Чужая жизнь под своим именем

Издал такой сборник на немецком языке.

Вот один из рассказов этого сборника.

Er wollte nicht sprechen

Unter Journalisten gibt es den Ausdruck „sich ausgeschrieben haben“.
Ausgeschrieben – das bedeutet nicht nur, dass man nichts mehr schreiben will, sondern dass man es einfach nicht mehr kann. Man sitzt ;ber einem leeren Blatt oder einer wei;en Word-Seite und h;rt, wie die Zeit leise tropft. Und die Worte kommen nicht mehr – als w;ren sie in ein anderes Haus gezogen. Die Tasten gehorchen nicht, der Kopf ist mit allem besch;ftigt, nur nicht mit dem Text, den man schreiben m;sste. Und man versteht: Man hat sich ausgeschrieben. Zur;ck bleibt nur der Durst … noch einmal von vorn anzufangen.

W;hrend einer solchen journalistischen „Ferienpause“ rief man mich aus dem Regionalklinikum Nr. 3 an:

„Entschuldigen Sie die St;rung. Wir haben hier… einen seltsamen Fall. Der Patient ist lebendig, bei Bewusstsein, aber… er spricht nicht. Und nicht, weil er nicht kann. Er will nicht. Vielleicht w;re das f;r Sie interessant. Wir haben bereits einen Psychiater gerufen. Ohne Ergebnis.“

Ich war vierzig Minuten sp;ter dort. Der Schnee fiel, als h;tte jemand ein Kissen ;ber der ganzen Stadt ausgesch;ttelt. Ich schlug die Kapuze zur;ck, ging durch die Aufnahme und folgte den Anweisungen der Schwester in die Neurochirurgie, wo man den „seltsamen“ Patienten vor;bergehend untergebracht hatte. Im Zimmer sa; am Fenster ein etwa f;nfzigj;hriger Mann, mit finsterem Blick und vollkommen lebendigen, aufmerksamen Augen.

„Er h;rt Sie und versteht Sie“, sagte die behandelnde ;rztin, „aber er spricht nicht. Kein Wort. Bei ihm war nur eine Tasche und sein Dienstausweis des Instituts f;r Chemie fester Brennstoffe.“
Ich setzte mich ihm gegen;ber. Stellte mich vor.

Ich sagte:

„Vielleicht wollen Sie nicht mit ;rzten sprechen, aber vielleicht wollen Sie mit mir reden? Ich brauche keine Sensation. Sagen Sie mir einfach – was ist mit Ihnen passiert?“

Stille. Nur sein Blick.

Ich versuchte es anders: fragte nach seiner Arbeit, zeigte Fotos von Bekannten im Institut, erinnerte daran, wie ich vor drei Jahren den Brand im NIIChTT-Lager dokumentiert hatte. Der Mann reagierte nicht.

Ich sagte:

„Sie sind doch nicht ohne Grund verstummt. Das ist kein Schock. Das ist… Protest? Oder… ein Geheimnis?“

Er nickte leicht.

Das war unerwartet. Die erste Reaktion. Ich sp;rte, wie in mir dieser journalistische Instinkt zuckte: Da ist eine Geschichte. Aber Druck auszu;ben war unm;glich. Ich spielte v;llige Gleichg;ltigkeit, verabschiedete mich und ging.
Am n;chsten Tag brachte ich ein Notizbuch und einen Stift. Reichte sie ihm.

Ich sagte:

„Schreiben Sie. Irgendetwas.“

Der Mann blickte lange aus dem Fenster, dann schrieb er krakelig:

„Ich kann es nicht sagen. Wenn ich es sage – sterben Menschen.“

Das lie; mich nicht los. Ich zapfte all meine Quellen an und erfuhr, dass Andrej Aleksejewitsch B. – so hie; der schweigsame Patient – in einem Labor gearbeitet hatte, das zwei Jahre lang geheime Forschungen f;r einen gro;en f;deralen Konzern durchgef;hrt hatte. Ger;chten zufolge entwickelte man dort einen neuen Brennstoff f;r arktische Anlagen – leistungsstark, billig, aber potenziell instabil.

An dem Tag, an dem Andrej Aleksejewitsch in der Klinik landete, hatte es im Institut einen Vorfall gegeben – nicht ;ffentlich, in keiner Nachricht erw;hnt. Angeblich ein „Brand“, aber laut Security brachte man jemanden im Schutzanzug heraus, und anschlie;end wurde der ganze Stock f;r mehrere Stunden abgeschaltet.
Zwei Tage nach meinen „Grabungen“ bemerkte ich, dass ich beobachtet wurde. Zuerst im R;ckspiegel. Dann im Treppenhaus. Offensichtlich wollte jemand nicht, dass ich tiefer in die Geschichte einstieg.

Ich ging wieder in die Klinik. Andrej Aleksejewitsch ;bergab mir schweigend zwei Zettel. Auf dem ersten stand: „Such nicht weiter. Mit meinem Schweigen habe ich mehr gesagt, als man mit Worten sagen kann. Verzeih.“

Der zweite war noch k;rzer:

„Wenn es explodiert – wirst du alles verstehen.“ Unterschrift und Datum.
Das Datum war merkw;rdigerweise der kommende Tag.

Noch am selben Abend verschwand Andrej Aleksejewitsch. Im w;rtlichen Sinn. Das Zimmer war leer. Die Schwester meinte, er sei „verlegt“ worden, aber niemand wusste wohin. Auch seine Patientenakte war weg. Die Wachleute wimmelten ab.

Ich blieb ohne Material zur;ck. Ich konnte nur eine kurze Notiz schreiben:

„In unserer Stadt gibt es einen Menschen, der das Schweigen gew;hlt hat, um jemandes Leben zu retten. Und es gibt jene, die schweigen, um ihre Geheimnisse zu bewahren. Wer von ihnen gef;hrlicher ist – muss jeder selbst entscheiden.“
Die Zettel von Andrej Aleksejewitsch versteckte ich in einem Geheimfach.
Am n;chsten Tag meldeten die Nachrichten kurz: „Auf dem Gel;nde des alten Industriepolygons hat sich eine Explosion ereignet. Keine Opfer. Ursachen werden gekl;rt.“

Eine Woche sp;ter rief mich eine meiner zuverl;ssigsten Quellen an. Er sagte leise:

„Dein Schweiger ist kein Opfer. Er ist die Sicherung.“

Es stellte sich heraus, dass man im Institut gro;e Tests jenes neuen Brennstoffs vorbereitete. Andrej Aleksejewitsch hatte als Erster begriffen, dass die Formel, die man im zivilen Bereich einsetzen wollte, wahnsinnig instabil war. Eine falsche Proportion – und eine ganze Serie von Anlagen h;tte zu einer Kette von Feuerwerken im Ausma; der gesamten Region werden k;nnen.

Andrej Aleksejewitsch weigerte sich, die Dokumentation zu unterzeichnen. Man bedrohte ihn, verlangte seine Unterschrift. Und da tat er das Einzige, was er noch tun konnte: Er h;rte auf zu sprechen. Sein Schweigen sprengte das Projekt – w;hrend die Auftraggeber auf einen „klaren Bericht“ warteten, wurde das Labor geschlossen, die Unterlagen beschlagnahmt und das gef;hrliche Muster zur Entsorgung gebracht. Genau diese Explosion auf dem Testgel;nde war die Entsorgung. Kontrolliert… so weit man so etwas kontrollieren kann.

Mir wurde pl;tzlich kalt. Nicht vor Angst – sondern vor dem Umfang dessen, was
ich verstanden hatte.

Dieser seltsame schweigsame Mann hatte nicht „einige“ Leben gerettet. Sondern Hunderte. Vielleicht Tausende. Einfach indem er die Stille w;hlte. Er war buchst;blich die Pause, die dem System gefehlt h;tte, um nicht zu explodieren.
Ironisch: Manche retten die Welt, indem sie Kn;pfe dr;cken, und er rettete sie, indem er nicht auf das Wort „einverstanden“ dr;ckte.

Und da begriff ich: Meine eigene Schreibblockade war nicht verschwunden, weil ich pl;tzlich erleuchtet oder st;rker geworden war. Nein. Sie verdampfte, weil ich zum ersten Mal sah – Wort und Schweigen sind keine Gegens;tze. Es sind zwei unterschiedliche Waffen. Und manchmal ist das Lauteste der Welt jene Stille, die im richtigen Moment ausgesprochen wird.

Ironie des Schicksals: Ich, Journalist, wartete auf eine Geschichte, um wieder sprechen zu k;nnen. Und bekam einen Menschen, der aufh;rte zu sprechen, damit die Geschichte nicht zu fr;h endete.

Und schlie;lich verstand ich: Schreiben k;nnen wir nur dann, wenn wir das Risiko akzeptieren, geh;rt zu werden – das Risiko, etwas zu sagen, f;r das wir vielleicht einmal Verantwortung tragen m;ssen.

Und schweigen k;nnen wir nur dann, wenn wir ein anderes Risiko akzeptieren – das Risiko, falsch verstanden zu werden.

Viele Menschen f;rchten sich vor ehrlichen Worten, weil ehrliche Worte verletzlich machen.

Nur wenige k;nnen so schweigen, dass es ebenfalls eine bewusste Entscheidung und keine Schw;che ist.

Aber genau zwischen diesen beiden Risiken verl;uft die Grenze jedes aufrichtigen Lebens: zu sprechen, wenn man sprechen muss, und zu schweigen, wenn Schweigen mehr rettet als Worte.


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