Erkenntnis. 1

– Um Mitternacht verdunkeln sich die Fenster der Sterne, und dann leuchten sie wieder. Warum? 
– Weil sich die Schicht aendert. 
– Und die Sterne finden ihr wahres Licht… das erinnert mich an etwas.  Und so ist es auch mit den Menschen: Wenn man sie allein laesst, sehen nur wenige ihr Licht. 
– Und sollte das so sein? 
– Wahrscheinlich ist es so sogar besser, ruhiger, die Energie wird nicht verschwendet, sie sammelt sich zu einem Klumpen, wie eine Katze…
– Wie eine Katze im Blumentopf auf der Fensterbank, weil es kein grosses Land gibt. Meinst du nicht genau das? 
– Weil es keinen gewuenschten Raum gibt. 
– Wofuer ersehnt? 
– Fuer das Persoenliche. Schliesslich ist alles immer durch jemanden, etwas, Bedingungen begrenzt. 
– Und Einschraenkungen fesseln... 
– Natuerlich. Es ist wie ein Gedanke, der nicht ueber sich selbst hinausgehen kann. 
– Ueber sich selbst hinaus oder ueber das Verstaendnis von Handlungsfreiheit hinaus?
- Ist das nicht dasselbe? 
- Interessanter Gedanke... Gedanken koennen nicht ueber sich selbst hinausgehen... die Grenze der Handlungsfreiheit des Denkens... Ein Gedanke? Wie ist das moeglich? 
- Ich weiss es nicht. Ich spuere es. 
- Kann ich dir einen Tipp geben? 
- … …
- Das ist der Fall, wenn ein Gedanke nicht von Dir abhaengt, es nicht Dein  Gedanke ist, Du ihn fuehlst, Du ihn siehst, aber Du kannst ihn nicht entwickeln, Du kannst ihn nicht offenbaren, er liegt ausserhalb Deiner Kompetenz und Du behaltest ihn im Bereich Deiner Sicht oder Deiner Gefuehle, um zu verstehen, was ausserhalb Deines Verstaendnisses liegt.
- Wahrscheinlich schon. Und die Katze? 
- Mit der Katze ist es einfacher. Man kann sie beeinflussen. 
- Weil sie materiell ist? Das heisst... 
- Genau. Ein Gedanke kann nicht ueber sich selbst hinausgehen, deine Wuensche reichen nicht aus, um ihn aus seinem sichtbaren und doch abgeschiedenen Ort zu verdraengen...
- Ein Paradoxon. Es stellt sich heraus, dass alles, was nicht von mir erfunden wurde, niemals vollstaendig verstanden werden kann, es kann nicht von seinem Platz bewegt werden – es kann nicht gesehen werden, ebenso wenig wie alles, was jenseits der Schoepfung liegt.
- Die Grenze der Gedankenfreiheit.
- Aber das ist die Grenze meiner Gedankenfreiheit.
- Und wovon rede ich?
- Ein Gedanke, der nicht ueber sich selbst hinausgehen kann, bin ich es?
- Mhm…
- Niemals?
- Nicht ganz, nicht ganz so tragisch. Fragen sind gleich Antworten, und du wirst dich selbst mit demselben Gedanken verstehen, den du scheinbar nicht verstehst. 
- Und warum habe ich mich daran geklammert, wenn doch alles seine Zeit hat?
- Genau diese Zeit...
- Zeit fuer Antworten auf Fragen?
- Ich erinnerte mich! Vor ein paar Jahren wollte ich unbedingt die Skulptur eines Maedchens mit dem Titel „Tritt ein in die Welt...“ auf dem Schiff von der Seite sehen, aber jedes Mal, wenn ich mich dem Land naeherte, erschien sie direkt vor mir, vor der offenen Tuer des Schiffes, als ob sie aussteigen und den allerersten Schritt in die Welt machen wuerde... und heute...
- Vor einem Tag.
- Ja, vor einem Tag.
- Vor zwei Tagen.
- Vielleicht sollte ich mich genau erinnern, wann?
- Weisst du noch?
- Ich weiss es nicht mehr? Muss ich das?
- Du bist so fixiert auf diese Erinnerung...
- So sehr, dass andere nicht durchkommen? Wolltest du das sagen?
- Stell dir vor, du waerst an meiner Stelle! 
- Das wollte ich hoeren. 
- Was meinst du? 
- Ich an deiner Stelle?
- Nein. Du bist derselbe regungslose Gedanke, in dem Sinne, dass du an deinem Platz bist, aber ich kann nicht verstehen, was sich hinter dir befindet, oder besser gesagt, was sich hinter dieser Tuer befindet, obwohl ich verstehe, dass es einen Korridor gibt, der zu unzaehligen Raeumen fuehrt, hinter denen sich viele Wege, Hallen und Raeume befinden, aber keiner von ihnen fuehrt mich ueber das Schiff hinaus. Wurde ich auf einem Schiff geboren?
- Du hast deine Gedanken gerade von deiner Unfreiheit abgelenkt.   
- Habe mich an die Wahrheit erinnert? Aber ich wurde nicht auf einem Schiff geboren. Obwohl ich mich in diesem Leben an mehrere meiner Leben gleichzeitig erinnere, und noch dazu an parallele.   
- Du hast dich daran erinnert, dass du dich nicht daran erinnerst, das Schiff verlassen zu haben.
- Und ich erinnere mich nicht an das grosse Land, wie eine Katze, zufrieden mit der Erde eines Blumentopfs in irgendeinem Zimmer eines Hauses. Traurig. 
Und der Punkt fand Freiheit, doch die Selbsterkenntnis schenkte ihm Traurigkeit... 
- Vielleicht. Das heisst, ich sah, erinnerte mich, verstand und bin immer noch dort, wo ich einst hintrat. Stimmt's?
- Nein. Du hast dich nur an deine ersten Schritte erinnert, wo immer sie auch waren. Verstehst du? 
- Antworten auf Fragen? Und so ist es immer. Wohin du auch gehst, es gibt Antworten, denn Fragen kennen die Gedanken hinter den Gedanken... Und nun endlich gelang es mir, die Figur „Ein Schritt in die Welt“ von der anderen Seite zu sehen. Nach Wuenschen – die Antwort.
– Die Antwort ist optional. Tag hinter der Sonne. 
– Tag hinter der Sonne… Licht nach dem Gedanken. 
Einsicht!
– Licht nach dem Gedanken. Einsicht. 
– Wissen sie davon? 
– Sie wissen es nicht.


Uebersetzt aus dem russischen: „Озарение.1“
(Fortsetzung von „Sie wissen es nicht“, „Im Himmlischen und Irdischen“, „Tempel der Ewigkeit“, „Code Seraphinii“)
http://proza.ru/2025/06/11/94

Erkenntnis.2
http://proza.ru/2025/06/13/771


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