schlau, klopfte sich auf den roten Bauch und sagte philosophisch:
„Eins, mein Freund, sollten du und ich uns deutlich einpr;gen... Keine Macht, weder rot noch wei; und keine andere wird dem Sklaven Gl;ck geben... Der einfache Mensch muss das Gl;ck in die eigenen H;nde nehmen... Vor f;nf Jahren war ich ein kleiner Fisch... Vor Elend und Kraftlosigkeit weinte ich ziemlich oft...“
Pl;tzlich schwieg er eine Weile, dann wandte er sich wieder an Alexander und sagte:
„Hier, Sanek, schau meinen R;cken an... Das sind die Spuren meines Verm;gens... Sie schmerzen mir immer noch, besonders in der Nacht... Schlecht ist auch das, dass in letzter Zeit mein Herz nicht richtig arbeitet. Es fing schon in der Armee an, ich ging damals zum Milit;rarzt...“
Kusnezow sprang schnell von der Liege und fing an, aufmerksam den R;cken des mageren Mannes zu betrachten. Quer ;ber seinem R;cken war eine breite Narbe von einem Messer oder einem anderen scharfen Gegenstand sichtbar. Er schaute mitleidig auf seinen Freund. Gestern und sogar heute hatte er die Narbe nicht bemerkt. F;r einen Moment trafen sich die Augen der jungen M;nner, keiner von ihnen wandte den Blick zur Seite. Farid seufzte schwer und sagte mit einer gewissen Erleichterung:
„Mir half in jener Nacht Gott... Es h;tte mein Ende sein k;nnen...“
Die kurze Geschichte, die ihm sein Freund erz;hlte, schockierte den fl;chtigen Soldaten zutiefst. Ischakow, um ans Geld zu kommen, stahl aus privaten Haushalten und auch in der Sowchose Vieh, dann verkaufte er es weiter. W;hrend eines ;berfalls auf den Hof eines Gro;bauers weckte den Bauer ein Wachhund. Er eilte sofort in die Scheune, wo etwa ein Dutzend wohlgen;hrte Ochsen standen. Farids Begleiter gelang es zu fliehen, er aber war zu gierig, um abzuhauen. Er wollte nicht ohne Beute weggehen, da f;r hatte er auch gelitten. Als der Besitzer den Banditen sah, riss er von der Stallwand eine Sense und schlug mit ganzer Kraft auf den Dieb ein. Ein schrecklicher Schmerz durchbohrte blitzschnell seinen R;cken, es half ihm auch das dicke Hemd nicht. Der wohlgen;hrte Besitzer der Ochsen schlug den kleinen Kasachen fast zu Tode. Er packte ihn am Kragen und zog ihn durch den ganzen Garten. Dann warf er ihn mit ganzer Kraft in einen kleinen Graben, der den Hof umgab... Farid stahl wieder weiter...
Etwas erz;hlte er auch ;ber seinen entfernten Verwandten, der bei der Miliz arbeitete. Der Major stahl nicht, aber er hatte genug Geld. Der Handel mit ausl;ndischen Autos brachte dem ehemaligen Afghanen viel mehr Gewinn als irgendwelche K;he dem ehemaligen Soldaten WGT. Nicht ohne seine Hilfe organisierte Farid sein Gesch;ft. Der Besitzer der Autowerkstatt hatte sofort Kunden. Nach einem Jahr er;ffnete er ein Lebensmittelgesch;ft. Noch ein Jahr sp;ter hatte er schon drei ;hnliche Gesch;fte...
Nach dem Spaziergang gingen die Freunde zum Meer herunter. Dann badeten und setzten sich an einen kleinen Tisch. Offenbar hatte keiner den Wunsch sich zu betrinken. Die Erinnerungen an den ehemaligen Wehrdienst r;hrten die M;nner. Farid weinte ein wenig, Alexanders Augen wurden auch feucht. Die jungen M;nner, die sich nach einigen Jahren wieder getroffen hatten, verstanden, dass der Milit;rdienst f;r sie eine echte Schule des Lebens war und bliebe. Erst nachdem der Strand v;llig leer geworden war, beschlossen sie sich zu trennen. Farid umarmte zum Abschied seinen Freund fest und sagte mit Tr;nen in den Augen:
„Wei;t du, Kusnez, wenn du nachdenkst aus Deutschland zu verschwinden, so komm zu mir. Ich werde dir immer helfen... Ich gebe dir mein Ehrenwort… Und zum Schluss m;chte ich dir noch sagen... Noch mein Gro;vater sagte mir das. Die Heimat bleibt f;r immer die Heimat. Obwohl ich auch ein Kasache bin, wenn auch ein Asiat, aber ein naher Asiat. Und das gibt mir Kr;fte... Du frisst dort reichlich, aber du bist dort fremd, ein Fremder... Das fremde Land nimmt nur deine Kr;fte...“
Bei Kusnezow zeigten sich pl;tzlich Tr;nen. Sie verursachten wahrscheinlich bei Farid die n;chste Runde vertraulicher Gedanken. Er dr;ckte noch einmal seinen Freund mit Kraft an seine Brust und sagte bestimmt:
„Oh, mein Landsfreund... Ich sehe, dass es dir ganz schlecht geht, wenn bei solchem Athleten und solchem gutaussehenden Mann Tr;nen laufen... Ich werde mich ;ber dich immer freuen, dass schw;re ich dir auf das Andenken an meine Mutter und meinen Vater. Sanjka, komm zu uns... Bei uns gibt es viel Platz und f;r unsere Zeit wird alles ausreichen... Ich f;rchte mich manchmal, ehrlich gesagt, vor diesen Bettlern und schlie;e alles in meinem dreist;ckigen Schloss ab... Immerhin denke ich, dass sie es nicht wagen werden, gegen uns die Hand zu erheben, ganz zu schweigen von irgendwelchen Revolutionen...“
Kusnezow schlenderte nach dem warmen und r;hrenden Abschied mit dem ehemaligen Milit;rkameraden noch ein paar Stunden am Meer entlang. In den winzigen Raum der alten spanischen Frau wollte er nicht gehen, es zog ihn auch nicht zu Erika. Die geistige Verwirrung, die nach dem tr;nenreichen Abschied von Farid auftrat, hatte ihn v;llig ;berw;ltigt. Er heuchelte ;berhaupt nicht, als er dachte, dass das Leben bei diesem Kasachen und nichtsnutzigen Soldaten ziemlich gut geworden war. Aus Neid zu den Erfolgen des Freundes presste sich bei dem ziellos schlendernden Mann sein Herz schmerzvoll zusammen. Aus seinen Augen flossen Tr;nen. Ihm war es peinlich vor dem Landsmann, der es schaffte, zu soviel Geld zu kommen, von dem, der sch;ne und starke Mann nicht einmal tr;umte...
Erika traf ihren Liebsten mit Tr;nen in den Augen. Sie war wegen seiner langen Abwesenheit beunruhigt. Allotschka rief sie vor ein paar Stunden an und teilte ihr mit, dass ihr Sarsenbajtschik schon seit langem im Bett schnarchte. Kusnezow ber;hrte in dieser Nacht den K;rper seiner geliebten Deutschen nicht, sie streckte ihm die Hand auch nicht entgegen. Sie lag neben ihm und qu;lte sich mit Gedanken dar;ber, was an jenem Abend und in jener Nacht geschehen war, als sie den Russen allein mit dem Kasachen Farid gelassen hatte. Der Name und das Aussehen des Freundes von Kusnezow am;sierte das junge M;dchen sehr. Das geheimnisvolle Verhalten des sch;nen und gro;en Mannes beunruhigte und alarmierte sie sehr. Mit diesen unruhigen Gedanken schlief sie auch ein. Vor dem Einschlafen bat sie Gott darum, dass am morgigen Tag der Abreise nach Hause und an allen nachfolgenden Tagen bei ihr und Alexander alles gut sein sollte…
Der erste Tag nach dem Urlaub brachte dem jungen Paar nichts Frohes. Es gab bei ihnen auch am n;chsten Tag keine Freude. Am dritten Tag gab es eine gewisse Hoffnung f;r Freude, aber nur f;r Erika. An der T;r eines Lebensmittelgesch;ftes in der Kreisstadt Zunden sah sie ganz zuf;llig eine Anzeige, dass man dringend Verk;ufer suchte. Nach einiger Zeit sa; sie schon im B;ro des Direktors und h;rte auf seine Anweisungen. Der Mann unbekannter Nationalit;t erz;hlte ihr in gebrochenem Deutsch mit einem starken unverst;ndlichen Akzent von der bevorstehenden Arbeit als Kassiererin. Dar;ber, wie viel sie zahlen w;rden, sagte er nichts. Danach fragte auch die Gekommene nicht. Am Ende des Gespr;chs f;hrte Herr Schwarz die junge Person, die sehr hungrig war zu arbeiten, zu einem gro;en Portr;t, auf dem der Besitzer von Dutzenden, sogar Hunderten Gesch;ften im Vereinigten Deutschland dargestellt war.
Den sehr langen Familiennamen des Lebensmittelmagnaten bis zum Fallen der Berliner Mauer hatte Erika noch niemals geh;rt. Mit M;he sprach sie ihn auch jetzt aus. Den Alten mit der gro;en buckeligen Nase und den riesigen abstehenden Ohren hatte sie niemals vorher gesehen und kannte ihn auch nicht. Und jetzt brachte er ihr auch keine besondere Freude. Die Preise f;r die Lebensmittel stiegen in diesem Gesch;ft mit jedem Tag. Die sch;ne Frau betrachtete sehr aufmerksam aus Anstand das alte, aber sehr reiche Wesen.
Demjenigen, der ihn im Gesch;ft als Erster sehen w;rde, stand bevor, sofort ins B;ro zu laufen und die Leitung zu informieren.
Das Gesch;ft ;ffnete man um acht Uhr morgens. Die Neue kam zur Arbeit fast eine Stunde vor der ;ffnung. Der Chef war noch nicht im B;ro, stattdessen sa; eine unbekannte Frau mittleren Alters. Erika begr;;te die unbekannte Chefin h;flich, fast alle Z;hne zeigend, und nickte nett. Dann ging sie zur Kasse und sprang leicht auf den kleinen Sessel. Es schien ihr, dass er extra f;r sie gemacht war. Kunden gab es im Gesch;ft noch nicht, dass freute sie auch. Von dem zustr;menden Gl;cksgef;hl tr;umte sie sogar. Aber tr;umen konnte sie nur ganz kurz. Nach etwa f;nf Minuten kam der stellvertretende Direktor des Gesch;ftes und f;hrte sie ins Lager.
Nach einer sehr kurzen Einf;hrung der Chefin fing Erika an, die Karren mit allerlei Paketen und dem Gem;se zu beladen. Dann schob sie die schweren Warenk;rbe in den Verkaufsraum und r;umte die Lebensmittel in die Regale ein. Sie war auch dazugekommen, im K;hlhaus einige Zeit zu sein, aus dem sie ein paar hundert H;hnchen auslud. Herr Schwarz, als ob er die gestrigen Anweisungen vergessen h;tte, gab ihr durch seine Stellvertreterin immer wieder neue Aufgaben.
Erst gegen zwei Uhr nachmittags hatte Erika die erste M;glichkeit, eine Pause zu machen. Sie konnte kaum ihre Beine bewegen, ging durch die Hintert;r des Lagerraumes hinaus und setzte sich auf ein B;nkchen, auf dem zwei Obdachlosen sa;en. Die alten M;nner schl;rften tr;ge Bier aus kleinen Fl;schchen und schwatzten ;ber etwas. Die Arbeiterin schloss vor M;digkeit die Augen und atmete tief die frische Luft ein. Das sich einstellende Hungergef;hl gelang ihr, f;r eine Weile zu unterdr;cken. Pl;tzlich bremste ein Auto. Das sitzende M;dchen ;ffnete die Augen und erstarrte... Aus einem neuen „Mercedes" stieg ein gebeugtes altes M;nnchen heraus, das sehr schlampig gekleidet war. In der Hand hielt er eine Plastikt;te. Das Aussehen des Besitzers des Luxuswagens hatte Erika nicht erschreckt. An die eigenartige Kleidung einiger Bewohner hatte sie sich schon gew;hnt. Sie erschrak jetzt wegen ganz etwas Anderem.
Der Alte war, wie zwei Tropfen Wasser ;hnlich dem, dessen Portr;t im Gesch;ft hang. Vor der pl;tzlich erscheinenden Angst vor dem Chef sprang Erika von der Bank und schrie laut auf. Dann lief sie zum Haupteingang des Supermarktes. Nach ein paar Sekunden war sie schon im B;ro des Direktors. Der Chef war vom pl;tzlichen Besuch des Lebensmittelmagnaten sehr durcheinander. In der ganzen Zeit seiner Arbeit hatte er selbst nie den Alten zu Gesicht bekommen. Er wusste eins genau, dass der in den Banken Hundert Millionen D-Mark hatte und auch noch drei Geliebte. Wieso es drei waren und nicht mehr und nicht weniger, konnte Herr Schwarz selbst auch nicht verstehen. Das hatte erst vor kurzem ihm ein Reporter der lokalen Zeitung ins Ohr gefl;stert, der einen gro;en Artikel ;ber das Gesch;ft geschrieben hatte.
Die weiteren Ereignisse entwickelten sich sehr schnell. Alles leitete der Direktor des Supermarktes ein. Er schickte sofort die Neue, die weiteren Handlungen des ankommenden Magnaten zu ;berwachen. Sie, als die j;ngste und sch;nste, sollte den Reichen f;r einige Zeit aufhalten. Wie es zu machen war, dazu gab ihr niemand Ratschl;ge. Sie beschloss auf eigenes Risiko zu handeln. Zuerst lief sie, um sich zu ;berzeugen, zum riesigen Portr;t. Sie hatte keine Zweifel mehr. Dieser alte Mann und jener auf der Stra;e waren Zwillinge. Sie hatte sich noch einmal ;berzeugt, dass sie in ihren Handlungen Recht hatte. Danach verlie; sie sehr sicher mit einem blendenden L;cheln das Gesch;ft und ging in Richtung des kleinen gr;nen Parks.
Zu ihrem Erstaunen war es dort ruhig, sogar sehr... Das reiche Wesen sa; auf dem B;nkchen mit dem enth;lltem Glatzkopf unter den tr;ben Sonnenstrahlen und schl;rfte faul Bier. Die ihr bereits bekannten Alten machten dasselbe. Das Verhalten des Chefs erfreute Erika sehr. Vor Freude setzte sie sich auf das B;nkchen gegen;ber...
Im Supermarkt herrschte zu dieser Zeit ein echtes Chaos. Herr Schwarz presste seine Hand an das Herz, lief durch das Gesch;ft und tobte buchst;blich. Wieso er schrie, warum er mit den H;nden stark herumfuchtelte, verstand er auch selbst nicht. Aber er bezweifelte ;berhaupt nicht, dass alle Untergebenen ihn verstanden. Nach zehn Minuten war jeder und alles in bester Ordnung. Seine Assistentin hatte einige wichtige ;nderungen in einigen Papieren vorgenommen. Sicher entkamen auch die drei Afrikaner, die im Lagerhaus das Gem;se f;r ein symbolisches Gehalt sortierten. Die zwei dunkelh;utigen Sch;lerinnen des Verk;ufers waren auch verschwunden. Frau Kr;ger setzte der Chef nicht ein. Sie erf;llte jetzt eine sehr wichtige Mission…
Erika erschien mit dem Magnaten erst nach einer halben Stunde. Dem Alten gefielen sehr die Umg;nglichkeit und das bezaubernde L;cheln des sch;nen M;dchens. Am Eingang in den Supermarkt verabschiedete er sich warm von der jungen Person und k;sste sogar leicht ihre Hand. Die Neue war vom unerwarteten Gl;ck im siebten Himmel. Mit einem gl;cklichen Gesicht kam sie auch zum Direktor, der aus irgendeinem Grund sehr ernst war und wie eine Wache beim riesigen Portr;t des Lebensmittelmagnaten stand. Dem Mann mit der unbekannten Nationalit;t zuckte aus irgendeinem Grund die linke Hand. Wegen seiner Nervosit;t bemerkte er wahrscheinlich nicht die herankommende Br;nette. Der gesamten Belegschaft des Supermarktes zitterten die H;nde und die Knie. Es wurde die n;chste Welle der K;ndigung erwartet, niemand wollte auf die Stra;e hinausgeworfen werden. Die Anwesenheit einer wichtigen gro;en Person oder die Wahrscheinlichkeit eines gr;;eren Diebstahls f;hlten auch die zahlreichen Kunden. Einige von ihnen fingen an, einander sehr aufmerksam zu betrachten, hoffend im Nachbarn die wichtige Person oder den Dieb zu erkennen...
Das Ende des Ereignisses trat nach etwa f;nf Minuten. Der Million;r, der aus irgendeinem Grund anstand, kam ruhig zur Kasse heran und begann aus einer kleinen Plastikt;te leere Bierflaschen herauszuziehen. Der Direktor und Erika folgten jeder seiner Bewegung sehr aufmerksam. Keiner von ihnen konnte das sehr au;ergew;hnliche Verhalten des Alten verstehen. Die Neue drehte unerwartet den Kopf zur Seite und sah die zwei, nicht rasierten Obdachlosen an. Sie standen am Eingang ins Gesch;ft und winkten aus irgendeinem Grund dem allm;chtigen Alten mit den H;nden...
Ihr rutschte das Herz in die Hosen. Daran, dass sie sich in der Bestimmung der Identit;t des Inhabers einer Vielzahl von Gesch;ften grausam geirrt hatte, zweifelte sie schon ;berhaupt nicht mehr. Mit Tr;nen in den Augen schaute sie auf das Portr;t des Alten mit den riesigen abstehenden Ohren, dann richtete sie ihren Blick auf den Obdachlosen und ging langsam weg. Nach einer Weile h;rte sie hinter sich im gebrochenen Deutsch nur ein Wort, das Wort «Schei;e», dass eben auch "Schei;e" bedeutete...
Trotz des Misserfolges im Gesch;ft unterzukommen, gab Erika nicht auf. Sie suchte weiter nach Arbeit. Eine anst;ndige Stelle fand sie nicht, das ;rgerte sie sehr. Vor Hoffnungslosigkeit kam sie ziemlich oft sehr traurig nach Hause, manchmal mit Tr;nen. Alexander konnte dem Kummer seiner Freundin nicht helfen. Er fand sich selbst keine Stelle, wenn er Tag und Nacht mit dem Hintern das Sofa mit dem Hintern breit dr;ckte oder fernsah. Ihm war es sehr peinlich, seiner Geliebten in die Augen zu schauen, f;r die er auch eine Last und ein Schmarotzer war. Davon wurde er oft w;tend und wollte, um die Probleme des Lebens zu vergessen, sich richtig betrinken. Einmal hatte er es getan, hatte sich gr;ndlich besoffen. Erika sah zum ersten Mal ihren Freund so betrunken und hatte sich sehr erschrocken.
Sie erstarrte vor Angst, als der Riese mit einer Fahne sie auf seine Arme nahm und ins Bett trug. In dieser Nacht war er so leidenschaftlich wie nie zuvor, aber auch gleichzeitig sehr grob. Sie unterwarf sich ergeben dem m;chtigen Wesen. Erst nachdem er sich ausgetobt hatte und sich mit dem R;cken zu ihr umdrehte, gab sie den Tr;nen freien Lauf. Sie hatte noch niemals im Leben so bitter geweint. Sie weinte nicht nur, weil ihr geliebter Russe so betrunken war. Das erschreckte sie nicht besonders. Sie war immer noch schockiert davon, was mit ihr buchst;blich erst vor ein paar Stunden heute passiert war.
Erika suchte schon am ersten Tag nach dem Urlaub in der neuesten Zeitung nach Stellenangeboten. Sie fand drei f;r sie passende und rief sofort an. Die zwei ersten musste sie streichen, weil die Stellen schon besetzt waren. Beim dritten Anruf antwortete niemand. Sie rief am n;chsten Tag, dann noch am ;bern;chsten Tag und nach einer Woche. Wieder antwortete niemand. Erst nach zwei Wochen kam aus dem H;rer eine M;nnerstimme. Erika war schon nach einer halben Stunde beim Besitzer der kleinen Firma, die sich mit dem Ausverkauf von Kinderwaren besch;ftigte. Der Chef der Firma, ein Mann in den F;nfzigern mit einer gro;en Warze auf der linken Kinnh;lfte, rief bei ihr keine besonderen Sympathien hervor.
Sein Verhalten alarmierte sie aus irgendeinem Grund von der ersten Minute an. Herr M;ller betrachtete das Gesicht der zuk;nftigen Sekret;rin aus irgendeinem Grund sehr sorgf;ltig, sie hatte nicht nur ein sehr sympathisches Gesichtchen, sondern auch sehr schlanke Beine. Nach einem ziemlich langen Gespr;ch versicherte er Erika eine hundertprozentige Besch;ftigung. Es blieb nur noch, die Papiere auszuf;llen. Sie beschloss dem Russen nichts dar;ber zu sagen, nichts zu sagen, um es nicht zu beschreien. Sie hatte vor, ihn an ihrem ersten Arbeitstag zu ;berraschen.
Alles Weitere ging eindeutig nicht nach dem Plan der jungen Deutschen. Frau Kr;ger kam mit den notwendigen Papieren zum Chef, wie vereinbart, genau um zehn Uhr morgens. Der Besitzer war schon da und empfing das M;dchen freundlich. Dann sah er ihre Unterlagen sehr aufmerksam durch. Eine Straftat fand er in ihrer Biografie nicht. Sie selbst war auch dar;ber nicht besorgt. Sie war keine Kommunistin in der ehemaligen DDR gewesen, strafrechtlich wurde sie auch nicht verfolgt. Dar;ber, wie sie die Berliner Mauer brach, beschloss sie zu schweigen. Das machten damals Hundert Tausende wie sie...
Der zuk;nftigen Sekret;rin war es unbekannt, dass Herr M;ller auf den Pl;tzen nicht gestreikt und die Mauer nicht eingest;rzt hatte. Bei der ehemaligen sozialistischen Macht war er ein kleiner Angestellter, aber doch ein Beamter. In diese Stadt, die am Ufer der Elbe lag, kam er vor f;nf Jahren, kam, um in die Welt des Unbekannten einzutauchen. Und nicht nur deshalb. Er hatte sich buchst;blich einen Monat nach dem Verschwinden der DDR auf der politischen Weltkarte von seiner Frau scheiden lassen. Magda war nicht nur eine sch;ne Frau, sondern hatte auch einen sehr hohen Posten in ihrer Heimatstadt. F;r Gerhard wurde es sofort klar, dass es mit solch einer einst wichtigen Person kein sch;nes Leben geben w;rde. Er bezweifelte ;berhaupt nicht, dass die neuen Beh;rden sie nicht in Ruhe lassen w;rden. Hier war es besser und viel ruhiger. Wegen der angenehmen Erinnerungen an die Vergangenheit litt der Mann oft an Schlaflosigkeit. Er schluckte Tabletten oder wandte sich dem Kognak zu.
Das offizielle Treffen des Chefs mit der jungen Sch;nen endete sehr erfolgreich. Herr M;ller zeigte der jungen Frau Kr;ger ihren Arbeitsplatz als Sekret;rin. Das Zimmer war klein, aber sehr gem;tlich und hell. Dem M;dchen gefielen sehr der Tisch und der Sessel, sie kam sogar dazu, darin eine Zeit zu sitzen. Sie bemerkte auch in der Ecke des Zimmers einen kleinen Glastisch, auf dem eine Flasche Sekt stand und ein paar Bananen lagen. Den Vorschlag des Chefs, f;r Erikas erfolgreichen Anfang der Arbeit anzusto;en, lehnte sie nicht ab. Mit gro;em Vergn;gen trank sie auch ein Glas Sekt auf seine Gesundheit aus. Mehr Sekt zu trinken stand ihr nicht bevor. Schuld daran war der Chef selbst. Sie war nicht dazugekommen, nach dem zweiten Glas Sekt Luft zu holen, als sie sich pl;tzlich in seinen starken H;nden befand. Nach ein paar Augenblicken begann er mit beiden H;nden ihr die Jeans herunterzuziehen. Er schnaufte dabei wie eine ;berlastete Dampflokomotive. Erika verstand nicht sofort, was mit ihr geschah.
Sie kam erst dann tats;chlich zu sich, als der Firmenchef ihren rosa Slip zerrissen hatte und seine Hand an ihre Scheide dr;ckte. Was weiter im Vorzimmer des Direktors der Firma geschah und warum es geschah, daran erinnerte sie sich undeutlich. Weiter agierte sie wie eine gefangene L;win, die bewaffnete M;nner umkreisten. Sie lag mit dem R;cken auf dem kleinen Glastisch mit hoch gestreckten Beinen und sah mit Bosheit und Hass ihren Vergewaltiger an. Er verlor, wahrscheinlich in der Hoffnung, dass die Neue ruhig sein w;rde, f;r eine gewisse Zeit seine Wachsamkeit und begann, ruhig seine Hosen abzulegen. Das beschloss Erika auszunutzen. Sie drehte ihren Kopf zur Seite um und sah am Rande des kleinen Tisches die halbleere Sektflasche. Sie packte sie sofort und schlug mit ganzer Kraft auf den Kopf des Chefs, von dessen Teil es schon tropfte...
;ber den Vorfall im Anmelderaum der Firma beschloss Erika an diesem Abend Alexander nichts zu sagen. Und ihm war es nicht nach ihren Problemen zu Mute. Er schlief wie ein Toter. Sie dachte in dieser Nacht sehr lange ;ber den Sinn des Zusammenlebens von M;nner und Frauen nach und kam zu einem ziemlich interessanten Ergebnis - f;r die Mehrheit der M;nner ist Sex zusammen mit Gewalt das Wichtigste in ihrem Leben. Keine Ausnahme war auch ihr russischer Fahnenfl;chtiger, den sie noch gestern so sehr geliebt hatte. In dieser Nacht brach in ihrer Seele etwas in Bezug auf diesen Menschen. Warum es passierte, verstand sie selbst noch nicht ganz...
Kein Gl;ck bei der Arbeitssuche hatte auch Alexander trotz der unglaublichen Bem;hungen seiner Freundin. Erika durchsuchte fast alle Zeitungen. Die Arbeit war in der Regel schwer und sehr niedrig bezahlt. Aber das erschrak den Russen nicht. Er war mit allem und jedem einverstanden. Erika verstand ihn sehr gut und besch;ftigte sich mit jeder Einladung zur Arbeit bis zum Ende. Sie rief selbst pers;nlich an und machte Termine aus, zu denen sie zusammen mit ihrem Freund ging. Alles war vergeblich. Ohne notwendige Dokumente stellte man nicht ein. Man ;bernahm ihn auch nicht wegen des Mangels an Kenntnis der deutschen Sprache. Mehrfache Versuche Alexanders scheiterten, das Deutsche sich in den Kopf und das Gehirn einzupr;gen. Wieso es so war, konnte er auch selbst nicht verstehen, obwohl er gute Voraussetzungen f;r „die Sprache" hatte. Erika begann ziemlich oft mit ihm Deutsch zu sprechen, aber nach ein paar Minuten rutschte er irgendwie wieder ins Russische. Im Endeffekt ergab es sich, dass nicht sie ihm Deutsch beibrachte, sondern er ihr Russisch. In seiner Seele verbarg er schon nicht mehr, dass sein Wunsch, die Sprache der Einwohner des reichen Landes zu lernen, allm;hlich begann bei ihm zu verschwinden. Besonders nach dem Treffen mit Farid am Meer...
F;r sich einen Job zu finden, gelang es Kusnezow erst nach einem Jahr und das im Sp;tsommer. Er fand ihn in einem nahe gelegenen Dorf nicht weit von Springer. Hatte ihn gefunden nicht ohne die Hilfe seiner Freundin. Den Dorfbewohner Herrn Kremer kannte Erika schon seit langem. Bei den Kommunisten und Demokraten unterschied sich der Alte durch nichts. Der Rentner hatte weder in der Jugend noch im Alter eine wirtschaftliche Begabung. Der Sohn war das Gegenteil des Vaters, der unverst;ndlich f;r Erika sehr schnell reich geworden war. Er hatte ein Gesch;ft in Dresden, wo er einst studiert hatte. Davon, dass er ein paar M;nner f;r einen Monat brauchte, hatte sie ganz zuf;llig erfahren, als sie den Vater des Unternehmers an der Bushaltestelle traf. Am n;chsten Morgen stellte sie den Russen dem vor, bei dem er beabsichtigte zu arbeiten. Der Chef war etwa drei;ig Jahre alt, nicht ;lter. Seine Jugend rief bei Alexander eine gewisse Sympathie f;r ihn hervor und nicht nur aus diesem Grund. Er schaute neidisch auf den neuen Supermarkt, der nach den Pl;nen des Besitzers am ersten September ;ffnen sollte. Der Arbeitgeber war zufrieden mit allem, „womit " der Russe kam. Er fragte nach keinen Dokumenten, f;r seinen Beruf interessierte er sich auch nicht. Der Deutsche versprach ihm f;nf D-Mark pro Stunde zu zahlen.
Wie viel er seinem Kollegen zahlte, wusste Kusnezow nicht und es interessierte ihn auch nicht. Und selbst den Afrikaner, mit dem ihm bevorstand zu arbeiten, war es unm;glich, danach zu fragen. Der junge Bursche mit der dunklen Haut sprach Englisch sehr gut, aber Deutsch ;berhaupt nicht. Der Besitzer richtete sein Augenmerk auf den Afrikaner, der sich auch wirklich als eine gute Fachkraft erwies. Michael verlegte geschickt Linoleum, strich Fenster. Alexander war bei ihm als Hilfskraft. Jeden Morgen bekamen die Schwarzarbeiter vom Chef pers;nlich ein Arbeitsobjekt, er versuchte, sie in einem betr;chtlichen Abstand voneinander zu halten. Er ;rgerte sich sehr, wenn er den Schwarzen und den Wei;en zusammen sah. Aber er machte keine Bemerkungen in diesem Zusammenhang. Am n;chsten Tag nahm er Ver;nderungen vor, um weitere Verluste der Arbeitszeit zu verringern. Der Chef selbst verschwand manchmal f;r eine Weile, an seiner Stelle ;bernahm sein T;chterchen die Aufsicht. Das M;dchen, das zehn Jahre alt war, nicht ;lter, lief immer wieder durch den Supermarkt. Am Ende der Arbeit war Kusnezow geschafft, aber das Schwierigste und Schlimmste stand ihm noch bevor. Udo, so hie; der Eigent;mer, schaute nach einer sorgf;ltigen Pr;fung der erf;llten Arbeit in sein Notizbuch. Dann machte er darin irgendwelche Vermerke. Erst danach zahlte er. W;hrend der Verteilung der Arbeit und bei der Abrechnung sprach Herr Kremer immer nur Deutsch, was den Russen sehr ;rgerte. Er verstand die Sprache nicht und konnte deshalb nichts dagegen dem arroganten und sehr schlauen Deutschen sagen. Er hatte keinen Zweifel, dass der ehemalige Ingenieur viel besser russisch spricht als er Deutsch. Beim Besitzer des Supermarktes war alles, wie bei einem talentierten Musiker, nach Noten geregelt. Seine wissenschaftliche Ausbeutung der Schwarzarbeiter wunderte den Russen ;berhaupt nicht. Er ;berzeugte sich davon schon fr;her bei Anderen durch seine bittere Erfahrung. Aus diesem Grund ging er nicht auf die Palme, das alles war vergeblich. Gewerkschaften gab es hier nicht, es war auch kein politischer Vertreter da. Alexander schaute bei der Abrechnung nur aufmerksam auf den Tisch, auf dem ein paar Scheine und ein H;ufchen Kleingeld lagen. Dar;ber, dass der Deutsche nicht gern mit gro;en Scheinen zahlte, hatte er sofort bemerkt. Auch f;r zehn Stunden harter Arbeit bekam der B;rger der ehemaligen Sowjetunion keine gro;en Scheine. Als Alexander das Geld bekam, rannte er schnell aus dem B;ro und unterwegs z;hlte er es. Dann drehte er sich zum Supermarkt um und fluchte gen;sslich russisch...
Erika freute sich sehr dar;ber, dass ihr Freund einen Job gefunden hatte. Sie holte ihn immer an der Bushaltestelle ab. Erm;det, aber leuchtend vor Freude, sprang der Riese vom Trittbrett auf die Erde und umarmte sie zart. Dann gingen sie in die Bierkneipe, die sich direkt neben der Haltestelle befand. Kusnezow und seine Freundin waren hier keine Stammg;ste. Sogar jetzt, als er anfing zu arbeiten, leisteten sie sich nicht viel. Sie bestellten f;r jeden ein kleines Weinglas Bier und eine T;te Salzstangen. Am kleinen Tisch sa;en sie auch nicht lange. Dem Schwarzarbeiter schmerzten die H;nde und der R;cken von der schweren k;rperlichen Arbeit, er wollte sich sehr gern auf das Sofa hinlegen. Erika interessierte sich selten f;r die Produktionserfolge ihres Geliebten. Er schwieg in der Regel auf ;hnliche Fragen, die sie ihm stellte. Manchmal schaute er ihr schlau in die Augen und l;chelte. Sie versuchte nicht bis zur Wahrheit durchzudringen. Sie wusste sehr gut, dass ihr Saschenjka kein Abgeordneter des Bundestags war und mit dem Hintern nicht den weichen Sessel dr;ckte, sondern etwas fuhr oder schleppte.
Der Russe war auch selbst nicht begeistert von seinem Job. Dar;ber, dass er die Fu;b;den wischte oder die Erde neben dem Gesch;ft ebnete, w;re f;r Erika auch in Wirklichkeit nicht interessant gewesen zu h;ren. Er hielt es f;r unanst;ndig, sie mit den Fragen ;ber ihre Arbeitssuche zu bel;stigen, er wollte auch kein Salz in ihre Wunde noch einmal streuen. Seine Freundin war immer noch ohne Job. Eine richtige Arbeitsstelle hatte sie nicht. Immerhin eine «Schwarzarbeit» hatte sie gefunden. Ihren kleinen Nebenverdienst hielt sie vor ihrem Russen geheim. Nachdem er zur Arbeit gegangen war, setzte sie sich in einen Bus und fuhr in die Kreisstadt Zunden in die Wohnung einer ;lteren Frau. Die Frau zahlte f;r das Putzen der Wohnung und Waschen der W;sche fast kein Bargeld. Sie zahlte mit allerlei Schmuckst;cken oder mit neuen Klamotten. Erika verkaufte dies alles auf dem Markt neben dem Bahnhof. K;ufer hatte sie immer. Haupts;chlich waren es Ausl;nder und Aussiedler. Mit einem von ihnen traf sie sich erst vor kurzem, als sie zusammen mit Alexander ;ber den Flohmarkt ging. Ihm hatte der kleine Wecker in Form des russischen B;ren sehr gefallen und er kostete auch nur zehn D-Mark. Ihre Versuche ihm es auszureden, die Uhr zu kaufen, waren erfolglos. Er tat es trotzdem. Er hatte nichts Eigenartiges im Verhalten des Verk;ufers bemerkt, aber Erika fand keinen Platz. Sie stand neben dem kleinen Tisch und warf hin und wieder einen Blick auf den «Russen», dem sie vor zwei Monaten den Wecker f;r nur f;nf D-Mark verkauft hatte. Nikolaj war ;ber seinen Handel sehr froh. Er dachte, dass das junge P;rchen auch Aussiedler waren und schickte ihnen deshalb einen Volkswitz hinterher, von dem nicht nur Frau Kr;gers Ohren, sondern auch ihre Nase err;teten...
«Die Schwarzarbeit» flog f;r den Fl;chtigen sehr schnell vorbei. Der Chef des „schwarzen“ und „wei;en“ Arbeiters hatte ihn auf dem Objekt ganz genau gehalten, keine Stunde mehr. Das n;chste Objekt f;r den Einsatz seiner K;rperkraft fand Alexander durch die Anzeige in der russischsprachigen Zeitung "Semljaki", die er am Kiosk gekauft hatte. Die Anzeige fand er sehr interessant, deshalb rief er an. Der Lagerraum, wo ihm bevorstand zu arbeiten, befand sich in der Kreisstadt. Kaum hatte er die Schwelle der n;chsten Arbeitstelle ;bertreten, freute er sich unheimlich. Hier war f;r ihn alles bekannt und russisch: die Menschen, die Anzeigen und die Aufschriften an den W;nden. Ausnahme waren nur die Preisschilder auf allerlei Paketen und S;cken, die waren in Deutsch. Mit der Organisation der Arbeiten im Lagerhaus besch;ftigte sich eine Frau, eine Aussiedlerin. Sie verteilte nicht nur geschickt verschiedene Auftr;gen, sondern kam auch sehr gut mit dem besonderen Jargon der M;nner zurecht. Der Neue war gleich am Anfang seiner Arbeit schockiert, als er sah und h;rte, wie das «d;nne» Wesen, das man einfach russisches Weib nannte, auf die nichtsnutzigen Arbeiter sehr geschickt schimpfte. Nach ein paar Minuten war sein Schock vergangen. Alles war wie fr;her. Die Arbeit im Lagerhaus war primitiv, irgendwelche Vorrichtungen zum Entladen oder Beladen von Waren gab es nicht. Alles und immer wurde mit K;rperkraft gemacht. Bis zur Mittagszeit entluden drei Burschen, zu denen auch der Fl;chtige geh;rte, zwei m;chtige schwere LKWs. Die Sachinja, so nannten die M;nner die Chefin untereinander, setzte sofort das Trio in ein anderen Teil des Lagerhauses ein, um S;cke mit Kartoffeln zu schleppen. Eine Rauchpause wie in der sowjetischen Zeit und Armeezeit gab es nicht. Sie trat ganz unerwartet ein, als jemand die Chefin anrief. Sie setzte die unerm;dlichen Arbeiter in Kenntnis, dass sie nach zwanzig Minuten wieder ins Lagerhaus k;me und ging zielgerichtet zum Ausgang. Dann begann sie mit einer unabh;ngigen Art die T;ren zu schlie;en. Wegen ihrer unerwarteten Handlungen biss er sich der Neue fast auf die Zunge). Er wollte schon eine ganze Weile f;r ein nat;rliches Bed;rfnis auf die sich im Hof befindende Toilette gehen.
Er, ohne zu z;gern, ging ein paar Schritte in Richtung der flinken Sachin, die aus ihrer Tasche die Schl;ssel herauszog, um das Tor von au;en zuzuschlie;en. F;r einen Moment blieb er stehen. Er konnte immer noch nicht „kultiviert" im Kopf die pers;nliche Bitte bearbeiten, dass er mal muss, und dann sie der, die ihm kaum zum Nabel reichte, beizubringen. Pl;tzlich kam aus der Menge eine d;nne M;nnerstimme:
„Anna Iwanowna! Schlie;en Sie uns bitte nicht ein... Jemand muss mal raus zu Wind...
Ein fast engelhafter Appell des ziemlich intelligenten Mannes, der auf Zehenspitzen zu der Frau herankam, hatte keine Wirkung auf sie. Die Bitte ;rgerte sie nur. Sie blickte ver;chtlich auf ihren befristeten Arbeiter und zischte durch die auseinander stehenden Z;hne:
„Du, schau, was f;r ein Cleverer sich gefunden hat... Ihm w;re es zu Wind w;nschenswert... Ich habe solche Schei;er viel gesehen... Ich nehme den ganzen Tag den Slip nicht ab und das alles wegen dem Wind... Dank dem Wind verlieren wir Hunderte von D-Mark...“
Weiter beschloss sie nicht zu reden. H;chstwahrscheinlich war der Anruf sehr wichtig oder sie selbst wollte zu Wind gehen. Die f;nf M;nner beobachteten dem;tig wie Erstkl;ssler, wie die Frau die T;r zumachte und mit dem Schl;ssel abschloss. Sie war noch nicht dazugekommen, in das Auto zu steigen, was durch das gro;e Fenster zu sehen war, als Koljan, so hie; der Kollege des intelligenten Mannes, von irgendwoher eine Flasche russischen Wodka brachte. Sofort bildete sich ein M;nnerkreis. Ihnen schloss sich auch der Fl;chtige an. Er hielt seine nat;rlichen Bed;rfnisse zur;ck, trank mit Genuss ein halbes Glas Wodka aus und a; eine Gurke. Den Alkohol hatte nur Innokentij nicht anger;hrt, der Intellektuelle. Er schwieg aus irgendeinem Grund w;hrend der kleinen Feier. Das Schweigen wurde auch auf die ;bertragen, die die Flasche „geleert“ hatten. Nach einer Weile unterbrach Koljan die Stille. Bevor er den Mund ;ffnete, warf er mit ganzer Kraft die leere Flasche in die Tiefe des Lagerhauses. Die Flasche machte eine Pirouette, landete auf irgendwelchen Kisten und zerbrach. Er grunzte vor Freude, drehte sein Gesicht zum Intellektuellen um und erkl;rte stolz:
„Wei;t du, Ikone... Ich bin hier schon ein paar Wochen und bin mit allem zufrieden... Ich sage ehrlich, ich f;hle mich gut hier... Hier ist alles heimisch, sogar unser russischer Wodka...“
Dann drehte er sich zu Alexander um und fragte heiter:
„Also, und dir, junge Mann, gef;llt es dir hier nicht und ;berhaupt nicht?“
Als er den erstaunten Blick des m;chtigen Riesen sah, wurde er sofort still wie ein M;uschen und ging zur T;r des Lagerhauses. Weiter sprach niemand mehr und ;ber nichts. Alle gingen auseinander, wer wohin. Kusnezow hatte das Gef;hl, dass es aus einer Stelle gleich „ausrei;en“ w;rde, deshalb beschloss er, sich mehr zu bewegen. In der Bewegung verga; er f;r eine gewisse Zeit die Toilette und das, was er seit langem dort machen wollte. Ihm schien es, dass die Freche schon ihre M;ndel vergessen hatte. Von diesem schrecklichen Gedanken schwitzte er. Er schrie fast vor Freude auf, als sich die T;ren ;ffneten und die Chefin mit einem L;cheln auf dem Mund zischte:
„Nun, meine Herren Schei;er... Wer m;chte zur Toilette, laufen Sie... Und vergessen Sie nicht, dass ihr alle bei mir arbeitet...“
Unter dem fr;hlichen Lachen der Frau und drei M;nner eilten Alexander und Innokenti zum Ausgang. Nach der Toilette entschieden sie, sich nicht zu beeilen, ins Lagerhaus zu gehen. Die Initiative, ein wenig zu bummeln bat dem jungen Mann der Intellektuelle an. Die frische Luft und die langersehnte nat;rliche Erleichterung verf;hrten dazu, aber der Spaziergang fand nicht statt. Die M;nner waren noch nicht dazugekommen, auf den Fu;weg zu „zusteuern“, als aus der T;r des Lagerhauses Koljans Physiognomie erschien. Er winkte rasend mit der Hand in Richtung derer, die ein bisschen zu faulenzen beabsichtigten.
Die acht Arbeitsstunden im Lagerhaus waren schnell vergangen. Die russische Chefin, wie auch der Deutsche Kremer, rechnete mit den Arbeitern einzeln ab. Alexander, der Neue, ging als Letzter ins B;ro rein. Anna Iwanowna empfing den hochgewachsenen Burschen mit einem L;cheln, er l;chelte auch. Er sah aufmerksam in die Augen der noch relativ jungen Frau und qu;lte sich mit dem Gedanken, wie ihn heute diese Person «bereicherte». Er erwartete keinen gro;en Lohn. Der Mann am Telefon versprach ihm f;nf D-Mark pro Stunde. Die Chefin zog aus dem Geldbeutel zwanzig Mark heraus und reichte sie ihm, der machte erstaunt gro;e Augen. Sie hatte wahrscheinlich eine ;hnliche Reaktion des Arbeiters erwartet. Sie stand ruhig vom Tisch auf und ging auch ruhig zu einem gro;en Schrank. Dann ;ffnete sie ihn und zog eine kleine Plastikt;te heraus. Dann setzte sie sich wieder an den Tisch und sagte mit einer olympischen Ruhe:
„Au;er der Bezahlung mit Bargeld gibt es bei uns noch Bezahlung mit all dem, womit unser Lagerhaus reich ist...“
Kusnezow wusste nicht, was diese T;te enthielt. Er beabsichtigte auch nicht, sie zu ;ffnen. Er l;chelte nur sauer und schwieg. Seine Unzufriedenheit an seinem ersten Arbeitstag zu zeigen, riskierte er nicht. Er wusste nicht, was ihn morgen in diesem reichen und sehr demokratischen Land erwartete. Das „kulturelle" Verhalten des Neuen freute die Aussiedlerin. Sie sah zum ersten Mal im Lagerhaus solch einen gutaussehenden Mann. Es war kein Vergleich zu ihrem Mann, der einst das Lenkrad in einem kleinen kirgisischen St;dtchen drehte. Fast vor drei;ig Jahre setzte sich die junge Deutsche zum ersten Mal im Leben in ein Taxi in der N;he des Bahnhofs. An diesem Tag gab sie auch zum ersten Mal ihre Adresse dem jungen Fahrer Peter. Ihre erste Nacht verbrachten der Taxifahrer und die Studentin auch im ;ffentlichen Auto. Ihr Mann hatte keine hervorragenden F;higkeiten weder dort noch hier. Er soff ;berall Bier. Nebenbei verdiente er auch nichts und nie. Deswegen gab es zu Hause fast jeden Tag Auseinandersetzungen. Der erfahrene Taxifahrer und die Ingenieurin mit dem „Zwei-Cent- Gehalt" erlebten das Licht des Kommunismus nicht. Sie wie auch Millionen andere einfache Sterbliche hatten die Kommunisten einfach betrogen...
In der historischen Heimat der Vorfahren musste der diplomierte Metallurge aus dem Nichts heraus handeln. Anfangs war es sehr schwer, aber jetzt wurde es leichter. Es g;be noch weniger Probleme, wenn sich ein richtiger Bursche f;r ihre einzige Tochter Tanetschka gefunden h;tte. Alles hing von den Br;utigamen ab, w;rdige f;r sie gab es nicht. Die Chefin warf ihr Auge auf den sch;nen Burschen wie eine Frau, sie beneidete sogar sein M;dchen, das er sicher hatte. Solche M;nner lebten sehr selten allein. Sie hatte auch selbst nichts dagegen, mit ihm in die Welt der Jugend einzutauchen...
Anna Iwanowna f;rchtete nat;rlich, jetzt sofort ihre geheimen Gedanken dem wenig bekannten Menschen zu ;ffnen. Aber eine Andeutung in Bezug auf ihre Tochter beschloss sie immerhin zu machen. Vielleicht biss er jetzt an, vielleicht auch erst sp;ter. Alles konnte in diesem Leben passieren. Sie hatte selbst niemals gedacht, dass sie im Alter in Deutschland leben w;rde und noch etwas haben w;rde...
Als sie sich von dem Neuen verabschiedete, hielt sie ihm mit einem L;cheln ihre Hand hin. Dabei schaute sie ihm aufmerksam in die Augen und fl;sterte z;rtlich:
„Junger Mann... Morgen werde ich auf dich zur gleichen Zeit in meinem Lagerhaus warten...
Kusnezow gab schweigend der Frau die Hand und ging mit einem sauren L;cheln aus dem B;ro heraus. An der Bushaltestelle setzte er sich auf ein B;nkchen, hielt seinen Atem an und ;ffnete das Paket. Von dem, was er sah, war er schockiert. In der T;te waren ein kleines Paket Kartoffeln und zwei P;ckchen Karotten. Im Gesch;ft kostete so was f;nf D-Mark, nicht mehr. Erika erwartete eine so zeitige R;ckkehr ihres Freundes nicht und war deshalb sehr verwundert. Noch mehr war Alexander ;berrascht, als er die T;r zu Wohnzimmer ;ffnete und den Raum betrat. In der Mitte des Zimmers stand ein Tisch, der bis zum ;u;ersten mit allerlei Gerichten gedeckt war. Einige davon hatte er schon lange nicht mehr gegessen.
Die fr;hliche Hausherrin beantwortete keine seiner Fragen. Sie presste blo; ihre Lippen zusammen, schwieg und tanzte fr;hlich um ihren Geliebten und um den Tisch herum. Manchmal sang sie vor sich irgendwelche deutsche Liedchen hin. Sie l;ftete das Geheimnis ihrer frohen Stimmung und der festlichen Vorbereitungen auch am Tisch nicht. Der Russe schaute mit Bewunderung und Staunen seine sch;ne Frau an und freute sich auch ;ber etwas Unerwartetes und Geheimnisvolles. Er freute sich wie ein kleines Kind auf die ;berraschung. Er erkannte Erika jetzt nicht wieder, die mit ihm eine ganze Flasche Champagner teilte. Der Alkohol machte sie ;berhaupt nicht betrunken. Sie lachte nur kindlich und zeigte ihm mit dem Finger auf die Stirn.
Sie l;ftete ihrem Liebsten das Geheimnis erst in der Nacht, als er sie auf den H;nden ins Bett trug. Als sie sich in der Umarmung ihres Liebsten befand, fl;sterte sie:
„Mein Geliebter Saschenjka.... Bald wirst du ein B;rger unseres Landes sein...“
Kusnezow verstand noch nicht ganz, was ihm seine Liebste ins Ohr fl;sterte. Eins wusste er ganz genau, dass sie ihm etwas sehr Wichtiges sagte, wof;r er so lange litt. Nicht nur er litt, sondern auch sie, die Deutsche der ehemaligen DDR, die sich in ihn, den Milit;rfahnenfl;chtigen, tats;chlich verliebt hatte. Er starrte in ihr sch;nes Gesicht und wischte ihr die Tr;nen ab, die aus ihren Augen flossen. Seine Tr;nen, die Tr;nen der Aufregungen aus der Vergangenheit und der Hoffnungen f;r die Zukunft, bemerkte er nicht.
Am Morgen ging Kusnezow nicht zur Arbeit ins Lagerhaus. Die Verliebten hielten es f;r eine sinnlose Besch;ftigung. Ihnen war auch nicht danach. Die Informationen, dass die F;hrungen Deutschlands und Russlands eine Entscheidung getroffen hatten, die Fahnenfl;chtigen aus der ehemaligen Westlichen Gruppe der Truppen nicht zu verfolgen, erfuhr Erika aus der deutschen Zeitung. Zeitungen kaufte sie fast jeden Tag, in der Hoffnung, einen Job zu finden. Sie las diese kleine Nachricht mehrmals durch, las sie mit Tr;nen in den Augen. Sie war gl;cklich wie niemals zuvor. Jetzt hatte sie die M;glichkeit, wie auch alle Menschen das t;gliche menschliche Gl;ck zu erleben. Ihr Gl;ck war ohne den russischen Soldaten, der das Gesetz gebrochen hatte, um zu leben und zu lieben, unm;glich. Mit diesen Gedanken hatte sie den festlichen Tisch gedeckt, den Tisch der gegenw;rtigen und zuk;nftigen Liebe f;r ihre gemeinsame Familie. Sie dachte auch im Bett daran, als sie die leidenschaftlichen Lippen des geliebten Russen blutig biss.
Sie kamen zum Rathaus genau um zehn Uhr morgens. Beide waren aufgeregt, besonders Alexander. Er konnte immer noch nicht an die M;glichkeit einer solchen Entscheidung glauben. Auf alle F;lle hatte er vorgesorgt, ging nicht in den Raum hinein, blieb auf der Stra;e. Er stand vor einem kleinen Park und schaute sich immer wieder um. Erika kam nach zwanzig Minuten zu ihm, kam in gedr;ckter Stimmung. Er bemerkte es sofort. Als Alexander erfuhr, dass die ;rtlichen Beamten keine Anordnungen in Bezug auf die russischen Fahnenfl;chtigen bekommen hatten, regte er sich sehr auf. Er begann mit den F;usten auf den nebenan stehenden Baum zu schlagen und zu fluchen. Erika brach pl;tzlich in Tr;nen aus, als sie ihn beobachtete, und begann etwas vor sich hin zu fl;stern. Zwei Tage verlie;en die Besucher des Rathauses nicht die Wohnung. Sie wollten niemanden sehen und h;ren. Besonders der Riese tobte. Er warf aus dem Schrank alle deutschen Zeitungen und h;tte fast den Fernseher zertr;mmert. Ihm schien es, dass alles, wor;ber man schrieb und berichtete, eine L;ge war. Das junge P;rchen erholte sich von dem Schock erst nach einer Woche. Sie gingen zu ihrer Freude und ihrem Erstaunen sogar noch st;rker als zuvor hervor. Sie beschlossen sich nicht zu ergeben.
Es verging ein Monat. F;r sie war er ;u;erst erfolgreich. Erika bekam einen Job in der Kreisstadt im Altersheim als Putzfrau. In ihrem Dorf gab es ;berhaupt keine Arbeit, fast alle waren auf Sozialhilfe angewiesen. Verschiedene Kurse f;r die jungen Deutschen waren einfach eine Farce. Die Abschl;sse gaben keine Garantie f;r eine Besch;ftigung. Niemand tr;umte von einer angesehenen Arbeit. Manche Menschen gingen weiterhin in den Westen des Landes, dort gab es aber auch Probleme...
Nachdem Erika eine Arbeit gefunden hatte, besch;ftigte sich Kusnezow immer h;ufiger mit seinen Gedanken, von denen er nicht leben konnte. Der Wunsch, ins russische Lagerhaus zur;ckzukehren, tauchte bei ihm mal auf, dann verschwand er wieder. Er hatte im Prinzip nichts dagegen, dort zu arbeiten, aber ihm passte das fast symbolische Gehalt nicht. Die Hoffnungslosigkeit dr;ckte immer mehr und mehr auf den jungen Mann. Er, um ;berhaupt nicht verr;ckt zu werden, setzte sich in den Bus und fuhr nach Zunden. Dieses kleine St;dtchen zog ihn immer mehr und mehr an. Viele Stra;en waren ihm bekannt, sogar heimisch. Hier befand er sich im Strom der Menschen, was irgendwie seine Lebenskraft hob. Er wanderte manchmal stundenlang durch die Stadt, aber er ging niemals in das einzige Altersheim, wo seine Liebste arbeitete. Er wusste sehr gut, dass es ihr nicht nach russischen Anekdoten war. Er sah auch selbst, dass die Arbeit sie sehr erm;dete und sie sich wegen ihres „Berufes“ sch;mte. Keine von den ortsans;ssigen deutschen Frauen, vor allem den jungen, arbeitete in diesen Einrichtungen. Nach der Arbeit sa; Erika sehr lange in der Badewanne und wusch sorgf;ltig ihren K;rper. Dann spr;hte sie viel Parf;m auf, als ob sie ihm beweisen wollte, dass es auf ihrem zarten und jungen K;rper keine Reste des Alters oder irgendwelcher menschlichen Krankheiten gab. Der Russe selbst f;hrte nie Gespr;che ;ber die Alten oder ;ber irgendwelche Altersheime, schonte immer ihren Ehrgeiz. Er hatte auch kein Recht dazu, weil er, der starke und gesunde Nichtstuer, auf dem armseligen Gehalt der zutraulichen und anst;ndigen Deutschen „sa;“. Das einzige N;tzliche, was er f;r das Familienbudget machen konnte, war zu sparen.
Die Notwendigkeit dieses „Verfahrens" verstand er von Tag zu Tag und mit jeder Stunde mehr. Etwas gelang ihm in dieser Hinsicht zu machen. Er ging durch das Dorf immer ;fter zu Fu;. In das billigste Gesch;ft „Aldi" fuhr er mit dem Fahrrad. Er verringerte auch die Fahrten in die Kreisstadt. Erika gefiel sein Wirtschaften nicht. Sie machte alles M;gliche, damit der K;hlschrank immer voll war. Aber das Alles beruhigte das Nervensystem des Fl;chtigen nicht. Sanjka Kusnezow aus einem entfernten sibirischen Dorf wollte mehr in diesem Leben. Nicht f;r eine billige Flasche Bier wanderte er durch die W;lder und lebte fast die ganze Zeit als Einsiedler.
Alexander kehrte immer wieder zu seinem m;nnlichen Idol - Farid zur;ck. Aus Neid zu den Reicht;mern des Regimentskameraden wollte er manchmal am liebsten weinen. Der Gedanke, seine Rufnummer zu w;hlen und den Landsfreund anzurufen, verfolgte ihn fast jeden Tag und Nacht. Er ;ffnete manchmal sein Notizbuch und schloss es dann wieder. Die Scham erw;rgte ihn buchst;blich. Er, um nicht schwach vor dem Freund zu werden, verbarg immer h;ufiger das Notizbuch etwas weiter weg von sich. In einigen Momenten wandte er sich von der menschlichen Welt an Gott und bat ihn um Hilfe, er kehrte auch zum prophetischen Traum seiner Mutter zur;ck...
Es kam der Samstag. Alexander fuhr in diesen Tag gew;hnlich nach Zunden, um seine Erika abzuholen. Sie beendete um drei Uhr nachmittags ihre Arbeit und danach spazierten sie durch die Stadt. Bis zum Treffen am Bahnhof blieb ihm noch eine Stunde. Er ging in den Park, in dem es immer sehr voll war. Nicht weit von seinem Eingang befanden sich mehrere Marktzelte. Klamotten und Schmuckst;cke interessierten Alexander diesmal nicht. Er ging langsam zum kleinen k;nstlichen See und bewunderte fasziniert den m;chtigen Springbrunnen, der in seiner Mitte war. Pl;tzlich rief ihn jemand mit seinem Namen, er drehte sich um.
Von dem Gesehenen setzte sich Kusnezow fast. An einem der kleinen Tische, die entlang am Ufer des Sees aufgestellt waren, sa; der ungl;cklicher «Schei;er» Innokentij, „die Ikone". Neben ihm sa; Erika, die sich auch wie er immer noch nicht vom unerwarteten Treffen mit dem Freund erholt hatte. Die M;nner, wie alte Freunde, lachten, bewegten sich aufeinander zu und umarmten sich dreimal nach russischem Brauch. Keiner von ihnen hatte erwartet, dass sie sich einmal wieder begegneten. Der Riese ma; an dem einzigen Tag seiner Arbeit im Lagerhaus, ehrlich gesagt, keine gro;e Bedeutung der Pers;nlichkeit des schweigsamen Mannes zu.
Der Intelligente war schon in den Jahren, dem Neuen war er egal. Jeder hatte seine eigenen Probleme, seine eigenen Kopfschmerzen. Jetzt hatte wahrscheinlich das Schicksal die Arbeiter gezwungen, sich wieder zu begegnen. Innokentij freute sich ;ber das Treffen mit dem Riesen. In seinen Augen blitzten F;nkchen, als er erfuhr, dass dieser junge Bursche der Freund der sch;nen Deutschen Erika war, die er auf dem Flohmarkt nicht ohne Hilfe des russischen H;ndlers Nikolaj kennengelernt hatte.
Die drei ehemaligen Erbauer des Sozialismus fanden in nur wenigen Minuten eine gemeinsame Sprache. Ein Punkt der Gemeinsamkeit war nicht nur der russische Wodka, sondern auch die deutschen W;rstchen mit Senf. Die M;nner begannen nach dem ersten Glas zu plaudern, Erika beteiligte sich nicht am Gespr;ch. Sie sa; und beobachtete den Strom der Menschen, der sich endlos um den sch;nen See bewegte. Manchmal hob sie den Kopf mit dem Gesicht nach oben zur Sonne, die trotz des sp;ten Sommers noch den Spazierenden mit Gro;z;gigkeit ihre Strahlen und W;rme schenkte. Kusnezow verhielt sich beim Gespr;ch mit der Ikone vorsichtig. Er hatte Angst, etwas Wichtiges aus seinem Leben auszuplaudern. Im Prinzip gab es in seinem Leben nichts Superungew;hnliches. Davon ;berzeugte er sich noch einmal, als er die Geschichte ;ber das wirklich einzigartige Leben seines Gespr;chspartners h;rte.
Innokenti Poljakow diente nach dem Abschluss der Milit;rbildungseinrichtung in der GSSD, die f;nf Jahre waren sehr schnell vergangen. Dann kam Kasachstan, sp;ter wurde er demobilisiert. Der Major im Ruhestand ging nach Moldawien, wo er in seiner Jugend eine sympathische Deutsche kennengelernt hatte. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion beschloss er, in die historische Heimat der Vorfahren seiner Frau, der Russlanddeutschen Polina Rudel, zu fahren. Der ehemalige Offizier hatte bis zur letzten Minute nicht daran geglaubt, dass ihm das Schicksal g;nnen w;rde, ins Ausland auszuwandern. Einer der Beamten sch;chterte den noch relativen jungen Mann damit ein, dass die Deutschen den kaum zu sich lassen w;rden, der noch vor kurzem mit der Waffe in der Hand das totalit;re Regime verteidigt hatte. Die Poljakows warteten auf die Dokumente f;r die Ausreise genau f;nf Jahre. In dieser Zeit wurde die Ikone ganz grau.
Sie waren hierher gekommen und auch hier gab es Probleme. Die deutschen Beh;rden schickten die Aussiedler in den Osten, wo das Leben von Tag zu Tag immer mehr stagnierte. Den „Russen" stand bevor, drei Jahre an einem Ort zu leben, sonst erhielten sie keine Hilfe. Der ehemalige Milit;ringenieur bat seine Frau zu versuchen, sich eine Unterkunft im Westen des Landes zu suchen, aber sie war entschlossen dagegen. Ein Jahr nach der Ankunft des Ehepaares besuchten sie das kleine St;dtchen Rosslau, wo vor drei;ig Jahre der junge Leutnant den Offiziersdienst begonnen hatte. Sie waren auch nach Leipzig, dem letzten Dienstort in der DDR, gefahren. Es schien, dass hier alles wie fr;her war. Allerdings schien es nur so... Hier war alles anders: die Menschen, H;user und sogar die Luft...
Je mehr der Rentner das Gespr;ch ;ber sein Leben f;hrte, desto schwerer wurde es in der Seele des Riesen. F;r einen Moment befand er sich wieder in der Kompanie des Hauptmanns Makarows, unter seinen Kameraden. Von den angenehmen Erinnerungen an seinen Aufenthalt in der WGT wurden sogar die Leute um ihn herum ihm vertrauter. Jetzt leugnete er ;berhaupt nicht, dass seine vielj;hrige Abgeschiedenheit ihn verbittert und sogar wild gemacht hatte. Nur Dank seiner Geliebten legte er die Maske des Hasses und der Entfremdung zu den Menschen allm;hlich ab. Er drehte sich um und schaute aufmerksam auf Erika. Sie bemerkte seinen Blick und l;chelte strahlend. Alexander streckte unbemerkt seine Hand zu seinem M;dchen hin. Nach wenigen Augenblicken waren ihre H;nde eins...
Pl;tzlich trat jemand von hinten zu Innokentij heran und klopfte ihm auf die Schulter. Das junge P;rchen reagierte zuerst nicht auf das Erscheinen der unbekannten Frau, jeder war mit sich selbst besch;ftigt. Alexander h;rte weiter mit offenem Mund dem Monolog der „Ikone" zu. Erika trank langsam das k;hle Bier und schaute herum. Erst nachdem Innokentij schnell vom Tisch aufsprang und die Frau zu umarmen begann, warf der Riese einen Blick auf sie. Sie war im gleichen Alter wie der Mann, war sympathisch und schlank. Das Erscheinen von Ira, so stellte sie sich den jungen Leuten vor, ;nderte radikal das vorige „Regime" des Zeitvertreibes der Erholenden. Die „Ikone" gab die f;hrende Position fast augenblicklich ab. Moderatorin am kleinen Tisch wurde die Neue, die das Gespr;ch mit der „Ikone" mal deutsch, mal russisch f;hrte. Dies erregte auch die Aufmerksamkeit des Riesen. Er beabsichtigte schon, den kleinen Tisch zu verlassen und mit Erika um den See spazieren zu gehen. Irgendwann entstand am Tisch eine Pause. Innokentij nutzte die Atempause. Er rannte schnell in ein kleines Restaurant, das sich nur einen Katzensprung vom See befand, und brachte von dort eine Flasche Kognak und vier gro;e Gl;ser Bier. Nach dem ersten Toast auf die Gesundheit des Gastes setzte die ;ltere das Gespr;ch wieder fort. Die Jungen st;rten sie nicht. Sie schwiegen und beobachteten mit einem L;cheln die, die sehr ungezwungen einander von ihrem Leben erz;hlten. Die Neue wurde f;r den Riesen immer vertrauter...
Der Krieg zerriss mit lebendigem Leibe die deutsche Familie, die in K;nigsberg lebte. Iras Gro;vater diente damals in der Hitlerarmee und verteidigte Berlin vor den sowjetischen Truppen. Als kleines M;dchen geriet ihre Mutter in Gefangenschaft und wurde von einem sowjetischen Soldaten vergewaltigt. Sp;ter war sie in Litauen, wo sie zwei Jahre im Haus einer wohlhabenden Frau arbeitete. Dann brachte man den 15-j;hrigen Teenager ins Kinderheim in der Stadt Grodno in Weissrussland. Sie hatte keine Dokumente, die ihre Identit;t nachwiesen. Magda blieb dort zwei Jahre und weinte fast jeden Tag. Die Sprache ihrer Feinde war ihr unbekannt, aber sie hatte „goldene" H;nde. Der F;hrung gefiel der Flei; des deutschen M;dchens.
Nicht zuletzt spielte auch eine Rolle, dass sie ein Stalinportr;t gut gestickt hatte, f;r das sie eine Urkunde erhielt. Danach vertraute ihr die Leitung an, andere in der Stickerei zu unterrichten. Im selben Waisenhaus traf die junge Lehrerin den Fahrer Eugen. Der Wei;russe hatte schon lange ein Auge auf das sch;ne M;dchen geworfen. Sie beschlossen zu heiraten. Magda hatte sofort Probleme. Sie war sechzehn Jahre alt, aber sie war ohne Pass und ohne Familiennamen. Der Direktor redete ihr ein, einen russischen Familiennamen oder einen revolution;ren anzunehmen. Aber sie wollte weder eine Petrowa, noch Iwanowa, ganz zu schweigen von Sowjetskaja oder Oktjabrjskaja sein. Sie wollte nur eine Deutsche sein und den Familiennamen ihrer Vorfahren tragen.
Die ;rtlichen Beh;rden kamen ihr entgegen, aber nicht ganz. Sie verweigerten ihr die sowjetische Staatsangeh;rigkeit und gaben ihr nur eine Aufenthaltsgenehmigung. ;ber das Dokument, in dem stand, dass Magda M;ller eine B;rgerin der Deutschen Demokratischen Republik war, war die Lehrerin ;bergl;cklich. Bald heirateten die jungen Menschen, der Br;utigam war dreiundzwanzig, die Braut siebzehn. Ein Jahr sp;ter zog das Paar in das Dorf Andruschowka im Schtschutschinski Gebietsbezirk Grodno zu Eugens Eltern. Hier wurde auch Ira geboren, die Tochter der Deutschen des sozialistischen Deutschlands und des Vaters aus der sowjetischen Republik Wei;russland...
Die Geschichte der Frau faszinierte den angetrunkenen Alexander sehr. Eine Menge Neues von ihr ;ber sie erfuhr jetzt auch Poljakow, der noch als sowjetischer Offizier Ira ganz zuf;llig kennengelernt hatte, als er seinen Sohn in den deutschen Kindergarten brachte. In seinen Augen standen Tr;nen. Um nicht ganz in Tr;nen auszubrechen, warf er seine Blicke mal zu Alexander, mal zu Erika. Viel Wasser war geflossen, nachdem das Ehepaar M;ller den Milit;ringenieur, der die internationale Pflicht zum Schutz der f;hrenden Grenzen des Sozialismus erf;llte, in die Sowjetunion zum neuen Dienstort verabschiedete.
Als Poljakow auf der Erde der Vorfahren seiner Frau und seines ehemaligen Dienstortes ankam, beschloss er, die Spur der sch;nen Ira zu finden. Die Freunde fanden schnell einander und trafen sich ;fter. Das kleine St;dtchen Zunden war der Bewohnerin der sch;nen Stadt Leipzig sehr gut bekannt. Hier war ihr Mann Wolfgang, ein Zeichenlehrer, geboren und aufgewachsen. Heute war er nicht mitgekommen, war zu Kursen. Es kam auch Innokentijs Frau Polina nicht, sie war vor einem halben Jahr verstorben.
Iras Monolog l;ste bei den Sitzenden nicht nur Tr;nen oder Bedauern aus, sondern auch Lachen. Die ehemalige Lehrerin der russischen Sprache zwang die M;nner buchst;blich, sich vor Lachen die B;uche zu halten. Hinrei;end lachte auch Erika, als Ira von der Geburt ihrer kleinen Schwester erz;hlte. Zu ihrem Entstehen trugen die Offiziere des Komitees f;r Staatssicherheit bei. Magda und Eugen lebten damals in der kleinen Stadt Lida. Die Eheleute arbeiteten im Betrieb, wo auch Fachkr;fte aus dem sozialistischen Deutschland arbeiteten. Als der Offizier des Komitees f;r Staatssicherheit erfuhr, dass Magda M;ller flie;end Deutsch sprach, rief er sie in sein B;ro. Die Aufgabe war sehr einfach. Sie sollte alles mitteilen, wor;ber die Deutschen sprachen. Die Kranfahrerin versuchte abzulehnen. Der Vorgesetzte schaute die hartn;ckige russische Deutsche sehr streng an und sagte heftig:
„Genossin M;ller, in unseren H;nden liegt Ihr ganzes Schicksal... Eins m;chte ich Ihnen sagen, dass eine gute Arbeit sehr gut bezahlt wird...“
Weiter erkl;rte der Offizier nichts, die Deutsche erriet es auch selbst. ;ber den Aufenthalt im Kabinett des Tschekisten erz;hlte Magda ihrem Mann nichts, sie f;rchtete um seine Gesundheit. Eugen hatte sehr oft Herzschmerzen. Sie entschied sich f;r einen anderen Weg, um aus dieser besonderen Aufgabe herauszukommen. Sie wurde schwanger. Sie wurde schwanger trotz der sehr schlechten Lebensbedingungen. Das Paar mietete ein winziges Zimmer bei einer alten Frau am Rande der Stadt. Im Winter war es unm;glich dort zu leben. Das Trinkwasser fror manchmal im Beh;lter ein. Ziemlich oft mussten sie in der Oberbekleidung schlafen. Das Interesse des Offiziers des Komitees der Staatssicherheit an der schwangeren Frau verschwand bald. Das spezielle Erscheinen der Schwester verursachte allgemeines Lachen bei den Zuh;rern. Die Erz;hlerin schaute die Sitzenden an und sagte heiter:
„Mit einem Wort, meine gegenw;rtigen Herren und gestrigen Genossen... Lassen Sie uns auf unser Leben trinken... Ich werde nicht verbergen, dass es in der Vergangenheit nicht immer gut war... Trotzdem w;rde ich mit gro;em Vergn;gen noch einmal durch die sch;nen Stra;en der sozialistischen Vergangenheit spazieren gehen...“
Alle hoben ihre Gl;ser und stie;en zusammen an. Alexander leerte in einem Atemzug den Inhalt und starrte Ira an. Sie war jetzt f;r ihn ein echtes Symbol der Frau und der Menschenw;rde. Er hatte sich nicht im Geringsten verstellt, vor einer Stunde war diese Unbekannte f;r ihn einfach noch fremd gewesen. Und jetzt beabsichtigte er auch nicht, irgendwelche Kontakte zu ihr zu suchen. Es beunruhigte ihn was ganz anderes, was ihm, einem Mann, einem jungen und sch;nen Burschen, fehlte. Das Begreifen, dass er niemals Willensst;rke hatte, dass er immer vor Schwierigkeiten zur;ckwich, machte ihn w;tend.
Er blickte ziemlich oft von den Sitzenden weg und presste seine Z;hne zusammen. Jetzt hasste er sich selbst f;r seine Feigheit, f;r die Unf;higkeit, seine lebenswichtigen Ideale umzusetzen. Er verglich sich mit den Sitzenden, was diese Menschen erlebt hatten, und gelangte zu einem sehr entt;uschenden Ergebnis.
Den ganzen Weg ;ber nach Hause schwieg Alexander. Er starrte ins Fenster des Busses und dachte immer wieder nach. Nur manchmal presste er die Handfl;che seines geliebten M;dchens fest zusammen. Jene antwortete ihm auch mit einem festen H;ndedr;cken. Sie liebten sich in dieser Nacht nicht. Der Fl;chtige war einfach in der Stimmung dazu. Er f;hlte auch den Verfall seiner physischen und seelischen Kr;fte. Im Bett liegend, wurde ihm immer deutlicher die Sinnlosigkeit seines Aufenthalts in diesem Land bewusst. Auch Erika schwieg, sie machte sich sehr viele Sorgen um ihren Russen.
In dieser Nacht w;nschten sie zum ersten Mal in der ganzen Zeit ihres gemeinsamen Lebens einander nicht eine gute Nacht. Sie k;ssten auch einander nicht. Frau Kr;ger ging am Morgen alleine zur Bushaltestelle, Kusnezow blieb im Bett. Dort lag er fast bis zum Mittag. Den K;hlschrank r;hrte er auch nicht an. Er wollte nichts machen, ihm war alles gleichg;ltig. Erst nachmittags ging er auf die Stra;e heraus und beschloss, alles ruhiger und n;chterner von sich aus zu betrachten. Die Gedanken flogen wie aufdringliche Fliegen in seinen Kopf hinein und stachen immer zu...
Alexander beschloss, diesmal nicht in die Stadt zu fahren. Er brauchte Ruhe und Einsamkeit. Ihn zog es wieder zur;ck in den Wald, um dort allein zu sein. Bis zum Wald waren es etwa f;nf Kilometer, vielleicht auch mehr. Die gro;e Entfernung erschreckte den jungen Mann nicht. Am Rande des Dorfes ging er in eines kleines Restaurant und kaufte eine Flasche „Gorbi". Er trank den Wodka "Gorbatschow" nur einmal und spucktefast ein halben Tag lang. Aber nicht deshalb, weil er den ehemaligen sowjetischen Herrscher schrecklich verachtete. Er mochte keinen Wodka, der weniger als vierzig Prozent hatte. In den deutschen Gesch;ften war dieser eine gro;e Seltenheit.
Kusnezow kam zum Wald und blieb stehen. Der Wald lockte ihn unerbittlich wieder in seine Umarmung. F;r einige Zeit schloss er seine Augen und schaltete von der Au;enwelt ab. Die Waldluft kitzelte angenehm in seiner Nase, das Rauschen der B;ume beruhigte seine Nerven. Als er genug von der heilsamen Luft eingeatmet hatte, ;ffnete er seine Augen und ging zielgerichtet in die Tiefe des Waldes. Nach ein paar Metern setzte er sich auf eine stark gebeugte Birke, die neben einer m;chtigen Kiefer stand. Die Tr;nen kullerten und kullerten aus den Augen des m;chtigen Riesen und fielen auf die zarte wei;e Rinde der Birke. Der Einsiedler befand sich wieder in der Gefangenschaft trauriger Gedanken. Um den Hass auf sich f;r eine gewisse Zeit zu vergessen, f;hrte er den Flaschenhals zum Mund. Der Wodka „ging" aus irgendeinem Grund nicht und es ;rgerte ihn sehr. Er schloss die Augen und ;ffnete weit den Mund. Nach einigen Schlucken schaute er mit Verachtung die gerippte Flasche und das blaue Etikett an. Dann fluchte er gen;sslich und weinte laut. Seine Seele befand sich wieder in der Gefangenschaft der Gleichg;ltigkeit und der Apathie. Der Fl;chtige ;ffnete wieder nach einer Weile seinen Mund und dr;ckte zwischen den Z;hnen den Hals der gerippten Flasche zu, danach warf er kr;ftig seinen Kopf nach hinten...
Der Fahnenfl;chtige der einst m;chtigen Armee kehrte in die Wohnung der Deutschen Erika Kr;ger sp;t am Abend zur;ck. Er kam mit der festen Absicht zur;ck, Deutschland zu verlassen. Er hatte es satt von der wandernden Lebensweise in diesem reichen Land. Jetzt zweifelte er schon ;berhaupt nicht mehr, dass seine Entscheidung, die Einheit zu verlassen und zu desertieren, ein fataler Fehler war. Ihn tr;stete auch Erika nicht, die ihm ihre ganze Seele und Liebe schenkte. Die sch;ne Deutsche konnte seine seelische Leere, das Verstehen seiner eigenen Untauglichkeit, nicht ausf;llen. Jetzt widerten ihn auch allerlei Reicht;mer und Werte dieses Landes an, zu deren Vermehrung er pers;nlich kein Gramm an Bem;hungen beigetragen hatte.
Zu Hause wartete auf Alexander die n;chste ;berraschung. F;r die hatte wieder die unerm;dliche Erika gesorgt, die sich mit dem Schicksal der Putzfrau im Altersheim fast zufrieden gab. Die n;chste Sauferei des geliebten Menschen nahm sie als selbstverst;ndlich hin. Sie wusste sehr gut, dass die Mehrheit der russischen M;nner im Falle eines gro;en Misserfolges und auch der gro;en und nicht nur gro;en Feiertage, oft in die Sauferei gerieten. Auch ihr Russe stellte keine Ausnahme dar. Daran, dass Herr "Kaputt" sich heute betrinken w;rde, hatte sie keine Zweifel. Sie hatte schon gestern den seltsamen Zustand ihres Freundes bemerkt. Ihre ;berraschung „bekam“ Sanetschka fr;hmorgens, als er gr;ndlich ausgeschlafen war. Blass wie Kreide eilte er sofort zum K;hlschrank und leerte eine Flasche kaltes Bier. Dann ging er auf den Balkon und rauchte. Erika kam f;nf Minuten sp;ter, kam ganz nackt. Sie kannte die Schw;chen ihres Russen, der ihren nackten K;rper immer bewunderte. Er warf ziemlich oft von ihr im Bett die Decke herunter. Der Russe biss auch diesmal auf ihren K;der an. Er warf nachl;ssig die Kippe ;ber den Balkon und zog sie mit Kraft an sich...
Erikas Informationen kippten wie ein Tornado f;r einige Zeit alle Pl;ne des Fl;chtigen um. Er beschloss wieder einmal zu versuchen, das Gl;ck in der Heimat seiner geliebten Frau zu finden. Er h;tte niemals gedacht, dass dieses sehr zarte zerbrechliche Gesch;pf so mutig um sein Gl;ck k;mpfen w;rde. Gerade dank Erika, versprach die Deutsche Ira M;ller alles M;gliche und Unm;gliche zu tun, damit der Milit;rfahnenfl;chtige der ehemaligen Sowjetunion eine deutsche Aufenthaltserlaubnis bekam. Dem jungen P;rchen versprach auch Innokentijk zu helfen. Kusnezow nahm sich Zeit zum ;berlegen bis zum neuen Jahr, weiter hin und her zu laufen, war sinnlos. Fl;chtige wie ihn gab es im reichen Land genug. Laut Angaben der Organisation des Schutzes der Menschenrechte der BRD (der deutschen Gesellschaft des Friedens) wurden bis zum Abzug der Westlichen Gruppe der Truppen (WGT) aus ihrem Bestand 600 Fl;chtlinge registriert, die um politisches Asyl im Land gebeten hatten. Bis zum Jahr 1997 lehnten die deutschen Beh;rden den russischen Fahnenfl;chtigen politisches Asyl ab, obwohl die Geheimdienste sie davon ;berzeugten, dass den Fahnenfl;chtigen in ihrer Heimat eine Gef;ngnisstrafe bis zu 20 Jahren oder eine Todesstrafe drohte. Erst unter dem Druck der Abgeordneten des Bundestags aller Fraktionen ;nderte die Regierung ihre Entscheidung. Die Fahnenfl;chtigen der Sowjetischen Armee bekamen das Recht als politische Fl;chtlinge.
Bis zum Neuen Jahr blieben fast zwei Monate. Bei den jungen Leuten lief alles wie gewohnt. Erika arbeitete, Alexander faulenzte. Er konnte keinen Job finden. Er war nicht nur arbeitslos, sondern auch ohne eine bestimmte Staatsangeh;rigkeit. Ihm reichten der Mut und der Wille nicht aus, um das Recht, in diesem Land zu leben, zu k;mpfen. Zu einem Beamten zu gehen, kostete f;r ihn nicht viel M;he. Es beunruhigte ihn was ganz Anderes. Es war das Schrecklichste und Be;ngstigendste. Er bezweifelte ;berhaupt nicht, dass die deutschen Beamten ihm keine L;ge verzeihen w;rden. Sie wollten nur die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit wissen. Ihm stand bevor, von der Schie;erei mit der Polizei, ;ber den Friseur und sogar dar;ber, wie er Gesch;fte und H;fe bestahl, zu erz;hlen. Die Zweifel schlichen sich immer tiefer in seine Seele ein. Seine beunruhigten Gedanken teilte er nicht mit Erika, sie hatte selbst genug Sorgen. Die Hoffnungslosigkeit herrschte wieder in der Seele des Fl;chtigen. Er war wieder gereizter und wandte sich immer ;fter der Flasche zu. Erika beobachtete mit Schrecken, wie der junge Mann wegen des Stresses sich ver;nderte. Nicht nur sie bemerkte es, er sah es auch selbst. Buchst;blich ein Monat nach der „;berraschung" erschienen in seinem dicken Haarschopf graue Haare, und es wurden von Tag zu Tag immer mehr. Um Erika mit den grauen Haaren nicht zu erschrecken, legte er sich eine kurze Frisur zu. Sein Gesicht ver;nderte sich auch. Auf der Stirn und unter den Augen erschienen erste Falten, die weder am Tag und noch in der Nacht verschwanden. Auch das moralische Klima zwischen den einst nahen Menschen verschlechterte sich. Der Russe schwieg Tag und Nacht, auch die Deutsche schwieg. Sie fand immer ;fter ihre Beruhigung in den Tr;nen.
Sie weinte in der Regel nach der Arbeit, wenn sie erm;det durch die Stra;en von Zunden schlenderte, um den n;chsten Plan zur Rettung ihres Freundes, der sich immer mehr von ihr entfremdete, auszuarbeiten. Sie fing auch an, die Begegnungen mit denen zu vermeiden, die beabsichtigten ihm zu helfen. Der Grund daf;r war das ziemlich seltsame Verhalten des russischen Burschen, der bis jetzt sein Schicksal noch nicht bestimmen konnte. Wieso er sich so qu;lte und nicht nur sich, diese Frage stellte sie sich mehrfach. Sie fand keine Antwort. Trotzdem suchte sie immer wieder nach Wegen zur Rettung des geliebten Menschen. Ein n;chster kam recht bald.
Am ersten Tag der Weihnachtsfeiertage hatte Ira M;ller die jungen Leute zu sich zu Besuch eingeladen. Sie freuten sich sehr ;ber die Einladung. Besonders Alexander freute sich dar;ber, der sehr die gro;e Stadt sehen wollte. Er hatte als Soldat ziemlich oft von den Offizieren schmeichelhafte ;u;erungen ;ber eine der sch;nsten St;dte des sozialistischen Deutschland geh;rt. Die Eingeladenen fuhren zur der fast fremden Frau und bedauerten es nicht im Geringsten. Die Gesellschaft, die aus einem Dutzend Menschen bestand, war, sozusagen, vertraulich. Hier waren auch die „Ikone" und eine Aussiedlerin. Es kam auch ein Ehepaar der Deutschen, das im benachbarten Eingang des Hauses wohnte. Die G;ste machten sich schnell miteinander bekannt und setzten sich an den Tisch. Dann gingen sie durch die n;chtliche Stadt spazieren.
Die Stadt war auch in Wirklichkeit sch;n. Am n;chsten Abend waren Erika und Alexander schon wieder zu Hause. Sie tauschten sich fast bis zum sp;ten Abend ihre Eindr;cke aus, ;ber Leipzig und ;ber die, denen sie zum ersten Mal in ihrem Leben begegnet waren. Als Erika das gl;ckliche Gesicht ihres Freundes sah, hoffte sie darauf, dass das Eis zu schmelzen begann, und er ein erf;lltes Leben zu leben beginnen w;rde. Allerdings irrte sie sich sehr. Das Treffen mit der Deutschen aus Russland Berta B;r und dem
Deutschen Peter Reimann brachte Alexander wieder zum Nachdenken. Diese ;berlegungen unterschieden sich in vieler Hinsicht davon, woran er noch gestern oder sogar vor einer Stunde gedacht hatte. Je mehr er sich in den Lebensweg der neuen Bekannten vertiefte, desto mehr schmerzte sein Herz vor Hilflosigkeit und sogar Sanftmut. Der Fl;chtige war besonders von der Geschichte, die die Aussiedlerin erz;hlte, betroffen. Berta geh;rte zur Nachkriegsgeneration. Das deutsche Dorf mit dem russischen Namen Stepanowka, wo sie geboren wurde, befand sich am Fluss Tobol. Das M;dchen erkannte fr;h den Preis der Arbeit und des Wissens. Nach der Mittelschule studierte die Besitzerin einer Medaille an dem Handelwirtschaftlichem Institut in Nowosibirsk. Dann kam die Arbeit, verschiedene Posten. Es kam auch die erste Liebe, die aber zerbrach. Ihr Mann war untreu, die Scheidung zogen sie ohne jeden Nervenkrieg durch. Eine lange Zeit fand die junge Frau sich keinen Platz, sie durchlebte diese Zeit sehr schwer. Es gab auch Gr;nde daf;r, dabei sehr wichtige. Ihr Mann, ein ehemaliger Elektriker, hatte dank ihrer Beharrlichkeit und ihrem Talent ein Fernstudium an einem Institut absolviert und wurde Ingenieur. Nach einer Weile wurde man auf den Empork;mmling aufmerksam und w;hlte ihn zum Stellvertretenden Vorsitzenden des Gewerkschaftskomitees der Fabrik. Der Vater von zwei kleinen Kindern verbrachte fast die ganze Zeit bei der ehrenamtlichen Arbeit. Zu Hause kr;mmte er keinen Finger.
Die ganze Hausarbeit machte seine Frau. Sie kochte und wusch die W;sche, renovierte die Wohnung. Auf ihren zerbrechlichen Schultern lagen noch der Garten und die Arbeit, wo sie mehr als der „Familienvater“ verdiente. Zuerst gew;hnte sich der gesellschaftlich aktive Mensch an die Partys, sp;ter an die Frauen...
Es kam die Perestrojka.
Die Armut und Rechtlosigkeit klopften immer ;fter an der T;r der einst wohlhabenden Familie. Nach langem Nachdenken beschloss Berta, in die historische Heimat ihrer Vorfahren auszuwandern. Sie kam dort ein Jahr nach dem Fall der Berliner Mauer an und geriet in den Osten des Landes. Die Beh;rden lenkten immer weitere neue Str;me von Aussiedlern hierher. Es gab hier alle Arten von Kursen, aber keine Arbeit. Berta gelang es, dank ihrer guten Deutsch- und Russischkenntnisse, eine Stelle als Dolmetscherin in einer Firma zu bekommen. Es wurde materiell ein wenig leichter. Bald bekam auch ihr Leben einen Sinn. Sie traf einen Mann, der im gleichen Alter war und ;hnliche Ansichten auf das Leben und die Welt hatte.
Wladimir war Russe, er kam aus Russland. Er kam hierher, nicht um ein sattes Leben zu haben, sondern um seelische Beruhigung zu finden. In der ehemaligen Sowjetunion entwickelte sich sein Leben zuerst ziemlich gut. Nach dem Abschluss der Universit;t arbeitete er im Stadtbezirkskomitee der Partei, sp;ter ging er in die Wissenschaft. Er verteidigte erfolgreich seine Dissertation, zwei Jahre sp;ter schrieb er eine Monographie. Der junge Wissenschaftler arbeitete immer mehr und mehr: hielt Vorlesungen, seine Werke wurden in den Zeitungen ver;ffentlicht, schrieb B;cher. Die Jahre vergingen. Der Mensch mit den gro;en F;higkeiten als Theoretiker und Denker konnte die Kluft zwischen Theorie und Praxis der herrschenden Partei nicht mehr aushalten. Er begann der Partei Briefe zu schreiben, in denen er seine Sicht auf die Dinge zum Ausdruck brachte. Die stimmten ziemlich oft mit den allgemeinen Einstellungen nicht ;berein. Der St;rrische fiel den Beh;rden sofort auf. Man rief ihn, der „f;nf Minuten Professor“ w;rde, ins Stadtbezirkskomitee, dann ins Stadtkomitee der Partei. Dort schimpfte man mit ihm ein wenig, warnte ihn. Er lie; nicht locker, fuhr in die Hauptstadt. Nach einer Woche fand die Sitzung des B;ros des Stadtbezirkskomitees der Partei statt. Den Ledersessel des Parteivorsitzenden besa; Filatow, sein ehemaliger Ausbilder der Abteilung, die einst der renommierte Wissenschaftler geleitet hatte. Der Sekret;r schaute w;hrend Er;rterung der Personalsache seines ehemaligen Kollegen dem Wahrheitssucher nicht in die Augen. Er studierte die ganze Zeit aufmerksam irgendwelche Papiere. Der Beamte erinnerte sich wahrscheinlich an etwas aus seinem Leben, als er dem ersten Sekret;r des Stadtbezirkskomitees der Partei dar;ber Meldung machte, was unter den verantwortlichen Mitarbeitern der wichtigsten Institution los war. „Das Schwitzbad" dauerte f;r den Wissenschaftler fast eine Stunde.
Den Kommunisten Morosow hatte man auch hier nicht verstanden. Und niemand wollte ihn auch verstehen. Die an dem gro;en Tisch Beratenden standen mit beiden H;nden und F;ssen vollkommen hinter den allgemeinen Richtlinien der ;lteren F;hrung der Partei. Keiner von ihnen wollte alle seine m;glichen Privilegien und Zuschl;ge (Boni) verlieren. Der Abschluss der Auseinandersetzung in der Personalsache trug in einem gewissen Ma;e eine historische Schattierung. Eines der Vorstandsmitglieder hatte noch den Mut, seine eigene Meinung in Bezug auf den sich irrenden Kommunisten zum Ausdruck zu bringen. Der Direktor des K;hlwerks, der Morosow sehr gut kannte, schaute in Richtung der Kreisleiter und sagte mit einem offensichtlichen Unverst;ndnis:
„Genossen Mitglieder des Parteib;ros... Ich kenne Wladimir Iwanowitsch seit langem... Alle Auftr;ge, die er von unserer Kommunistischen Partei bekam, erf;llte er immer in Ehren... Diesen Kommunisten bezeichnen sogar seine Feinde als einen genialen Menschen und begabten Organisator... Heute hat unsere Partei die n;chste Strategie auf eine langfristige Perspektive ausgearbeitet... Unser Parteigenosse hat noch alle M;glichkeiten, sich uns anzuschlie;en... Er soll sich nur von der besten Seite zeigen... Ich verstehe immer noch nicht, wieso Kommunist Morosow so au;ergew;hnlich zu denken begann...“
F;r eine Weile wurde es still in der Halle. Alle schauten aus irgendeinem Grund wieder in die Unterlagen. Es schwieg auch der Vorsitzende, er hatte immer vor Morosow Angst. Er f;rchtete ihn in der Abteilung, f;rchtete ihn auch jetzt, als er sich auf den Sessel der Kreisverwaltung setzte. Morosow hob den Kopf in der eingetretenen Stille und schaute aufmerksam die Sitzenden an. Fast alle diese Menschen kannte er. Noch vor kurzem krochen sie vor ihm und boten ihm ihre Dienste an. Er verzichtete immer auf die verschiedensten Delikatessen. Morosow selbst brachte die gro;e Tasche mit der Wurst zur;ck in die Wohnung des Direktors des Fleischkombinats. Am Morgen kanzelte er den Speichellecker sehr streng ab. Jetzt sah der Wissenschaftler vollkommen andere Menschen. Er war mit ihnen in einem Raum, in dem gleichen Land, sogar in der gleichen Partei ... Allerdings hatten sie unterschiedliche, sogar entgegen gesetzte Ansichten ;ber die Entwicklung der Gesellschaft, ;ber dieses Leben...
Morosow hob die Hand und meldete sich zum Wort. Er beschloss, nicht viel zu sagen, gegen die Beratenden war er machtlos. Und dieses Verst;ndnis best;rkte ihn in seiner ;berzeugung. Der Kommunist mit zwanzigj;hrigem Dienstalter sagte trocken und deutlich:
„Eines der Mitglieder des Pr;sidiums hat sehr richtig darauf hingewiesen, dass der Kommunist Morosow au;ergew;hnlich angefangen hat zu denken... Ich verneine das nicht, wie ich auch nicht leugne, dass ich mit solchem nicht ordin;ren Denken lebenslang lebe. Dank diesem nicht ordin;ren Denken stehe ich auch jetzt hier auf diesem Teppich...“
Im Saal gab es Gel;chter. Diesmal lachte auch Filatow. Das Lachen des „Stinktiers", so nannten die Frauen der Gesellschaft „Wissen“ den Glatzkopf f;r seine h;ufigen Toilettenbesuche, ver;rgerte Morosow ;berhaupt nicht. Er l;chelte nur, l;chelte in sich hinein. Morosow zweifelte schon ;berhaupt nicht mehr an seinem Sieg. (Angenommen war er nur in seinen Gedanken, sogar in seiner Theorie, aber es war, wie er glaubte, sein pers;nlicher Sieg). Mit dieser Erkenntnis zog er aus der Innentasche des Jacketts das Parteibuch heraus und legt es auf den Rand des rot gedeckten Tisches. Nach ein paar Augenblicken ging er aus dem Saal und schloss fest hinter sich die T;r. Dann sank er sehr langsam auf einen Stuhl. Seine H;nde waren feucht, sein Gesicht mit Schwei; bedeckt. Das Herz des Parteilosen schlug unruhig...
Kusnezow, der im Nachdenken versunken war, sympathisierte immer st;rker mit der Russlanddeutschen Berta, die w;hrend des Spaziergangs durch die Stadt das Intimste zwischen ihr und ihrem Freund erz;hlte. Er beneidete diese ;lteren Leute, beneidete sie sehr stark. Ihr Leben war romantisch und unterschied sich auffallend von dem der anderen. Er l;chelte, als vor ihm f;r einen Moment das Bild der sch;nen Aussiedlerin erschien, die von einigen Schrulligkeiten der klugen Bewohner der Dreizimmerwohnung erz;hlte. Berta und Wladimir wohnten erst f;nf Jahre zusammen und jeder Tag war f;r sie auf eine besondere, eigene Art interessant.
Jede beliebige h;usliche Arbeit lief bei ihnen nicht ohne philosophische Argumentationen ab, manchmal stritten sie sogar. Es ging bei ihnen auch w;hrend der Auslandsreisen nicht ohne interessante Unterhaltungen ab. Diese Menschen waren in Seele und Geist eins, was ihre Liebe majest;tisch und stark machte. Sie, die Kinder des Sozialismus, f;r den sie und ganze Generationen ihrer Vorfahren gelebt und gek;mpft hatten, durchlebten sehr schwer alles, was in der Welt passierte. Besonders schwer durchlebte es Morosow, der sich in jeder freien Minute an den Tisch setzte und etwas schrieb. Nach einer Weile erfuhr Berta, dass er Liebesgeschichten schrieb. Nach einem Jahr freuten sie sich gemeinsam ;ber seinen ersten ver;ffentlichten Roman, dann kam der zweite, der dritte folgte... Das Schaffen verhalf dem ;lteren Mann immer wieder zu neuen Kr;ften. Er wandte sich wieder der Geschichte zu.
Er fing an, wie er selbst ziemlich oft sagte, ein sehr dickes und sehr kluges Buch zu schreiben. Wladimir starb an seinem Geburtstag, er wurde an diesem Tag genau siebzig. Er hatte sich trotz seines fortgeschrittenen Alters immer sehr gut gef;hlt, war gesund. Sein Tod war in gewisserma;en von seinen lebenswichtigen Einstellungen, die er niemals ;nderte, vorherbestimmt. Einiges war daran geheimnisvoll und sogar schrullig. Der Alte verband die Hauptmeilensteine seines Lebens fast immer mit seinem Geburtstag. An diesem Tag traf er zum ersten Mal Berta. Am Tag seines Engels begann er Romane zu schreiben...
Im Abschiedsbrief schrieb er mit seiner schwungvollen Handschrift: «Ich lebte auf dieser Erde nicht so, wie viele existierten und existieren... In die andere Welt gehe ich bewusst, ich hoffe auf eine R;ckkehr...».
Auf dem Tisch lag das Manuskript des Wissenschaftlers, «das sehr dicke und kluge Buch». Der Autor beschrieb darin, laut seinen Notizen, sein ganzes bewusstes Leben. Auf dem Titelblatt war deutlich mit Rotstift der Titel seines Werkes «;berlegung eines sowjetischen Schizophrenen“ draufgeschrieben. Nach diesen Worten stand ein sehr fettes Fragezeichen. Berta machte nach dem Tod ihres Freundes alles so, worum er sie fr;her gebeten hatte. Morosow wurde einge;schert, seine Asche verstreute sie auf einem deutschen Fluss. Ein Jahr nach seinem Tod wurde nach dem Roman des Schriftstellers in einem der GUS-Staaten ein Spielfilm produziert. F;r sein Manuskript interessierte sich auch ein Historiker desselben Landes. Der Professor versprach der wissenschaftlichen Arbeit des verstorbenen Kollegen eine weltweite Zukunft...
Die Geschichte ;ber den Lebensweg vonr Berta B;r gab Kusnezow Optimismus in vielerlei Hinsicht, aber die Erz;hlung des deutschen Peter Reimann f;hrte diesen Optimismus fast auf absolut Null zur;ck. Ira M;llers Nachbar war etwas mehr als drei;ig Jahre alt, im gleichen Alter war auch seine Frau Katerina. Nach dem Fall der Berliner Mauer gab es f;r den ehemaligen Offizier der Nnationalen Volksarmee der DDR (NVA) in der Heimat keinen Arbeitsplatz. Und es war niemand da, um ihm zu helfen. Viele der Bekannten wandten sich vom Vertreter des einst angesehenen Berufes einfach ab. Es kam sogar noch schlimmer. Einige der Feinde schrieben auf den Toren seiner Garage beleidigende W;rter. Einmal zerschlug man sogar die Windschutzscheibe seines alten "Moskwitsch", der nicht weit vom Haus stand. Man gab auch der Frau des ehemaligen Offiziers keine Ruhe. Ihr k;ndigte man im Laden eine Woche nach der Gr;ndung des Vereinigten Deutschlands. Die jungen Eheleute ertrugen die Erniedrigungen standhaft. Sie bem;hten sich, die ganze freie Zeit in der Natur, weit von den Menschen zu verbringen. Dort kamen sie f;r einige Zeit zur Ruhe, wenn obwohl ihre Nerven bis zum ;u;ersten angespannt waren. Erst nach einem Jahr gelang es dem Mann, eine Arbeit zu finden, die f;r ihn nicht angesehen war und schlecht bezahlt. Peter machte Wachdienst in einem gro;en Werk im S;den des Landes, nach Hause kam er nur an den Wochenenden und auch das nicht immer. Katerina hatte im Kindergarten begann als Putzfrau. Der Ehemann und seine Frau sahen sich wochenlang nicht. Jeder von ihnen war nur froh dar;ber, dass sie keine Kinder hatten. Sonst w;re es noch schlimmer gewesen. Keiner von den Beiden h;tte sich wegen seiner Arbeit mit der Kindererziehung besch;ftigen k;nnen. Wenig Freude erhielten die Eheleute auch von den neuen Kollegen. Peter, ein Mensch mit akademischer Ausbildung, regte sich nicht nur ;ber die viele Nationalit;ten der Wachleute auf, sondern auch ;ber ihren geistigen Gesichtskreis. Nicht begeistert von dem Personal im Kindergarten war auch die ehemalige Leiterin des Ladens. Iras Nachbarn hatten nicht vor, eine revolution;re Perestrojka im Vereinigten Deutschland, nachdem sie erlebt hatten, durchzuf;hren. Sie hatten sich mit ihrem Schicksal abgefunden und trugen langsam ihr „P;ckchen". Das hatte Kusnezow gleich verstanden, als er sich mit ihnen unterhielt. Die fr;her die russische Sprache lernten, traten von Anfang an gerne in Kontakt mit Frau M;llers sch;nen und jungen Freunden. Aber ein aufrichtiges Gespr;ch hatte es weiter nicht gegeben. Die von Erika und Alexander gestellten Fragen beantworteten die Deutschen aus irgendeinem Grund lustlos. Nach einiger Zeit verlie;en sie die Gesellschaft ;berhaupt … Das Gesehene und Geh;rte w;hrend des Gastbesuches bei Ira rief bei dem Fl;chtling widerspr;chliche Gef;hle hervor. Er bezweifelte schon gar nicht mehr, dass es auch in diesem Land, das f;r ihn immer ein Vorbild war, Probleme gab, sogar sehr ernste. Deswegen wurde es in seiner Seele unruhig, in den Augen standen Tr;nen.
Das Neue Jahr kam unbemerkt. Vorbereitungen zur Feier unternahmen die Jungen nicht. Ihnen war auch nicht danach. Der Russe war beunruhigt. Er, wie es f;r Erika manchmal aussah, hatte sich einfach in sich eingeschlossen. Nicht nur in sich eingeschlossen, sondern starb noch lebendig. Deshalb wartete sie mit gro;er Ungeduld auf den Ausgang. Sie hatte auf diesen Ausgang gerade an diesem Feiertag gewartet. Sie wusste noch aus der Geschichte, dass bei den Russen es Sitte ist, an den Feiertagen irgendwelche Geschenke oder ;berraschungen zu machen. In ihrer Annahme hatte sie Recht. Die Uhr an der Wand hatte gerade zw;lf Mal geschlagen. Alexander als Tischherr hatte einen Toast auf Erikas Gesundheit ausgesprochen und ihr Erfolg im gerade begonnenen Jahr gew;nscht. Danach hielt er das Sektglas zu ihrer Seite hin und prostet laut zu. Pl;tzlich erklang eine Melodie. Erika nahm schnell das Handy. Farid, Alexanders Freund, den sie zum ersten Mal in Spanien am Mittelmeer gesehen hatte, rief an.
Kusnezow rannte blitzschnell zum M;dchen und riss ihr das Telefon aus den H;nden. Die M;nner gratulierten einander zum Neuen Jahr, danach redeten sie noch und redeten. Erika ma; dem keine gro;e Bedeutung zu. Jetzt machte sie sich um was ganz Anderes Sorgen. Sie schaute sehr aufmerksam ihren Geliebten an. Der Riesenmann weinte, die Tr;nen rollten auf seine eingefallenen Wangen. Sie rannte zum Schrank nach einem Taschentuch, da sie vorher wusste, dass ihr nichtsnutziger Riese nie eins bei sich hatte, abgesehen von den
Papiertaschent;chern, die alle Bewohner Deutschlands benutzen. Sie hatte einige Schritte vorw;rts gemacht und blieb stehen, als sie Alexanders Stimme h;rte. Er, der das kleine Telefon bis zum Schmerz in der Hand zusammenpresste, sagte bestimmt und deutlich ins Telefon:
„Farid, ich komme unbedingt. Ich werde morgen ankommen… Ich mache alles daf;r, um zu beweisen, dass ich, Alexander Kusnezow, ein echter Mann war und bin … Farid, du brauchst daran nicht zu zweifeln…“
Diese Worte ihres geliebten Menschen, durchbohrten Erika wie ein Blitz . Sie, in einer bewegungslosen Pose erstarrt, stand einen Schritt vom sch;nen J;ngling und wusste nicht wie weiter. Vor einigen Augenblicken war vor ihr ein naher und lieber Mensch, jetzt stand vor ihr ein schon fremder Mann. Jetzt gab es zwischen ihr und diesem Russen, dem sie ihre ganze Liebe gegeben und fast alle seine Probleme auf ihre schmale Schultern genommen hatte, wie es ihr jetzt schien, nichts Gemeinsames mehr. Mit Tr;nen in den Augen rannte sie ins Nebenzimmer und schloss dicht hinter sich das Zimmer. Sie zweifelte nicht mehr, dass ihr schweres Gl;ck mit diesem unverst;ndlichen Russen von diesem Augenblick an verschwunden war, verschwunden f;r immer.
Die erste Nacht des begonnen Jahres war f;r die junge Deutsche und den jungen Russe kalt und unfreundlich. Sie lagen in einem Bett neben einander und h;rten das Schlagen ihrer Herzen. Aber diese Menschen und ihre Herzen und sogar ihre Seelen hatten nichts gemeinsam. Jeder schwieg und dachte nur ;ber seins nach. Erika mit Tr;nen in den Augen unternahm in dieser Nacht den n;chsten Versuch, das Besondere des Charakters des russischen Jungen mit so einem schweren menschlichen Schicksal zu verstehen. In dieser Nacht gelang es ihr.
Das Herz und die Seele des Mannes wollten leben, wollten ein ungew;hnliches Leben, das nur er verstand und kein Anderer. Den Tr;umen des geliebten Menschen hatte sie beschlossen nicht entgegenzustehen…
Kusnezow wachte sehr fr;h auf. Erika sa; schon auf dem Sofa und dachte ;ber etwas nach. Keiner von ihnen begann als Erster das Gespr;ch. Jedem war es in der Seele schlecht. Die Vorbereitungen auf die Reise nahmen keine lange Zeit in Anspruch. Er nahm keine Kleider, besa; auch keine. Er steckte seinen Milit;rausweis und Tausend Deutsche Mark in die Tasche, das war alles, was er im vergangenen Jahr verdient hatte. Der Abschied der jungen Leute war sehr trocken. Alexander schaute aufmerksam in Erikas Augen und sagte unter Tr;nen:
„Erika, meine Erika, mach dir keine Gedanken… Ich liebe dich sehr… Verstehe mich richtig, meine Liebe… Ich bin ein Mann und muss beweisen, dass ich, als Mensch, noch f;hig bin / in der Lage bin, noch etwas N;tzliches auf dieser Erde zu machen…Ich bin mir sicher, dass es mir in meiner Heimat gelingen wird …“
Nach diesen Worten umarmte er sie fest und k;sste sie stark auf den Mund. Danach drehte er sich um und ging entschlossen hinaus. Erika rannte ins Zimmer und schaute durch das Fenster. Ihr Geliebter ging festen Schrittes zum Busbahnhof. Sie bekreuzigte mit zitternder Hand das Fenster und fiel auf die Knie. Danach bat sie Gott um Hilfe f;r jenes Schaffen, das der fl;chtige Soldat aus der westlichen Gruppe der Truppen vorhatte zu erledigen…
… Genau drei Jahre vergingen, nachdem Alexander Kusnezow in die Heimat zur;ckgekehrt war. Die F;hrungen Russlands und Deutschlands erf;llten ihre Versprechungen, keine der M;chte verfolgte die Milit;rfl;chtlinge. Es bedeutete das Ende des kalten Krieges. Es ging das erste Jahr des dritten Jahrtausends zu Ende. Eine der Zeitungen Kasachstans hatte dar;ber berichtet, dass aufgrund von Herzbeschwerden der erfolgreiche Gesch;ftsmann Farid Ischakow verstorben war. Die Leitung der Firma hatte Alexander Kusnezow ;bernommen, sein Stellvertreter. Der neue Leiter war erst drei;ig Jahre alt…
…Nach einem Jahr informierte dieselbe Zeitung ihre Leser, dass der Leiter der Firma Alexander Kusnezow, einer der wohlhabensten Menschen des Landes, die Ehe mit der B;rgerin der BRD Erika Kr;ger geschlossen hatte… Nach neun Monaten kam bei den jungen Eheleuten ein Sohn zur Welt. Sie gaben ihm den Namen Farid…
Inhaltsverzeichnis:
Kapitel eins. Mache dem Andenken deines Urgro;vaters keine Schande …… 5
Kapitel zwei. Der Teufelsentschluss 107
Kapitel drei. Das Hundeleben 147
Kapitel vier. Beigeschmack des Gl;cks ............................................................. 241
Wladimir Welikij wurde am 25. September 1950 in Russland geboren.
Seit dem 26. Dezember des Jahres 1999 lebt er in Deutschland, in Stuttgart.
Der Lebensweg des Doktors der Geschichte, des Schriftstellers und des Publizisten ist allt;gliches Schaffen, vielseitiges Schaffen. Er ist Autor und Mitverfasser vieler B;cher und anderer wissenschaftlicher Werke. Von ihm sind sieben Romane erschienen.
Das Leben von Doktor Welikij war zugleich auch dornenvoll. Sein Versuch gegen die Gr;nds;tze des totalit;ren Regimes in der UdSSR aufzutreten hat tragisch f;r ihn geendet. Er war gegen seinen Willen in die Psychiatrie eingewiesen. Lange Jahre war er unter der Kontrolle von Partei- und anderen Organen.
Die Hauptfigur des Romans „Eidbrecher" Alexander Kuznezow leistet seinen Wehrdienst in der „Gruppe Sowjetischer Streitkr;fte in Deutschland" in der DDR.
Er kommt in eine Kompanie, wo die Faust und Kraft herrschen, wo die menschliche W;rde vernichtet wird. Einmal war der junge Soldat au;erhalb der Kaserne und hat eine andere Welt gesehen. Nach langer ;berlegung verl;sst er seine Milit;reinheit. Einige Jahre hat sich der Deserteur vor der deutschen Polizei und den Patrouillen der Sowjetarmee versteckt. In dieser Zeit hat sich in der Welt Vieles ver;ndert…
Unter ungew;hnlichen Umst;nden trifft Kusnezow auch seine gro;e Liebe, Erika Kr;ger…
Ñâèäåòåëüñòâî î ïóáëèêàöèè ¹224071900758